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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 21.02.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190002219
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19000221
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19000221
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-02
- Tag 1900-02-21
-
Monat
1900-02
-
Jahr
1900
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 21.02.1900
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Correspondent in ColeSbery meldet Folgendes: Ich begleitete am Donnerstag die Buren, welche den Bahn hof von RenSburz angriffen. Commandant Paller stieß bei seiner Ankunst daselbst auf 2 Compagnien des Wilkshire-Regiments, die sich jedoch auf die be nachbarten Kopje zuriickzogen. General Schoemann verfolgte die beiden Compagnien und es gelang ihm alle Leute, außer dreien, die entkamen, gefangen zu nehmen. Die Zahl der Todten und Verwundeten ist nicht bekannt, jedoch von 200 Leuten des Wilkshire- RegimentS sind 142, darunter 44 Verwundete, ge fangen. Die Buren thaten ihr Bestes, um den Ge fangenen ihre Leiden zu erleichtern, sie ließen die Verwundeten Pferde besteigen und trugen andere auf Decken nach Rensburg. Inzwischen eröffnete die englische Nachhut bei Rietfontein das Feuer und zwang die Buren, die Verwundeten im Lager zu verlassen und sich zu vertheidigen. Ein Geschütz zwang die Engländer, sich zurückzuziehen. Die Buren harten 2 Todte und 4 Verwundete. Gegenwärtig halten die Buren ihre Stellungen vor Rietfontein besetzt. Die Engländer dirigiren augenscheinlich den größten Theil ihrer Streitkräfte auf dem Wege nach Naauwport in einer Bestimmung, die den Buren nicht unbekannt fein dürfte. Vom Natal-KriegSschauplatze. London, 19. Febr. General Buller meldet aus Chieveley vom 19. d., day er den Feind auf der anderen Seite deS Tugela aus starken Stellungen ver jagt habe. (?) General Buller hat die Stellung der Buren gleichzeitig in der Front, in der Flanke und von hinten angegriffen. Die Engländer haben mehrere Wagen mit Munition und Lebensmitteln erbeutet und einige Gefangene gemacht. Die Hitze ist groß und das Terrain außerordentlich schwierig. Die Truppen »eigen große Begeisterung. London, 19. Febr. (Reuter-Meldung.) Aus dem Hauptlager der Buren vor Ladysmith wird unterm 16. Februar gemeldet: Gestern, Donnerstag, versuchten d'e Engländer, unsere Streitkräfte zu umgehen, indem sie bei dem Zusammenfluß des BlaauwkranS und des Tugela durchzudringen und den bei Colenso gelegenen Boschkcp einzunehmen versuchten, sie wurden aber zurück- geschlagen. Unsere Truppen behaupteten alle dortigen Stellungen. Auf unserer Seite wurden 4 Mann leicht verwundet, die Verluste der Engländer sind unbekannt. Um Ladysmith ist alles ruhig. Das Wetter ist an dauernd heiß und Regen sehr nöthig. — Einen Tag später meldet derselbe Correspondent: Die Engländer beschossen gestern, Freitag, untere Stellung beim Bosch- kop mit Artillerie. Das Geschützseuer dauert daselbst fort. In einer Heliographenmeldung aus Ladysmith vom 17. wird gesagt: Hier herrscht große Freude, wegen des Einganges der Nachricht vom Siege des Generals French und dem Entsätze Kimberleys. Die Garnison befindet sich in vortrefflicher Stimmung und ist zu jeder Action bereit. Die Buren waren in den letzten Tagen sehr lebhaft und führen offenbar eine Be wegung aus. Die Buren scheinen thatsächlich mit dem Vorhaben be schäftigt, durch Abdämmung des Klippflusses Ladysmith unter Wasser zu setzen, um die Stadt auf diese Weife zur Capitulation