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Hohensteiner Tageblatt : 24.09.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id184110793X-189709244
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id184110793X-18970924
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-184110793X-18970924
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohensteiner Tageblatt
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-09
- Tag 1897-09-24
-
Monat
1897-09
-
Jahr
1897
- Titel
- Hohensteiner Tageblatt : 24.09.1897
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denselben vorgelegt zu haben. Der Angeklagte war allenthalben geständig, weshalb die Herren Geschworenen die ihnen vor gelegten Schuldfragen durchgängig bejahten, während sie ihm andererseits mildernde Umstände zubilligten. Diesem Wahr spruche gemäß verurtheilte der Gerichtshof den Angeklagten, welcher durch Herrn Rechtsanwalt Otto von hier vertheidigt wurde, gemäß 88 350, 351 des Strafgesetzbuches zu 1 Jah.e Gefängniß. — Hierauf wurde der am 3. Mai 1863 in Zwickau geborene, zuletzt in Werdau wohnhaft gewesene unverheirathete Gelbgießer Oskar Meyer, welcher wegen Widerstands, Sittlich keitsvergehens usw. schon einige Male bestraft ist, aus der Haft vorgeführt, um sich wegen des Verbrechens der Rothzucht, sowie wegen Sittlichkeitsvergehens im Sinne von 8 183 des Strafgesetzbuches zu verantworten. Die Verhandlung fand selbstverständlich unter Ausschluß der Oeffentlichkeit statt. Durch das öffentlich verkündete Urtheil wurde der Angeklagte auf Grund von 88 177, 183 des Strafgesetzbuchs unter Jnwegfall- stellung der am 14. Juni d. I. vom König!. Schöffengericht Werdau wegen Widerstands usw. gegen ihn erkannten Gefäng- nißstrafe von 5 Monaten 2 Wochen zu einer Gesammtstrafe von 4 Jahren 2 Monaten Zuchthaus und Verlust der bürger lichen Ehrenrechte auf die Dauer von 10 Jahren verurtheilt. Auf die Strafe wurde ihm die Gefängnißstrafe, die er seir 5. Juli d. I. in der hiesigen Strafanstalt verbüßt, angerechnet. Mildernde Umstände waren dem Angeklagten von den Geschwore nen versagt worden. Die Vertheidigung führte ebenfalls Herr Rechtsanwalt Otto hier. Ulst Wmnl M kw WW WMim. Angesichts der hohen Bedeutung, welche die Beurtheilung jeder politischen Partei durch den Altsreichskanzler Fürsten Bismarck für jeden nationalgesinnten Deutschen haben muß, hatte man auch in sächsischen konservativen Kreisen den dringenden Wunsch empfunden, Klarheit darüber zu erlangen, inwieweit die in letzter Zeit vielfach besprochenen Aeußerungen des Fürsten Bismarck über die konservative Partei eine nach der eigenen Meinung des Altreichskanzlers für die sächsischen Conservativen berechügte Kritik enthalten hätten. Zu diesem Zweck hat zwischen dem Grafen Herbert Bismarck und dem Vorstande des conservativen Vereins in Dresden, Herrn Hof rath Or. Mehnert, ein Briefwesel stattgefunden. Das von Ersterem eingegangene Antwortschreiben lautet den „Dresdn. Nachrichten" zufolge: Herrn Hofrath vr. Mehnert. Dresden. Schönhausen, 19. September 1897. Euer Hochwohlgeboren gefälliges Schreiben habe ich zu erhalten die Ehre gehabt. Ihre Annahme, daß die in neuer lichen Veröffentlichungen meinem Vater zugeschriebenen Aeußer- ungen über die konservative Partei sich nicht auf die Conser vativen Sachsens bezogen haben können, ist vollständig zu treffend. Soviel ich weiß, fußen jene Veröffentlichungen auf längeren Unterhaltungen bei Tisch; es ist deshalb schon wahr scheinlich, daß die in der