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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 28.10.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190010282
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19001028
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19001028
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- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-10
- Tag 1900-10-28
-
Monat
1900-10
-
Jahr
1900
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 28.10.1900
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Berlin, 25. Oct. Nach einer amtlichen Mel dung aus Tsingtau fand am 23. October im Kiau- tschau-Gebiet ein Zusammenstoß zwischen deutschen Truppen und aufständischen Chinesen statt. Zwei süd westlich von Kaumi gelegene, umwallte und energisch vertheidigte Dörfer wurden genommen. Das deutsche Detachement hatte keine Verluste, die Chinesen hatten eine größere Anzahl Todter und Verwundeter. Die deutschen Truppen kehrten nach 12 stündigem Marsch und Gefecht in vorzüglicher Verfassung nach Kiautschou zurück. In der neuesten, letzthin eingetroffenen Nummer der Deutsch-Asiatischen Warte liegen nunmehr über die Anfang vorigen Monats stattgehablen Kämpfe im Mierlande von Kiautschou nähere Miltheilungen vor, die wir in Ergänzung unserer telegraphischen Mel dungen nachstehend wiedergeben: Mit einem Reiterdetachement von zwanzig Mann langte Leutnant von Rettberg am 3. September in Lantsun an, um von dem Dorfe Mau-tja-chuan 200 Taels einzutreiben, die es wegen Abgraben des Eisenbahndammes zur Strafe zahlen sollte. Diese Ex- zedition ging glücklich, ohne jeden Zwischenfall von tatten. Nachdem das Detachement wieder nach Lantsun urückgekehrt war, brachte dort ein von Tsimu kommender koch die Nachricht mit, daß er in einem Dorfe 15 Li von Lantfun durch Boxer angehalten und gefragt worden wäre, ob er zu den Fremden ginge, worauf sie ihn, als er verneinend geantwortet hatte, wieder rei ließen. Leutnant von Rettberg beschloß nun, am olgenden Morgen einen Recognoscirungsritt nach dem von dem Koch angegebenen Dorfe zu unternehmen. Am 4. Morgens 8 Uhr brach demzufolge unter Führung des genannten Offiziers und des Leutnants Dziobek, denen sich der in Lantsun stationirten Eisen- bahnsecretär Regler anschloß, ein Reitertrupp von 19 Mann auf, um in dem Dorfe, wo der Koch an gehalten worden war, nähere Umschau zu halten. Der koch begleitete die Reiter. Als die Deutschen ein Dorf nordöstlich von Lantsun passirt hatten, bekamen sie plötzlich von rechts Feuer und zwar aus Wallbüchsen oder Kanonen. Die Commandos „Absitzen! Colonne formiren!" und hre Ausführung waren eins, und alsbald gings auf das Dorf zu, von wo das Feuer gekommen war. Es dauerte nicht lange, so bekam man den Gegner zu Gesicht. Es waren etwa 200 Leute mit Geschützrohren, Wallbüchsen, sonstigen chinesischen Schießzeug und mit Lanzen, die mit allem möglichen rothen Zierrat Ver chen waren. Man ließ die Chinesen ruhig heran- ^,11 Uhr Vormittags Taiiwang. Unsere Spitze unter Oberleutnant Rempe traf dort das chinesische Militär in vollem Abzug begriffen an, als er vorsichtig in das Dorf einritt. Die Kavallerie, 300 Reiter, war schon fort, ein Bataillon und zwei bereits bespannte Geschütze befanden sich aber noch im Dorf. Wir überraschten sie vollkom men, wurden jedoch mit einigen Schüssen empfangen, die sofort erwidert wurden. Hierbei wurde ein Chinese er- schoffen, einer schwer verwundet. Der kommandirende chinesische Major erklärte, auf jede unserer Bedingungen einzugehen. In Anbetracht der für unS ziemlich kritischen Lage begnügten wir uns mit der Fortnahme der beiden Geschütze, ferner acht Fahnen, hundert neuen Gewehren. 