zu zwingen. Der Daily Mail wird aus Lorenzo-Marques telegraphirt, ein Bürger aus Pretoria, der eben von Ladysmith komme, habe erklärt, daß die Buren mit äußerster Geschwindigkeit ihre Bc- festigungSwerke bis an die Ufer der Klip-River vor- schieben und daher in Kürze thatsächlich Ladysmith unter Wasser werden setzen können, da an der Eindämmung des Klip mit beschleunigter Energie gearbeitet werde. Die Arbeit wird wegen der britischen Geschütze be. Nacht ausgeführt. Zweitausend Koffern legen di, Sandsäcke in dar-Flußbett, wo es in ein Thal zwischen zwei Hügeln eintritt, zehntausend Säcke sind versenkt, und ebensoviel? sind noch zur Versenkung bereitgestellt. Falls die Sache Erfolg hat, würde das Krankenhaus von Ladysmith, welches zwei Meilen außerhalb der Stadt liegt, isolirt nnd theilweise unter Wasser gesetzt werden Joubert bedauere, seine Erlaubniß zur Ver- legung des Hospitals auf len Plattrand gegeben zu haben. Auch andere britische Positonen würden isolirt we den. * * * An sonstigen Nachrichten ist noch zu verzeichnen: London, 19. Febr. Die amtliche Bestätigung der Entsetzung Kimberleys rief hier große Erleichterung hervor. Ueberall erschallen Hochrufe auf Roberts, mehr als 1200 Telegramme an die Adresse Roberts sind abgegangen, um ihn zu seiner Befreiung zu beglück wünschen. — In militärischen Kreisen erwartet man mit Spannung die Pläne Roberts. Einerseits will mau wissen, derselbe plane die sosortige Entsetzung MafetingS, um von dort aus nach der nahe gelegenen Hauptstadt Prätoria zu gelangen, oder auch einen An griff auf Bloemfontein zu unternehmen, ohne sich um das Schicksal MafekingS vorläufig zu kümmern. In militärischen Kreisen ist man übereinstimmend der An sicht, daß, obwohl der Marsch Lord Roberts, so weit es sich um den Entsatz von Kimberley handelt, von Erfolg geklönt sei und die Lage zu Gunsten Englands ge bessert habe, der Feldzug doch offenbar jetzt erst ernst lich begonnen habe und noch viel Hindernisse zu über winden seien, besonders die Schwierigkeit eines gesähr- liche« Marsches durch Feindesland, bei welchem die sehr weit ausgedehnte Verbindungslinie der Engländer den Angriffen des Feindes ausgesetzt sei. London, 18. Febr. Der bei den Truppen d"S Feldmarscyalls Robens befindliche Correspondent des ReuterbureauS giebt eine Beschreibung der Besetzung JacobSdals und sagt, daß die größte Ordnung herrschte Die Straßen würden von Militärpolizei abpatrouillirt und eS sei auch nicht ein Apfel von einem Baum ge nommen worden. Die Einwohner seien darüber sehr überrascht gewesen, denn es sei ihnen gesagt worden, daß die Engländer Städte, die sie genommen hätten, ausplücdertev, jetzt begrüßen sie die Engländer als Freunde. Aus Gesprächen mit ihnen geht hervor, daß die Freistaatler des Krieges müde seien. General Kelly Kenny habe bei der Wegnahme der Wagen Cronjes auch eine deutscheAmbulanz gefangen genommen Aus Pietermaritzburg wird berichtet, daß das Schatzamt der Transvaal-Regierung jeden Monat Gold im Werthe von 4 Millionen Mark entnimmt und diesen Betrag in Sovereigns ausmünzen läßt. Aohlenarveiterstreik. Gersdorf, 20. Febr. Der Bergarbeiterstreik währt nun 8 Tage. Allgemein hört man, daß unter den Arbeitern eine feste, entschlossene Haltung platz- gegriffeu habe; man würde sich zwar mit geringeren Zugeständnissen zufrieden geben, wünsche dieselben aber schriftlich und fistbegrenzt zugesichert, da die Errungen schaftendes 89erStreiks baldwieder verlorengcganqenseien. Ob indessen bei der eingetretenen allgemeinen Thcucr- ung die Arbeiter den Kampf lange aushalteu werden, ist