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12812 Börsenblatt f. s. Dtschn. Buchha»»«r. Nichtamtlicher Teil. 246, 21. Oktober 1S12. Es würde zu weit führen, jeden einzelnen Fall auizu- zählen, wo die Geschäfte den Ausschüssen die Kosten decken oder vielleicht einmal einen kaum nennenswerten Gewinn bringen. Unter den gleichen Verhältnissen kann eben der Buch handel nicht arbeiten, kann auch nicht abwarten, bis ihm die versprochenen Früchte der Psadsinderarbeit der Ausschüsse in den Schoß fallen. — In dem weiteren Kapitel »Die Stellung des Deutschen Buchhandels zu dem Bedürfnis des Volkes nach guten, bil ligen Büchern« verbreitet sich die Schrift über die Tätigkeit des Verlags und macht ihm den Vorwurf, versäumt zu haben, billige Bücher (als einzige Ausnahme wird großmütig Reclam zugestanden) auf den Markt zu bringen. Wenn nun auch in den weiteren Ausführungen die übrigen verdienstvollen Sammlungen billiger Bücher aufgezählt werden, so klingt doch die Darstellung genau so, als ob der Weckruf zu diesem Um schwung erst von den Prüfungsausschüssen hätte ausgehcn müssen. Also das billige Buch war da, und zwar wurde es nicht erst auf Anregung der Prüfungsausschüsse geschaffen. Als besonderes Verdienst nehmen die Hamburger auf dem Gebiete der Jugendschriften für sich in Anspruch, einen Ver lag dazu bestimmt zu haben, eine billige Ausgabe von Storms »Pole Poppenspäler« zu bringen. Nun ist dies nach dem uns allen gewiß maßgebenden Urteil des Herrn Kollegen Seippel kein Kinderbuch und keine Jugendschrist. Worin soll nun das Verdienst der großen Verbreitung bestehen? Es wer den sodann eine Reihe von weiteren Schriften aufgezählt, die auf Veranlassung der Prüfungsausschüsse herausgegeben wur den. Die daran geknüpfte Bemerkung, die Verleger hätten ohne die Unterstützung der Ausschüsse eine derartige Verlags tätigkeit nicht durchführen können, beweist eben doch vornehm lich, wie sehr die Herren ihre eigenen Erzeugnisse zu verbreiten bestrebt sind. Während nun im großen und ganzen dem Verlag dafür Anerkennung gezollt wird, daß er den Zeitgeist erfaßt hat, wird dem Sortiment hingegen mit einigen Ausnahmen vor- gcworfen, daß es als Vermittler zwischen Verlag und Publi kum vollständig versagt habe. Es wird hier der Ausspruch eines Mitarbeiters am Werk der deutschen Volksbildung zi« ticrt: »Das Sortiment ist das größte Hindernis der deutschen Kultur«. Dies erschien Wohl auch dem Verfasser etwas zu viel, und er gibt die Möglichkeit einer Übertreibung zu. In der »Hilfe« 1911, Nr. 49, kommt auch Walter Aßmus zu dem Er gebnis, daß der Buchhändler nicht mehr der Kulturträger von ehedem sei, und lediglich auf seinen Profit ausgehe. Liegt hierin schon eine starke Übertreibung, so möchte ich die Frage aufstellen, ob die Herren der Volksbildung vom Idea lismus allein leben können. Es ist interessant, daß der Vorsitzende der Vereinigten Pr.«A. unter den angeblich obwal tenden Umständen nichts natürlicher und selbstverständlicher findet, als daß das Sortiment und die Volksbildner Hand in Hand arbeiten. Wie aber ist dies möglich, wenn die Lehrer ihre Mit wirkung ausdrücklich versagen bzw. die Mitarbeit der Buch händler in ihren Ausschüssen ablehnen? Beweise hierfür sind vorhanden. Ob es nun »Geschäftsrücksichlen« der Herren Lehrer sind, oder ob der Buchhändler nicht als gleichberechtigt ange sehen wird, mag dahingestellt bleiben. Man ist geneigt, beides anzunehmen, wenn seitens der Herren Volksbildner »verlangt« wird, sich in den Dienst der Volkskultur zu stellen. Ein Handinhandarbeiten mit der Lehrerschaft wird der einsichtsvolle Buchhändler nicht leicht abweisen, wenn die Herren sich aber einbilden, dem Buchhändler einfach diktieren zu können, so dürfen sie sich nicht wundern, wenn sie auf Widerstand