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Hohensteiner Tageblatt : 24.03.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id184110793X-189603247
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id184110793X-18960324
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-184110793X-18960324
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohensteiner Tageblatt
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-03
- Tag 1896-03-24
-
Monat
1896-03
-
Jahr
1896
- Titel
- Hohensteiner Tageblatt : 24.03.1896
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zu errichten, nicht verwirklichen ließ, so wird unsere Stadt doch eine solche Aussichtswarte im Rosenthale erhalten, indem der dort durch Zufuhr entstandene Scherbelberg -mit einem solchen Thurme gekrönt werden soll. Die Kosten sind auf 10,OM Mark veranschlagt. Bedeutendes Aufsehen erregt in den Ortschasten bei Ka menz die erfolgte Inhaftnahme eines begüterten Einwohners. Derselbe wurde an das Landgericht Bautzen eingeliefert. ' Aus Großenhain wird untcrm 22. März geschrieben: Der im Vorjahre nach einem Vortrage des inzwischen ver storbenen Vorkämpfers der deutschen Hanowerkersache, des Herrn Hof-Stukkateurs Biehl-München, in Großenhain gegründete Landesverband Sachfen dcS Allgemeinen Deutschen Handwerker- bundes hielt am gestrigen Sonntag seine erste Hauptversamm lung ab, die von zahlreichen hiesigen und auswärtigen Hand- werksgcnossen und sehr vielen Mitgliedern des Bundes der Landwirthe, sowie einer großen Anzahl Ehrengäste, darunter die Spitzen der hiesigen Königl. und städtischen Behörden und die Herren Reichstagsabgeordneten Jakobskötter-Erfurt, Sachsse- Merfchwitz und Hauffe-Dahlen besucht war. Der Vorsitzende des Bundes der Landwirthe, Herr R.-A. von Ploetz, war leider am Erscheinen behindert worden. Der Vorsitzende des Landes- bundeSamtes Sachsen, Herr Tapezirermeister Böhme hier, er öffnete die Versammlung mit der herzlichsten Begrüßung der Anwesenden und ertheilte sodann das Wort Herrn R.-A. Ja- kobSkötter, der zur Handwerkerfrage Stellung nahm und die selbe als eine Frage des Mittelstandes charakterisirte, an dessen Erhaltung alle Parteien Interesse haben, indem sie anerkennen, daß der Mittelstand und besonders der gewerbliche, der die Handwerker, die kleinen Kaufleute und die kleinen Landw'rthe umfaßt, ein nothwendiges Glied in der gesammten politischen Bewegung sei. Eingehend auf die großen Klagen über die Schäden der schrankenlosen Gewerbefreiheit, welche auf den vor 30 Jahren herrschenden Liberalismus zurückzuführen wäre, dessen Prinzip es gewesen sei, Alles gehen zu lassen, wie es gehe, dann werde das Gute von selbst siegen, erörtert der Herr Vortragende die Frage: „Wie ist es 'möglich ge wesen, daß sich damals Alle der Gewerbefreiheit unterworfen haben?" und führt dies darauf zurück, daß die liberale Weis heit au? allen Gassen gepredigt wurde und daß Alle, auch die Nichtbethciligten, dachten, sie würden von der Gewerbefreiheit Vortheil haben. Als nach dem großen Kriege, welcher uns den Tanz um das goldene Kalb entfachenden Milliardensegen brachte, die Ernüchterung eintrat und die Handwerker er kannten, daß die Gewerbesreiheit ein sehr zweifelhaftes Ge schenk sei, da konnte auch das infolge des Anwachsens des Proletariats erlassene Socialistengesetz und die Anbahnung der Socialreform, da konnte auch die felbst von frei sinnigen Männern befürwortete Einführung der fakultativen Innungen nicht mehr förderlich auf die Entwickelung des Hand werk« einwirken. Ueberhaupt kann nach Ansicht des Redners die Gesetzgebung allein nicht