die andere Frage. Lugau-Oelsnitzer Revier. Wie die Lug. Z. be richtet, sind eine Anzahl Agitatoren aus dem Zwickauer Revier bemüht, besonders in Oelsnitz die Zahl der Streikenden zu steigern. Zunächst ist, wie schon ge meldet, der Gottes-Segen-Schacht in Mitleidenschaft gezogen, und nach einer weiteren Nachricht des CH. Tgbl. streikt auch wieder ein Theil der Belegschaft auf Rhenania. Im Lugau-Oelsnitzer Revier fehlten heute Montag zur Frühschicht insgesammt 860 Mann. Es würde dies einen Zuwachs sür die Streikenden bedeuten, da wir als letzte Zahl für drei Schfchtdrittel 2300 Ausständige zu verzeichnen hatten. Im Ocls- nitzer Revier besteht 8tägige Kündigungsfrist; es wird befürchtet, daß nach Ablauf derselben eine bedeutende Vermehrung der Streikenden eintritt. Oelsnitz i. 18. Febr. Die für heute vormittag 11 Uhr in den Gasthof „zum braunen Roß" hier einberufene zweite Bergarbeiter-Versammlung war von ca. 500 Personen besucht und dauerte 1*/z Stunde. Die Versammlung, die ruhig verlief, beschloß, von den bekannten Forderungen nicht abzugehen, da die Kohlenw-rke zur Bewilligung derselben sehr wohl in der Lage seien, und solange als letzteres nicht geschehe, im Ausstande zu verbleiben. Zum Schluß wurde über die Frage der Kohlenausfuhr nach Oesterreich längere Zeit diskutirt. Man war der Ansicht, daß durch solche Ausfuhr die dort streikenden Kameraden entschieden geschädigt würden. Die Streikenden müßten nicht nur in Sachsen, sondern in allen Kohlendistrikten in allen Staaten zusammenhalten, dann nur könnte :in Erfolg erzielt werden. Lichtensteitt-C., 19. Febr. Der Anz. be richtet: Wie wir in Erfahrung gebracht haben, sind ;eute an mehrere Ausländer (18) in Hohndorf Aus weisungsbefehle ergangen, dahin lautend, daß binnen 24 Stunden die Grenze überschritten sein muß. Ganz besonders empfindlich werden dadurch die Verheiratheten getroffen. Gegen die nichtstreikenden und anfahrenden Bergleute kehrt sich großer Unwille, selbst von feiten der Frauen Streikender. — Die am Sonnabend im Schützenhause stattgefundene Versammlung war beinahe ebenso stark besucht wie die vorhergegangene. In der- elben erstattete der Vertrauensmann Jacob-Gersdorf Bericht über den Stand der Lohnbewegung im Lugau- Oelsnitzer Kohlenrevier. Aus diesem Berichte ging hervor, daß eine Einigung zwischen den Werksver waltungen und der Arbeiterschaft noch nicht erzielt worden ist. Hierauf erhielt Herr Henker-Hainichen das Wort zu einem circa emstündigen Vortrage. Redner suchte nachzuweisen, daß die Forderungen der Bergleute wie sie sie aufgestellt keinesfalls zu hoch seien. Auf die Forderung, nach Oesterreich keine Kohlen ausführen zu dürfen, lege er weniger Gewicht, da sich dies bei jetzigen Verhältnissen von selbst verbiete. Mit einem wiederholten Appell an die Versammlung, alles vermeiden zu wollen, was zu behördlicher Einschreitung Veranlassung geben könnte, im besonderen auch das Stellen von Streikposten, schloß Herr Henker unter großem Beifall seine Rede. Es wurde eine Resolution angenommen, inhalts deren man gewillt sei, an den gestellten Forderungen festzuhalten, aber jederzeit zu Verhandlungen mit den Werksverwaltungen bereit sei. Ztvtckau, 19. Febr. Das Zw Tgbl. schreibt: Trotz der Drohung der Werke mit Entlassung der Streikenden und trotz der verschiedenen polizeilichen Maßnahmen, die dazu bestimmt sind, den Arbeits willigen einen größeren Schutz angedeihen zu lassen, gewinnt der Streik doch von Tag zu Tag noch an Ausdehnung. Und zwar werden sowohl von amtlicher Seite, als auch von Seiten des Streikbureaus die