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Hohensteiner Tageblatt : 22.05.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-05-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id184110793X-189705228
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id184110793X-18970522
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-184110793X-18970522
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohensteiner Tageblatt
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-05
- Tag 1897-05-22
-
Monat
1897-05
-
Jahr
1897
- Titel
- Hohensteiner Tageblatt : 22.05.1897
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fallende Schloßen auf, wie anders aber war cs außerhalb! Das Unwetter kam in der Richtung aus Erlau uud Frankenau her und war dort mit starken Schloßen verbunden, die in Haselnußgröße zur Erde niederfielen. Auf der Frankenauer Straße, sowie auf den benachbarten Fluren lagen die Schloßen an geschützteren Stellen noch gegen 8 Uhr in Massen. Der kleine, durch deu Bahndamm nach der inneren Stadt seinen Lauf nehmende Bach hatte seine Ufer überschritten und breitete sich bedeutend auf die angrenzenden Wiesen aus. Im Hof raum der Wcißthaler Actieu-Spinnerei lagerten größere Posten Kohlen, diese wurden zu einem großen Theile von den gelblehmigen Flnthen mit fortgespült. Sträucher uud schwächere Bäumchen wurden entwurzelt, auf dem daherrauschenden Wasser tanzten leere Kisten, die in dem Hofraume des obengenannten Etablissements aufbewahrt waren. Wegen der Wassergefahr erfolgte die Alarmirung der freiwilligen Feuerwehr. Der Altmittweidaer Bach brachte noch weit größere Wassermengen und während sonst sein Bett kaum fußhoch Wasser führt, war es gestern in mehr als Meterhöhe überfluthet. Der Bach hatte sein Bett verlassen und breitete sich, ungehemmt seinen Weg nehmend, auf der Weberstraße aus, dabei zahl reiche Parterrewohnungen unter Wasser setzend. Die frei willige Feuerwehr war in kürzester Zeit nach der erfolgten Alarmirung zur Stelle und mußte auch an verschiedenen Orten die Rettungsarbeiten energisch in Angriff nehmen. Da man für einzelne ältere Häuser die Befürchtung hegte, daß sie von den Wassermassen unterwaschen und dadurch zum Einsturz gebracht werden könnten, verschritt man zunächst zur Rettung der darin befindlichen Personen, sowie nach Möglichkeit auch zur Bergung des Mobiliars. Während dieser Zeit strömten aber die Wassermengen in unaufhörlichem Laufe dahiu, sie brachten zahlreiche Holzgegenstünde, Kistchen, Fässer und Anderes mehr mit. Recht schwer betroffen wurde von dieser Catastrophe die Wittwe Gottschalck auf der äußereu Weber straße. In deren Hause stand das Wasser über 1 Meter hoch, das Sopha schwamm in der Stube. Ein in der Haus- stur daselbst eingemauerte Kessel war vom Wasser ausgehoben und die Feuerungsmauern zerstört worden. Ans dein Bücker Müller'schen Hause machte sich der Forttransport einer Wöchnerin mit ihrem Kinde nöthig, hielt man doch die größt möglichste Vorsicht für geboten, da man nicht wußte, ob das Wasser noch weiter steigen werde. Anch auf der inneren Weberstraße hat das entfesselte Element ganz be deutende Schäden angerichtet. So wurde zum Beispiel beim Oekouom Franke die Gartenmauer unterwaschen und zum Ein sturz gebracht. Die Ufcrmauern haben ganz naturgemäß über haupt an sehr vielen Stellen gelitten und deren vollständige Instandsetzung wird den einzelnen Besitzern ganz wesentliche Kosten auferlegen. In baulicher Hinsicht dürfte am stärksten beschädigt sein das direkt am