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Erscheint jeden Wochentag abends für den folgenden Tag und kostet durch die Austräger pro Quartal Mk. 1.40; durch die Post Mk. 1.50 frei ins Haus. Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Lugau, Hermsdorf, Bernsdorf, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Rüßdorf, Wüstenbrand, Grüna, Mittelbach, Ursprung, Leukersdorf, Seisersdorf, Erlbach, Kirchberg, Pleißa, Reichenbach, Grumbach, Callenberg, Tirschheim, Kuhschnappel, St. Egidien, Hüttengrund u. f. w. 7 Preisen entgegen, für Amtsblatt für den Verwaltungsbezirk des Stadtrathes zu Hohenstein. Mittwoch, den 21. October 1896. -16. Jahrgang. Nr. 246. Bekanntmachung. Mit Donnerstag, ven 22. dieses Monats läuft die Frist wegen Ablieferung der Hauslisten für die Einschätzung ;nr Einkommensteuer ab. Ver säumungen dieser Frist werden mit Geldstrafe bis zu 50 Mark bestraft. Hohenstein, den 19. October 1896. Der S t a d t r a t h. 0r. Polster, Bürgermeister. Ka^lilälcs. Hohenstein, den 20 Oetober. Ter gestrigen Sitzung der evangelisch-lutherischen Landes- Synode, welcher eine besondere Bedeutung insofern beiwohnte, als die Synode darin Stellung nahm zu der christlich-socialen Bewegung und der Frage, ob ein Geistlicher überhaupt als Führer an der socialpolitischen Bewegung sich betheiligen dürfe, wohnten die Herren Staatsminister Exccllenzcn von Metzsch, von Seydewitz und von Watzdorf, sowie vom Landeskonsistorium die Herren Präsident von Zahn und Oberkonsistorialräthe v. Ackermann, Meusel, Lotichius und Claus bei. In der erwähn ten Angelegenheit hatte Herr Geheimrath Pros. Dr. Wach- Leipzig in Gemeinschaft mit 15 Synodalen einen Antrag cin- gebracht, den er in mehr als einstündiger Rede ausführlich begründete. Redner führte aus, die sociale Frage sei nicht nur eine Magensrage, sondern eine politische Machtsragc und eine religiös-sittliche Frage. Infolgedessen habe sich auch der Geist liche zu fragen, ob cs nicht seine Pflicht sei, alle seine Kraft für die bedrohten Lcbensgütcr der Gesellschaft einzusetzen. Je mehr das Herz des Geistlichen für das Volk schlage, je begeiste rungsfähiger, jugendlicher, damit aber auch unerfahrener der Geistliche sei, desto mehr müsse diese Frage auf ihn einstürmen und ihn fortrcißen. So habe sich denn die christlich-sociale Partei mit den Abzweigungen einer mehr konservativen und einer mehr prcletarischen Richtung und dem evangelisch-socialen Congrcß entwickelt; Geistliche seien an die Spitze der Bewegung getreten, und cs sei Pflicht der Landessynode, ihrer Ansicht über diese Frage grundsätzlich Ausdruck zu geben. Jeder Geistliche habe das Recht der Meinungsäußerung in politischen Dingen und des Anschlusses an eine Partei, aber die Eigenartigkeit seines Beruses ziehe ihm viel engere Schranken. Es sei eine Unwahrheit, wenn man sagen wollte, soweit er nicht im Amte walte, stehe der Geistliche als Mensch da wie irgend ein an derer. Diese Zweiseelenthcorie widerspreche ganz der Bedeutung des geistlichen Amtes. Dieses stelle für die Lösung der socialen Frage dem Geistlichen schon an sich eine übermenschliche Aus gabe, denn der Soeialismus in seinem bravsten Sinne sei christlich, und die echten christlich-socialen Ideen bedürfen der öffentlichen Wirksamkeit des Geistlichen in Rede und That. In dieses Gebiet gehören auch die evangelischen Arbeitervereine des alten Stils. Dieses Wirken des Geistlichen für den Schutz der Schwachen und