Streikziffern heute höher angegeben, als bisher. Von der Streilleitung wird behauptet, daß bereits mehr denn 8000, also über 80Proc. Bergleute in den Aus stand getreten sind. Die Höhe >des Kohlenversandts spricht für die amtlichen Angaben, wonach nur ca. 43 Proc. der Arbeiter streiken, über die Ausdehnung des Streikes; denn es konnten am Sonnabend einige hundert Tonnen mehr versandt werden als am Freitag, im Ganzen nämlich 3335 Tonnen. Im Verhältniß zu den früheren Versandtz'ffern würde daher das letzte V-rsandtquantum eine Streikziffer von etwa 50 Proc. ergeben, sofern nicht auf einzelnen Werken größere Lager vorhanden waren, von denen nun abgez:ben werd u kann, was doch aber kaum mehr anzunehmen ist. Man darf gespannt sein, welches Gesicht der Streik morgen und übermorgen erhalten wird. Morgen läuft nämlich die von den Werken estellte Frist ab, in denen die Streikenden sich wieder zur Arbeit zn stellm haben, wollen sie nicht ihrer Ansprüche an die Knappschafts kasse verlustig gehen. Bekanntlich ist ihnen mit dauernde, Entlassung gedroht worden, falls sie diese Fust nicht innehalten. Wie die Stimmung unter den Aus ständigen augenblicklich ist — nämlich sehr fest — dürfte jedoch kaum zu erwatten sein, daß sie die Arbeit schon jetzt w.ed r aufnehmen. Sie stützen sich besonders daraus, d^ß bei der Menge der Ausständigen in An betracht der Arbeiternoth eine dauernde gar nicht, wenn überhaupt eine Aussperrung erfolgen könne. Zweitens berufen sie sich auf 8 152 der Reichsgewerbeordnung, w lcher den Streik zulasse, und sind der Meinung, daß durch diesen 8 der in dem Erlaß der Werksverwalt ungen angezogene Paragraph aukgehoben wird, welche Ansicht aber rechtlich nicht ha tbar sein dürfte. Von socialdemokratiicher Seite wird wegen des Verbots von Versammlungen eine Interpellation im Landtage vor bereitet, die aller Voraussicht nach schon in der nächsten Sitzung eivgebracht werden wird. Ungeachtet des Verbots sollen heute Nachmittag zwei Versamm lungen im Belvedere und im Feldschlößchen abgehalten werden, d. h. man will sich dort versammeln und die eventuelle Begründung der selbstredend sofort erwlgcm den Aufhebung bezw. des Verbot- überhaupt erwarten. Zwickau, 19. Febr. Zur Verstärkung der Sicher- heitscommandos im Streikgebiete traken am Sonn abend ein Gendarmericbrigadiee und vier Gendarmen hier ein und wurden auf Anordnung der König!. AmtS- hauptmannfchaften Zwickau in den Orten Schönfels, Niederhaßlau und Thanhof stationirt. Eine weitere Gendarmerievcrstärkung von 9 Mann, die gestern morgen hier ankam, ist gleichfalls in das Streikgebiet Zwickau- Land abgegangen. Heute werden weitere Verstärkungen, zumal berittene Gendarmerie, erwartet. — Die be schränkten Soldatenbeurlaubungen hier sind, wie es scheint, auch aus den Streik zurückzuführen. Die Kohlenbesörderung auf den sächsischen Staat.- eiseabahnen während der Woche vom 11. bis 17. Fe bruar hat einen beträchtlichen Rückgang in der Gc- sammtmenge nicht ergeben, selbstverständlich aber eine starke Verschiebung der Antheile der einzelnen Kohlen qattungen an der Gesammtmenge. Es wurdenbesörbert: 28 025 Tonnen Steinkohlen aus dem Zwickauer Bezirk, 9350 Tonnen weniger al« in der gleichen vorjährigen Woche, 17,500 Tonnen Steinkohlen aus dem Lugau- Oelsnitzer Bezirk, 7780 Tonnen weniger, 9899 Tonnen dergleichen aus dem Dresdner Bezirk, 1828 Lannen mehr, 55,424 Tonne» sächsische Steinkohlen überhaupt, 15,302 Tonnen weniger. Zu diesem Ausfall kommen 65,038 Tonnen böhmische Braunkohlen, von denen nur 6285 Tonnen befördert wurden. Dieser Ausfall fand aber