Bachbette stehende Lindner'schc Hans. Die vor demselben befindlich gewesene Häufte ist total weggerissen, der Fußweg nach dem Hanse ist von den Wasser massen aufgewühlt. Auch das Gruhl'sche Haus ist stark in Mitleidenschaft gezogen, der Pntz ist bis auf 2 in Höhe los- getrenut, die Stufen zur Hausthüre sind weggeschwemmt. Von der elementaren Gewalt kann man sich dann eine Vorstellung machen, wenn man hört, daß auch von der ziemlich starken Cement-Betonirung des Bachbettes metergrvße Stücke losge rissen worden sind. Weder Eisen noch Stein vermochten dem daherströmenden Wasser genügenden Widerstand zu bieten, mehrere aus Eisenschienen mit Bohlenbelag gebildete Stege wurden weggerissen oder doch nahezu bis zur Unpassirbarkeit beschädigt. Der Grüuwaarenhündlerin Böttcher auf derFrei- bergerstraße wurden fast sämmtliche ihrer Waaren wegge schwemmt. Aus dem Lagergewölbe von Landschreiber schwemmte das Wasser eine Anzahl Petrvleumfässer fort, deren Inhalt sich sehr bald, infolge des öfteren Anstoßens der Fässer, ans dem schmutzigen nassen Element ausbreitete. Eineu recht traurigen Anblick bieten auch die Parterrerüume im Schuh macher Queit'scheu Hause. Das Wasser hat hier infolge der dicht davor befindlichen Brücke gestaut uud infolge des dadurch vergrößerten Druckes beim Weiter strömen umsomehr gewüthet. Die Stubeudielen in dem erwähnten Parterre wurden vom Wasser größtentheils ansgehoben, die Uferniauer vor dem Hause aufs Schwerste durch Auswaschen großer Steinblöcke beschädigt. Wundern möchte man sich, daß im Gegensätze hierzu, das nur aus leichtem Fachwerk bestehende Haus des Kohlenhändler Härtel dem Wasser erfolgreichen Widerstand leistete. Bei der in diesem Hause vorgenommencn Rettung von Frau und Kind des Besitzers, sowie bei Bergung der Möbelstücke reichte den hilfeleistenden Personen das Wasser bis unter die Arme. Am Meißner'schen Wehr in Rößgen vor dem der Bach etliche Biegungen macht, wurde ein ganz Theil der Ufermauer wcggerissen. So sieht das Auge überall wohin es blickt, nur ein Bild der Verwüst ung und wenn auch die unheilvollen Fluthen nunmehr wieder entschwunden sind, werden die von der Wasserkatastrophe Be troffenen doch noch viele Tage damit zu thun haben, den ver ursachten Schaden auszubessern und gut zu machen. Die Mannschaften der freiwilligen Feuerwehr arbeiteten mit drei Spritzen, doch wurde später noch eine Abtheilnng der Pflicht- feuerwchr zwecks Hilfeleistung mit einem Zubringer alarmirt. Erst gegen 2 Uhr Morgens rückten die Fcuerwehrmannschaiten von ihrer Wirkungsstätte ab. Auf Grund dortiger Feststell ungen wird mitgetheilt, daß den Mittelpunkt des Unwetters die Röllingshainer Höhe bildete; von dieser aus ergossen sich die reißenden Fluthen, ihren Weg über Wiesen und Felder nehmend, hinab ins Thal. In Altmittweida wurde die zum Möhlerschcn Gehörte sührcnde Holzbrücke am 15 Meter abge- schwcmmt und kam erst zum Stillestand durch Anlegen an einen Baum. Von einem Einwohner Altmittweidas wurde versichert, der Regen sei in so dichten Strömen niedcrgegangen, daß ein Erkennen des Nachbargrundstücks vollkommen unmög lich gewesen sei. — Die gestrige Wasserkatastrophe ist in ihrem Umfange bedeutender als die im Jahre 1854 hier eingctretcne, denn das Wasser stieg diesmal um circa 20 Ctm. höher, wie dies die am Klempner Müllcrschen Hause angebrachte Wasser standsmarke von 1854 deutlich erkennen ließ. In der Brandruine der Zwickaner Kaserne beginnt man jetzt mit der Ausräumung und legt zunächst die Feuer essen nieder. In Vlausnitz bei