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Geschäfts-Anzeiger für Hohenstein Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Sngau» Hermsdorf, Bernsdorf, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Rüßdorf, Wüstenbrand, Grüna, Mittelbach, äst mg, Leukersdorf, Seifersdork, Erlbach, Kirchberg, Pleitza, Reichenbach, Gmmbach, Callenberg, Tirfchheim, Kuhschnappel, St. Egidien, Hüttengrund u. s. w. Nr. 138. Freitag, den 18. Juni 1897. Beilage. Die Entwicklung Deutsch-Ostafritas. Vortrag des Gouverneurs a. D. Major v. Wissmauu, gehalten zn München am l l. Jnni 1807. (Fortsetzung und Schluß.) Auf Wunsch des Geschwaderchefs Sr. Majestät wurde ich bei diesem ersten Gefecht von einer 200 Matrosen starken Landungstruppe unterstützt. Das Gefecht verlief leider gleich nach der ersten Ent wickelung zn stürmisch, so daß meine Maßnahmen zn weiterer Umfassung nicht ausgeführt werden konnten und Buschin selbst mit dem größten Theil seiner Truppe eutkam. Es folgte uun die Einnahme der größeren Küstenvrte des Nordens wie Saadani, Pangani und Tanga, bei der ich meist unter dem Schutze der Geschütze des Geschwaders lan dete, die Aufständischen aus ihre» Stellungen warf und diese besetzte. Ich möchte, mich besonders der Landung bei Pangani erinnernd, nicht unerwähnt lassen, eine wie hohe moralische Unterstützung das Geschützfeucr für eine Truppe ist. Die aufregende, anfeuernde Wirkung des Brüllens der Feuerschlünde war bei Europäern und Schwarzen deutlich zu beobachten. Ich möchte sagen, es focht sich viel lustiger bei diesem Generalbaß, als im Innern nur unter dem scharfen, nervösen Knattern des Gewehrfeuers. Ueberall, wo ich eiueu Küsteuvrt genommen hatte, setzte ich mich fest und war gezwungen, einen Theil meiner Truppe zur Besatzung zurückgelassen. Nachdem die Küsteuplätze des Nordens somit wieder ge nommen und gesichert waren, erhielten wir Nachricht, daß Bnschiri im Innern neue Kräfte sammele. Ein Lieutcuaut Giese, der aus der Station Mpwapwa eintraf, war von Bu- schiri überfallen, sein Unteroffizier getödtet worden, und er hatte nur das nackte Leben durch Flucht in 14tägigen nächt lichen Märschen retten können. "Alle Missionen im Innern waren jetzt im höchsten Grade bedroht, denn Bnschiri, der bis dahin ganz besonders die katholischen Missionen als neutral respektirt hatte, war nuu rücksichtsloser geworden. Ein großer Theil aller Missionen hatte nicht unter der Feindseligkeit gegen die Deutschen zu leiden gehabt. Viele der Missionen waren viel älter als die Ausänge unserer koloui- sireudeu Bestrebungen. Letztere riefen Mißtrauen hervvr, während die uneigennützige, aufopfernde Arbeit der Missionen den Eingeborenen nnd "Arabern schon zur Genüge bekannt geworden war. Um zu zeigen, daß ich stark genug sei, auch fern von uns rer Operationsbasis, der Küste, fechten zu können, nm die Missionen zn schützen, und nm Buschins weitere Werbungen zn verhindern, unternahm ich einen Zug nach Mpwapwa, ans dem nur einmal mir aufständische Häuptlinge entgegenzntreten wagten. Der schnelle Zug mitten in's Land hinein, ganz beson ders aber die Mitführung einer Anzahl gefangener Araber, der bisherigen Herren der Eingeborenen, in Ketten, machten einen solchen Eindruck auf diese, daß der Erfolg die Erwartung über., s. Bnschiri jedoch war mir ausgewichen. Er hatte die Ma- hengc oder Mafiti, einen znluverwandten Stamm, dnrch Ver sprechungen bewogen, ihm zn folgen, nnd war, während ich in Mpwapwa, eigentlich dem Engpaß sämmtlicher aus dem Junern kommeudeu Karawaueustraßeu, eiu starkes Fort baute, nach der Küste