Folge aus dem Gedächtniß gemachten Niederschriften kein wortgetreues Bild der Aeußerungen meines Vaters geben, während die meisten derjenigen Sätze, die all gemein zutreffend anerkannt werden, auch bereits früher in ähnlicher Form von ihm ausgesprochen worden sind. Ich habe jenen Gesprächen nicht beigewohnt, denke mir aber, daß die Kritik meines Vaters hauptsächlich eine retro spektive war und sich primo looo mit dem Verhalten der conservativen Reichstagsfraktion bei Durchpeitschung der Handels verträge befaßt haben wird. Der Reichstag von 1893 war schon unter neuen Anspicien gewählt worden und mein Vater hat nur den Wunsch, daß bei den 1898 kommenden Neuwahlen diejenigen Ideen, die er nach seiner Weltanschauung auf Grund langer Erfahrungen für conservativ hält, verstärkt zur Geltung gebracht werden. Daß seine zwanglosen Aeußerungen ohne Revision der Fassung in seinem Namen veröffentlicht wurden, war von meinem Vater nicht vorausgesehen. Die Thatsache allein, daß mein Vater sich eingehend und warnend im Hinblick auf die Pflege der conservativen Interessen wiederholt in den letzten Jahren ausgesprochen hat, beweist doch, daß sie ihm am Herzen liegen, denn er würde sich ge wiß niemals warnend oder belehrend in Bezug auf die Führung der Fortschrittspartei äußern, weil er sie für unverbesserlich arnd ihre Tendenzen mit dem Staatswohl unvereinbar hält. Den sächsischen Conservativen und deren Führung in dem Dresdener Landtage speciell hat mein Vater stets An erkennung gezollt, und er hat sich gefreut, zu hören, daß es gelungen ist, in Sachsen für die bevorstehenden Wahlen die Anhänger der staatlichen Ordnung und Vertreter des nationalen Erwerbes unter eine Fahne zu sammeln. Wenn es gelänge, ein Gleiches für die nächsten Reichstagswahlen zu thun, so würde damit ein Ziel erreicht werden, wie es ein besseres für konservatives Streben nicht geben kann. Dazu wäre aber nach der Meinung meines Vaters nöthig, daß das preußische Kontingent der Conservativen sich die Haltung der sächsischen in einigen Richtungen aneignete. Indem ich Ihnen und ihren politischen Freunden, deren herzliche Aufnahme in Dresden ich niemals vergessen werde, für die bevorstehende Kampagne für alle Zukunft den besten Erfolg wünsche, bin im mit der vorzüglichsten Hochachtung Euer Hochwohlgeboren ergebenster H. Bismarck. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Berlin, 22. September. Kaiser Wilhelm hat am Dienstag Abend den gastlichen Boden Ungarns verlassen. Man darf wohl behaupten, daß kaum vorher ein Monarch bei einem Be suche in einem befreundeten Staate so gewaltige Stürme der Begeisterung erweckt hat, wie der deutsche Kaiser auf seiner ungarischen Reise; hat sich auch ein Theil des ungarischen Adels aus parteipolitischen Gründen von den Hoffestlichkeiten fernge halten, so ist doch der weit überwiegende Theil der Bevölkerung einig gewesen in dem Jubel, den die Erscheinung und die Liebenswürdigkeit des jungen Kaisers hervorriefen. Einen gradezu unbeschreiblichen Eindruck hat in ganz Ungarn aber die Tischrede des deutschen Kaisers gemacht, die dem lebhaften Rationalgefühle des am seine Errungenschaften so stolzen Volkes entgegenkam. Die zwischen den beiden befreundeten Monarchen gewechselten Trinksprüche sind ein neuer Beweis für die Herz lichkeit der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen, und wenn beide Reden nur kurz auf die Bedeutung des Bündnisses für den Frieden Europas hinwiesen, so ist damit gesagt, daß die Dauer und die