Olbernhau brannte das dem Guts besitzer und Baugcwerkcn Richter gehörige Gut bis auf die Umfassungsmauern nieder. Der Besitzer war vereist. Die Zigeuner-Romantik schwindet immer mehr. In Meißen sind ewige Zigeuner, die seit kurzer Zeit dort wohn haft waren, wegen — Wechselsälschung festgenommen worden. Das Hochwasser des Elbstromes, welches im Lause des Mittwoch Nachmittags wie vorausgesehen wurde, den Höchst stand erreichte, fällt nun wieder. In den nächsten Tagen dürfte sich allerdings nur ein sehr unbedeutender Fall voll ziehen, da das Hochwasser durch den starken Gewitterregen am genannten Tage abermals reichen Wasserzufluß erhalten hat; später aber geht das Hochwasser in der Regel rapid zurück. Der Elbeumschlagsplatz Laube bei Tetschen hat vollständig geräumt werden müssen, da das Wasser bis unmittelbar an die Magazine heranreichte. Die Personen-Dampsschiffe konnten das Ein- und Ausladen der Passagiere nur mit großer Mühe, an manchen Landungsplätzen überhaupt nicht bewerkstelligen, da die Landungsbrücken durch einen breiten Wasserstrom vom Ufer getrennt waren. So konnten die mit dem Vormittags dampfer nach Mittelgrund fahrenden Passagiere erst in Nieder grund ausgesetzt werden. In der Nähe des sogenannten Weihers bei Bodenbach fiel am Mittwoch ein kleines Mädchen in die Elbe und wurde von den Fluthen mit fortgerissen, ehe Hilfe zur Stelle war. Von einem schrecklichen Unwetter wurde am Mittwoch Nachmittag kurz nach 4 Uhr das ganze obere Elbthal heim gesucht. Dunkle Wolkenmassen, vom Lilienstein das Thal her aufziehend, bedeckten mit einem Male das ganze Firmament und ein wolkenbruchartiger Regen stürzte hernieder. Nach einer knappen Viertelstunde fing das Unwetter erst recht an zu toben. Grelle Blitze durchzuckten die Wolkengebilde und Hagelstücke in Haselnußgröße fielen, die Gartenfrüchte und Obstbäume durch Abschlagen von Blättern, Blüthen und ganzen Zweigen stark beschädigend, etwa 5 Minuten lang herab. Eine kurze Pause folgte und das Unwetter begann von Neuem zu toben. Der eine reichliche Stunde anhaltende Regen überschwemmte Straßen und Plätze, Alles in einen großen See verwandelnd. Von den Berghängen schoß das Wasser in Strömen, Hmz, Erde und Steine in Menge mit sich führend, wild zu Thale. Namentlich argen Schaden richtete das Unwetter in Schandau am Schützenhause, im Kirnitzschthale und an einer Villa auf der Rudolf Sendigstraßc an; an diesem letzteren Grundstücke, das gleich wie viele andere an den Bergabhängen liegende Häuser vollständig überschwemmt war, zerstörte es einen Theil des Hintergebäudes und die erst im vergangenen Jahre neu aufgeführte, ziemlich 2 Meter hohe Gartenmauer. Eine Angelegenheit, die sich vor etwa 10 Tagen in Lauterbach b. Stolpen zutrug und bei der ein Menschen leben als Opfer gefordert wurde, setzte den kleinen Ort in nicht geringe Aufregung. Der Hausbesitzer Hartmann schlachtete seine Kuh und verbrauchte das Fleisch derselben zum Genüsse in seinem Haushalte. Einige Tage darauf wurde die Ehefrau des H. plötzlich krank und verstarb auch alsbald. Ebenso er krankte der Fleischer, der die Kuh geschlachtet hatte, so daß er in ein Dresdner Krankenhaus überführt werden mußte. Wie sich nun herausgestellt hat, war die geschlachtete Kuh an Milz brand erkrankt, und zwar war das Fleisch davon in solchem Maße befallen gewesen, daß die Frau Hartmann, welche von demselben genossen, binnen kurzer Zeit verstarb. Die Ange legenheit beschäftigt übrigens gegenwärtig die Strafbehörden. Bei dmi Schützenhaussaal-Neubau in