25 Pferden und einer Menge Munition. Darauf traten wir den Rückmarsch an und langten mit sämmtlichen Trophäen um fünf Uhr Nachmittags wieder hier an. Die Geschütze sind Kruppsche Hinterlader. Morgen mar- schiren wir nach Paotingfu weiter. — Es wird an gekündigt, daß eine deutsche Brigade Paotingfu während des Winters besetzt halten wird. Boten melden, die Co könne setze, da die Bahn 50 Meilen weit intact ist, ihren Vormarsch nach Tschingtingfu fort, wo noch viele eng lische, französische, belgische und italienische Ingenieure und Missionare der Rettung harren. Lo«d0«, 26. October. Das „Reutersche Bureau" meldet aus Anschu vom 18. October: Die nach Pao tingfu vorrückende Expedition bezog am 16. October bei Kutsching ein Lager, wo sie die Nachricht erhielt, daß 2000 Mann kaiserliche Truppen dem Vormarsch der Ver bündeten in nordwestlicher Richtung avsgewichen seien Die Kolonne nahm am 17. October den Marsch wieder auf, erreichte Anschu und besetzte es. Heute wurden die deutschen Vorposten 7 Meilen von Anschu entfernt von einer Abtheilung kaiserlicher Truppen beschaffen. Die Deutschen griffen die Chinesen an und schlugen sie nach scharfem Kampfe in die Flucht. Sie erbeuteten hierbei 2 montirte Geschütze und eine Anzahl andere Waffen, sowie 4 Fahnen. Man erwartet, daß Operationen gegen den Feind mit Paotingfu als Basis unternommen wer- den sollen. Der „Agenzia Stefani" wird aus Peking vom 24. ds. gemeldet: Eine von 12 italienischen Marinesoldaten eskortirte Proviantkolonne stieß am 20. d. bei Meto au Boxers, welche znrückgeschlagen wurden, nachdem sie meh rere Todte und Verwundete verloren hatten. * * * Ueber die Auffindung der Leiche des Freiherrn von Ketteler giebt ein Brief Aufschlüsse, den der deutsche Gesandtschastskanzlist Piflermem an seine in Pasewalk wohnhafte Mutter gerichtet hat. Es heißt darin: „Ich habe jetzt das Glück gehabt, das Grab des Ministers (des ermordeten deutschen Gesandten Ketteler) zu entdecken. In eine schmale Seitengasse, nicht weit von der Stelle des Ueberfalles, hatten die Chinesen den Sarg gebracht und dort einfach mit Erde überschüttet, hingestellt. Bei den Chinesen bleiben die Särge iämmtlich über der Erde. Auf meine sofort gemachte Meldung sind dann die Mit glieder der Gesandtschaft hingegangen und haben durch den Arzt die Richtigkeit feststellen lassen. Unter mili tärischer Eskorte wurde dann der Sarg nach der Gesandtschaft gebracht, wo alsdann nach gerichtlicher Obduktion unter großer Theilnahme von Civil und Militär die Beisetzung stattfand." In einer Schluß notiz theilt dann ter Briefschreiber noch mit, daß sich die belagerte Gesandtschaft ausschließlich von Pferde fleisch und Sect genährt habe. Eine Chinakriegssteuer wird von den Soldaten des 5. Armeecorps erhoben, und zwar vom Officier bis zum Gemeinen. Diese Steuer ist eine freiwillige, jedoch beträgt die geringste Summe, die ein Officier geben kann, 1 Mk. Die niedrigste Beisteuer der Unterofficiere und Gemeinen beträgt 20 Pf. Bis jetzt sind ctwa 14000 — 16000 Mk. zusammen ge kommen, die zu Weihnachtsgeschenken für die Ostasia tischen Krieger