die Handwerkssache fördern, in der durch die Maschinen, durch die Arbeitstheilung und die Großbetriebe große Umwälzungen hervorgerufen und ganze Hand werke zum Äussterben gebracht worden seien. Der größte Theil der Handwerker habe einen kräftigen Kampf gegen das Pfufcherthum von unten und gegen die Großindustrie von oben zu bestehen. Redner kommt nun auf die Stellungnahme der verschiedenen Parteien zur Handwerkerfrage zu sprechen, führt aus, daß die Socialdemokraten sagen, nur durch den Zu kunftsstaat könne ein gedeihlicher Mittelstand geschaffen werden (eine allerdings falsche Hoffnung für die, welche sie hegen), daß die. Freisinnigen der besseren Bildung und der Ausbildung der Handwerker und Kunsthandwerker das Heil mittel erblicken und das die anderen Parteien sagen, daß Alles, was der natürlichen Entwickelung nach nicht zu halten ist, auch durch Gesetz nicht gehalten werden könne, daß aber noch weite Gebiete des Handwerks lebensfähig seien und nach Mög lichkeit gestärkt werden müßten. Frage man den Patienten setbst, was hilft Dir? so lautete die Antwort: obligatorische Innung, Befähigungsnachweis und Handwerkerkammern. Zu ersterem Punkte erklärt der Redner, daß nur eine Innung, zu der alle gehören, wirksam sein könne. Scharf wendet sich der Vortragende gegen die Handwerker, die sich etwas Besseres dünken, als ihre Berufsgenossen, wenn sie einige Leute mehr beschäftigen. Durch den Befähigungsnachweis wolle man nicht die mittelalterlichen Schranken errichten, sondern es solle nur Aenderung jetziger anarchistischer Zustände herbeigeführt wer den. Jeder, der ein selbständiges Handwerk betreiben wolle, müsse 24 Jahre alt sein und nachweisen können, daß sie daS betreffende Handwerk ordnungsmäßig erlernt haben. Bezüglich der Handwerkerkammern verlange das Handwerk nur dieselbe Vertretung, die Handel, Industrie und Landwirthschast schon besitzen. Warm »ritt der Vortragende für das Bauhandwerk ein, dessen Forderungen unbedingt denen der Hypothckengläubigcr vorangehen müßten und geht sodann über zur Stellung des Handwerks zum Fabrikationsbetriebe. Mit einer ehrlichen guten Fabrikation könne der Handwerker concurriren, aber der jüdische Schund, der unlautere Wettbewerb, der sich äußert in schwindel hafter Reclame, unreellen Ausverkäufen, leichtfertigen Concurs- machen rc., das seien die Ursachen, die das Handwerk schwer schädigen. Im Weiteren streifte der Redner den Gesetzent wurf gegen den unlauteren Wettbewerb, die Militärwerk stätten, die Gefängnißarbeit und die Consumvereine, sowie den Hausirhandel und die Versandtgeschäfte, bekennt sich nicht als einseitigen Gegner aller dieser Dinge, verlangt aber höhere Besteuerung der Consumvereine und Beschränkung des schwindelhaften Hausirhandels. Zum Schluß seines interessanten Vortrages weist der Herr ReichStagsabgeordncte Jakobskötter hin auf die Gemeinsamkeit der Interessen des Bundes der Landwirthe und des Handwerkerbundes, erwähnt kurz das am Tage vorher abgehaltene Fest drs Reichstages, lenkt die Aufmerksamkeit auf den hochbedeutungsvollen 18. Januar d. I. und schließt mit der ernsten Mahnung an die Handwerker, sich um das gemeinsame Banner zu schaaren und dem Wunsche: Gott segne das ehrbare Handwerk! — Stürmischer Beifall folgte - den zu Herzen gehenden Ausführungen, die allseitige Zustimmungen fanden, was sich durch Annahme folgender Re- svlution documcntirte: „In Erwägung, daß der Allgemeine Deutsche Handwerkerbund sich als Haupt- und Endziel gesetzt hat, nicht nur allein den Handwerker-, sondern Hand in Hand mit dem Bund der Landwirthe auch den gesammten Mittel stand