Neustadt sind am 19. Mai Vormittag halb 12 Uhr die Galerien sowie ein Theil des Dachstuhles eingestürzt. Zum Glück sind die daselbst zahl reich beschäftigten Arbeiter nicht im Innern des Baues thätig gewesen, so daß nur der Arbeiter Hähnel aus Krumhermsdorf durch ein herabstürzcndes Gebälk erheblich am Kopfe verletzt worden ist. lieber die Ursache des Zusammensturzes ist bis zur Stunde Bestimmtes nicht bekannt. Der Bau ist gesperrt. Am 20. d. Nachmittag in der 5. Stunde entlud sich über Langburkersdorf ein von Norden nach Süden ziehendes mit starkem Schloßenfall und Regengüssen begleitetes Gewitter. Die Schloßen sind in solchen Massen gefallen, daß am andern Morgen in den Chausseegräben noch ganze Haufen zusammen- gcschwemmter Schloßen beobachtet wurden. Das Unwetter hat an den anstehenden Feldfrüchten strichweise erheblichen Schaden angerichtet. Die srisch bearbeiteten Kartoffeläcker sind durch die Wassermassen hart mitgenommen worden. Das Hagel wetter dürfte die dortigen Landwirthe ansporncn, schleunigst ihre Feldfrüchte zu versichern. Von einem furchtbaren Unwetter ist am Mittwoch Nach mittag die Gegend von Fürstenwalde bei Lauenstein heim- gesucht worden. Nachdem schon lange zuvor aus allen Richt ungen der Donner gerollt, entlud sich dort unter dichtem Hagel schlag ein Gewitter, welches die Straßen und Saatfelder auf der Hochebene in Seen verwandelte. Hier ist wieder so manche schöne Erntehoffnung vernichtet worden. Einer der bekanntesten Strafrichter Sachsens, Herr Landes- gerichtsdircktor Vollert, gegenwärtig in Leipzig, tritt am 1. Juni in den Ruhestand. Eine zunehmende Lähmung zwingt den verdienten Mann zu unfreiwilliger Ruhe. Wegen eines Mädchens ist am Sonntag Abend in Kes- selsdorf bei Wilsdruff ein junger Steinmetz, Namens Meyer, erstochen worden. Der wegen seines ruhigen Wesens allgemein beliebte Meyer war mit dem Mädchen auf dem Heimwege be griffen, als der Tischlergcselle Müller, der cs anscheinend eben falls auf das Mädchen abgesehen hatte, mit einem Knecht auf das Paar eindrang. Im Handgemenge erhielt nun der bedau- ernswerthe junge Mann einen Stich in die rechte obere Brust seite, der wenige Minuten später seinen Tod zur Folge hatte. In begreiflicher Aufregung befindet sich die Bewohnerschaft von Zeulenroda durch einen am Dienstag dort stattgehabten Raubmordversuch. Wie der „Vogtl. Anz." berichtet, gesellte sich zu dem nach Zeulenroda zu Markte gehenden Gutsbesitzer Gottlieb Blumenstein aus Muntscha ein Unbekannter, der plötz lich ein unter dem Jacket verborgen gehaltenes Beil hervorriß und damit auf sein Opfer losschlug. Blumenstein parirte die Schläge so gut er konnte mit seinem Stock; als er dann aber einen wuchtigen Beilhieb erhielt, entfiel ihm sein Stock und er erhielt nunmehr einen wuchtigen Bellhieb an die rechte Kopf seite, so daß das Blut davon strömte. In diesem Augenblick sprang Blumenstein in einen nahegelegenen Teich und ries um Hilse, worauf einige in nächster Nähe arbeitende Holzarbeiter herbeieilten. Der Räuber ergriff die Flucht in der Richtung nach Stelzendorf, ohne daß man seiner habhaft werden konnte. Blumenstein wurde in ärztliche Behandlung nach Auma gebracht, wo ihm die Kopfwunde zugenäht wurde. Die Sicherheits- bchörden sind fieberhaft thätig, um den Mörder aufzufinden, der davon Kenntniß besaß, daß Blumenstein einen größeren Geldbetrag bei sich trug. Der Unbekannte ist nach Angabe des Ueberfallenen etwa 40 Jahre alt, von mittlerer, kräftiger Statur und von gesundem Aussehen; er trägt lichtblonden