verwendet werden sollen. Feder Sir Robert Harts, des bisherigen chinesischen Zolldirektors, im Novemberheft der „Fortnightly Review" über die Chinawirrea, worin er die Boxer bewegung als eine nationale Erhebung bezeichnet, die von der chinesischen Regierung angeregt und begün stigt wurde, weil sie die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß nur ein großangelebtes freiwilliges Wehrsystem das Reich gegen die Eingriffe der Fremden sicher- ftellen könne. Die Boxerbewegung wurde von einigen fremden Gesandten als sehr bedeutsam betrachtet, aber etwaige daraus entstehende Wirren wurden erst im September erwartet, und alle Warnungen blieben un beachtet. Hart meint, die Boxer hätten nur Schlappen erlitten, und in einer nicht sehr fernen Zukunft würden zwanzig Millionen derselben mit gefährlicheren Waffen als Speeren entschlossen fein, für die Politik „China für die Chinesen, hinaus mit den Fremden" durchzu führen. Das sei die wirkliche gelbe Gefahr. Zur diplomatischen Lage liegen heute keine Nach richten vor, aus den Meldungen über die Rebellion im Süden Chinas geht aber hervor, daß die Lage immer ernster wird. Ein Telegramm des deut schen Flottenvereins aus Shanghai vom 25. d. besagt: Die Vizekönige des Iangtsethales bitten dringend um Unterstützung. Admiral Seymour geht deshalb morgen zur Information nach Nanking und Wutschang. Schanghai, 26. Oktbr. Von allen Seiten wird bestätigt, daß die Vicekönige des Iangtsegebietes bei den Alliirten gegen den Hof Hilfe suchen und auch finden werden. Admiral Seymour begiebt sich morgen von Nanking nach Wuchang, um die Vice könige zu sprechen. Letztere bestehen auf Verhaftung mehrerer wohlbekannter Reformer, die sich in Schang hai aufhalten und an der in Hankau entdeckten Ver schwörung betheiligt sein sollen. Die Vizekönige setzten eine Belohnung von taufend Taels per Kopf aus. — Juan-schi-kai hat, trotz feiner angeblichen Sympathieen für die Ausländer, zusammen mit zwei anderen Gou verneuren eine Viertel Million Taels nach Singanfu geschickt. London, 26. Oktober. Mit Bezug auf die Schanghaier Meldung vom 11. d. M., wonach die für den auswärtigen Anleihedienst bestimmte chinesische Zollbank 300000 Taels an den Kaiserhof in Singanfu abgeführt haben und beabsichtigen foll, weitere Sen dungen folgen zu lassen, schreibt der Londoner Ver treter der russisch-chinesischen Bank den „Times", daß mit Ausnahme jener ersten Sendung die geplante Aktion der chinesischen Behörden mit Erfolg vereitelt worden sei. Die Entschiedenheit, mit welcher die französische Regierung auf der Bestrafung der Hauptschuldigen ohne Ansehen der Person und des Ranges besteht, ist neuerdings wiederholt zu Tage getreten. Nicht weniger als sieben der vornehmsten Förderer des Boxeraufstandes, darunter Prinzen und Herzöge, sollen, nach dem Verlangen des Ministers Delcassee, jetzt ihre Schuld mit dem Leben sühnen. Aus Peking wird telegraphirt, die französische Antwort auf Lis und Tfchings Vorschläge wiederholt, daß eine wesentliche Bedingung des Friedens die Hinrichtung der Prinzen Tuan, Tschwang, Tungfuhsiang und Juhsiens, ferner des Herzogs Lan, des Tschao-tschu-tschiao und des Kangyi sei. Die allgemeine Meinung dort billige dies, erkenne aber die Schwierigkeit an, sieben so intim mit dem Hofe verbundene Persönlichkeiten zu bestrafen. Der Regierung wird es auch an Macht hierzu fehlen. Ein Telegramm der Pariser Agentur