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Hohensteiner Tageblatt : 30.04.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-04-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id184110793X-189704302
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id184110793X-18970430
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-184110793X-18970430
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohensteiner Tageblatt
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-04
- Tag 1897-04-30
-
Monat
1897-04
-
Jahr
1897
- Titel
- Hohensteiner Tageblatt : 30.04.1897
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ohne wcsemliche Eiörtcrung der NachtragSclat n.it 44 Millionen Mark für neues Artillcriematerial der Budgetkommission über wiesen. Bei der Berathung der Uebersichten über die Ein nahmen und Ausgaben für die Schutzgebiete brachte der Abge ordnete Bebel den Prozeß Peters zur Sprache, um sich selbst mit großer Selbstgefälligkeit herauszustreichen und das Siegel der Socialdemokraten unter das gerichtliche Urtheil zu setzen. Die Rede klang mit der Frage aus, ob mit diesem Urtheile etwa der Fall Peters erledigt sei. Staatssekretär v. Boetticher beeilte sich, zu versichern, daß, wenn hinreichendes Material für eine strafrechtliche Verfolgung vorliegen sollte, die Staatsanwalt schaft gewiß einschreiten werde. Abgeordneter Graf Arnim, der im vorigen Jahre tapfer für Dr. Peters eingetreten war, be gnügte sich heute mit dem Hinweise darauf, daß der Abgeordnete Bebel nicht einmal in der Lage gewesen sei, das Missioasblatt herbeizuschaffen, in welchem der Brief des Dr. Peters an den Bischof Tucker gestanden haben sollte. Auf die Sache selbst einzugehen, lehnt er ab, zumal die Revision gegen dos Urtheil eingelegt sei. Abgeordneter Lenzmann übertrumpfte noch Bebel, verlangte die sofortige Verhaftung Dr. Peters und die Erheb ung der Anklage auf Mord und übernahm auch sofort die Rolle des Staatsanwaltes, indem er Anträge auf Verurtheilung des von ihm Angeklagten stellte. Der Vertreter des Auswärtigen Amtes, Geheimer Legationsrath Hellwig, goß nur Oel ins Feuer mit seiner Bemerkung, die Reichsbchörden hätten auch diese Frage pflichtgemäß geprüft, seien aber zu dem Ergebnisse gekommen, daß von der strafrechtlichen Vcrfolgung wegen deren völliger Aussichtslosigkeit Abstand zu nehmen sei. Mit'geballten Fäusten redete sich Abgeordneter Bebel in eine ungeheure Wuth hinein. Er und Lenzmann suchten wiederholt nachzuweisen, daß die Verfolgung des Dr. Peters möglich und dessen Verurtheil ung unausbleiblich sei. Abgeordneter Dr. Förster von der Reformpartei betonte, daß, wenn Dr. Peters schuldig sei, der frühere Kolonialdirektor Dr. Kayser, der alles gewußt und dennoch Peters zum Landeshauptmann vorgeschlagen habe, mindestens ebenso schuldig sei Er bemerkt ferner, daß die leidige deutsche Gewohnheit, gegen alle anderen gerecht und nur gegen sich selbst ungerecht zu sein, auch in diesem Falle in die Erscheinung getreten sei. Der Bundesrath hat in seiner beutigen kurzen Sitzung den Beschluß des Reichstags wegen Aufhebung des Jesuiten- gesetzcs sowie die Einführung der confessionellen Eidesformel an einen Ausschuß verwiesen. Das Handelsgesetzbuch wurde in der voin Reichstage angenommenen Fassung genehmigt. Der Reichstagsbeschluß betr Einführung eines Maximalarbeitstages wurde dem Reichskanzler überwiesen. Im Einverständmß mit den Bundesregierungen über die künftige Auslegung und An wendung des tz 34 des Aussührungsreglements zum Reichs tagswahlgesetz