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„kk 212, ll. September. Nichtamtlicher Theil. 3331 Geheimrath Bingner aus Karlsruhe ist mit Zachariä ein verstanden. Bäcker, Advocat aus Stuttgart, gleichfalls einverstanden, beantragt i „Die Beschlagnahme von Druckschriften ist aus admi nistrativem Wege überhaupt unzulässig, aus richterlichem nur inso weit cs die Zwecke der strafrechtlichen Untersuchung erfordern." Geheimrath Körner aus Dresden tritt dem bei; Götting aus Hannover stimmt für den Referenten. Advocatvr. Steinsels ausCassel: Durch ein einziges Wort könne der ganze Staat ruinirt werden. Er könne deshalb dem Refe renten nicht beistimme». Hr. v. Feder aus Mannheim: In Amerika und England sei das politische und überhaupt Las öffentliche Leben ein viel lebhafteres als bei uns, und dennoch entstehe der Schaden nicht, den der Vor redner befürchte. Referent: Durch die Beschlagnahme strafe man vor dem Ur- theil. Der Antrag von Fränzel sei praktisch ohne Bedeutung, weil man gewiß keine 10 Tage mit der Beschlagnahme warten würde. Nicht aus Liberalismus habe er seine Anträge gestellt, sondern aus wissenschaftlicher Ueberzeugung. Bei der Abstimmung wurde die vorläufige Beschlagnahme auf administrativem Wege von der Versammlung für unzulässig erklärt, wogegen bezüglich der richterlichen Beschlagnahme erst die itio in partes die Majorität feststell!» konnte. DieAbtheilung erklärte auch die richterliche Beschlagnahme für unzulässig. Am folgenden Tage fand die Fortsetzung dieser Sections- Bcrathungen statt. Es handelte sich um die Frage der Verantwortlichkeit für Preß- «rzeugnisse. Referent Jacques: Die belgische Gesetzgebung habe rückficht- lich der Frage der Verantwortlichkeit das Prinzip der sogenannten „responsnbilite psr cnscaüe" adoptirt. Hier sei Derjenige, der ge straft werden solle, irr der Lage, sich durch Nennung des Vormannes svom Verbreiter rückwärts bis zum Verfasser) straffrei zu machen. Auch in Sachsen-Weimar verfahre »ran nach diesem Prinzip, und der Journalistenlag habe sich für dasselbe ausgesprochen. Das Recht der Anonymität sei jedoch ein wesentliches und nothwcndiges für die Presse. Sic müsse in dieser Beziehung eine Ausnahmestellung gerade so wie bezüglich der Aeugnißpflicht einnehmen. Die Anwen dung des Zcugezwanges in Bezug auf Preßsachcn sei nicht aufrecht zu erhalten. Die allgemeinen Strafgesetze feien mit Zusatzbestim- niungen auf die Presse anzuwenden. Der Redacteur habe dafür zu hasten, daß nichts Strafbares gedruckt werde, der Verleger, daß ein Redacteur vorhanden und genannt sei, der Drucker und Verbreiter, daß der Name des wirklichen Verlegers aus dem Preßcrzeugnisse ersichtlich sei. Allein die Denunciation, wie sic das preußische Ge setz verlange, sei entschieden zu verwerfen. Wegen der Privilegien, die die Presse mit Recht beanspruche, müsse sie sich auch gefallen lasse», daß schon die Fahrlässigkeit mit geringen Strafen belegt werde. Bacher aus Stuttgart: die Presse dürfe nicht das Recht der Anonymität beanspruchen; ebenso müsse der Zeugezwang auch in Bezug auf Prcßdelicte gelten. Die allgemeinen Grundsätze über äolus und onlxn seien genügend, und sei er deshalb gegen jede Aus nahmebestimmung. Kammerpräsident vr. Schassrath aus Dresden: Für den Referenten. Bezirksdirector Mehling aus Aschaffenburg: Er sei mit dem Vorredner ganz einverstanden. Derselbe habe ihin nicht nur aus der Seele, sondern auch aus den Notizen gesprochen. Anwalt Regensburger aus Mannheim: Für den Re ferenten. Die Abtheilung nahm mit großer Majorität die Jacques'schen Anträge an, welche dahin gehen, daß Preßdelictc nach den allgemei nen Strafgesetzen zu beurtheilen sind und auch wegen Fahrlässigkeit bei Abfassung, Herausgabe, Druck und Verbreitung von Preß- erzeugnissen Strafe» erkannt werden können, und