bis auf etwa 5000 Tonnen Ausgleichung, denn eS wurden befördert 19,426 Tonnen schlesische Stein kohlen, 8330 Tonnen mehr, 17,629 Tonnen Stein kohlen sonstigen Ursprungs, '1,005 Tonnen mehr, 32,561 Tonnen altenburgische Braunkohlen, 7852 Ton nen mehr, und 59,152 Tonnen sonstige (hauptsächlich preußische und sächsische) Braunkohlen, 48,017 Tonnen mehr. Hiernach steht dem Ausfall von 80,340 Tonnen an sächsischen Stein- und böhmischen Braunkohlen eine Mehrbeförderung von 75,204 Tonnen an anderen Ko len gegenüber Auf dem Dresdener Hauptbahnhof verkehren 52 Züge weniger Zehn Züge kommen auf die Gör- litzer, sechs auf die Bodenbacher, zwölf auf die Chem nitzer, zwölf auf die Cossebauder, sechs auf dieMeißen- Döbelner, sechs auf die Riesaer Richtung. Unverändert ist nur der Fahrplan der beiden Berliner Linien. In Folge der Kohlennoth können aucy die Dampf schifffahrts-Gesellschaften, die am Donnerstag den Be trieb auf der Elbe wieder aufnehmen wollten, ihre Fahrten nicht im vollen Umfange wieder aufnehmen. Wegen Mangels an Frachten und Kohlen ruht der Verkehr auf der Elbe fast gänzlich. — Leipzig, 18. Febr. Der Streik der Kohlen arbeiter im Zwickauer und Oelsnitz-Lugauer Revier u. s. f. macht sich hier immer mehr insoweit geltend, als weitere Fabriken ihre Arbeit eingeschränkt bez. ganz eingestellt haben. Der Rath der Stadt ordnete an, daß, um Feuerung zu sparen, bis auf Weiteres die durchgehende Bureauarbeit von Morgens 8 bis Nachmittags 3 Uhr eingeführt werde. Die gleiche Einrichtung haben viele Engros-Geschäfte getroffen. — Grimma, 16. Februar. Die Kohlengruben unserer Umgebung werden mit Bestellungen überhäuft und arbeiten mit Anspannung aller Kräfte, ohne je doch der Nachfrage entsprechen zu können. Der Arbeiterstand der beiden Schächte ist auf 120 Mann erhöht und macyt Tag- und Nachtschicht, Bauern geschirre fahren die Kohle von Naundorf nach Schkorditz, wo sie auf die Drahtseilbahn geladen wird. Täglich versanden allein diese beiden Schächte 20—25 Doppellowries. Die Kohle aus unserer Gegend geht zumeist nach Leipzig, Pirna, ins Gebirge und nach Bayern. Anfangs wurde auch nach Böhmen geliefert, doch können Aufträge von da aus nicht mehr an genommen werden, da naturgemäß das Inland den Vorzug haben muß. Mehrfach haben auswärtige Fabrikanten selbst auf den Kohlengruben vorgesprochen und sogar Reisen aus der Lausitz, aus Greiz u. s. w. bis hierher nicht gescheut. Uebrigens soll auch für den Lohnbedarf von Montag ab allgemein ein Preis aufschlag von 5 Pf. auf das Hektoliter erfolgen. — Annaberg, 18. Febr. Die Kohlennoth ist auch in unseren erzgebirgischen Orten eine so große, daß die nur noch selten eintreffenden geringen Trans porte mit Brennmaterial von der armen Bevölkerung fast gestürmt werden, um bei der Vergebung desselben nicht leer auszugehen. Hier haben auf Bitten des Frauenvereins viele Privatpersonen von ihren Vor- räthen Kohlen an frierende Familien abgegeben. In vorsorglicher Weise ist aber auch unsere Stadtvertretung sofort nach Beginn des Streiks bemüht gewesen, der drohenden Noth insofern erfolgreich zu begegnen, als sie Bestellungen auf eine große Quantität Kohlen ab geschlossen hat, die aus Westfalen und Schottland ge liefert werden. Von denselben wird an die ärmere Bevölkerung theils unentgeltlich, theils zu und unter den Selbstkostenpreisen abgegeben. Um nicht zu frieren, ist es thatsächlich schon vorgekowmen, daß man Haushaltungsgegenstände zur Heizung der Wohnräume verwendet hat. Wie hier, so ist auch in den benach barten Orten die öffentliche Wohlthätigkeit bemüht, dem