Bedrückten dürfe aber nicht soweit gehen, daß er das gesammte politische Leben in den Kreis seiner Thätigkeit hineinziehe und zu diesem Zwecke Parteien bilde und thätig darin mitwirke. Er gehe nicht soweit wie Pros. Sohin, daß Staat und Recht mit dem Ehristenthume im Grunde ge nommen nichts zu thun hätten, sondern sei im Gegenthell der Meinung, daß unser Staat ein christlicher Staat sei und bleiben solle (Beisall), daß Staat und Kirche miteinander wachsen und gedeihen und die das Volk durchdringende christliche Gesinnung auch die ganze Gesetzgebungsthätigkeil leiten müsse. Ebenso gewiß sei es aber auch, daß man aus den Worten unseres Heilandes heraus keine Staats- oder Rechtsordnung aufbauen könne. Es gebe keine christliche Rechtslehrc, sondern nur einen christlichen Gebrauch der uns verliehenen Rechte. Die Kirche habe nicht den Beruf, den Staat in seiner Wirthschaftsordnung und Rechtsordnung zu bestimmen, und was die Kirche nicht dürfe, sei auch nicht Beruf des Geistlichen. Auch die Frage müsse verneint werden, ob denn nicht die Freiheit des einzel nen Geistlichen ihm die Bctheiligung an der socialpolitischen Bewegung gestatte, wenn sein Herz ihn dazu dränge; denn die hier dem Geistlichen drohenden Gefahren seien so mannigfaltig, daß sie ihm Zurückhaltung auferlegen müßten. Ihm drohe die Gefahr des Dilettantismus, da er der Natur der Sache nach diesen Problemen, deren Studium mehr als die ganze Kraft eines einzelnen Menschen erfordern, zu fern stehe, um ihm das Eingreifen oder gar eine führende Rolle zu gestatten. Unsere Zeit kranke an einer berufsmäßigen Halbwisserei, und diese dürfe ein Geistlicher nicht mitmachen. Ihm drohe die Verkümmerung des Berufes durch die politische Agitation, welche Denjenigen, der sich ihr hmgebc, fascinire und mit sich sortrciße. Der Be ruf des Geistlichen sei so umfassend, daß Alles, was er thut, immer nur Stückwerk bleibe, und dieses dürfe er nicht noch mehr zerstückeln. Ihm drohe die Gefahr, daß er als Partei führer in scharfen Gegensatz zu einer ganzen Anzahl seiner Ge meindemitglieder trete. Er, der als Vorbild der Äiebe in seiner Gemeinde wirken solle, dürfe nicht die Zwietracht züchten. Viele der Punkte, welche das Eisenacher Partei programm der Christlich-Socialen und auch das Programm der mehr proletarisch entwickelten evangelischen Arbeitervereine enthalte, wie eine energische Kolonialpvlitik und Ausbildung der Erbschaftssteuer einerseits, Maximalarbeitslag und obli gatorische Fachgenossenschaften andererseits, hätten mit dem Berufe des Geistlichen nichts zu thun. Es führe also die Parteinahme des Geistlichen nothgedrungen zu einem Partei programm, welcycs ganz außerhalb seines eigentlichen Berufes stehe und für welches er mit der ganzen Kraft seiner Persön lichkeit eintreten müsse. Den Eindruck, welchen das hervor- bringcn müsse, sehe er als die höchste Gefahr an, denn damit werde die Vorstellung nahcgerückt, daß in solchen äußeren Dingen eine Art Surrogat des Christenthums liege, denn Der jenige, welcher für die Idee gewonnen werden solle, halte sich zunächst an die äußerlichen Dinge, die Religion trete dagegen naturgemäß zurück und werde vielleich nachträglich als ein Ballast dieses socialdemokratischen Schiffleins einfach über Bord geworfen. iLs sei ferner Thatsache, daß sich in weiten Kreisen die Meinung verbreitet habe, als ob die christlich-so ciale Partei etwas Verwandtes mit der Socialdemokratie habe, und auch diese Vorstellung