auf wirthschastspolitischem Boden'zu einigen und zu sammen, weil dadurch allein die wirkfamste Vertretung der ge sammten Interessen derselben wahrgenommcn werden, be schließen die hie" Versammelten, für die Interessen des Hand werker-, des Bauern- und damit des gesammten Mittelstandes nach besten Kräften einzutretcn und die Ausbreitung dcsHand- wcrkerbundes nach bestem Vermögen zu fördern." — In der Debatte ergriffen die Herren Reichstagsabgeordneten Sachsfe und Hauffe zu längeren Ausführungen das Wort. Herr Kauf mann Hoffmann, hier, verlangte Unterstützung des Kauf mannsstandes und des Zwischenhandels, als ebenfalls zum Mittelstände gehörig. Mit einem begeistert ausgenommenen Hoch auf Kaiser und König schloß die imposante Versammlung. Am Mittwoch, den 18. dss. Mts., wurde der Kaufmann Korb, der Besitzer deS abgebrannten Schießhauses in Loben stein, verhaftet. Am Donnerstag Mittag folgte ihm der frühere Kaufmann Fritzfche von hier als Untcrsuchungs- gesangener nach. Letzterer war ein sehr intimer Freund des Korb und der Versicherungsagent des Korbschen Besitzes. In hiesiger Stadt ist man auf den Ausgang dieser Sache ge spannt, da ja unter ähnlichen Umständen genau vor 4 Wochen die Motschenmühle abbrannte. Aus dem Gerichtssaale. Plauen, 20. März. Der 46 Jahre alte Amts gerichts- secretär Franz Ferd. Lorenz aus Treuen wurde heute vom hiesigen Landgericht wegen falscher Beurkundung und Unter schlagung zu einem Jahr Gesängniß, wovon 6 Wochen durch die von ihm seit dem 5. Februar erlittene Untersuchungshaft für verbüßt erachtet wurden, sowie zu dreijährigem Ehrenrechts verlust verurtheilt. Lorenz war früher in Hainichen angestellt und hatte dort ein Hausgrundstück gekauft, um zu speculiren. Die Spekulation schlug fehl: Lorenz hatte das Haus über seine Kräfte ausgestattet und da es ihm Niemand abkaufte, mußte es zwangsweise versteigert werden. Die Schuldner verfolgten ihn von nun an in allen seinen Stellungen. Auch nur um Schulden zu bezahlen, unterschlug er in Treuen drei ihm an vertraute Geldposten von 74, 68, 15 und 200 Mk. Um die Entdeckung der letzterwähnten Unterschlagung zu verhüten, führte er im Treuener Vormundschaftsregister eine falsche Beurkundung herbei. Die unterschlagenen Beträge sind bis auf eine Kleinig keit an die Eigenthümer zurückgezählt worden. Lorenz ist ein Mitkämpfer im deutsch-französischen Feldzuge und einer der jenigen Unterosficiere, die am Sarge des verstorbenen Königs Johann zwei Stunden die Ehrenwache hielten. Er hatte sich in allen Stellungen die Gunst seiner Vorgesetzten erworben und legte wegen seines Fehltrittes große Rene an den Tag. Tagcsgeschichte Deutsches Reich. Berlin, 21. März. Das heutige Reichstagsbankett fand in dem prächtig geschmückten, glänzend erleuchteten Kuppelsaal des Reichstagsbaues statt. In der Mitte der Haupttafel saß Präsident Frhr. v. Buol, zu seiner Rechten der Reichs kanzler, zur Linken der Staatssecretär Dr. v. Bötticher. Reben dem Reichskanzler saß der Abg. Dr. v. Bennigsen, gegenüber v. Wedel-Piesdorf, za dessen Rechten der Vicepräsident Spahn und der preußische Finanzminister Dr. Miquel, zur Linken der Vicepräsident Schmidt. Fanfaren kündigten v. Buols mit markiger, weitschallender Stimme gesprochenen, wiederholt von lautem Beifall unterbrochenenKaisertoast an, der folgendermaßen lautete: Durchlauchtigste, hochgeehrte Herren und liebe Freunde! Das Jubeljahr neigt sich seinem Ende zu. In allen Gauen Deutschlands, in allen Schichten seiner Bevölkerung, in Schlössern und Höfen ist die Erinnerung an die große Zeit vor 25 Jahren in patriotischer Begeisterung