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Mai 1897. Der Gemeind e-R a t h. Oppermann, Gmdvstd. Km AMtt'MWlW U MckWid. Zu der am vergangenen Sonntag vom Evangelischen Arbeiter-Verein in Oberlungwitz nach dem Saale zum Deutschen Kaiser einberufenen öffentlichen Versammlung hatten sich an 400 Mann, zumeist Arbeiter eingefunden. Daß die Zuhörer »um weitaus größten Theil der alten, festgefügten social- oemokratischen Partei angehörten und die Anhänger des National-socialen Vereins, der erst Partei werden will, be deutend überwogen, liegt in der Natur der Verhältnisse be gründet. Nach der ^5 Uhr erfolgten Eröffnung der Ver sammlung durch den Vereinsvorsitzenden erhielt Herr Max Lorenz aus Leipzig, Redac^eur der national-socialen Zeitung „Die Zeit", das Wort zu seinem Vortrag: „Die deutsche Arbeiterbewegung". Er sührte etwa folgendes aus: Die Arbeiterbewegung ist in Deutschland durch Ferdinand Lasalle in den sechziger Jahren ins Leben gerufen worden, während sie in England 50 Jahre früher ihren Anfang nahm. Sie wurde bedingt durch die Entstehung der Großindustrie, die sich aus der fortschreitenden Verbesserung der Maschinen (Ntwickelte. Die Großindustrie erzeugte auf der einen Seite Unternehmer, die ihr Capital in den Großbetrieb steckten und denen die Betriebsmittel gehörten, auf der andern die Masse des Proletariats, der Volksgenossen, die nichts ihr Eigenthum nannten als ihre Arbeitskraft, oie sie in den Fabriken verkauf ten und von deren Ertrag sie lebten. Die Entwickelung der Großindustrie erfolgte in zwei Phasen oder Ab schnitten. Zunächst stehen sich Unternehmerschaft und Ar beiterschaft feindlich gegenüber, der Vvrtheil des einen ist der Nachtheil des anderen. Grund hierfür ist der Concurrenz- kampf, den der Unternehmer mit Wettbewerbern führen mutz, die dieselben Waaren an denselben Kundenkreis absetzen wollen. Hierbei muß er seine Waaren möglichst billig und möglichst gut liefern. Da er aber an Material und Maschinen nicht all zuviel sparen kann, drückt er auf die ausbeutungsfähigere Ar beitskraft, er erstrebt möglichst geringen Lohn und möglichst lange Arbeitszeit. Hierdurch wird aber die Arbeitermasse ent artet, sie wird geistig und körperlich schwächer. So befand sich z. B. in England die Arbeitermasse in einem derartigen Elend in den dreißiger Jahren, als dort Karl Marx und Fried rich Engels ihre Studien machten. Aus diesem ersten Ab schnitt hat sich aber in England die Großindustrie weiter ent wickelt zu einer zweiten Phase, Da die Concurrenz immer- mehr zunahm, so wurde der Wettkampf erbitterter, es galt im mer besser und billiger zu produciren, doch die Arbeitskraft der Massen war auf dem tiefsten Punkt der Erschöpfung angelangt; der Unternehmer mußte durch die große Zahl der Arbeiter die geringe Leistungsfähigkeit der einzelnen ersetzen, cs machte sich ein größeres Lohnkonto nöthig. Dem gegenüber trat ein Um schwung im Unternehmerthum ein. Man wendete den Sinn der technischen Seite zu: man stellte leistungsfähigere, feinere Maschinen auf, die gleichzeitig mehr und schneller arbeiteten. Zu iyrcr Bedienung mußten jedoch gelernte Arbeiter eingestellt werden, die höheren Lohn erhielten, während gleichzeitig die geistanstrengende Thätigkeit an diesen complicirten Maschi nen eine Verkürzung der Arbeitszeit nöthig machte. In dieser zweiten, dem Arbeiter günstigeren Phase, befindet sich gegenwärtig die Entwickelung der Großindustrie in