Schnurrbart und gab an, aus der Gegend von Tanna zu stammen. Der Glasermeister Herr P. Jung in Zittau, der sich bekanntlich auch mit dem Fangen lebender Kreuzottern besaßt, hat am Dienstag in den städtischen Waldungen das 1000. Exemplar dieser Reptilienart eingesangen. Herr Jung, der die Thiere an verschiedene wissenschaftliche Institute, namentlich an Universitäten versendet, ist unlängst mit einer größeren Liefer ung für die Universität Greifswald betraut worden. Auch das 1000. eingefangene Exemplar dürfte daher voraussichtlich nach Greifswald zur Versendung gelangen. Tagesgeschichte. Deutsche» Reich. Berlin, 20. Mai. Die Commission des Abgeordneten hauses für die Novelle zum Vereinsgefetz hat heute ihre Auf gabe in wenigen Stunden erfüllt. Man hatte wohl das Ge fühl, daß man an eine verlorene Sache nicht mehr zu viel Mühe verschwenden soll. Die Berathungen der Commission haben das bei ihrer Zusammensetzung vorausgeschene Ergcbniß gehabt. Neben der Beseitigung des H. 8 ist nur das Verbot der Theilnahme Minderjähriger an politischen Versammlungen und Vereinen aufrecht erhalten worden und dazu sind auf Antrag der Nationalliberalen die Strafbestimmungen beschlossen worden, die Nothwendigkeit sind, um das eingeschränkte Gesetz wirksam zu machen. Eine zweite Lesung wurde abgelehnt, ein neuerBewcis, daß ein anderer Beschluß in derCommission nicht zu Stande gekommen wäre. Ob nun der Rest desGesetzes vomHause selbst angenommen werden wird, ist sehr zweifelhaft. Das Centrum hat nur mit Vorbehalt für den Ausschluß der Minderjährigen ge stimmt, weil es für seine Gesellen- und Jünglingsvereine fürchtet. Somit läßt sich ein sicheres Ergebniß der Plenarverhandlungen noch nicht voraussehen. Jedenfalls würde, wenn das Abge ordnetenhaus die Beschlüsse seiner Commission im Großen und Ganzen anfrecht erhielt, das Herrenhaus diesem Standpunkt nicht beitreten und damit das Gesetz fallen. Wir glauben aber nicht, daß das Gesetz noch an das Herrenhaus gelangt und daß die ganze Reform durch die Schuld der Regierung schon früher scheitert. Wenn dadurch ihre Lage sich noch verschlechtert, so hat sie es sich selbst zuzuschreiben. Berlin, 19. Mai. Der Befehl des Sultans von Zanzibar, betreffend die Aufhebung der Sklaverei auf Zauzibar liegt nunmehr vor. Er erweist sich als eine ziemlich lahme Maß regel, die auch den Wünschen der englischen Abolitionisten, an deren Spitze jetzt der bekannte Bischof Tucker steht, wenig entsprechen dürfte. Auf der anderen Seite geht aber daraus das Geschick der Engländer, in colonialen Dingen sich den Umständen möglichst anzupassen, deutlich hervor. Das Schrift stück begiuut mit einer Aufzählung der früheren Verord nungen gegen die Einfnhr von Sklaven, der Empfehlung Mahomeds, die Sklaven zu befreien, der schwierigen Verhält nisse für die Araber in Folge des Arbeitermangels u. s. w. und enthält dann 6 Artikel. Nach Art. 1 sollen alle Klagen über die Verhältnisse von Herrn und Sklaven dem Districts gericht überwiesen werden. Nach Art. 2 soll das Districts gericht die Anerkennung irgend eines Rechts ans den Körper, Dienst oder Eigenthum irgend einer Person, das auf Grund seines Sklavenverhältnisses geltend gemacht wird, ablehneu. Wenn aber der Kläger nachweist, daß er gesetzmäßig solche Rechte besitzt, so soll er zu einer Entschädigung berechtigt sein, die in entsprechender Höhe der Premierminister ausznzahlen hat. Der Artikel 3 sieht vor, daß solches Geld für Schulden nicht mit Beschlag belegt werden darf, Artikel 4, daß jeder befreite