wurde festgestellt, daß bei der in Folge Ablehn ung oder Ungültigkeitserklärung einer Wahl nöthig werdenden Nachwahl die Austheilung einer neuen Wählerliste dann er forderlich sei, wenn bereits ein Jahr seit der allgemeinen Wahl verflossen ist. In der Commission des Reichstages für die Handwerker- Vorlage wurden heute zunächst die 88 8l und 81a (Aufgaben der Innung) nach der Vorlage angenommen. In der Ver handlung stellte der Abg. v. Viereck für die zweite Lesung einen Antrag auf Einführung der obligatorischen Zwangsinnung in Aussicht. Auch der Abg. Euler (Centr.) befürwortete den An trag auf obligatorische Innungen. Ein Antrag des Abg. Re'ß Haus (Soc.), die Berathungen mit Rücksicht auf die zu erwarten den Vorschläge des Handwerkertages zu vertagen, wurde abge lehnt. Beim 8 81b (Zuständigkeit der Innungen) glaubte Abg. Schmidt (Soc.), die Vielgestaltigkeit der Innungen und besonders die Jnnungskrankenkussen würden zum Schaden der Arbeiter ausfallen, ebenso die vorgesehenen Schiedsgerichte, die nicht auf der Höhe der gewerblichen Schiedsgerichte ständen. Beide Einrichtungen hätten auch für die Innungen keinerlei Vortheile. Geh Oberregierungsrath Dr. Wilhelmi widersprach dieser Auffassung mit Rücksicht auf die bisherige Gesetzgebung und die damit erzu lten Erfolge. Abg. Gamp wies daraus hin, daß vom Vorredner keinerlei Grunde vorgebracht worden sind, um etwaige Mißstände aufweisen. Er machte auf die social- demokratischen Anträge zum Handelsgesetz und den Widerspruch mit der vom Abg. Schmidt gegebenen Darstellung aufmerksam. Abg. Hitze stimmte dem Vorredner bei und befürwortete die Fassung der Vorlage sehr entschieden, behielt sich aber Abänder ungsanträge zum 8 85 vor, um die Jnnungskrankcnkasfen und Schiedsgerichte zu stärken. Abg. Euler führte praktische Bei spiele zur Verstärkung des vom Abg. Hitze in Aussicht gestellten Antrages an. Abg. Jacobsköttcr wies aus die segensreiche Wirksamkeit der bestehenden Jnnungskrankenkassen und ihre zum größten Theile bedeutend sparsamere Wirthschast hin. Abg. Schmidt (Soc.) glaubte aus den Berliner Erfahrungen seine Meinung begründen zu können und sprach besonders für die Gewerbegerichte und gegen die Jnnungsschiedsgerichte. Director im Reichsamt des Innern Dr. v. Woedtke entgegnete, durch die Jnnungskrankcnkasfen würde keine größere Vielgestaltigkeit herbeigeführt, und trat scharf den Behauptungen des Abg. Schmidt entgegen. Abg. Hitze stellte die Besorgniß des Abg. Schmidt fest, daß durch solche Kassen die Innungen gestärkt würden, und hielt dieses Ziel für einen Vortheil, anderseits war er für berufsmäßige Gliederung. Abg. Schmidt (Soc.) mar kein Freund der freien Hülfskassen nach der gesetzlichen Entwicklung, beharrte im Uebrigen auf seinem Standpunkt. Geh. Oberregierungsrath Wilhelmi trat den Ausführungen Schmidts in Betreff der Schiedsgerichte namentlich bezüglich des Berliner Jnnungsschicdsgerichts entgegen und bezeichnete das letztere als durchaus musterhaft. 8 8lo wurde unverändert angenommen, eben so die 88 82 und 83. Der Sultan sandte der „N. Fr. Pr." zufolge durch den Botschafter in Berlin Galib - Bei dem General v. d. Goltz Grüße und dankte ihm für dje nützlichen Unterweisungen, die dieser gegeben habe. Die von der „Times" aus Paris gemeldete» Angaben über eine Unterredung des Herrn Reichskanzlers mit dem fran zösischen Minister des Aeußern in der Transvaalangelegenheit beruhen auf müßiger Erfindung. Ju den Gesprächen zwischen dem Fürsten zu Hohenlohe und Herrn Hanotaux ist, wie die „Nordd. Allg. Ztg.'i hört, die Transvaalfrage überhaupt nicht berührt worden. Rußland. Petersburg, 28.