so lauten denn ihre Gcsammlbcschlüsse hinsichtlich der Presse folgendermaßen: ,,l) Die Hervorbringung und der Verkauf von Erzeugnissen der Presse, die Kolportage und das Anheften von Placatcn habe» ausschließlich de» Bestimmungen der Reichsgewerbeordnung zu unter liegen; eine Entziehung der Befugnisse zum selbständigen Betriebe eines Gewerbes durch richterliches Erkenntniß im Falle einer durch die Presse begangenen Zuwiderhandlung darf nicht stattfinden. Alle weiter» aus den Grundsätzen des Präventivsystems abgeleiteten Beschränkungen, als insbesondere die Cautions-, Conecssions- und Stempelpflicht, zeitweilige oder dauernde Einstellung des Erschei nens bei periodischen Zeitschriften, die lleberreichunz von Pflicht eremplaren, die Entziehung des Postdebits, haben zu entfallen. 2) Die vorläufige Beschlagnahme von Druckschriften, ebensowohl die richterliche als die administrative, ist unzulässig. 3) Prcßdelicte sind nach de» allgemeinen strafrechtlichen und strafprozessualen Grundsätzen zu beurtheilen; außerdem sind Fahrlässigkcitsstrasen im Falle der Vernachlässigung der pflichtmäßigen Obsorge zu be stimmen." Dieses Ergebnis; wollte die Abthcilnng dem Plenum in dessen Schlußsitzung am 31. August lediglich zur Kcnntniß bringen; von diesem wurde jedoch bezüglich der vorläufigen Beschlagnahme, nach dem die Versammlung das Referat Jacques', der übrigens hervor hob, daß die Frage der Kompetenz, ob Schwurgerichte oder keine für Preßdclicte, von den Beschlüssen unberührt bleibe, und daß er für Schwurgerichte zur Aburtheilung der Preßdclicte sei, cntgegen- genommcn hatte, Discussion und Beschlußfassung beliebt, woraus das befremdliche Votum hervorginz, daß die Versammlung Beschluß 2, die Unzulässigkeit der administrative» und richterliche» Beschlag nahme betreffend, einfach strich. Der Juristentag ist der Entschei dung über diese Frage somit aus den, Wege gegangen, und zwar da durch , daß er sich mst Resignation weder über polizeiliche »och über richterliche Beschlagnahme ausgesprochen hat.*) *) Die Allgemeine Zeitung bringt einen Artikel ans Frankfurt a. M. vom 4. Sept., womit man für dieses von der öffentlichen Meinung so ungünstig anfgenommenc Votum desInristenIages ein milderes Urtheil zu gewinnen sucht. ES beißt daselbst: Ans diese:» ablehnenden Votum ist dem Juristentag ein schwerer Vorwurf gemacht worden, und theilweise mit Recht, da er sich durch einen Formfehler den Anschein gab, als billige er die Maßregel der polizeilichen Beschlagnahme. Die biestge »Franks. Ztg.« z. B. töricht deshalb auch die sem erleuchtete» Forum der Wissenschaft, das doch sonst so freisinnige Be schlüsse faßte, e'"j" geradezu reactionärcn Charakter ^ zu, ^ indem sie ^dabei Mehrheit fcstgchalten. Dies ergibt sich vor allein aus den Verhandlungen der dritten Abtheilung, in welche sich der Wichtigkeit des Gegenstandes halber mehr als die Hälfte der anwesenden Mitglieder hatte cinsebreibeir lassen. In einem Referat hatte lti . Jacques aus Wien die polizeifirhe wie die richterliche Beschlagnahme verworfen als eine Strafe vor dem Urtheil, und zugleich als eine Maßregel, die dem größten Mißbrauche ausgeseht sei, eine Entschädigung des Betroffenen unmöglich mache, ,und die ebensosehr mit der Würde des Staates wie mit den Functionen des Gerichtes im Widersrru.be stehe. Bei der Discussion schien allerdings StaatSrath Zacha- riä dir volizeiliche Beschlagnahme in Schutz zu nehmen, indem er auf das Analogon der Beschlagnahme von Briefen hinwies. Die Ausführungen schlagnabrne und drehten sich um die Frage, ob wenigstens diese Maßregel zulässig fei. Wohl zu beachten ist, daß nach dem Schluffe der Discussion getrennt abgestimml wurde: 1) über die polizeiliche oder administrative nno letztere m» geringer .. ebibeu nr ,m,ula:„g ^ >ark .!:,r -"gen