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aus reichlich beschenkt wurden. Mehrere Hundert Mark wurden uns an baarem Geld, auf die Bitte des Direktoriums, gesandt und die Zahl der Gaben an Kleidungs- und Wäschestücken, Hüten Mützen Schuhen. Spielzeug war wider alles Erwarten groß, ein Beweis, wie viel Freunde unser Rettungshaus im ganzen Glauchauer Bezirk und nicht zum wenigsten in Hohenstein und der nächsten Umgebung hat. Die Uhlig-Mühle zu Hermssorf sorgte, w e jedes Jahr, für die schönen großen Stollen. Den edlen Gebern ist zwar unmütelbar nach der Christbescheerung schon gedankt worden, wir können jedoch nicht umhin, auch hier unser: Gott vergelt's! auszudrücken. — Im Sommer schenkte Frau Commerzienrath Beck eine größere Summe zur Veranstaltung eines schönen Spazierganges in den Herbst'erien Da jedoch unsere Kinder ihren Schulausflug zurückgelegt hatten so wurde diese Gabe mit Genehmigung ver edler Spenderin zum Grundstock für Erbauung eines Badebassins im Stiftsgarten genommen Dankbar erwähnen wir noch daß Frau Commerzienrath Beck, ebenso >vie die Hausbesitzerin Tetzner im Hüttengrund unserer Wirthschaft die Grasnutzung in ihrem Garten überließ. Ueber vie Einnahmen u. Ausgaben der Stiftskasse zu berichten, sind nicht wir. sondernnurderSchatzmeister des Kreisvereins, Herr Stadtrath Rueff in Glauchau in der Lage, der gewiß jedem Interessenten einen Einblick in seine Rechnungen gern gewähren wird. Nur das sei er- wähnt, daß im letzten Jahre Wirthschaftserträgnisse im Werthe von 1784 Mk 45 Pf. von unseren Zöglingen verzehrt, dagegen Wirth schaftserträgnisse im Werthe von 897 Mk. für das Vieh im Stalle gebraucht daß für über 201 Mk. Eier, Gemüse u. s. w. verkauft uno für Hans-und Felvarbeit, sowie für Benutzung der Wäschemangel 315 M. vereinnahmt worden sind. In der Hausbüchse fanden sich am Jahresschluß 8 Mk. 38 Pf. Gottes Gnade walte ferner über unsere Anstalt und unserer Arbeit! Das Lutherhaus in Wittenberg. Gern versetzen wir uns am 3 l. October, der uns unsern Luther als Reformator vor Augen führt, auch in die Räumlichkeiten, in denen er als Hausvater geschaltet und gewaltet, und von denen er seine großen und gewaltigen Werke und Schriften hat ausgehen lassen. Das Haus, in dem Luther zu Wittenberg wohnte, war noch nicht alt, als er es bezog. Kurfürst Friedrich der Weise ließ es im Jahre 1502 für den Augustiner-Orden errichten dessen Angehörige er an seiner neu gegründeten Universität als Lehrkräfte zu verwenden gedachte, und schon sechs Jahr, nachdem es erbaut war, im Winter des Jahres 1508, trat Luther, dem Rufe des Kurfürsten folgend, in die Räume dieses Hauses ein, in denen er sein ganzes weiteres Erdenleben verbringen sollte. Als er am 31. October 1517 seine Thesen an die Wittenberger Schloßkirche angeschlagen hatte, und die dadurch hervorgerufene Bewegung einen immer größeren Umfang annahm, da begann es auch im Wittenberger Kloster zu rumoren, wilde Reden wider das Klostergelübde wurden gehalten, und eines Tages geschah es, daß 13 Augustiner, etwa ein Dritttheil sämmtlicher Insassen, das Kloster verließen. Die Zurückbleibenden aber waren nun nicht etwa in der Erfüllung ihrer klösterlichen Pflichten um so eifriger, sondern auch sie führten allerlei Neuerungen ein und ver nichteten die Heiligenbilder. Allmählich legte einer nach dem andern die Kutte ab und verließ die Klostermauern, wobei jedem 100 Gulden zu seinem weiteren Fortkommen übergeben wurden, und als das Jahr 1523 zu Ende ging, da war in dem ganzen weiten Hause nur noch Luther nebst dem ehemaligen Prior und etlichen Gästen übrig. Schließlich gingen auch diese und Luther fand sich alle!» im Hause. Jetzt legte er die Augustinerkutte vollends ab und vertauschte sie mit dem schwarzen Predigerrock, in dem man ihn fortan ab gebildet sieht und zu dem der Kurfürst ihm das Tuch geschenkt hatte Aber der Kurfürst lhat mehr; er schenkte dem ihm theuer und werth gewordenen Manne auch das Klostergebäude nebst den dazu gehörigen Räumlichkeiten. So war denn der Reformator Besitzer und alleiniger Bewohner eines großen Hauses. Wohnlich sah es nicht gerade darin aus; seit die Reformation begonnen und das Einkommen des Klosters ab- genommen hatte, war fast alles Mobiliar verkauft worden oder sonst abhanden gekommen. Aber Luther wußte sich zu helfen. Mitten in den Wirren der Zeit, im Sturm und Drang des Bauernkriegs, be lastet mit des Reiches Acht und der Kirche Bann schuf