könne auf das Verhältniß des Geistlichen zu seiner Gemeinde nicht günstig zurückwirken. Endlich sei noch heute die Jugend schnell fertig mit dem Wort und rede die theologische Jugend viel zu viel in der Oeffentlichkeit. Selbst hervorragende Anhänger der christlich- soeialen Partei wie Göhre seien mit großer Entschiedenheit dafür eingetreten, daß der Geistliche als solcher sich mit der socialpolitffchen Bewegung nicht befassen dürfe, und Göhre habe selbst die Konsequenz gezogen, sein Amt aufzugeben. Noch immer gelte das Wort der Schrift, welches Herr Oberhof- predigcr 0. Meier seinem Eingangsgebcte zu Grunde gelegt habe: „Ein Jeglicher bleibe in dem Berufe, darin er berufen ist." — Nach dieser mit einmüthigem Beifall aufgenommenen Rede hat Geh. Kirchcnrath v. Pank, um den Eindruck derselben nicht abzuschwächen, die Debatte möglichst zu beschränken, dafür aber einmüthig den Antrag des Vorredners anzunehmen. Super intendent Meyer-Zwickau hielt demgegenüber eine kurze Aus sprache des wirksameren Eindrucks nach außen hin wegen für angebracht. Oberkonsistorialrath v. Dibelius trat warm für die Pflege der evangelischen Arbeitervereine ein, welche sich schon der Heimgegangene Konsistorial-Präsident v. Berlepsch habe angel-gen sein lassen. Die Mitglieder selbst hätten sich in herzbewegender erquicklicher Weise dafür ausgesprochen, daß ihnen die Leitung durch einen Geistlichen ein dauerndes Bc- dürsniß sei. Er hoffe daher, daß die Resolution nicht etwa die Geistlichen veranlasse, sich mit weniger Freudigkeit als bisher der Thätigkeit in den evangelischen Arbeitervereinen zu widmen. Nachdem nochmals Superintendent Meyer-Zwickau sich im Sinne des Antrages ausgesprochen hatte, beschloß die Synode einstimmig nach, dem Anträge Dr. Wach's svlgende Er klärung : „In Erwägung, 1. daß der Landessynode als der Ver tretung der Gesammtheit der Kirchcngemeinden der Landeskirche es obliegt, über deren Gedeihen mit zu wachen, 2. daß dem gemäß die Frage, welche Stellung dem Geistlichen innerhalb der sogenannten christlich-socialen Bewegung zukommt, als eine der ernstesten Fragen unserer Zeit von der Synode nicht un geachtet gelassen werden kann, erklärt die Synode: a) so gewiß cs dem Geistlichen unbenommen sein muß, seine politische Ucber- zeugung in den verfassungsmäßigen Schranken gleich jedem anderen Staatsbürger zu bcthätigcn, b) und es Pflicht des Geistlichen ist, für die Linderung und Hebung der Noth und des Elends, für den Schutz der Schwachen und Bedrückten in den Grenzen seines Amtes mit den Kräften des Evangeliums in Wort und That einzutreten, o) so gewiß ist cs mit dem Amte vereinbar, daß der Geistliche als Werkzeug der Agitation oder als Führer an der soeialpolitischen Bewegung sich be- theiligt." Superintendent l). Harig regt die Drucklegung der Rede des Geh. Raths 0. Wach an. — Die Synode erklärt sich darauf in namentlicher Abstimmung einverstanden mit den Entwürfen eines Kirchengesetzes, die Dauer des Gnadengenusses der Hinterlassenen der evangelisch-lutherischen Geistlichen be treffend, und eines Kirchengesctzes, die Festsetzung eines Mindest betrags des kirchendicnstlichen Einkommens der Kirchschullehrer usw. betreffend. — Nächste Sitzung heute Vormittag 10 Uhr. Wie man sich erinnern wird, tauchte Ansang dieses Jahres in den Zeitungen die Frage aus, was die Pvstverwaltung im Jahre 1900 wohl mit ihren Stempeln beginnen würde. Bei diesen ist bekanntlich nur Raum für zwei Ziffern zur