Äpril. Anläßlich des Besuches des Kaisers von Oesterreich schreibt die „Nowoje Wremja": Mit merkwür diger Einmüthigkeit erkennen alle Mener und Pester Regie rungsorgane wie Oppositionsblätter, daß unter den gegenwär tigen Verhältnissen die am meisten im Orient interessirten Mächte Rußland und Oesterrcich-Unaarn sind, sowie, daß die Anwesenheit des Kaisers Franz Josef und der ihm erwiesene warme Empfang Zeichen der Harmonie beider Staaten find. Die „Nowoje Wremja" ist erfreut ob solcher Anerkennung sei tens der österreich-ungarischen Presse. Das Blatt hält eine gemeinsame Action beider Mächte für möglich und wünjchens- werth, aber unter der Bedingung der vollen Gegenseitigkeit. Der Augenblick sei sehr günstig, da die Niederlage Griechen lands gezeigt habe, daß das Kriegsglück aus der Seite der Türkei bleioe. Eine Intervention der Mächte sei unumgäng lich. Sie könne nur dann glücklich sein, wenn keine oer Mächte zur Ausübung eines Sondereinflusses übergehe. Es sei sehr wohl möglich, daß Griechenland sich an England wende, was England kür seine Interessen benutzen könnte. Das beste Mittel, um dies zu verhindern, bleibe die Eintracht zwischen Rußland und Oesterreich-Ungarn. Dies Mittel werde die Einmüthigkeit aller continentaleu Mächte sichern. Es werde den englischen Plänen ein unüberwindliches Hinderniß schaffen, sowie den Krieg zwischen Griechenland und der Türkei localisiren. Griechenland. Athen, 27. April. Die der Opposition angehörendcn Ab geordneten haben nachfolgenden Aufruf erlassen: „Mitbürger! Während der kritischen Angenblicke, die das Vaterland durch macht, ist die Einberufung der Kammeru für nöthig erachtet worden. Die Opposition hält cs für ihre Pflicht, an alle Bürger die Aufforderung und Bitte zu richten, daß Jeder nach Maßgabe seiner Kräfte zur Aufrechterhaltung der Ordnung bei trage, die nicht nur für die Sicherheit Aller unumgänglich nöthig ist, sondern auch eiu unentbehrliches Element der Wahr ung der Ehre und der Rechte der Nation bildet Vergessen wir nicht, daß der Feind den Boden des Vaterlandes betreten hat und daß unser Heer ihm gegenübersteht. In einem solchen Augenblicke würde ein Jeder, der die Ordnung zu stören ver suchte, ganz einfach ein Verbündeter der Türken sein. — Der Aufruf ist von allen in Athen befindlichen oppositionellen Ab geordneten unterzeichnet. Den in der Provinz weilenden Abgeordneten ist ein Nacht zug zur Verfügung gestellt, damit sie sich zu der morgigen Kammersitzung in der Hauptstadt einfinden können. Vom griechisch-türkischen Kriege. London, 28. April. Der Timcs-Correspondent in Bolo, welcher Freitag dem Kampfe bei Mali beiwohnte, berichtet unterm Sonnabend (24. d.) folgendes Ergebnis) der genauesten Untersuchung der Gründe der Panique von Freitag Nacht: Bei Sonnenuntergang bemerkte der griechische Generalstab, daß der rechte Flügel von der türkischen Kavallerie gefährdet würde und gab Ordre, diese Truppen sollen sich bei Dunkelheit nach Larissa zurückziehen Diese Ordre wurde gleichzeitig den gegen überliegenden Hügeln durch Feuerzeichen mitgetheilt. Die Ordre erreichte die erste Linie um 8V- Uhr, der Rückzug begann; doch plötzlich flammten auf den Höhen die erwähnten Flammen signale auf, welche von den ermüdeten und entmuthigten rcti- rirenden Truppen dahin gedeutet wurden, daß die Anhöhen durch die Türken genommen seien. Zugleich schrie Jemand: „Die türkische Kavallerie kommt!" Darauf begann eine wilde Flucht. Die Einwohner ringsum flohen mit. Man stieß auf einander von allen Seiten. Die Dunkelheit wirkte dabei ebenso mit wie der Nur vom Anmärsche der vermeintlichen Türken. Die ersten Fliehenden erreichten Larissa um 1 Uhr Nachts. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer, daß die Türken kämen. Alles flüchtete, es entstand eine entsetzliche Panique. Der Bahnhof wurde gestürmt. Der Zug ging erst Morgens ab; Viele fanden keinen Platz und flohen sonstwie. DcrCorre- spondent fand bei seiner Rückkehr nach Volo Mittags bereits eine Panique vor, welche die Ankunft etlicher türkischer gefesselter Gefangener nur zeitweise unterbrach. Man erwartete die Türken jeden Augenblick, man zahlte fabelhafte Summen für ein Boot, denn der reguläre Dampferdienst war unterbrochen. Der Corre- spondent reiste drei Tage auf dem Landwege nach Athen. Unterwegs fand er das Landvolk sehr aufgeregt, doch herrschte Ordnung. Athen, 28. April. Die verflossene Nacht war ruhig. Landsturmpatrouillen hielten in den Straßen die Ordnung aufrecht. — Der »eile Chef des Gcneralstabs, Oberst Smo- lentz, dem die Leitung der Dinge in Thessalien in vollster Unabhängigkeit übertragen ist, meldet, das; die Truppen in guter Haltung und frohen Mulhes seien. Gestern habe die türkische Vorhut die Stellung der Griechen an der Eisenbahn linie bei Welestinou angegriffen, sei aber bis Gerli zurück- geschlagen worden. (Es wird sich dabei vcrmuthlich um eine türkische Erkunduugsbewegung gehandelt haben.) Die aus Gendarmen und Garibaldianern bestehenden Verstärkungen, die am Svi »tag hier abgegangen sind, sind gestern zu dem Beiagerungskorps vor Prewesa gestoßen. Ricciotti Garibaldi weilt noch h er. Vom westlichen Kriegsschauplätze wird weiter berichtet, die Griechen hätten auf dem Marsch von Arta nach Janina Halt gemacht, um Pentepigadia zu beschießen, wo die Türken sich von neuem festgesetzt haben. In Athen befinden sich gegenwärtig 20000 Reservisten und Freiwillige, die in einigen Tagen nach Thessalien aögehen sollen. Konstantinopel, 28. April. Vier griechische Panzerschiffe sind im Golf von Arta eingsschlosfen und werden von den Türken am Auslaufen verhindert. Wien, 28. April. Aus Athen liegt die Meldung vor, daß eine Revolution ausgcbrochen sei, der König sei in Gefahr. Eine anderweitige Bestätigung der Meldung liegt nicht vor. Vermischtes. Eine alte Klage wird in München wieder laut; sie betrifft das schlechte Einschcnkcn im Hofbrauhause. Ein Münchner Blatt ziebt eine Berechnung darüber, wie viel dem Wirthe zum Beispiel im Hofbrauhause bleibt, wenn er statt eines Liters nur dreiviertel Liter ausschenkt. Im Hofbrauhause werden täg lich rund 70 Hektoliter ausgeschänkt. Rechnet man bei einem Bierpreise von 22 Pf. für den Liter den Viertelliter mit 5V- Pfennig, welche die Gäste infolge des schlechten Einschenkens zu viel zahlen müssen, so macht das im Tage 385 Mark oder im Monat 11,500 Mark, waS einem jährlichen Nebcngewiune von 138,600 Mark gleichkommt In Berlin, woselbst die Un sitte des schlechten Emschänkens ebenfalls vielfach geübt wird, wäre der Nutzen noch größer, denn hier kostet das Liter Münchener, wenn es in Litergefäßen verabreicht wird, 50 Pfg. bei Entnahme in kleineren Gefäßen gar 60 Pfennige; hier ist jedoch dafür gesorgt, daß der Nebengcwinn sich nicht gar zu sehr auswächst, denn 70 Hektoliter Durchschnittsausschank m einem Lokal, das giebt es hier nicht. Das Jubiläum der KSuigiu Victoria. Man berichtet aus London: Mit der am Montag geborenen Tochter des Herzogs und der Herzogin von Jork hat die