Sklave der Besteuerung und Arbeitspflicht unterliegt und einen festen Wohnsitz und Paß haben muß. Sklavinnen sollen nach Artikel 5 als Insassen eines Harems in demselben Sinne wn Frauen angesehen werden und in ihren jetzige» Verhältnissen bleiben, wenn sie nicht wegen grausamer Be handlung ihre Befreiung verlangen. Der letzte Artikel stellt den Sultan als Appellinstanz einen zu ernennenden Richter fest. Es geht ans dieser Verordnung hervor, daß die Eng länder das Odinm, das in den Angen der Araber mit der Aufhebung der Sklaverei aus religiösen Gründen verbnnden ist, den Sultan tragen lassen, wie das stets ihre Gepflogenheit war, und ferner, daß diese Verordnung nicht über das in unserem Schutzgebiet geltende Recht hinausgeht. Bei nns wird die Sklaverei gesetzlich nicht anerkannt. Die Engländer gehen allerdings darin weiter, daß sie den Eigenthümern der Sklaven, welche diese nach den Gesetzen im Besitz haben, eine Entschädigung znbilligen, aber es bestehen sehr große Zweifel darüber, wer ein rechtmäßiger Sclavenbesitzer ist. Denn bei der großen Sterblichkeit unter den Sclaven kann die Zahl derer, die vor dem Vertrag mit Said Bargasch ein geführt worden sind, nur gering sein nnd nicht mehr als einige Tausend betragen. Die Vorsorge, welche getroffen ist, das für die Sclaven erhaltene Geld den Klauen der Inder zu entreisen, welche übrigens auf die englische Regierung aus anderen Ursachen schlecht zn sprechen sind, ist anzuerkeuuen; der den Indern verschuldete Araber kann das Geld znr Be stellung seiner Aecker verwenden. Ans den Instructionen, die dem englischen Gcneralconsnl Hardinge gegeben waren, ging hervor, daß man vor allen ein Entweichen der befreiten Sclaven nach dem Festlande verhindern müßte, was durch die Vorschriften gegen die Vagabondage erreicht werden soll. Wie die Lage auf Zansibar sich gestalten wird, ist noch gar nicht abzusehen, jedenfalls wird dieser Schlag das Araberthum in der Wurzel treffen und kaum einen größeren Auszug nach unserem Schutzgebiet verhindern können, wo sie sich, wie das Beispiel von Said Khalid zeigt, verhältnißmäßig wohl befinden. Rustland. Petersburg, 20. Mac. Die „Nvwoje Wremja" sührt aus, Kaiser Nikolaus habe sein Geburtsiest durch einen hohen Act der Humanität verherrlicht, der in der ganzen Welt ein Ge fühl von Freude und Dankbarkeit hervorgeruien hat. Der Kaiser habe sich an den Sultan mit dem Nathe gewandt, den Krieg gegen Griechenland einzustcllen. Das Blatt fügt hinzu, man dürfe hoffen, daß auch Griechenland, erschöpft durch den zu schweren Krieg gegen die Türkei, die freundliche Intervention Rußlands dazu benutzen werde, um endlich dem unnützen Blut vergießen Einhalt zu thun und einen für die gegenwärtigen Verhältnisse möglichst günstigen Frieden zn erlangen. Die Friedensverhaiidlnngen In Epirus ist der Waffenstillstand vorgestern aus Grundlage der Occupation der Stellungen wie vor dem Kriege abgeschlossen worden. In Thessalien dürfte die Waffenruhe gestern zum Ab schlusse gelangt sein und aller Wahrscheinlichkeit nach die alte Landesgrenze vom Jahre 1835 die Demarkationslinie sür beide Armeen bilden. Da die Einstellung der Feindseligkeiten auf 24 Stunden auf dieser Seite erst vorgestern erfolgte, so dauerten die Operationen am Dienstag noch svrt, und so konnten die Türken an diesem Tage die Verfolgung der Trümmer der griechischen Armee noch fortsetzen, wobei es ihnen gelang, den die alte Grenze bildenden Kamm des Othrysgebirges zu über-
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