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AoWck-ErMM TWelilaN Amtsblatt onnabend, den 17. November 1900 Beilage Nr. 267 „Berl. Ztg." mitgetheilt: Masloff ist schuldig gesprochen worden wegen des Meineids, den er vor dein Amts gericht geleistet, dagegen nicht schnldig im Falle einer zweiten Zeugenaussage, die er vor dem Landgericht abgegeben hat. Der Erössnungsbeschluß legt dem Angeklagten zur Last, in den Monaten April und Mai d. I. zu wiederholten Malen vor einem ersuchten Richler in der UntersuchungSsache gegen den Schlächter meister Hoffmann, der damals des Mordes an dem Gymnasiasten Winter beschuldigt wurde, die Unwahr heit bekundet und diese unwahren Bekundungen durch einen Falscheid bekräftigt zu haben. Im April hat Masloff vor dem Landgericht, nämlich vor dem Land richter Zimmermann, unter seinem Gid bekundet, er habe in der "Rächt nach der Ermordung Winter's den Schlächtermeister Adolf Lewy, dessen ältesten Sohn Moritz Lewy, sowie verschiedene unbekannte Personen in Lewy's Keller in verdächtiger Weise hantiren sehen und beobachtet, wie diese Personen ein schweres Paket nach dem Mönchsee trugen, in dem später einzelne Leichentheile des Ermordeten Winter aufgesunden wurden. Weiter will der Angeklagte ein Wimmern und Stöhnen gehört haben. Die Geschworen haben nicht gemeint, in dieser Bekundung deS Masloff vor dem Landgericht eine wissentlich falsche Aussage er blicken zu sollen. Sie haben vielmehr die Möglichkeit offen gelassen, das; Masloff wirklich das gesehen hat, was er vor dem Landrichter Zimmermann bekundete. Die zweite eidliche Aussage hat Masloff am 2. Mai vor dem Amtsgericht, nämlich vor dem Amtsrichter Pankau, abgegeben. Hier handelt es sich um Folgen des: Herr Pankau hat den Masloff bei seiner Ver nehmung sehr eindringlich verwarnt und bei seiner Fragestellung wiederholt darauf hingewiesen, daß er die volle Wahrheit sagen müsse. Das; MaSlofs auS Reugierde zum Lewy'schen Hause gegangen sei, hat Amtsrichter Pankau nicht gauben wollen, und er hat deshalb den MaSlofs gefragt, ob er dort hätte stehlen wollen oder eine Liebschaft habe. Er habe den MaSloff auch darüber belehrt, inwieweit er seine Auskunft ver weigern dürfe. MaSlofs hat aber unter feinem Eid bekundet, daß er lediglich aus Reugierde zum Lewy'schen Hause gegangen sei und daß er nicht die Absicht auf." Die Adresse schließt mit einem Aufruf an das Rachegefühl der Buren. Paris, 14. November. Alle Blätter beschäftigen sich mit der bevorstehenden Ankunft des Präsidenten Krüger, deren genaue? Datum noch immer unbekannt ist. Tie Reise Krügers durch Frankreich wird ein einziger, langer Triumphzug sein. Tie Magistrats- Behörden aller Städte des sranzösischen Südens werden beim Empfange in Marseille vertreten sein. Die Schüler des Lyceums in Marseille überbrachten gestern dem kleinen Urenkel Krügers, der mit seiner Mutter, Frau Eloff, den Präsidenten Krüger bei der Landung begrüßen wird, eine Bonbonniere in sranzösischen Farben. Präsident Krüger bleibt 2l Stunden in Marseille, zur Weiterfahrt sind ihm zwei Salonwagen rescrvirt. In Avignon werden die Deputieren und Senatoren der Gegend den Präsidenten Transvaals begrüßen. In Lyon ist eine grandiose Manifestation geplant. Die Stadt Dijon, wo Krüger übernachten wird, veranstaltet ein MunizipalitätSbanket. Auf jeder Station bis Paris wird Krüger so begrüßt werden. Der Krieg nm Transvaal. Die Vertreter der irländischen Clubs in London übersandten dem Präsidenten Krüger folgende Sympathie adresse: „Ein Volk, welches wie daS Ihrige seit Jahren ein Opfer der Tyrannei ist, unter welche England es bringen will, begrüßt Sie. Wir und unsere ganze Rasse sind darauf angewiesen, unsere Freiheit durch einen Krieg zurückzugewinnen. Wir sympathisiren mit allen unseren Kräften mit Ihnen und Ihrem Volke; unser innigster Wunsch ist der, daß es gelingen möge, die fremden Völker oder deren Regierungen zu ver anlassen, eine Erneuerung der Räubereien von Seiten Englands Ihrem Lande gegenüber zu verhindern. Die englische Plutokratie ist schuld an den jüngsten Er eignissen; ein Rassenkrieg beider Völker drängt sich Vermischtes. * Von Konitz wird der „Germania" gemeldet Die Untersuchung in der