Elend infolge des Kohlenarbeiterstreiks zu steuern. — Die L stc der Fabrikunlernehmungen, welche wegen deS Kohlenmangels theils ieiern, theils den Betrieb einschränken, wird täglich ;rößer. Jn Raichau muß eine Korkia rik die Aroeit cinstellen; in Brambach stellce eine Tricolfabrik die Arbeit ein, 35 Arbeiter sind beschäftigungslos; i. Cartsictdichlosscn zwcl Fabriken, sie frei gewordenen 95 A-b iter wurden einstweilen von anderen Betrieben übernommen; in einer dasigen Glasiabril steht ein GlaSofen still, ein anderer wird mit Stockbolz geheizt. — Ja Riesa hat das Eisenwerk die ArbeitS- schichten cinschränken müssen. Die Gasbeleuchtung ist an sehr vielen Orten eingeschränkt. Der Familienschmnck. Roman von A. I. Mordtmann ,5g.Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) Der große Kater kam gemächlich heran gewandelt, ab und zu nach den Vögeln blinzelnd, deren Flügel er für eine ganz verfehlte Einrichtung der Vorsehung hielt, und unmittelbar hinter ihm folgte der alte Herr Chardin, um nach gewohnter Weise im Garten Kaffe zu trinken. Nachher gingen alle Drei in Marguerites Zimmer, um zu musiciren. Holmfeld spielte seine Phantasie auf der Violine, die sonst für die primitiven Leistungen des Schulmeisters herhalten mußte, und führte sie bis zu der Stelle, wo sie in schrillen Accorden abbrach. „So weit sing sie bisher," sagte er. „Gefällt sie Ihnen?" „Als Musikstück vortrefflich," antwortete Mar guerite. „Aber für mich ist hinter der Musik immer noch ein Anderes, noch etwas, das meine Einbildungs kraft anregt; und was diesen Hintergrund in Ihrem Werke bildet, ist abstoßend. Er kommt mir vor wie ein meisterhaft geschriebenes Buch mit abscheulichem Inhalt." „Dafür kann die Musik nicht verantwortlich ge macht werden," entgegnete Holmfeld. „Sie hat die künstlerische Aufgabe, di ihr gestellt wurde, erfüllt, indem sie das, was darzustellen war, darstellte, so weit es mit ihren Mitteln dargestellt werden konnte." „Darum tadle ich auch die Musik nicht. Ich bewundere sie so sehr, daß ich das Abstoßende, was sie nach meinem Gefühl in Ihrer Phantasie verkörpert, nicht als solches empfinden würde, wenn es sich nicht um Sie, sondern um eine andere, mir unbekannte oder gleichgültige Person handelte." „Dann haben es Fremde besser bei Ihnen als solche, die Ihnen bekannt sind. Ein Buch mit häß lichem Inhalt würden Sie seiner vortrefflichen Technik wegen einem Fremden verzeihen, bei einem Bekannten aber weniger nachsichtig beurtheilen." „Sie haben meine Aeußerung falsch verstanden," vertheidigte sich Marguerite sehr lebhaft. „Die Musik schätze ich gleich hoch bei Ihnen wie bei einem Fremden Nur der Inhalt stößt mich bei Ihnen mehr ab als bei einem Fremden, nicht weil er Ihre Erfindung ist, sondern weil er Sie selbst angeht. Wenn Sie mir ein trauriges Ereigniß kunstvoll erzählen, so macht es doch einen Unterschied, ob das traurige Ereigniß frei erfunden ist, ob es einen andern oder ob es Sie selbst betrifft. In letzterem Falle kann ich kein rein ästhe- tlsches Behagen empfinden, weil mein Mitleid ein per sönliches geworden ist." „Nun verstehe ich Sie erst," gab Holmfeld zu, „und dagegen kann ich nichts einwenden. Jetzt aber hören Sie den Schluß, der mir heute früh einge- fallen ist." Er wiederholte die zuletzt gespielte Stelle und leitete dann in einen andern Abschluß hinüber, der alle Disharmonieen auflöste und nach einem prächtigen Vivace m Hellen, jubilirenden Tönen ausklang. Als er geendet hatte, sprachen beide längere Zeit kein Wort; Chardin war wieder sriedsam entschlummert und auf seinem Schooße