Königin Vic ¬ toria jetzt 70 lebende Nachkommen: 7 lebende Söhne und Töchter, 33 Enkel und Enkelinnen und 30 Urenkel und Ur enkelinnen. Es heißt, daß bei dem bevorstehenden diamantenen Regierungs-Jubiläum alle vier Generationen der königlichen Familie vertreten sein werden: die Königin, 78 Jahre alt, der Prinz von Wales, 55, der Herzog von Jork, 32, und der Prinz Edward von Jork, 3 Jahre alt. Vielleicht war die englische Köuigsfamilie zu keiner Zeit enger mit den regierenden euro päischen Herrscherhäusern durch Verwandtschaftsbande verknüpft. Mit Ausnahme Georgs III., welcher 82 Jahre alt wurde und 59 Jahre regierte, hat kein englischer Souverän das Alter der Königin Victoria erreicht. Getäuschte Hoffnung. Aus Wiesbaden wird brichtet: Gegen Oberst Vassos, der vor Jahren als 15. Adjutant des griechi schen Königs mit dem Königspaar hier weilte, hat der hiesige Hofjuwelier Heimerdinger laut „Rh. Cour." eine Klage ange strengt, weil Vassos ihm noch 1200 Mk. für damals gekaufte Juwelen schuldet. Vassos wurde vom Landgericht Wiesbaden zur Zahlung von 1200 Mk. verurtheilt, doch ist das Geld bis her von ihm nicht zu erlangen gewesen. Die Hoffnung, Vassos werde jetzt Kreta erorbern, hierfür eine Nationaldotatu a erhalten und hiermit endlich seine deutschen Gläubiger befriedigen, ist wohl schon zu Wasser geworden. Zweikampf. Aus Paris, 26. April. Der Fürst v. Caraman-Chimay forderte, wie schon gemeldet, den ehemaligen Abgeordneten Clemenceau zum Duell heraus, weil dieser am 20. April im „Echo de Paris", wo er seit Kurzem als Chro- niqucur wirkt, einen Artikel über den Fall der geschiedenen Gattin des Fürst veröffentlicht hatte, den der Fürst beleidigend für seine Person fand. Clemenceau hatte in jenem Artikel nicht mehr gesagt, als was schon vorher in anderen Blättern - zu lesen war. Er hatte dem Fürsten blos vorgeworfen, daß er das Geld seiner Frau behalten habe. Klara Ward habe loyaler Weise den Fürstentitel zurückgegeben, aber die Summen, l die zur Neuvergoldung des fürstlichen Wappens dienten, habe der Fürst behalten und sich außerdem für den Unterhalt der Kinder 75,000 Francs Jahresrente gerichtlich zusprcchen lassen. Umsonst bemühten sich die Secundanten Clemenceaus, der Se nator Ranc und der ehemalige Abgeordnete Pörin, begreiflich , zu machen, daß ihr Freund nicht die Rechte der öffentlichen Discussion eines gerichtlichen Handels überschritten habe. Der Fürst v. Chimay bestand auf seiner Herausforderung, und so fand der Zweikampf am 25. April in einem Privatgarten in Paris statt. Die gewählte Waffe war der Degen, und beide Kämpier zeigten sich als geübte Fechter. Nach einem Kampfe von achtzig Secunden erhielten beide Gegner fast gleichzeitig eine leichte Wunde an der Schulter, die „der Ehre Genüge that". Im Gegensatz zu anderen Pariser Duellen der letzten Zeit waren diesmal die Vorbereitungen so geheim gehalten worden, daß das Duell nur vor den Secundanten und Aerzten stattfand. Klara Ward, die wieder in Paris im Hotel Ter minus wohnt, erfuhr immerhin schon am Abend davon und sagte zu einem ihrer Freunde: „Der Fürst ist stark und muthig, er wird sich zu vertheidigcn wissen." Sehr erzürnt ist Klara Ward über den Besitzer einer Jahrmarktsbude, der das Gerücht hatte in die Presse gelangen lassen, daß sie die für die Folies Bergöre bestimmten plastischen Posen in seiner Bude auf der Place du Trüne ausführen werde. Entweder sei jener Budenbesitzer Delille selbst durch eine falsche Klara Ward irregeführt worden oder sei selbst am Betrüge betheiligt. Eine schreckliche