Festigkeit des Friedensbundes über jedem Zweifel erhaben ist. Wenn der Rede des Kaiser Wilhelms noch eine besondere Bedeutung beigemessen werden muß, so liegt diese darin, daß der kaiserliche Redner nicht nur die schlichten, herz lichen Worte seines väterlichen Freundes mit warmer Dankbar keit erwiderte, sondern vor allen Dingen darin, daß er sich an das gesammte Ungarnvolk mit Worten wandte, die dessen Stolz und Selbstbewußtsein zu heben geeignet waren. Kaiser Wil helm svrach gradezu mit einer flammenden Begeisterung von der Vergangenheit des tapferen und vaterlandsliebenden Volkes, und man darf wohl auch der Ueberzeugung sein, daß die Worte nicht ohne politische Absicht gewählt waren. Die Zu stände in der österreichischen Hälfte des Reiches sind allmählich seit dem Ministerium des Grafen Taaffe durch die Politik der „Versöhnung" sehr traurig geworden; das zur Herrschaft ge langte Slawenthum gebraucht seine Gewalt in rücksichtsloser Weise zum Kampfe gegen die deutsche Bevölkerung, der Oester reich doch seine ganze Cultur verdankt, und dieser innere Kampf zehrt an dem Marke des Landes; die unversöhnlichen Gegner des Deutschthums in Oesterreich sind aber zugleich auch die Feinde des mitteleuropäischen Friedensbündnisses, und ihre Smypathien mit der Ost- und Westmacht haben zu den ver schiedensten Gelegenheiten einen offenen Ausdruck gefunden, ohne daß diese Demonstrationen gegen den Dreibund von Seiten des österreichischen Ministeriums eine Zurückweisung erfahren hätten. Dieses Stillschweigen der amtlichen Stellen zu den czechischen Kundgebungen wirkt um so peinlicher, als bekannt genug ist, mit welcher unnachsichtlichen Strenge die Deutschen jetzt in Oesterreich überwacht und bestraft werden, wenn sie an Kund gebungen sich betheiligen, die den derzeitigen Machthabern nicht passen. Nach der jüngsten Tischrede Kaiser Wilhelms wird man annehmen dürfen, daß in der politischen Geschichte Oester reich-Ungarns ein neuer Abschnitt beginnt, in der der ungarischen Hälfte die, für die auswärtige Politik wenigstens, maßgebende Rolle zugedacht ist. Die schmeichelhaften Worte des kaiserlichen Redners müssen dahin verstanden, daß sie eine Anerkennung dafür enthalten, daß die Ungarn heute im Donaureiche die entschiedensten und eifrigsten Vertheidiger des Dreibundes sind, und da sie auch sonst verstanden haben, sich das Uebergewicht zu sichern, so werden sie dafür sorgen, daß die Dreibundspolitik nicht verlassen wird. Berlin, 22. September. In dem am 21. December 1896 zwischen dem deutschen Reiche und den Niederlanden unter zeichneten Auslieierungsvertrage war Vorbehalten, den Gegen stand für die deutschen Schutzgebiete besonders zu regeln. Dem gemäß wurde gestern im Auswärtigen Amte mit dem nieder ländischen Gesandten der Vertrag zur Regelung der Auslieferung zwischen den deutschen Schutzgebieten und den Niederlanden, sowie deren Colonien unterzeichnet. Berlin, 22. September. Die von der Börse für richtig gehaltene, inzwischen schon halbamtlich widerrufene Nachricht von dem Vorgehen der amerikanischen Regierung gegen Spanien hat eigentlich den Cabinetten der europäischen Staaten keine Ueberraschung bringen können. Nachdem die gesetzgebenden Körperschaften der Republik bereits zu wiederholten Malen den Versuch gemacht hatten, ihre Regierung zu einer Einmischung in die spanisch-cubanischen Händel zu bestimmen, mußte damit gerechnet werden, daß diese jenen Einflüssen nicht mehr den gleichen Widerstand wie bisher entgegen setzen