marschirt. Ich hatte dort dem Hauptmauu v. Graveureuth das Kommando übergeben und ihm eine Truppe von 500 Mann zur Verfügung gestellt. Graveureuth rechnete wohl nicht daranf, so bald auf die zahlreichen und kampflustigen Mafiti zn treffen. Er hatte seine Truppen in drei gleichen Theilen von Bagamaho, Bueni nnd Dar-es-Salaam in's Innere abmarschiren lassen. Er stieß mit der einen Kompagnie, die sich unter seiner persön lichen Führung befand, auf die ganze versammelte Masse des Feindes, die er allerdings sicherer geschlossen an der Küste er wartet hätte. Nnr der ganz außergewöhnlichen Begabung als Führer, der Ruhe und Entschlossenheit Gravenreuths war es zu verdanke», daß die sehr gut ausgeführteu Anläufe der sperrwerfeuden Mafiti mit dieser schwache« Truppe abgeschlagen und der Feind in's Innere zurückgetrieben wurde. Als der dritte verzweifelte Anlauf der wildeu Mafiti, deren einige bis in die Reihen der Truppe eiugedrungeu waren, zurückgewiesen war, hatte jeder Mann von Gravenreuths Truppe uur noch drei bis fünf Patronen in der Tasche. Auf die Nachricht von diesen Gefechten, besonders aber auch auf Meldungen von Rüstungen an anderen Stellen, eilte ich zur Küste zurück und fand hauptsächlich kriegerische Arbeit im Hinterlande von Saadani, wo der zähe Bana Heri in mehreren Gefechten ans hervorragend gnt ausgewählten nnd befestigten Stellungen vertrieben werden mußte. Bald darauf gelang es auch dem Kompagnieführer Dr. Schmidt, Buschiris, der sich über die Nordgreuze Deutsch- Ostafrikas flüchten wollte, habhaft zu werde». Nicht wenig hatten die 5000 Rupien, die auf seinen Kopf gesetzt waren, dazu beigetrageu, daß die Eiugeboreueu bei Ergreifung des gefährlichen Führers mitwirkten. Ich ließ Bnschiri sofort nach seiner Ergreifung hängen. Bezeichnend für die Art der Kriegführung war die zu meiner Kenntniß gelangende Absicht, die Bnschiri mit mir hatte, wenn er mich fangen würde. Er äußerte, er würde mich anbiudeu lassen und mir freistellen, mich von meinem eigenen Fleische so lange zn ernähren, als dies der Körper anshielte, oder Hungers zu sterben. Mir war infolge dessen der eben erzählte AuSgang unserer Feindschaft sympathischer. Dnrch die nvthwendigste Besatzung der gewonnenen Punkte, von denen ans sich überraschend schnell ein Einver ständnis; mit den Eingeborenen anbahnte, war meine Truppe so geschwächt, daß ich zum zweiten Theil der Aufgabe, der Wiederuahme des Südens, also Kilwas, Lindis, Mikiudanis, eine Verstärkung bedurfte, die ich durch weitere 300 Sudaner ans Eghpteu erhielt. Ganz gegen die "Annahme und wohl besonders durch unsere bisherigen Erfolge bewirkt, war die Einnahme der süd lichen Küstenplätze leichter als die Gefechte im Norden. Es blieben dann wohl noch einige, von der Küste flüchtig gewordene Führer mit einem geringen Anhang im Innern, jedoch so wenig bedrohlich, daß ich melden konnte, der Araber- anfstand in Ostafrika sei niedergewvrfeii. Alle Gefechte, die von da ab später noch geführt werden mußten, waren Bestrafungen nubotmäßiger oder räuberischer Stämme. Jedenfalls wurde uun dnrch unser ganzes Gebiet von Arabern nnd Negern anerkannt, daß wir die Herren des Landes seien. In keinem wildeu Lande hat man durch Abschluß von Verträgen allein Kolonien schaffen oder wenigstens halten können. Bevor der weniger zivilisirte oder wilde Bewohner solcher Länder nicht die größere Macht des Kolonisators er kannt hat, ist mit ihm nicht zn rechnen, wird er bei jeder Gelegenheit, die seine Unzufriedenheit hervvrrnft, eine Kraft probe anregen. Die Verlnstverhältnisse an Offieieren und Mannschaften