Bahnkatastrophe hat sich unweit der Station Alexieja der Riäsan-Sysran-Bahn in Petersburg ereignet. Unbekannte Uebelthäter haben die Entgleisung eines Personenzuges durch Legung von Schwellen aus die Schienen bewirkt. Sieben Waggons und die Lokomotive sind zertrüm mert. 20 Personen sind getödtet, I5 schwer oder leicht verletzt. Von den Thätern fehlt jede Spur. Woran stirbt ein Gehängter? Jedermann wird diese Frage mit großer Selbstverständlichkeit dahin beantworten, daß der Tod bei einem Erhängten durch Erstickung eintritt. Um so mehr wird die Thatsache interessiren, daß dies nach weislich nicht der Fall ist. In Halle erhängte sich neulich ein Mann, an dem der Luströhrenschnitt gemacht war. Der Strick war oberhalb der Kanüle umgelegt, sodaß der Gehängte durch aus im Staude gewesen wäre, trotz der Zusammenziehung des Stricks zu athmcn. Trotzdem erfolgte der Tod ebenso schnell wie sonst. Es geht daraus hervor, daß derselbe nicht durch Behinderung der Athmung, sondern durch die Zusammenprcssung der Blutgefäße herbeiqeführt wird. Die Lage des Körpers war übrigens so, daß der Mann leicht wieder auf die Füße hätte kommen können, wenn er nicht das Bewußtsein ebenso schnell verloren hätte, wie das sonst geschieht. Die Section ergab die Blutleere des Gehirns, eine ungewöhnliche Füllung der Gefäße an der Basis, eine geringe Füllung der Gesäße in der weichen Hirnhaut und einen übermäßigen Blutandrang im Gchirnknoten und im Mark. Eine amerikanische Spitzeder. Man schreibt aus New-Jork: An die „Dachauer Bank" der berüchtigten Adele Spitzeder erinnern die in den letzten Tagen aufgcdecklen Riesen- schwmdeleien der mysteriösen Firma „E. S. Dean Compantz", die sich nicht, wie zuerst angenommen wurde, nur aus zwei bis drei Millionen Dollars, sondern nach mäßiger Schätzung auf mindestens 15 Millionen Dollars belaufen sollen. Fast aus schließlich sind es ärmere Leute aus allen Theilen des Landes, die in der Sucht, schnell reich zu werden, ihre sauer verdienten Ersparnisse den Bauernfängern geopfert haben. Es steht nun fest, daß eine Frau an der Spitze des riesigen Schwindelunter nehmens stand; nach einer Version soll es eine reiche Wittwe, nach anderen eine Stenographistin, eine Kellnerin oder Haus hälterin in einem Hotel der oberen Stadt, wahrscheinlich aber eine Frau Mathilde Geest alias Frau John A. Harrie alias Jennie Emerson sein, die schon vor Jahren in Pittsburg und anderen Orten des Westens ein ähnliches Geschäft betrieb, Tausenden durch Versprechen einer Dividende von 15 Prozent für den Monat ihr letztes Geld ablockte und dann in geheim nißvoller Weise verschwand, als ihr die Polizei auf den Fersen war. Durch die Schwindeleien der Frau Geest wurden seiner zeit in Pittsburg Millionen verloren, und die Vermuthuna liegt nahe, daß sie ihren Wirkungskreis seit ihrer Flucht nach New-Jork und anderen Orten der Vereinigten Staaten mit gleichem Erfolg verlegt hat, da ja auch hier zu Lande die Dummen nicht alle werden. Die Bundes - Grobgeschworenen, die Postbehörden und die County-Gerichte, aber auch die Effek tenbörse beschäftigen sich augenblicklich mit der mysteriösen Firma „E. S. Dean Company", die mit angesehenen Makler firmen und Banken in Verbindung stand. Die Untersuchungen werden ziemlich geheim betrieben, doch sind gerichtliche Maß nahmen schon in den nächsten Taaen zu erwarten. Einstweilen hat das General-Postamt in Washinblon verfügt, daß alle an die „Dean Company" gerichteten Briefe wieder an die Absen-
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