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X» 72, 25. März 1822. Redaktioneller Teil. VLrseLblLll s. d Lrlchu. vuch-aud«!. zu einem bestimmten Zeitpunkte wiederum einmütig zur neuen stabilen Neichswährung übergehen werde, was aus bibliogra phischen Gründen praktischerweise am Schluß eines Kalenderjah res zu geschehen hätte. Nun versuchten aber plötzlich die Unentwegten von der Sor- timenter-Fakultät Lärm zu schlagen, denn sie sahen die Felle ihrer Sortimenter-Teuerungszuschläge endgültig davonschwim- men. Einer, der mehr sagte, als er verantworten kann, meinte sogar: Wenn plötzlich ein bibliographisch absolut feststehender Ladenpreis im Buchhandel wieder eingesührt wird, wenn zu die sem allenthalben ein jeweilig amtlich bekanntgegebener Teuerungs-Jndex tritt, ja um Himmels willen, dann gibt es ja wieder einheitliche, kinderleicht zu errechnende Verkaufspreise. Das Publikum kann ja wieder die Preise kontrollieren. Das ist doch wirklich recht fatal. Ein anderer entgegnete aber: Wir Sor timenter brauchen aber dann doch nicht mehr rastlos auf der Lei ter auf und ab zu stürmen, um umzuzeichnen! Ein einmaliges Plakat, das den Teuerungs-Index für den ganzen Buchhandel bekanntgibt, genügt. Ja nicht einmal das ist nötig, vielleicht so gar gefährlich, um das Publikum nicht immer wieder an die alten Teuerungszuschläge zu erinnern. Es ist eigentlich nur nötig, daß die Verkäufer einen beim Wechseln des Teuerungs-Jndex je weilig neu bearbeiteten Rechenknecht vom Börsenverein in die Hand gedrückt bekommen, mittels dessen sie ohne weiteres den in Goldmark — durch Geheimzeichen — im Buche ausgezeichneten Preis für den Kunden in Papiermark ablesen können, »kriacipils obsw«, erklärte aber einer der Führer der unentwegten Sorti menter, denn wir verlieren unser durch die Notstandsordnung mühsam errichtetes, auf den schönsten Tonfüßen aufgebautes Mitbestimmungsrecht am Ladenpreise. Da ergriff ein alter Sortimenter aus der Rheingegend das Wort: Ja, liebe Freunde, ist es denn ein Schade, wenn unser Buchhandel wieder ein solider Stand mit gleichen festen Preisen wird? Sollten wir denn nicht jede Tat freudig begrüßen, die uns aus dem Chaos herausfllhrt und uns dem alten bewährten System der geschützten Ladenpreise wieder nahebringt? Durch Reden ohne gemeinsamen Willen zur Tat sind wir in die unhalt baren Zustände hineingekommen. Durch gemeinsame, dem Ver lag wie dem Sortiment gleich nützliche Tat wollen wir ver suchen, uns aus denselben zu erretten, und zwischen Verlag und Sortiment den alten Rechtszustand wieder Herstellen, der sich so lange bewährt hatte. Haben Sie denn nicht gehört, daß die Ver leger Willens sind, mittels des allgemeinen amtlichen Teuerungs- Index die Bücherpreise, so schnell dies eben bei der versah- renen bisherigen Preispolitik möglich ist, der Geldentwertung an nähernd wieder anzupassen? Wird dadurch denn nicht allmäh lich die Kluft überbrllckt, die heute zwischen den der Geldentwer tung absolut nicht angepaßten Bllcherpreisen und unseren, leider mit der Geldentwertung Schritt haltenden Geschäftsspesen klafft? Sind kurze zur Erhaltung des Sortimentes notwendige über- gangsmaßnahmen erforderlich, bis das gemeinsame Ziel erreicht ist, so werden die Verleger sicher darüber mit sich reden lassen. Man wird uns Sortimentern gern gestatten, während dieser Übergangszeit Besorgungsgebühren zu erheben, die auch ver schieden hoch sein können und die der Verleger nicht unterbieten wird. Man wird uns sicher gern auch in der Rabattfrage ent- gegenkommen oder uns vorübergehend einen jeweilig etwas nied rigeren Teuerungs-Jndex berechnen, als er für das Publikum festgesetzt wird. Wenn jetzt anläßlich dieses Systemwechsels die Bücherpreise einheitlich und nicht unerheblich erhöht und der Geldentwertung immer mehr angepaßt werden, so werden solche Übergangsmatznahmen genügen, und wir können den Sortt« menter-Teuerungszuschlag, der soviel Streit im Buchhandel er zeugt hat, nach Einführung des neuen Preissystems endgültig begraben. Es herrschte nach dieser einsichtsvollen Rede große Zufrie denheit zwischen allen Verlegern und Sortimentern und wer sonst mit vertreten war. Man sah am Himmel des Buchhandels tvieder die Hoffnung auf bessere und friedlichere Zeiten schim mern, und auch die Unentwegten aus beiden Seiten schienen