während des Aufstandes sind sehr viel ungünstigere als die in dem doch gewiß blutige» Kriege l 370/71. Von 243 euro päische» Kombattanten sind 53 geblieben, also mehr als >/.. Die Verluste der farbigen Truppen waren in meiner Zeit ähnliche, sie wurden dann dnrch die Vernichtnng der Zelewskischen Expedition noch ungünstiger. Ein Beispiel, wie schwer die Kriegführung in wilden Ländern ist, gibt der Ueberfall und die Vernichtung der Ex pedition Zelewskis, eines ruhigen, tapferen und vorsichtigen Führers nnd seiner Soldaten; gibt in erschreckend höherem Maße dir Vernichtnng der ans 10,000 Köpfen bestehenden Expedition von Hicks Pascha, die Vernichtnng des größten Theiles der Expedition von Baker Pascha, so manches un glückliche Gefecht der Engländer in Südafrika, der Holländer nnd Frmzvsen in ihren Kolonien, der Italiener in Abyssinieu. Bei der großen Mehrzahl dieser Katastrophen gab wenig stens ein Kern von europäischen Truppen, auf den wir in unserer Kolonie des Klimas wegen mich verzichten müssen, einen gewissen Halt. Im Anfstande hatte sich schon in allernächster Nähe der Küste, z. B. bei Bagamoyv, in der allerdeutlichsten Weise ge zeigt, wie ungeeignet aus Europäern bestehende Truppen zur Kriegsführung im tropischen Afrika sind. Nach einem kurzen Urlaub nach der Heimath kehrte ich nach Ostafrika zurück, und mußte mit der Truppe nach dem Kilima- Ndscharo eilen, nm dort den Häuptling Suina der Wakiboscho, der meine Station nnd den uns befreundeten Häuptling Mandara ernstlich bedrohte, zu bestrafen. Es gelang dies in einem ziveitägigen Gefecht. Die kriegerischen Wakiboscho hielten sich gut iu ihrem vou tiefen Schluchten durchzogenen, an verdeckten Gänge und Höhlen reichen Gebiet. Auf meinem Marsch zur Küste traf die Nachricht ein, daß ich die Kolonie an einen Gouverneur, Herr« von Soden, zu übergebeu habe. Meine wie man angenommen hatte, rein militärische Tätigkeit sollte nnn durch eine Zivilverwaltung ersetzt werden. Ich ging nun an eine Aufgabe heran, die mir zunächst für das Innere unserer Kolonie als die wichtigste erschien: Ich warb in Deutschland um Mittel zur Beschaffung einesDampfers für die afrikanischen Seen. Mit Hilfe der Antisklaverei- Lvtterie war ich denn anch bald im Stande, das geplante Unternehmen einzuleiten. Die Vernichtnng der Zelewski'schen Karawane zwang mich, »reinen Plan zu ändern nnd den Dampfer zunächst nach dem Nyassa, nicht dem Viktoria-See, zu bringe«. Sie wissen, daß dies binnen Jahresfrist gelang und daß das Boot noch heute das größte und seetüchtigste auf dem Nyassa ist und bisher ununterbrochen seinen Dienst gethan hat. Wir sind jetzt bemüßigt, ein ähnliches Unternehmen nach dem Tanganyika in's Leben zu rufen. Bei der großen Wichtigkeit desselben ist sehr zu hoffen, daß die Betheiligung eine rege sei. Da meine Anwesenheit beim Zusammensetzen der bis zum See geschafften Dampfertheile nicht durchaus nöthig war, so baute ich während dieser Zeit als Stützpunkt für den Dampfer im Hohenlohe-Hafen die Station Langenburg, und unternahm eine Expedition bis zum Tanganyika, um iu diesem südwest liche» Theile unserer Kolonie Ordnung zu schaffen und ganz besonders den seit Jahrzehnten jährlich unser Gebiet ver wüstenden, Sklaven raubenden Wawemba ihr Handwerk zu legeu. Es gelang mir dies in einem Gefecht, welches durch die geringe Stärke meiner Truppe — ich hatte nur 60 Askaris gegen 6000 Wawemba — wohl das bedenklichste aller von mir geführten Gefechte war, aber doch seinen Zweck erreichte. Vor Kurzem eiugetroffeueu unrichtigen Meldungen ent gegen kann ich kvnstatiren, daß