sich Luther im Jahre 1525 mit seiner Käthe eine stille, friedliche Häuslichkeit, und am 27. Juni desselben Jahres begab sich das Unerhörte, daß in den Räumen des früheren Klosters eine fröhliche Hochzeitsgesell schäft beisammen war. Und es war fürwahr ein fröhlicher Wechsel, den das brave Klostergebäude erlebte: Zuerst Möncherei, dann Ver ödung, und dann ein fröhliches, gottgesegnetes Familienleben Man sollte meinen, das Haus müsse selbst etwas von diesem fröhlichen Tausche verspürt und sich dessen durch alle Balken und Steine hin durch gefreut haben. Der Tausch ist ihm aber auch für sein äußeres Wohlansehen und Bestehen köstlich zu statten gekommen; denn Luther sorgte dafür, daß es wieder in guten Stand gesetzt und darin er halten wurde, nahm allerlei Ausbesserungen und Umbauten daran vor, und in einer Rechnung des Rathes zu Wittenberg kommen ein mal nicht weniger als 90 Metzen voll Kalk und 6^ Tausend Steine vor, die dem Luther geliefert und geschenket worden. Und wie ist das frühere Klosterhaus in demselben Maße als es sich mit Kindern füllte, als die Hänsichen, Lenichen, Gretchen Martin, Paul nach einander anrückten und noch allerlei werthe Gäste dazu kamen, unter der waltenden Hausfrauenhand der Frau Käthe immer wohnlicher und freundlicher eingerichtet worden! Wie hat sie es verstanden, eine verödete, unbenutzte Räumlichkeit nach der andern in's Fa milienleben hineinzuziehen und ihr den Stempel der behaglichen Häuslich keit auszudrücken! Wie hat sie Ordnung gehalten und ihres Amtes gewaltet in Stube und Küche im Keller und im Brauhaus, wo sie das Bier bereitete, das ihrem Eheherrn eine so angenehme Erquickung war, und namentlich im Garten am Haus, der unter ihrer Pflege stand und in dem sich auch Or. Martinus gern erging, nachsinnend über Gottes Wort, über der Kirche und der Welt Lauf, am Gesang der Vögelein sich ergötzend und sie als die allergelehrtesten Doctores preisend, düweil sie alle ihre Nahrungs- und sonstigen Sorgen fröh lich dem großen Gott im Himmel überlassen! Am liebsten sehen wir uns in der eigentlichen Familien st ube Luthers um, d-'e auch heutzutage noch in ihrer ursprünglichen Ge stalt erhalten ist, während die anderen Räumlichkeiten alle im Lause der Zeit bedeutende Veränderungen erlitten haben. Sie wurde seiner Zeit nach Luthers eigenen Angaben eingerichtet und ist seither un verändert geblieben. Es ist kein so kleiner dürftiger Raum, wie man ihn wohl in neumodischen Wohnungen antrifft, sondern eine ge räumige. richtige deutsche Familienstube. Die Decke ist getäfelt, mit Blumen und Engelsköpfen heiter bemalt; die Wände haben bis über die Hälfte der Höhe hinauf ebenfalls Vertäfelung. Eine Bank zieht sich, in die Wand eingelassen, um's ganze Zimmer her; zwei große gewölbte Fenster mit kleinen, von Blei eingefaßten Scheiben lassen Licht genug in die Stube herein Der große, kunstvoll gebaute Kachelofen steigt pyramidenförmig bis nahe zur Decke empor und ist ganz mit Bildern aus der biblischen Geschichte bedeckt, zu denen Luthers Freund, der bekannte Maler Lucas Kranach, die Zeichnungen machte. Noch steht in der Ecke der Tisch, um den Luther die Seinen zu Weihnachten versammelte, an dem er mit seiner Familie und seinen Gästen gesessen und das Mahl mit seinen Tischreden ge würzt hat Wie manchmal haben in der Zeit, da Luther die Bibel übersetzte, auch die Mitarbeiter am Werke sich an diesen Tisch ge setzt, wenn Luther mit ihnen in seiner Studirstube etliche Stunden mühevoller Arbeit im Studirzimmer gethan hatte und sie dann bei sich zu Tisch behielt! Auch an ernster und fröhlicher Hausmusik haben die Wände dieses Zimmers gar oft wiedergehallt. „Wir singen so gut wir's können", schreibt Luther darüber, „über Tische und geben's dann weiter. Machen wir etliche Säue darunter, so ist dies nicht dessen Schuld, der die Musik ausgedacht, sondern unsere Kunst, die noch sehr gering ist." Ja, es ist ein schönes gottgesegnetes Familienleben gewesen im Lutherhause und der Lutherstube, und wohl mag man, wenn man die klösterliche Zeit des Hauses mit der späteren vergleicht, an das Wort eines schwäbischen Geistesverwandten von Luther erinnert werden: „Ein gottselig Haus mit Weib und Kind ist ein Bienenkorb ein Kloster aber mit allen seinen Mönchen und Frommen doch nichts weiter denn ein Wespennest." — Möchte der Geist, der vom Lutherhause ausgegangen ist in alleunsereHäuserundFamilieneinkehcen ! Druck von I Ruhr, Hohenstein.