würde, seitdem mit dem Amtsantritt de? Präsidenten M'Kinley die chauvi nistischen Strömungen auch an maßgebender Stelle auf Unter stützung zu rechnen hatten. Ueberraschend ist nur die Thatsache, daß es ein der französischen Regierung nahestehendes Blatt, der „Temps", gewesen ist, das die erste Nachricht von dem Vorgehen des amerikanischen Gesandten in Madrid geben konnte, und daß das Ansinnen der amerikanischen Regierung in eine so brüske Form gekleidet ist, als ob die spanische Regierung mit Gewalt zu einer Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten gedrängt werden sollte. So heiß, wie sie aufgetragen ist, wird die Suppe nun freilich wohl kaum gegessen werden. Wie mangelhaft die militärische und maritime Ausrüstung Spaniens auch sein mag, so steht es in ersterer Beziehung sicher über den Vereinigten Staaten, deren Flotte gleichfalls erst in letzter Zeit mit einigen schnellfahrenden Kreuzern ausgerüstet worden ist. Armeen und Flotten aber lassen sich nicht aus der Erde 'tampfen. An hiesigen unterrichteten Stellen beobachtet man )en Vorgängen gegenüber begreiflicher Weise große Zurück- jaltung. Früher hieß es einmal, daß bereits einige Groß mächte zu Gunsten Spaniens in Washington intervenirt hätten. Die Nachricht ist damals in Abrede gestellt worden. Aber es scheint nicht ausgeschlossen, daß die europäische Diplomatie neue Arbeit erhält, diesmal im fernen Westen. Alle die Staaten, die Besitzungen in Amerika haben, haben ein gemeinschaftliches Interesse daran, daß Ansprüche wie die, mit denen die Ver einigten Staaten jetzt Spanien gegenübertreten, sich nicht fest setzen. Die „D. Tagesztg." hält die Nachricht aufrecht, daß ein russisches Getreideausfuhrverbot bevorstehe. Der Finanzminister habe die Zählung aller Getreidevorräthe angeordnet. Wie die „Post" berichtet, hat der geschäftsführende Aus schuß der „DeutschenBäckerinnungen des Germania-Verbandes" beschlossen, sobald der Bundesrath am 7. October zusammenge treten sein wird, sich abermals an ihn in Sachen des Maximalar beitstages zu wenden. In der Eingabe des Jnnungsverbandes wird namentlich versucht, die Aussagen der Gewerbeinspectoren über die Wirkung des Maximalarbeitstages zu entkräften, die bekanntlich mit denen der überwiegenden Mehrzahl der deut schen Bäckermeister im Widerspruch stehen. Breslau. 22. September. Der Kaiser ist mittels Sonder zuges 121/4 Uhr Mittags hier eingetroffen und am Bahnhofe von der Kaiserin, dem Erbprinzen von Meiningen und den Spitzen der Militär- und Civilbehörden empfangen worden. Die Majestäten fuhren nach dem königlichen Schlosse, von dem in großer Zahl erschienenen Publikum mit brausenden Hoch rufen begrüßt. Breslau, 22. September. Der Kaiser ließ sich heute, wie die „Schlesische Ztg." meldet, auf der Fahrt von Oppeln nach Breslau von dem zu diesem Zwecke nach Oppeln berufenen Oberpräsidenten der Provinz Schlesien, dem Fürsten Hatzfeldt, über die durch die letzte Hochwafferkatastrophe ungerichteten Schäden und über die Mittel zur Abhilfe Vortrag halten. Es erscheint hiernach zweifellos, daß noch weitere erhebliche Staats mittel werden flüssig gemacht werden. Eine namhafte Summe soll alsbald zur Anweisung gelangen, während bezüglich weiterer Mittel voraussichtlich eine Vorlage an den Landtag wird ge bracht werden müssen, so daß die Provinz sich der begründeten Hoffnung hingiebt, daß der Ausbau der Gebirgsflüsse auf ein heitlicher Grundlage durch den Staat erfolgen dürfte, worauf die weiterere Unterhaltung der Provinz