schnurrte leise der von einem Dorado mit Vögeln ohne Flügel träumende Mussa. Endlich begann Marguerite wieder: „So gewinnt die Phantasie einen erfreulichen Inhalt. Aber — Sie müssen nicht böse sein über meine Thorheit, die gewiß sehr unkünstlerisch ist — für mich fehlt doch die volle Befriedigung." „Dann hat meine Kunst ihr Ziel verfehlt." „Nicht doch! So meinie ich eS nicht," sagte Mar guerite, den Kopf schüttelnd. „Ich würde volle und ungetrübte Freude an dem Musikstück haben, wie es jetzt ist, wenn ich nicht die Empfindung hätte — die nur ich und außer mir niemand haben kann —, daß die letzte Zuthat nur äußerlich und musikalisch ist, während dem Inhalt nach und für Sie selbst die Phantasie noch immer an derselben Stelle wie früher zu Ende ist." Holmfeld hätte hiergegen protestiren können, aber er schwieg, weil er zuviel zu sagen fürchtete, und weil er sich selbst noch nicht klar darüber war, inwieweit Marguerite, der er Unrecht geben wollte, am Ende Loch Recht hatte. Es handelte sich gewissermaßen um die feinsten und winzigsten Gefühlsatome, denen man mit dem Mittel der Sprache so wenig gerecht wird, wie man ein Sonnenstäubchen mit dem Küchenmesser zerschneiden kann. Die Phantasie Holmfelds wurde jetzt in, Bezug auf die Clavierbegleitung, die Marguerite übernehmen sollte, geprüft, und hier kam es zwischen ihnen wieder holt zu Meinungsverschiedenheiten, indem Marguerite diese Begleitung sehr discret behandeln, Holmfeld sie viel umfangreicher und theilweise selbstständiger ge stalten wollte. Schließlich kam ein Compromiß zu stande, worin bald die eine, bald die andere Meinung die Oberhand behalten hatte und das daher keinen von beiden vollkommen befriedigte. „Wir müssen daran noch ändern," sagte Holm feld, als er endlich aufstand, um sich zu verabschieden. „Wann darf ich wiederkommen?" „Morgen," antwortete Chardin, der seine Müdig keit nun abgeschüttelt hatte und mit Neid auf Mussa ah, der sich ohne Rücksicht auf die gesellschaftliche Etikette noch Herzenslust recken und dehnen konnte. „Wir dürfen das Concert nicht zu weit hinausschieben; denn Sie wollen doch auch nach England zurückkehren. Und hier bei uns sind Sie immer willkommen." „Aber Groß Väterchen," warf Marguerite ein, „für Herrn Holmfeld ist es hier doch gar zu langweilig. Man kann von ihm nicht verlangen, daß er zu so vielen Opfern auch noch das bringr, tagelang in unserem schläfrigen Hause zu sitzen." „Darauf antworte ich gar nicht, Marguerite," sagte Holmfeld etwas unwillig. „Sie thun sich selbst Unrecht, indem Sie so reden, und mich kränken Sie und Sie wissen, daß Sie beides thun." „Also bis morgen." Und mit gewinnendem L ächeln reichte ihm Marguerite die Hand, die er ehr erbietig küßte. Von Marguerite bis an die Thür ihres Zimmers, von Mussa, als einem civilisierten und mit den Pflichten der Höflichkeit bekannten Katerthier, bis an die Gartenpforte und von Chardin bis an seine Herberge geleitet, trat Holmfeld die Rückfahrt an. Unterwegs rief er sich noch einmal alle Einzelheiten des heutigen Besuchs ins Gedächtniß zurück, um die Frage zu lösen, weshalb trotz des anregenden und durch keinen Mißton getrübten Verlaufes dieser zweite Besuch ihm nicht ein so volles Gefühl innerer Befriedigung hinter ließ wie der erste. Er mochte sich eigentlich kaum selbst eingestehen, was die Ursache war. Marguerite hatte ihm etwas fremder gegenüber gestanden, und dem Abschiede hatte etwas gefehlt, was ihm jene» erste Mal so wunderhold und unvergeßlich gestaltet hatte. (Fortsetzung folgt.)
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