stoßen. Man weiß auch nicht recht, ob es Dreistig keit ist oder Naivität, daß die Herren darüber klagen, daß das Börsenblatt wohl Stellung gegen die Schundliteratur nimmt, ohne jedoch auf die billigen guten Büchersammlungen als Er satz dafür hinzuweisen. Daß damit nur die Lehrerbücher ge meint sind, ist ohne weiteres klar. Sehr leicht ist es, den Börsenverein und sein Organ zu kritisieren durch die Feststellung, daß das Börsenblatt für An zeigen von Schundliteratur seine Spalten össne, besonders weil der Börsenverein das Treiben der Prüfungsausschüsse bis jetzt unangefochten gelassen hat. Es gibt wohl Bücher, die jeder Einsichtige als Schund bezeichnen wird, diese wird man vergeblich im Börsenblatt suchen. Bei manchen ist die Unterscheidung aber sehr schwierig, und die Ansichten der Kri tiker sind oft recht verschieden. Es ist doch unmöglich, alles zurückzuweisen, was nicht etwa durch die Approbation der Prüfungsausschüsse berechtigt erscheint. Wenn Herr Brunck- horst dem Redakteur des Börsenblattes vorhält, daß er gegen einen seiner Gegner (den bereits genannten Walter Aßmus) nichts vorzubringen habe, als ihm feine Jugend vorzuwersen und ihn einen unpraktischen Ideologen zu schelten, so mutz ich annehmen, daß er seine Gesinnung geändert hat. Es ist noch nicht sehr lange her, daß der gleich« Herr Brunckhorst mir meine Jugend vorgeworfen hat; es stellte sich dann heraus, daß dieser gleiche Herr Brunckhorst noch ein Jahr jünger ist als ich. Es wird darüber Klage geführt, daß Buchhändler die billigen Hefte nicht führen, für die die Hamburger Lehrer schaft so eifrig agitiert (Wohl nicht zum wenigsten der Hono rare wegen). Wenn es nach dem Sinn jener Herren ginge, so müßten sich die Buchhändler fast ausschließlich diesen wohl feilen Heften zuwenden. Wovon die Buchhändler, die mit dem Verkauf von Büchern ihren Unterhalt verdienen müssen, aber leben sollen, verraten diese Volksbildner nicht. Die Papierhändler zeigen sich hierin gefügiger. Warum aber? Weil sie neben Büchern noch einträgliche Artikel führen und viele auch wohl deshalb, weil ihnen als Endziel eben auch ein Handel mit Büchern in größerem Stil vorschwebt, der natürlich einen Riesengewinn abwirft. Zu diesem trügerisch enSchluß geben gewissenloseVer- legcr und Bücherfabrikanten leicht Anlaß, indem sie an die Papierhändler und ähn liche heran treten und ihnen Rabattver günstigungen von bald KO Prozent an bieten. Ich kenne Fälle, daß solchen Leuten, die zum erstenmal Bilderbücher aufnahmen, Sv Prozent Ra batt gegeben worden sein soll, während dem naheliegenden ortsansässigen größten Sortimenter ein um 10 Prozent ge ringerer Rabatt eingeräumt wurde, obwohl dessen Verwen dung für den betreffenden Verlag seit Jahren erwiesen war. Diese übrigens gegen die Börsenvereinssatzungen verstoßenden Rabattbcwilligungen an Wiederverkäufer sind leider schon weit mehr eingerissen, als das Sortiment nur ahnt. Es ist ganz unmöglich, jeden einzelnen Fall zu erwähnen, der beweisen soll, wo und warum das Sortiment versagt haben soll, die Bildungsbestrebungen zu sördern. Wie glorifiziert Herr Brunckhorst dagegen sich selbst und seine Helfershelfer! Alles, was von dieser Seite unternommen wurde, ist gut und richtig, wenn also eine Änderung eintreten soll, so hat sich der Buchhandel zu ändern. Dem gegenüber mutz daran erinnert werden, daß sich der Buchhandel leider schon gar zu sehr seitens der Prüfungsausschüsse hat bevor munden lassen, und wenn in gemeinsamer Arbeit etwas Er sprießliches geleistet werden soll, so werden sich die Prüfungs- Ausschüsse zu Zugeständnissen bequemen müssen. Wenn z. B. darüber geklagt wird, daß der Frankfurter- Buchhandel plötzlich seine pekuniäre Beteiligung an dem Ju- gendschriften-Verzeichnis des Frankfurter Ausschusses zurück-