begangen worden. Vom Throne herab haben mir das Gelöbniß erneuern hören: für des Volkes und des Reiches Ehre einzustchen, sowohl nach Außen als nach Innen. Ein Reich, ein Volk, ein Gott! Auch die Vertreter der verbündeten Regierungen haben die patriotische Hingabe der deutschen Fürsten — als der unerschütterlichen Stütze und Säule des Reiches — in Erinnerung an jene Zeit empfunden und gefeiert. Und da könnten Manche noch kragen: Was will denn der Reichstag eigentlich noch feiern: Etwa sein eigenes 25jähriges Wiegenfest? Ich denke, wir haben alle Ursache hierzu, und ich meine, unsere heutige Feier bilde nicht nur einen würdigen Abschluß all der patriotischen Kundgebungen der letzten Monate, nein, ich behaupte, wenn einer der bei der Wiederer richtung und Behauptung des Reiches betheiligten Factoren mitberufen ist, an der nationalen Feier Theil zu nehmen, so ist es das deutsche Volk, als dessen Vertreter wir uns zu diesem Zwecke heute in diesem stolzen Heim versammelt haben, um geben von lieben Gästen, die ich hiermit auis Herzlichste will kommen heiße. Oder hat Jemand mehr Verdienste an dem Erreichten, als das Volk in Waffen? Wo wären wir ohne die enge Verbrüderung und das feste Zusammenhalten der deutschen Stämme, ohne den unübertroffenen Heldenmuth und die stolze Manneszucht unserer Heere, ohne die beispielslose Hingabe des ganzen Volkes für das Wohl des Vaterlandes ohne Unterschied des Alters und Geschlechts. Jetzt gilt es, daS Erreichte zu schützen, zu behaupten und zu mehren. Da sage ich aber: „Nicht Roß, nicht Reisige sichern die steile Höh', wo Fürsten steh'n." Einen nie versagenden Schutz bildet nur ein in gei stigem Kampfe gestärktes, seiner Rechte und Pflichten voll be wußtes, in treuer Liebe zu ^einem angestammten Herrschcrhause vereinigtes Volk. Ein solches wollen wir alle Zeit sein und bleiben und seststehen im gemeinsamen, redlichen Streben nach Schutz und Pflege deutschen Rechts und nationaler Wohlfahrt, auf daß die Wiedererstehung des Reiches für die deutsche Nation das Wahrzeichen werde neuer Größe auch nach Innen. Namens eines solchen Volkes erfülle ich eine angenehme Pflicht, indem ich Derer dankbar gedenke, die für die Einheit und Macht des Reiches so hoch anzuschlagende, persönliche Opfer gebracht haben und als deutsche Bundesgenossen in treuer Eintracht zum Heile deS Reiches und des Volkes zusammcnstehen. In allererster Reihe aber müssen wir uns berufen und verpflichtet erachten, Jenen zu feiern, der an der Spitze der deutschen Fürsten steht, dem das höchste Verdienst zukommt, an der Erhaltung und Mehrung der von seinen großen Vorfahren überkommenen nationalen Einheit und Unabhängigkeit Ihm wollen wir be geistert danken für daS in feierlichster Stunde gemachte Gelöb- niß und ihm das Versprechen zu den Stufen des Thrones nie derlegen, daß es auch fernerhin als unsere heiligste Aufgabe beschlossen sein soll, uns wie s, Z. im Kriege, so auch im nationalen Wettkampf um die Güter des Friedens als Sieger zu erweisen. In diesem Sinne trinke ich auf das Wohl eines mächtigen und glücklichen deutschen Volkes und rufe mit Ihnen aus voller Brust: Sc. Majestät unser allverchrter deutscher Kaiser, die deutschen Fürsten und freien Städte, sie leben hoch! Alle Festtheilnehmer schaarten sich um den Redner und sangen stehend alle fünf Strophen der Nationalhymne mit. Nach der Hymne trank man sich zu; der Präsident v. Buol dem Reichs kanzler und Herrn v. Bötticher. Auch der Toast des Reichs kanzlers, der tiefen Eindruck machte, wurde wiederholt von Beifall unterbrochen. Der Toast lautete: Meine Herren, der erste