die Wawemba seitdem ihre großen, jährlichen Raubzüge, bei denen sie zuletzt auch die Missionen am Tanganyika bedrohten und die einen großen Theil unseres Gebietes entvölkert haben, unterlassen haben. Die Wawemba selbst wohnen auf englischem Gebiet. Eine gnte Straße zur Verbindung zwischen Nyassa und Tanganyika fand ich leider nicht; eine solche existirt anch nicht, denn die schroffen Randgebirge des Tanganyika und deren Ausläufer können nur über englisches Gebiet umgangen werden. Während ich nach der Heimath zurückkehrte, führte Herr v. Scheele die wohl vorbereitete Strafexpedition, für die Ver- uichtuug vou Zelewskis Trupp, die für unser Ansehen in Ostafrika unerläßlich, wie Ihnen bekannt ist, mit vollem Er folge durch. Es waren nun in Deutsch-Ostafrika an der Küste fried liche Verhältnisse nnd auch im Irmer» waren rnhige Zustände geschaffen. Alles drängte nun natürlich zur wirthschaftlicheu Weiterentwickclung der Kolonie, der noch zweimal unberechen bare Zufälle hiuderud iu den Weg getreten waren. Die im Aufstande vernichteten Pflanzungen von Euro päern und Eingeborenen waren schon längst wieder hergestellt, da machte im Jahre 1801 den fleißigen Arbeitern abermals eiu unvorhergesehener Zwischenfall einen Strich durch die Rechnung Heuschreckenschwärme vernichteten derart Pflanzungen und Felder, daß in vielen Gegenden Ostafrikas Hungersnoth ent stand und unter Herrn v. Scheele nicht nnbedeutende Summen zur Abhilfe verwandt werden mußten. Noch nie, so behaup teten die Eingeborenen, war es dagewesen, daß eine Heu schreckenplage länger als zwei Jahre gedauert habe. Diesmal verschwand erst die Plage nach vier Jahren. Aber noch ein anderer Umstand war hinzugekommen, der unsere schon so heimgesuchte Kolonie schwer schädigte. Schon als ich im Jahre 1890 am Kilima - Ndscharo thütig gewesen war, Ivar dort, vom Norden kommend, eine verheerende Rinderseuche ausgebrocheu, die den wundervollen Viehstaud der Dschagga-Völker, den einzigen Reichthum und Unterhalt der Massai-Horden vernichtete. Nur die Horden, die neben ihren zahllosen Riudviehheerden noch Kleinvieh hatten, halfen sich kümmerlich, ein weiteres Nomadenleben füh rend, durch. Viele verhungerten, Viele gingen freiwillig in die Sklaverei vou ackerbautreibenden Stämmen, nur um dem Huugertode zu entgehen. Die Rinderseuche zog weiter nach Süden durch unsere Kolonie; sie ist dieselbe, die, dann bis zum Kap wandernd, jetzt unsere südwestliche afrikanische Kolonie, und diese in nock- viel höherem Maße bedroht, weil dort der ganze Verkehr, auf de« Zugochsen angewiesen, von dem Ausgange der Seuche abhüngt. Im Juui 189,5 wurde ich zum Gouverneur vou Ost afrika ernannt, und nahm meine im Jahre 1890 abgebrochene Thütigkeit uüeder auf. Es war unterdeß von meine» Herr« Vorgänger« eine geordnete Verwaltung geschaffen; es war für die Unterkunft der Europäer hervorragend gesorgt; es war vor Allem — und ich muß das trotz der vielfache« Gegenansichten durchaus betonen, — Alles gethan, um der wirtbichastlichen Entwickel ung der Kolonie Vorschub zu leisten. Anch ich mußte, wie meine Vorgänger, kvnstatiren, daß dem Drängen aus der Heimaty nach wirthschaftlichen Fort schritten leider die Mittel uicyl entsprachen. Das Gefüyl der Beamten draußen, und besonders das der allein verantworllicüen Gouverneure, auf wirthschaftlichen: Gebiet deshalb das nicht leisten zn können, was die öffentliche Meinung erwartet, er selbst erhofft, ist kein angenehmes. Es hat hervorragend dazu beigetrageu, daß meine Gesundheit, die schon von einem allzulange» Tropenleben angegriffen war,