Havas meldet hierzu aus Peking vom 24 : Prinz Tsching und Li hung tschang theilten den Gesandtschaften Dekrete mit, nach welchen die Prinzen und Minister, die für die Unruhen verantwortlich sind, nach dem Grade ihrer Schuld bestraft werden sollen. Der Kaiser erkennt ferner an, daß Tung fuhsiang sich großer Verbrechen schuldig gemacht habe und beauftragt Tsching und Li-hung-tschang, die Strafe anzugeben, welche Tungfuhsiang und die Prinzen, deren Bestrafung die Europäer verlangen, verdienen. Die Be vollmächtigten erklären, daß der Kaiser einige Prinzen aus freien Stücken bestraft habe, daß Kangyi einer Krank heit erlegen sei und daß Tuan und Tschuang sich nicht mehr bei Hofe befinden. Die Gesandtschaften sind von diesen Mittheilunzen nicht befriedigt. Aus Schanghai wird gemeldet: Die Vicekönige und Gouverneure der Jangtse-Provinzen erhielten auf ihre Adresse folgende lakonische Antwort von der Kaiserin: „Mit Bezug auf Eure Forderung, daß exemplarische Strafe über Prinz Tuan, Tschwang rc. verhängt werden solle, verlangen wir sofortige Erklärung, welche Strafe Ihr für angemessen erachtet" Nach chinesischen Präce- denziällen machen sich Minister, welche das Land an den Rand des Verderbens bringen und die Einnahme der Hauptstadt und die Flucht des Kaisers veranlassen, der Strafe des langsamen Todes, cer Vermögens-Confis cation und der Degradirung ihrer Familie zu gemeinem Range schuldig. Wie es die Chinesen einrichten werden, daß ste den Mächten die Boxer-Häuptlinge aus den Zähnen reißen «erden, läßt sich aus folgender Reuter-Meldung erkennen: Washington, 26. October. Dem hiesigen chine sischen Gesandten ist eine Depesche zugegangen, welche besagt, daß Kangyi am 18. October einer Krankheit er- ! legen sei und daß Nutzsten, der Gouverneur von Schansi, ' Selbstmord begangen habe. Die internationale Truppen-Abtheilung, welche von Peking aus nach Paotingfu aufbrach, um dort gemein schaftlich mit der Tientsiner Colonne gegen den befestigten Ort zu operiren, war am 18. October bis Ngan su, > einen Tagemarsch von Paotinfu entfernt, vorgerückt. Von > dort aus wird dem „Berl. L.-A." von seinem Kriegs- i berichterstatter gemeldet: Den heutigen Ruhetag verwandte die Marinebatterie des Hauptmanns von Blottnitz zur nothwendigen Auf frischung ihres Pferdebestandes. Hauptmann von Blott nitz ging demgemäß mit seinen Offizieren und 50 be rittenen Kanonieren früh Morgens südwestlich vor. Der , Generalstabsmajor von Marschall, der bekannte Herren- I reiter Graf Königsmarck, Oberleutnant von Willamowitz und ich machten die Expedition mit. Fünf Kilometer südwärts erwischten unsere Reiter einen chinesischen Ka valleristen, welcher dem Dolmetscher von Tettenborn ein gestand, im Dorfe Taiiwang, 15 Kilometer südwestlich, wären viele Pferde und Mauthiere; aber auch eine starke chinesische Truppenabtheilung sei dort stationirt, Infanterie i wie auch Kavallerie und Artillerie. Hauptmann von Blottnitz beschloß, hinzureiten, und wir erreichten um kommen. Auf das Commando „Schwärmen!" gingen die Deutschen, in Schützenlinie aufgelöst, bis auf 200 Meter an den Gegner heran, der vollkommen im freien Felde stand, und eröffnete dann, nachdem die Chinesen aus ihren am Boden liegenden Ungethümen die ersten Schüsse abgegeben hatten, ohne allerdings jemand zu treffen, auch ihrerseits das Feuer und zwar so nachdrücklich, daß der Gegner nach kurzem Wider- stand sein