Präsident des Reichstages hat die heutige Gedenkfeier ein ¬ geleitet mit beredten Worten auf Kaiser und Reich. Wir, die ehemaligen Mitglieder des ZollparlamentS und des ersten Reichstages, und Sie alle haben ihm begeistert zugestimmt in dem stolzen Bewußtsein, nunmehr einem mächtigen Reiche an zugehören in der berechtigten Freude über das mit schweren Opfern Errungene und in der dankbaren Erinnernng an die Männer, die unter der weisen und kraftvollen Leitung deS großen Kaisers Wilhelm Deutschland zum Siege und durch den Sieg zu Einheit geführt haben. Nur wenige dieser Kriegs helden sind noch am Leben, darunter zu unserer Freude der bewährte Heerführer König Albert von Sachsen. Sie alle, Lebende und Verstorbene, aufzuzählen, ist nicht meine Aufgabe, wohl aber will ich unter den Geschiedenen Diejenigen nennen, die dem Herzen des deutschen Volkes am nächsten stehen. Da erhebt sich denn vor uns die Heldengestalt Kaiser Friedrichs, des „Kronprinzen", der durch die Liebe, die er sich im ganzen deutschen Volke, in Süd und Nord, zu erwerben gewußt, daS erste Band geschlungen hat, das die deutschen Stämme zum gemeinsamen Kampfe vereinte. Ich nenne fodann die Feld- inarfchälle Roon und Moltke, von denen der eine in lang jähriger organisatorischer Thätigkeit das Schwert schärfte, mit dem unsere Schlachten geschlagen wurden, während der andere, der unvergleichliche Heerführer, das Wehrzeug in genialer Weise zu gebrauchen verstand. So leben sie fort im Gedächtniß, in der dankbaren Verehrung des deutschen Volkes. Einer aber, der größte unter den Männern jener Zeit, steht noch aufrecht da, wie eine der Eichen des Sachsenwaldes: Fürst Bismarck, der mit sorgendem Blick den Geschicken des Reiches folgt und manch nahendes Wort an die Epigonen der großen Zeit richtet; der Mann, der, als wir nach den erst:n gescheiterten EinheitSoersuchen an der Zukunft Deutschlands verzweifeln wollten, seinerseits weder die Hoffnung noch den Muth sinken ließ, der in langer, mühevoller diplomatischer Arbeit die Wege ebnete, die zu der einheitlichen Gestaltung des Reiches führten, und der, als der Augenblick gekommen, als die Saat gereift war, den Augenblick erfaßte und mit der ihm eigenen Kraft die Schwierigkeiten überwand, die sich ihm von allen Seiten entgegenstellten. So ist er, der treue Diener seines kaiserlichen Herrn, der eigentliche Schaffer des Reiches geworden. Es ist ein schöner Zug in dem Charakter des deutschen Volkes, daß es dem Manne treue Verehrung unentwegt entgegenbringt, der sein Leben eingesetzt hat, um die seit Jahrhunderten un befriedigte Sehnsucht der deutschen Nation zu erfüllen. Unser deutsches Volk weiß es als eine köstliche Gabe der Vorsehung zu schätzen, daß in dieser Zeit grade dieser Mann mit den Ge schicken des Vaterlandes betraut war. Lassen Sie uns — und hier spreche ich zu den politischen Gegnern des ersten Kanzlers —, lasten Sie uns heute die Tage des Kampfer und Streites vergeffen und vereinigen wir uns Alle zu dem Rufe: „Fürst Bismarck lebe hoch!" Berlin, 21. März. Nach Erlaß des von dem Kaiser in seiner Kundgebung vom 22. März vorigen Jahres in Anregung gebrachten Gesetzes vom 22. Mai v. I. betreffend die Gewäh rung wrtlaurender Beihilfen an solche Veteranen des Feldzuges 1870/71 und der vor 1870 von deutschen Staaten geführten Kriege, welche an diesen Kriegen ehrenvollen Antheil genom men haben und sich wegen dauernder gänzlicher Erwerbsunfähig keit in unterstützungsbedüftiger Lage befinden, find in Berlin unter den außerordentlich zahlreichen Bewerbern 974 Personen als berechtigt und zur Berücksichtigung geeignet