bezw. den einzelnen Kreisen überlassen bleiben dürfte. Breslau, 22. September. Die Kaiserin übergab in Schmie deberg 14,600 M. an fünfzehn durch die Ueberschwemmung geschädigte Personen persönlich mit den Worten : „Der Kaiser schickt es". In Hirschberg vertheilte die Kaiserin an elf Be dürftige 11,000 M. Breslau, 22. September. Der Kaiser ist heute Nachmittag 4 Uhr 35 Min. nach Rominten abgereist. Oesterreich-Ungarn. Schon vor einigen Wochen wurde bekannt, daß eine Reihe von ungarischen Magnaten wesentlich aus Gründen der inneren Politik bei dem Besuche des deutschen Kaisers in Pest durch ihre Abwesenheit zu glänzen sich entschlossen hätten. Diese Ausstandslust scheint jedoch vernünftigen Erwägungen gewichen zu sein, denn die Betheiligung der Magnaten an den Festlich keiten in Pest war, wie uns von gut unterrichteter Quelle mit- getheilt wird, eine sehr lebhafte. Nach der Rede des Kaisers Wilhelm, dem begeisterte Hymnus auf Ungarn, werden die Magnaten es nicht bereuen, zu dem herzlichen und prächtigen Empfange des ihrem Lande so wohlgeneigten Herrschers einer verbündeten Nation ihr Theil beigetragen zu haben. Die Pester Mittheilung, daß der Hochadel sich'in auffällig geringer Anzahl an den Feierlichkeiten betheiligt habe, ist auf eine einseitige mißverständliche Auskunft zurückzuführen, die freilich um so glaubhafter erscheinen mußte, als derjenige, der das Vorspiel zu dem Besuch genau verfolgt hatte, ein Ausbleiben vieler Ge ladenen als eine Demonstration gegen den Ministerpräsidenten Banffy erwarten mußte. In Anbetracht der guten Beziehungen Deutschlands uns Ungarns, die zu zerstören einige ungarische Schreier sich vergeblich bemühen, ist es recht erfreulich, daß der durch die Haltung des Hochadels zu befürchtende Mißton recht zeitig verhütet worden ist. Der Besuch des deutschen Kaisers, dem die politische Bedeutung an gewissen Stellen eifrig abge sprochen wurde, hat die politische Bedeutung gehabt, daß er, wie aus den Blätterstimmen hervorgeht, auf die Impondera bilien der Politik, die Stimmung des Volkes, einen starken Einfluß ausgeübt hat. In Ungarn machte sich zuweilen eine nicht auf ernsten politischen Erwägungen, sondern auf kleinlichem Haß und Neid beruhende Erbitterung gegen das Deutschthnm geltend, die von den vernünftigen Leuten abgelehnt, von Gassen politikern aber mit großem Geschrei betont wurde; gerade diese auf Gefühlsgründen beruhende zeitweilige Abneigung gegen Deutschland dürfte der Trinkspruch des Kaisers wesentlich mil dern. Nicht mit Unrecht spricht ein ungarisches Blatt von Kaiser Wilhelm dem Eroberer. Gut, daß es friedliche Erobe rungen sind. Belgien. Brüssel, 22. September. Der König hat sich auf seiner Jacht nach Madeira begeben und wird von dort, wie es heißt, nach Marokko reisen, um dieses Land als Privatmann zu be suchen. Wenigstens glaubt man hier, daß die Anwesenheit des belgischen Gesandten in Tanger, Anspach, sich auf diese Reise bezieht. Man erinnert auch daran, daß der König vor einigen Jahren einen seiner Vertrauten, den damaligen Obersten Ba ron Lahure, nach Marokko gesandt hat, um die Möglichkeit der Anlage einer Heilanstalt an der afrikanischen Küste für die vom Klima des Congostaates milgenommen Belgier zu er forschen. Frankreich. ft-aris, 22. September. Emer der glänzendsten, aber auch unglücklichsten Soldaten des zweiten Kaiserreichs, der General Bourbaki, ist heute in seiner Villa Saint Franyois bei Bayonne, wo er seit seiner Versetzung in den Ruhestand Aufenthalt ge