geneigt, von ihren Prinzipien abzulassen und den Versuch einer großzügigen allgemeinen Preisregulierung im Buchhandel mit zumachen. Da erbat sich einer der gelahrten Herren Doktoren de, Volkswirtschaft, die wie Atlas den Börsenverein auf ihren Schul- lern tragen, das Wort und wies zunächst etwas spöttisch darauf hin, daß die ganze bisher verzapfte Weisheit ja eigentlich nichts als ein Raub der Ideen unseres Reichsarbeitsministers vr. Brauns sei, der als guter Sozialist schon seit langem den Ge danken der gleitenden, der Geldentwertung jeweilig angepaßten Lohnskala propagiere. Wir als Buchhändlerkapitalisten hätten die Theorie nur einfach auf die Bücherpreise übertragen. An sich sei bas Problem der Zugrundelegung von Goldmarkpreisen und der Festsetzung eines schwankenden einheitlichen Teuerungs-Jndex für den Buchhandel Wohl lösbar, weil er im Gegensatz zu anderen Fabrikationszweigen mit Artikeln handle, deren Produktions. Prozeß oft Jahre, ja Jahrzehnte zurückliege und deren Goldmark. Preise trotzdem für alle klar ersichtlich in seiner Bibliographie registriert wären. Es sei nur bedauerlich, daß man nicht schon bei Beginn der Bewegung der Geldentwertung diesen Beschluß gefaßt hätte, denn dann wäre ja auch die Bibliographie seit 19l8 in der allerschönsten Ordnung, während sie heute, was Preise an- belangt, überhaupt keinen sicheren Ausschluß mehr zu geben ver möchte. Aber — und da zog der Herr Doktor wieder sein gelieb tes Heinsheimersches Gutachten, das ihn nie verläßt, aus der Rocktasche — er müsse doch darauf aufmerksam machen, daß weder der Börsenverein noch der Verlegerverein irgendein ver- einsmäßiges Mittel besäßen, noch sich, auch nicht aus dem Wege der Überstimmung, beschaffen könnten, um diejenigen Verleger, die den Systemwechsel nicht mitmachen wollten, aus irgendeine Weise dazu zu zwingen. Da waren wir mal wieder alle am Ende unserer Weisheit, und wie aus Weiler Ferne klangen die Eingangsworte unseres Vorsitzenden an unser Ohr: Seid einig, einig, einig! Nur einer — und der Kerl sah mir selber so ähnlich, daß ich im Traume richtig erschrak — bäumte sich noch auf und sagte: Da beschließt eben der Börsenverein, in seinem Börsenblatt und in allen seinen bibliographischen Erscheinungen nur noch Goldmarkprcise zuzu> lassen und Werke, bei denen Goldmarkpreise nicht angegeben wer den, nur noch dem Titel nach aufzunehmen. Besser überhaupt keine Preise, alz so irreführende, wie sie jetzt infolge der fortschreiten den Geldentwertung in der Bibliographie entstanden sind. Das wirkte wie eine Stinkbombe, und der Vorsitzende hielt es für klü ger, die Sitzung zu vertagen und zunächst einmal den 6enlus loei der Harmonieküchech auf die erregten Gemüter einwlrken zu lassen. Plötzlich befiel mich Träumenden ein furchtbares Alpdrücken. Es hing aber nicht mit der Harmonieküche zusammen. Vor mir stand vielmehr mit flammendem Schwert der Engel der Kultur: Mensch, was unterfängst du dich da zu träumen? Hub er wn. Weißt du nicht, daß du morgen von der öffentlichen Meinung ge steinigt wirst, wenn du dich erkühnst, die Gesundung des Buch handels aus dem Wege einer allgemeinen und gar noch kartell- artig organisierten Preiserhöhung zu erreichen? Ich wachte vor Angst schweißgebadet auf, hatte aber dennoch die mutigen Worte auf den Lippen: Das ist mir allez ganz gleichgültig, wenn nur endlich mein geliebter Buchhandel wieder einmal der Ruhe, Ord nung und seinem wohlverdienten Lohne zugeführt werden könnte. — Aber — cs war ja nur ein Traum! H. V. aus Pleißathen. Werbearbeit—Wertarbeit. Kritische Betrachtungen buchhändlerischer Werbemittel von Hans Schmiedrcke. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß sich der Buch handel im Gegensatz zu anderen Handelszweigen erst spät ent schlossen hat, eine umfangreiche Werbetätigkeit zu entfalten. Der Grund lag Wohl hauptsächlich darin, daß weite Kreise des Be rufes, besonders des Sortiments, eine laute Anpreisung von Bll- chern mit der Eigenschaft des Buchhandels als Vermittlers geistiger Ware nicht für vereinbar hielten. Dieses durch nichts begrün dete Vorurteil hielt natürlich viele Verleger — sehr zum Schaden der Sache — von der Entfaltung einer umfangreichen Reklame ab. *1 Das ist das Klubhaus, in dem die Weisen des Buchhandels »ach ihren Sitzungen in Leipzig gemeinsam zn taseln pslegen. 379