befunden wor den. Von diesen konnten jedoch nur 682 Veteranen mit einer Beihilfe von je 120 Mk. jährlich bedacht werden, da von den durch das erwähnte Gesetz bereitgestellten Mitteln nur 81,840 Mk. auf Berlin entfallen sind. Die Beträge sind den Bedachten vom 1. April v. I. ab nachgezahlt worden. Aui ganz Preu ßen sind 1,147,000 Mk., auf das ganze Reich 1,800,000 Mk. entfallen Diese Beihilfen für Veteranen unterliegen keinerlei Beschlagnahme. Berlin, 22. März. Nachdem die Neuordnung des finanziellen Verhältnisses zwischen dem Reiche und den Einzel staaten zweimal durch die gegenwärtige Mehrheit des Reichs tages zum Scheitern gebracht ist, hat diese Mehrheit sich jetzt bei der erfolgten Steigerung der Reichseinnahmen doch veran laßt gefehen, dem Gedanken Rechnung zu tragen, daß die An- leihewirthschaft im Reiche nicht so weiter gehen darf wie bisher. Bis jetzt ist dafür aber eine Form gewählt worden, welche die verbündeten Regierungen mit vollem Rechte zurückweisen. Herr Lieber war sogar eifersüchtig darauf, daß daS Verdienst an einer weiteren Verwicklung des finanziellen Verhältnisses zwischen dem Reich und den Einzelstaaten dem Centrum streitig gemacht werden könnte; Herr Lieber kann sich beruhigen, Nie mand außerhalb des Centrums hat das Verlangen, als Urheber eines Vorschlages zu gelten, der einen fortwährenden Conflict zwischen Regierung und Reichstag hervorzurufen geeignet ist. Wider Erwarten ist die Entscheidung heute noch nicht gefallen, obwohl die Mehrheit des Reichstages das Etatsgesetz mit dem Vorschläge des Abg. Lieber angenommen hat, um die zweite Lesung des Etats zu Ende zu bringen. Erst wenn der Vor schlag des Bundesraths am Montag vorliegen wird, läßt sich übersehen, ob man es auf einen finanziellen Conflict ankommen lasten wird. So viel aus den Erklärungen des Schatzsecretärs Grafen PosadowSky hervorgeht, wollen die verbündeten Re gierungen nach dem jetzigen Vorschläge des Reichstages höchstens für ein Jahr verfahren, für die Zukunft bedarf es einer or ganischen Regelung der Angelegenheit. Die Regierung nimmt unserer Auffassung nach in dieser Sache eine vollkommene ge rechtfertigte Haltung ein; hätte der Reichstag es in jedem Jahre in der Hand, die gesetzliche Verwendung der Reichsein nahmen durch das Etatsgesetz zu durchbrechen, fo würde eine geordnete Finanzwirthschaft in den Einzelstaaten bald zur Un möglichkeit werden. In Rücksicht auf diese Lage der Dinge muß man gespannt darauf sein, ob der Reichstag den Conflict heraufbeschwöcen oder ob er sich den staatlichen Bedenken fügen wird. Der heutige Beschluß scheint für die endgültige Ent scheidung noch nicht maßgebend zu sein. Berlin, 2I. März. Zum Fall Peters ergreift im „Reichs boten" der Afrikareisende und Missionar Warneck das Wort, indem er schreibt: „Für die Abneigung der Eingeborenen am Kilimandscharo gegen die Deutschen und die traurigen dortigen Kämpfe einen englischen Sündenbock zu suchen, ist ganz un- nöthig. Das Verhalten des Herrn Peters erklärt Alles mehr als genügend. Einer unserer trefflichen Colonialbeamten, Herr von Eltz, der vor Peters am Kilimandscharo war, hat schon vor Jahren die öffentliche Anklage wider diesen erhoben. Er schrieb damals: „Vor Gott und Menschen sind Sie, Herr Doctor, verantwortlich für den Tod unserer Kameraden, unserer braven Soldaten und Hunderter von Eingeborenen." Leider finde ich im Augenblick das Citat nicht, um es ganz anzu führen, eö ist aber auch nicht nöthig. Meine vorhin genannte noch autoritativere Quelle sagte dasselbe noch viel entschiedener.
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