Aus- drückung der Jahreszahl vorhanden, so daß für das Jahr 1900 die Postverwaltung vor die Alternative gestellt ist, entweder neue Stempel anfertigen zu lassen, was eine Ausgabe von meh reren Hunderttausend Mark bedeuten dürste, oder aber eine Lösung zu finden, wie in dem vorhandenen Raume vier Ziffern angebracht werden können. Eine solche Lösung ist nun, wie wir hören, dem Kaufmann Wilhelm Klostermann in Fulda durch das Patentamt geschützt worden. Herr Klostermann löst die Frage ebenso einfach als praktisch dadurch, daß er die vier Ziffernpaarweise in halber Größe übereinander, nämlich derart: ü» wodurch jede Umconstructiou der Stempel megiällt und mir die Anfertigung neuer Typen oder Räder nölhig wird, was mit vcrhältnißmäßig geringeren Kosten verbunden ist. Ob die Pvstvcrwaltung sich zur Benutzung dieser Losung entschließen wird, ist freilich noch nicht festgestellt. In der vielumstrittencn Frage, ob Dienstmädchen, welche bei Gastwirthen in der Hauptsache die häusliche Wirthschait besorgen, außerdem aber im Gastwirthschastsbetriebe insofern mit thätig sind, als sie das Local reinigen, gelegentlich die Gläser spülen und Gäste bedienen, der Krankenversicherung unterliegen, ist jetzt wieder vom königl. preußischen Kammer gerichte inMerlin entschieden worden, daß eine dauernde Neben beschäftigung im Gewerbebetriebe als versicherungspslichtig an gesehen werden müsse, da im Gesetz kein Unterschied gemacht werde, ob die Beschäftigung ausschließlich oder nur zum Theil in dem die Versicherungspslicht begründenden Gewerbebetriebe stattfinde. Am 16. October abends wurde in Ehemnitz ein grauer Leinwandbcutel mit 13,600 Mark gestohlen. Der Betrag von 9500 Mark hiervon bestand aus Zwanzigmarkstücken und der Rest von 4100 Mark in 2 fünfhundert und 31 Einhundert markscheinen. Ein Lesemuseum soll, wie man schreibt, demnächst in Dressen eröffnet werden, welches 450 Zeitungen aus allen Erdtheilen erhalten soll. Der vorhandene Garantiewnds be trägt 65,000 Mark. Das Unternehmen soll dem Publikum durch Abonucmentskarten zugänglich sein. Man darf gespannt sein, ob sich die bezüglich des Besuchs gehegten Erwartungen erfüllen werden, denn Dresden hat in seiner berühmten öffent lichen Bibliothek im Japanischen Palais schon ein Lesemuseum, welches wohl einzig dasteht und welches sich durch vermehrte Auflegung von Zeitungen noch bedeutend erweitern läßt. In vorvergangener Nacht wurde ein27jähriger Fabrikwüchter im Maschinenhause der Fabrik von Mey u. Edlich in Plag- Witz bei einer Gasexplosion ganz erheblich im Gesicht und an den Händen verletzt. Daselbst war in einem Gewölbe unter dem Maschinenhanse aus einem offcnstchenden Gashahnc Gas auszeströmt, das sich entzündet hatte, als der Wächter mit einer brennenden Laterne eingetrcten war. Die Ziehung der 5. Classe der 130. königl. sächsischen Landeslvttcrie erfolgt voin 2. bis 23. November 1896. Die Erneuerung der Loose ist nach 8 5 der dem Plane zu dieser Lotterie angefügten allgemeinen Bestimm ungen vor Ablauf des 24. October bei dem Collcctenr, dessen Name und Wohnort aus dem Loose ausgedruckt und anfge- stempclt ist, zu bewirken. E>n Interessent, welcher diese Er neuerung versäumt oder sein Loos von dem nurgcdachtcn Col- lecteur vor Ablauf des 24. October nicht erhalten kau», hat sich nach Maßgabe des angezogencu 8 5 bei Verlust aller An sprüche an das gespielte Loos an die königl. Lottcric-Direction noch vor Ablaus des 29. Octobcr 1896 zu wenden.