England. Deutschland ist noch nicht so weit. Es befindet sich noch auf der ersten Stufe, auf der des Kampfes zwischen Unternehmer und Arbeiter, wenn cs auch einige fortgeschritte nere Unternehmer giebt, die sich der englischen Anschauung an nähern. Es sind daher die Arbeiter genöthigt, sich in gewerk schaftlichen Organisationen zusammen zu schließen. Diese Organisationen sollen aber auf nationalem Boden stehen und nicht der Socialdemokratie zum Deckmantel dienen; andererseits sollen sie aber nicht allein Unterstützungs- und ähnlichen Zwecken dienen, sondern auch als Kampfvereine kraftvoll ein treten für die Interessen der Arbeiterschaft. Im Interesse der letzteren aber liegt eS, die deutsche Groß industrie bald zur zweiten Phase ihrer Entwickelung zu bringen. Dies geschieht, wenn die Industrie ihr Absatzgebiet nicht nur auf dem heimischen, sondern auch auf dem Weltmarkt sucht. Denn wenn sich die deutsche Großindustrie siegreich auf dem Weltmarkt bethätigt, so werden wir neue Arbeitsgelegen heit und neue Verwendung für die überschüssige vaterländische Vvlkskraft finden. Daß sich Deutschland im Uebecgangsstadium befindet, beweist die bedeutende Vermehrung der Handelsflotte, die bedeutende Vergrößerung der Eisenproduction und das Be streben Englands, des bisherigen Beherrschers des Welthandels, sich und seine Colonien durch Schutzzölle vor der gefährlichen Concurrenz der aufstrebenden Großindustrie Deutschlands zu schützen. Der wirthschaftlichc Gegensatz zwischen Unternehmer und Arbeiter fand auch seinen Ausdruck auf dem politischen Ge biete. Erstere schlossen sich in der national-liberalen, letztere in der socialdemokratischcn Partei zusammen, die sich beide bis auf den heutigen Tag gegenseitig aufs erbitterste befehden. Doch wie wir auf wirtschaftlichem Gebiete im Uebcrgange zur zwei ten Phase der Großindustrie sind, so vollzieht sich auch im Be reiche der Politik ein Umschwung. Die beiden genannteu Parteien sind nicht mehr zeitgemäß, sie veralten. (Widerspruch.) Will die Socialdemokratie Fortschrittspartei bleiben, so muß sie sich der wirtschaftlichen Entwickelung gemäß weiter ent wickeln, sie müßte sich auf den Boden des bestehenden Staates stellen und nationalen Empfindungen Platz geben. Daß die Socialdemokratie gegenwärtig noch dem deutschen Reiche feindlich gesinnt ist, läßt sich erklären und entschuldigen, wenn man bedenkt, daß die Jugend des deutschen Reiches vor allen den Arbeiter für die Sünden der Gründerzeit büßen ließ und ihm darnach, als der Arbeiter sich durch Zusammenschluß der entreißenden Arbeitslosigkeit und dem zunehmenden Lohn druck entgegenstellen wollte, das Socialistengesetz brachte. Wenn sich aber die Entwickelung in ihrem Fortschritt mit dem Empvrkommen der arbeitenden Classen das Emporkommen des Reiches in innigen Zusammenhang bringen wird, wenn nicht nur die Lage des Unternehmers, sondern auch die des Arbeiters sich bessert, dann durfte jener Zorn schwinden. Daß die Arbeiter allmählig diese innere Umwandlung erleiden wer den, beweisen einige Aeußerungen des socialdemokratischcn Re dacteurs Dr. Schönlank, der diesem Gedanken, wenn auch noch verschämt, bereits Ausdruck gegeben hat. Wenn sich diese Er- kenntniß im gesammten Arbeiterstand verbreitet haben wird, dann nehmen die arbeitenden Massen des Volkes ihren Geg nern die schärfsten Waffen aus der Hand. Dann werden die Vertreter der Arbeiter auch practische Erfolge erzielen, was die