nommen hatte, im 82. Lebensjahre gestorben. Charles Denis- Santer Bourbaki war griechischer Abstammung und ist am 22. April 1816 in Pau geboren. Er besuchte die Militärschule in Saint-Cyr und machte seine ersten Feldzüge als junger O'ficier bei den Zuaven und bei der Fremdenlegion in Algerien mit. In der Krim war Bourbaki bereits General, und sein Name ist enge mit dem Ruhm verbunden, den die Franzosen an der Alma, bei Jnkermann und bei dem Sturm auf Sebastopol er rangen. Im Jahre 1870 war Bourbaki bereits Commandant des Gardecorps; er nahm unter Bazaine Theil an den Kämpfen psen bei Metz, wo es ihm gelang, durch eine geheimnißvolle, von einem gewissen Reignier eingefädelte Jntrigue, die den General behufs Friedensschlusses nach England zur Kaiserin führte, aus der eng umschlossenen Festung zu entkommen. Nach dem Scheitern dieser Mission begab sich Bourbaki nach Tours, stellte sich dort der National-Vertheidigung zur Verfügung und wurde mit dem Commando der Nordarmee in Lille betraut. Später berief ihn Gambetta nach dem Süden und übergab ihm in Bourges das Commando der Centrumsarmee, die bald da rauf die Ostarmee werden sollte. Im Januar 1871 machte Bourbaki von Dijon aus an der Spitze von 50,000 Mann den Versuch, über Montböliard vorzubrechen, Belfort zu be freien und in Süddeutschland einzudringen. Der Versuch, der anfänglich von Erfolg begünstigt schien, scheiterte in den Käm- an der Lisaine am 16. und 17. Januar. Bourbaki wurde von General Werder zurückgedrängt und gezwungen, auf Be sancon zurückzugehen, da General Manteuffel, von Norden kommend, bereits seine linke Flanke bedrohte. Bourbaki wollte sich nach Lyon zurückziehen, was ihm aber die Regierung ver bot, worauf er aus Verzweiflung über, sein Mißgeschick in der Nacht vom 27. Januar in Besoncon einen Selbstmordversuch beging, indem er sich aus einer Pistole eine Kugel in den Kopf jagte. Vorher hatte Bourbaki das Commando der durch Hunger und Kälte arg erschütterten Ostarmee dem General Clinchart übergeben, der sie nun auf schweizerischen Boden führte, wo sie die Waffen streckte und internirt wurde. Bereits im Februar war Bourbaki wieder hergestellt, und im Juli 1871 übertrug ihm Thiers das Militär-Commando von Lyon, wo er im Vereine mit dem Präfecten Valentin den keimenden Aufruhr erstickte. In Lyon verblieb Bourbaki als Militär- Gouverneur bis zum Jahre 1879, worauf er 1881 in Ruhe stand trat. Sein zweimaliger Versuch, in der Sarthe und in den Basses-Pyrönoes als monarchistischer Candidat in den Senat gewählt zu werden, mißlang, worauf Bourbaki verzichtete, weiterhin eine Rolle zu spielen. Bourbaki war einer der tüchtigsten und tapfersten Handegen der kaiserlichen Armee, ein echter algerischer Soldat. Als aber der Krieg mit Deutschland ausbrach und die Truppenführung höhere ^Anforderungen an. die französischen Generäle stellte, versagte er ebenso vollständig wie viele seiner einst berühmten Kameraden, die sich durch frisches flottes D'rauflosgehen in Algerien, in der Krim, in Italien und Mexico den Ruf großer Heerführer erworben hatten. General Bourbarki war ein strammer Soldat und er ist auch als solcher gestorben. Seine Gattin brachte ihn vor etwa zwei Monaten nach dem baskischen Badeorte Cambo-les Bains, das etwa 20 Kilometer von Bayone entfernt liegt. Dort erkrankte der greise Soldat an einer Lungencongestion, was ihn veranlaßte, am 28. v. M. seinen Beichtvater, den Abbe ChagS, von Bayonne rufen zu
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