Heil in der Flucht suchte unter Zurück lassung von 15 Todten. Die Zahl der Verwunde- ten, die der Gegner mit sich fortschleppte, ist un bekannt. Als die Deutschen eben im Begriff waren, das Dorf in Brand zu stecken, brachte ein Reiter die Nachricht, daß die Bedeckung der zurückgelassenen Pferde von dem Dorfe, wo die Deutschen abgesessen waren, angegriffen würde. Leutnant von Rettberg gab die Absicht, das erstere Dorf in Brand zu stecken auf und ging mit feinen Leuten unverweilt zu dem Standplatz der Pferde zurück, deren Führer es unter lassen hatten, nachzukommen. Durch die Wegnahme der Pferde wäre die Situation der zwischen drei Dörfern eingekeilten Deutschen nicht gerade sehr an genehm gewesen. Glücklicher Weise erwies sich die Nachricht als unwahr. Als die Deutschen ihren an geblich bedrängten Kameraden zu Hilfe eilen wollten, sahen sie plötzlich in einer Entfernung von 600 Metern etwa 400—500 Chinesen, mit vielen Geschützrohren, Wallbüchsen u. s. w. bewaffnet, mit wehenden rothen Fahnen von der rechten Flanke auf sich heranmarschiren. Man schwärmte von Neuem aus und eröffnete in einer Entfernung von 500 Metern auf den an Zahl weit überlegenen und scheinbar gut bewaffneten Feind das Feuer. Letzteres wurde sofort erwidert, doch schossen die Chinesen viel zu hoch. Schon nach den ersten Salven seiten der Deutschen kniffen die Gegner zum kleineren Theil aus, während der größere Theil noch standhielt. Als die Deutschen jedoch an diesen bis auf etwa 300 Meter herangekommen waren und ihm durch ein wohlgezieltes Schützenfeuer die Hölle heiß machten, war auch für diesen muthigeren Theil kein Bleiben mehr; auch er rückte aus unter Mitnahme der Verwundeten. Die Deutschen, unter denen niemand verletzt worden war, stiegen auf ihre inzwischen wieder eingetroffenen Pferde und ritten nach Lantsun zurück. Die Zahl der getödteten Feinde betrug 35 bis 40. Der zweite Zusammenstoß, wobei gleichfalls eine größere Anzahl Boxer ihr Leben lassen mußte, fand zwei Tage später zwischen Lantsun und Kiautschou statt. Mittags erhielten in Lantsun die Herren Eisen bahn-Ingenieure Boyes und Sinelair und Herr Eisenbahnsecretär Regler von einem Dolmetscher die Nachricht, daß in einem Dorfe Da-tjin-tön, 8 Li westlich von Lantsun, eine große Menge (angeblich 1000) Boxer stände und die Absicht hätte, Lantsun und andere Stationen in allernächster Zeit anzugreifen. Kurz darauf traf auch ein Brief des etwa 7 Kilometer von Lantsun stationirten Eisenbahn-Ingenieurs Gürtner ein, wonach in dem fraglichen Dorfe die Christen von Boxern angegriffen würden und um Hilfe bäten. Herr Güriner sch ieb dazu, daß er unverzüglich mit vier bei ihm untergebrachten Soldaten nach dem Dorfe aufbrechen werde. Die Herren Boyes, Sinclair und Regler beschlossen mit den Lantsuner Soldaten Herrn Gürtner zu Hilfe zu eilen, und Stunde später waren sie mit einem Gefreiten und neun Mann unterwegs. Drei Soldaten blieben in Lantsun als Wache zurück. Nach einer knappen Stunde befand man sich etwa 600 Meter vor dem genannten Dorfe, wo die Tempel glocken und Gongs geschlagen wurden. Die Deutschen gingen in Schützenkette weiter vor und sahen bald darauf eine starke Schaar uniformirter Kerle mit den bekannten rothschwänzigen Lanzen, chinesischen Ge wehren u. s. w. aus dem Dorf unter lautem Geheul auf sich herankommen. Als die Deutschen auf 300 Meter das Feuer eröffneten, suchten die Chinesen hinter einer Gräbcrgruppe nicht weit vom Dorswall Schutz. Unsere Landsleute setzten das Feuer, das ziemlich lebhaft erwidert wurde, eine Weile fort und gingen alsdann auf die Gräber vor, worauf die Chinesen, vom Feuer ihrer Gegner verfolgt, unter Hinterlassung von 20 Todten und einer großen Menge Lanzen, Schwerter, Wallbüchsen und Flinten in das Dorf zurückeilten. Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, 27. October 1900. Mitthetlungen von allgemeinem Interesse werden dankbar ent gegengenommen und eventl. honorirt. Zur Besserung der sächsischen Finanzlage empfehlen die „Dresdner Nachrichten" in einem größeren Artikel zur Finanzreform, den jetzt noch vor handenen rechten Augenblick zu einer Steuerreform nicht unbenutzt vorübergehen zu lassen, damit nicht erst noch weitere schwere Schädigungen des Gemeinwohls eintreten und dann der Preis für die Reform unver- hältnißmäßig hoch zu stehen kommt. Die Vorschläge der „Dresdner Nachrichten" stellen sich ganz auf die steuerreformatorische Grundlage, die am Schluffe der letzten Landtagsperiode in Gestalt eines Antrages Mehnert-Georgi der Zweiten Kammer unterbreitet worden ist. Die Regierung wurde darin ersucht, unter Anhalt an die von den Antragstellern gegebenen Aus führungen dem nächsten Landtage entsprechende Gesetz entwürfe vorzulegen. Von hoher Bedeutung ist in dem Anträge zunächst die Erklärung gegen die „Steuerzuschläge". Sie geht von der richtigen Er- kenntniß aus, daß die Steuerzuschläge ihrem Wesen nach eine Ausnahmemaßregel darstellen, die als solche immer nur die Stelle eines zeitweiligen unerwünschten Nothbehelfs vertreten kann und nie zu einer dauern den Einrichtung erhoben werden darf. Dagegen ist das Ziel des Antrags Mehnert u. Genossen: Steigerung der Progression bei der Einkommensteuer auf fünf Prozent unter Wegfall der sogen. Horizontale (d. h. der Ermäßigung des prozentualen Steuersatzes für die mittleren Einkommen) und gleichmäßige Einsetzung mit drei Prozent bei einem niedrigeren Einkommen als 10000 Mark, ferner Einführung einer Vermögens steuer unter Freilassung des (bereits mit der Grund steuer belasteten) Grundbesitzes und Beibehaltung der Grundsteuer, sowie Fixirung der Schuldotationen nach einem bestimmten Stande der Grundsteuer. Man denkt dabei auch an gesetzliche Feststellung eines nicht allzu hoch bemessenen Prozentsatzes, über den hinaus die Erhebung von Gemeinde-Zuschlägen zu den staat lichen Einkommensteuern an die Genehmigung der Aufsichtsbehörden gebunden ist. Anstatt auch ihrerseits sich hauptsächlich auf die Einkommensteuer zu stützen, sollen die Gemeinden direkte kommunale Ergänzungs steuern zur Einkommensteuer, namentlich eine Gewerbe steuer, die in Preußen den Gemeinden bereits über wiesen worden ist, und indirekte Steuern, mit Aus. schluß solcher auf nothwendige Lebensbedürfnisse, ein- führen; insbesondere denkt man an eine Biersteuer und Abgaben auf Gas und Elektrizität. Die Erträg nisse dieser Steuern haben nach Dr. Georgi die Mittel zu bieten für eine Abminderung der Grundsteuer etwa um ein Drittel und im Uebrigen zu Erleichterungen bei der Gemeinde-Einkommensteuer. — Theater. „Der Stabstrompeter", Benefiz für Herrn Ernst Kraft. Der gestrige Theater- abend gestaltete sich zu einem wirklichen Ehrenabend für den Regisseur und 1. Liebhaber des Schmidt'schen Ensembles, indem Herr Kraft nicht nur mit dem garnicht fo leichten Arrangement