Socialdemokratie bis jetzt nicht erreicht hat, denn was gegen früher besser geworden ist, das ist nicht dem Wirken jener Partei, sondern der Weiterentwickelung der Großindustrie zu danken. Es ergiebt sich also: Die Emporentwickelung der deutschen Großindustrie und die Emporentwickelung der deutschen Arbeiterschaft bedingen sich gegenseitig. Beides verlangt, daß die Arbeiterschaft sich mehr und mehr auf nationalen Boden stelle und sich immer mehr als wichtigstes Glied des heutigen Staatswesens fühle, damit sie als solches den andern Ständen als gleichgewerthet und und gleichberechtigt gegenüber trete. Reben den Arbeiterstand aber tritt der Bauernstand. Haben beide Gemeinsames oder sind sie, namentlich soweit der kleine und mittlere Landwirth in Frage kommt, feindliche Mächte? Letzteres Princip wird durch den Bund der Land- wirthe vertreten, der doch in erster Linie für die Interessen der Großgrundbesitzer ins Feuer gehe. Der kleine Bauer sei mit seiner Viehzucht, seinem Getreide-, Obst- und Gemüsebau angewiesen aus einen möglichst großen Consum, der besonders durch die Masse der Arbeiter in der Großindustrie verursacht werde. Umgekehrt habe auch der Arbeiter Ursache, das Ge deihen der kleinen Bauern auf alle Weise zu fördern, denn der durch Mißerfolge und wucherische Ausbeutung enteignete Bauer werde nur das Arbeiterproletariat vermehren und so den Arbeitslohn herabdrücken. Das gegenseitige Interesse verlange also, daß sich zwischen Bauernschaft und Arbeiterschaft ein Solidaritätsgefnhl ausbilde. Es müsse also eine moderne Politik streben: nach außen der Großindustrie Deutschlands -ine herrschende Stellung auf dem Weltmarkt zu verschaffen und noch im mer an derHebung und Erhaltung des deutschenKleinbauern zu ar beiten. Die producirenden Stände, Arbeiter und Bauern, müssen sich zusammenschließen. Mit der deutschen Arbeit möge sich auch die deutsche Bildung vereinen, um dem einigen deutschen Reich auch d'e innere Einheit der deutschen Freiheit zu verschaffen. So wird Deutschland eine einheitliche zufriedene Masse werden, es wird sein ein einzig Volk von Brüdern, das sich nicht trennt in den Stunden der Noth und der Gefahr. Die nun folgende Debatte nahm einen lebhaften Verlauf. Dem Referenten, einem ehemaligen Anhänger ihrer Partei, hatte die Socialdemokratie drei ihrer Führer, die sicherlich nicht zu ihren schlechtesten Rednern zählt, entgegengestellt. Die un beschränkte Zeitdauer der Diskussion boten ihnen die reichlich benutzte Gelegenheit, in ausführlicher Weise den Redner in sachlicher und persönlicher Beziehung aufs schärfste anzugreifen und die Propaganda für ihre Ansichten und Einrichtungen ein gehend zu pflegen. Zunächst sprach Herr Lorenz auS Chemnitz. In nahe zu einstündiger Rede trat er den einzelnen Ausführungen des Vortragenden entgegen. So weist er darauf hi», daß auch ein Vertreter der Arbeiter, der etwa einer anderen Partei ent nommen wäre, im Reichstag unter den obwaltenden Verhält nissen nicht mehr erreicht haben würde. Denn dieser vertrete einseitig die Interessen des Unternehmerthums. Uebrigens stehe die socialdemokratische Arbeiterschaft dem Reiche nicht feindlich gegenüber, denn der deutsche Arbeiter habe sein Blut für das Vaterland vergossen und sei auch noch heute bereit, das Vater land zu vertheidigen. Jederzeit habe sich die Socialdemokratie bemüht, die Lage der Arbeiter zu bessern und die in den „Grundlinien" des national-socialen