Könitzer Mordaffaire ist in ein neues Stadium getreten. Wie wir aus bestunter richteter Quelle erfahren, ist die Ermittelung der Mordbetheiligten vielleicht nur eine Frage der Zeit. Unablässig sind Berliner Polizeiagenten im Geheimen thätig, Beweismaterial heranznschaffen. Als Ausgangs- punkt der Ermittelungen dient der Sack nebst dem darin enthaltenen Packpapier, in welchem bekanntlich der Körper Winter's gefunden wurde. Es sind jetzt Anhaltspunkte vorhanden, wo der Sack nebst Papier geblieben ist, eine Frage, die früher offen gelassen werden mußte. ES konnte seinerzeit nur festgestellt werden, das; wenige Tage vor dem Leichenfunde der Schneidermeister Plath die Packleinewand erhalten hatte. * DaS Urtheil in dem Könitzer Prozeß war in der knappen Fassung, wie cS der Telegraph über mittelte, nicht so ohne weiteres verständlich. Zu seiner Erklärung sei daher noch das Folgende nach der Präsident gedenkt dann noch kurz der seit der letzten Session durch den Tod abgerusenen Mitglieder des Hauses. Dieses ehrt das Andenken der Dahinge- schiedenen durch Erhebung von den Plätzen. — Morgen: 12000 Mk.-Jnterpellation Albrecht, dann ev. noch Nachtragsetat für China. — Das Centrum hatte be- schlossen, gegen die Wiederwahl des freisinnigen Abg. Schmidt (Elberfeld) als zweiten Vicepräsidenten des Reichstages zu stimmen. In parlamentarischen Kreisen wurde oer Entschluß des Centrums auf die Erwägung zurückgeführt, daß, nachdem der Abg. Schmidt die Obstruktion gegen die Icx Ilcinrc mitgemacht, keine Sicherheit vorhanden sei, ob er nicht auch eine Ob struktion bei den Zolltarifverhandlungen mitmachen werde. Unter diesen Umstünden müsse von einer Wiederberufung desselben in eine leitende Stellung beim Reichstage abgesehen werden. — Sozialdemokraten kündigen die Einbringung verschiedener Anträge an unter denen sich auch der folgende befindet: „Es fol durch Abänderung der Neichsverfassung für alle vom Kaiser in Ausübung der Reichsgewalt vorgenommcnen politischen Handlungen und Aeußerungen, auch wenn sie nicht vom Reichskanzler gegengezeichnet sind, der Reichskanzler dem Reichstage verantwortlich gemacht werden. Deutscher Reichstag. Berti«, 15. November. Die Wahl des Präsidiums erfolgt durch Stimm zettel. Graf Ballestrem wird mit 268 Stimmen zum Präsidenten wiedergewählt; 26 Stimmzettel sind un beschrieben. Graf Ballestrem erklärt mit Worten des Dankes für das ihm zu Theil gewordene Vertrauen die Annahme der auf ihn gefallenen Wahl. Die er neute Wahl, sprach er, wird mir ein Ansporn sein, in dieser Session diejenigen Prinzipien hochzuhalten, welche ich bei meiner ersten Wahl mir als maßgebend für die Führung der Geschäfte des Reichstags vorge zeichnet habe. (Lebhafter Beifall.) Auch in dieser Session will ich die Würde des Reichstags nach jeder Richtung hin wahren. (Lebhafter Beifall.) Ich will ferner die größte Unparteilichkeit walten lassen (Leb- haster Beifall); ich werde weder auf die Parteien noch auf die Personen sehen. Ich will aber auch bemüht sein, die Geschäfte, mit denen der Reichstag befaßt wird, möglichst zu fördern. Dazu bedarf ich aber Ihrer Mitwirkung; die große Zahl der Stimmen, die sich auf mich vereinigt hat, läßt mich hoffen, daß mir diese Mitwirkung von keiner Seite des Hauses fehlen wird. (Lebhafte Zustimmung.) Zum ersten Vize präsidenten wird Abg. Dr. v Frege mit 190 von 290 Stimmen wiedergewählt. 20 Stimmzettel sind unbeschrieben, die übrigen Stimmen zersplitterten sich. Abg. v. Frege nimmt die Wahl mit Dank an. Bei der Wahl des zweiten Vicepräsidenten werden 293 Stimmen abgegeben; davon sind 3 ungiltig, darunter einer der auf den Namen Li-Hung-Tschang lautet. (Große Heiterkeit.) Weitere 4 Stimmzettel sind un- beschrieben. Von den 286 giltigen Zetteln lauten 181 auf Büsing, 55 auf Schmidt-Elberfeld, 50 auf Singer. Abg. Büsing, der somit gewählt ist, erklärt die Wahl mit Dank anzunehmen. Es folgt die Wahl der Schriftführer ebenfalls durch Stimmzettel. Man stimmt einem Vorschlag des Präsidenten zu, daß die Feststellung des Ergebnisses dieser Wahl nach der Sitzung erfolgen und in der nächsten Sitzung ver kündet werden soll. Zu Quästoren ernennt der Präsi dent die Abgg. Rintelen und Münch-Ferber. Der