Vereins 8 4 aufgestellte Forderung fortgesetzter politischer, gewerkschaftlicher und ge nossenschaftlicher Arbeit sei von ihr stets im Auge gehalten und erfüllt worden; sei doch die Socialreform nicht aus Liebe zu den Arbeitern sondern aus Angst vor der Socialdemokratie in Angriff genommen worden. Es sei ferner fraglich, ob die Ver besserung und Verfeinerung der Maschine den Werth der Arbeit des Mannes erhöhen, ob nicht vielmehr der Arbeit der Frau und der Kinder abermals ein größerer Spielraum geschaffen werde. Es müsse also der Arbeitec aus eigener Kraft für sich sorgen, er dürfe weder auf die Macht der Entwickelung ver trauen noch mit den Sympathien der Gebildeten rechnen. Der zweite Redner, Herr Gramon-Chemnitz, wendete sich lediglich an seine Parteigenossen, indem er in oft derben und drastischen Ausdrücken den Redner des Abends angrcift, dem national-socialen Verein ein Hinscheiden an Juaendschwäche voraussagt und seine Parteigenossen zum Anschluß und Fest halten an den bestehenden socialdemokratischen Organisationen aufforderte. Der dritte Sprecher, Herr Rcdacteur Reichel-Burgstädt, weist darauf hin, daß auch in England ein kurzer Arbeitstag von 6l/z Stunden nur in einem kleinen Bezirk eingeführt sei, und die englischen Arbeiter der gesetzlichen Einführung des 8stündigen Arbeitstages nur entgegen seien, weil sie von einem Eingreifen auf gesetzlichem Wege nichts wissen wollten. Daß die christlich-socialen Gewerkschaften nicht erfolgreich für die Arbeiter einzutreten vermögen, sucht er am Beispiel eines Lohnkampfes in Aachen darzulegen. Hier hätten diese nur eine Verminderung der geplanten Lohnherabsetzung erreicht, während die Socialdemokraten diese Lohnkürzung nicht nur verhindert, sondern eine Lohnerhöhung errungen haben sollen. Endlich fragte Herr Gustav Selbmann noch an, wie es gekommen, daß Herr Lorenz-Leipzig aus der socialdemokrati schen Partei ausgeschieden und zur national-socialen über getreten sei. Im Schlußwort tritt Herr Lorenz-Leipzig den Ausführ ungen der Vorredner entgegen, indem er sie auf Grund seines Vortrags richtigstellt, während er anderseits die Uebereinstim mung in einer Reihe von Punkten mit Freuden anerkennt. Persönlich geht er dann auf seine Beziehungen zum Abgeord neten Dr. Schönlank ein und begründet seinen Uebertritt da mit, daß er als Anhänger des nationalen Socialismus eines Ferdinand Lasalle bei der marxistisch gesinnten Socialdemokratie keine Befriedigung gesunden habe. Rach einer persönlichen Bemerkung des Herrn Lorenz- Chemnitz wird die Versammlung nach 4-stündiger Dauer vom Vorsitzenden geschlossen. Sächsisches. Hohenstein, den 11. Mai 1897. Zur Erleichterung des Pfingst-Personenverkehres gelten im Bereiche der Königlich Sächsischen Staatseisenbahn-Verwaltung die am 4. Juni o. I. und an den folgenden Tagen gelösten gewöhnlichen Rückfahrkarten von tarifmäßig kürzerer Dauer bis einschließlich 13. Juni d. I. Die Rückreise ist spätestens an diesem Tage anzutreten. Die dreitägigen Rundreisekarten ge nießen die gleiche Gültigkeitsverlängerung. Betreffs der durch gehenden Rückfahrkarten im Verkehre mit Stationen der Preußi schen Staatseisenbahnen greift die Vergünstigung mit der Be schränkung Platz, daß im Preußischen Bahnbereiche die Rück reise schon am 10. Juni anzutreten ist, während sie im Säch sischen Bereiche noch in der oben angegebenen längeren Frist ausgeführt werden kann. Inwieweit die durchgehenden Rück-