des Stückes alle Ehre einlegte, sondern auch seine Stabstrompeterrolle wacker durchführte. Die aufgeführte Posse mit zahlreichen Musikeinlagen ist, um mit dem Trompeter zu reden, „'ne tolle Sache", und handelt in der Hauptsache von dem Konditor, der, als er genug Geld verdient zu haben glaubte, sein Handwerk auf Anrathen seiner Frau an den Nagel hängte und eine feine Villa miethete, wo es ihm aber garnicht gefiel. Er bekam wieder Sehnsucht nach seiner Backstube, und schließlich zieht alles „mit Mann und mit Maus zur Villa wieder 'raus". — Neben Herrn Kraft, den wir schon erwähnten, müssen wir gleich Herrn Richard Neumeister (Konditor Mampe) nennen, der diesmal die komische Seite der Handlung in nachhaltiger Weise vertrat, aber auch, wie wir gern betonen, ohne zu übertreiben. Aus dem männlichen Theil der Darsteller heben wir noch hervor die Herren Otto Schmidt und Otto Grosche (Wuppe bez. v. Borovsky); ungeschmälerte Anerkennung verdienen diesmal die mitwirkenden Damen, zunächst Frl. Mimi Hahn als Amalie, die Nichte des Konditors; Frl. Grethe Hamm als Gattin Mampes, sowie endlich auch Frau Grosche und Frl. Hulda Künzel (Valeska Fernbach und Dorchen, die Schwester Mampes). Die zahlreich erschienenen Zuhörer haben sich gestern Abend wohl ohne Ausnahme alle an der Menge harmloser Späße und drolliger Verwickelungen, die das Stück bietet, ergötzt, denn nicht selten unterbrach auf offener Scene die geräuschvolle Heiterkeit des Publikums für Augenblicke die Handlung. — Oberlungwitz. Kürzlich bemerkte eine hiesige Rcstaurateursehefrau Nachts verdächtiges Geschrei in ihrem Gänsestall. Sofort begab sich der Mann, mit einem Stocke bewaffnet, dahin und kam er gerade da zu, wie ein Spitzbube eine aus dem Stalle geholte Gans im Hofe abstach. Als der Dieb bemerkte, daß er entdeckt war, warf er die Gans weg und nahm schleunigst Reißaus, er wurde aber verfolgt und bald gestellt. Das zum Abschlachten benutzte Messer hielt er noch in der Hand, dasselbe wurde ihm aber aus der Hand geschlagen, er selbst dingfest gemacht und der Behörde übergeben. Er entpuppte sich als ein schon mehrmals bestrafter Bergarbeiter aus Gersdorf. — Gersdorf. Der Consum-Verein für Gersdorf und Umgegend hat bei 900 Mitglieder im verflossenen Geschäftsjahr einen Waarenumsatz von 300540 Mark 60 Pf., dabei einen Reingewinn von 49875 Mark 21 Pf. gehabt, wodurch er in den Stand gesetzt wurde, außer den üblichen Abschreibungen seinen Mitgliedern noch 16 Prozent Waarendividende und 4 Prozent Zinsen für Stammantheile zu gewähren. Wahrhaftig ein günstiges Ergebniß. Da der Verein getreu seinen Prinzipien nur gute Waare führt und zu den billigsten bez. niedrigsten Tagespreisen abgiebt, ist derselbe hier längst zur Wohlthat geworden. Auch seine socialen Aufgaben scheint der Verein im Auge zu behalten. Es besteht dort eine tägliche Arbeitszeit von nur 9 Stunden; Sonntags bleibt das Geschäft ganz ge schloffen. Auch werden die Gehälter der Angestellten als auskömmliche bezeichnet. Aus dem Angeführten ist zu ersehen, daß dec Verein auf der Höhe der Zeit steht, und wäre demselben ein weiterer Zuwachs an Mitgliedern zu gönnen. — Rutzdorf. Am Mittwoch Nachmittag wurde die Leiche eines 14jährigen Mädchens von hier aus dem sogenannten Mohnteiche gezogen. — Glauchau. Ein herber Verlust hat den hiesigen Kgl. Obergendarm betroffen. Sein Pferd wurde von der Bornaischen Krankheit befallen und mußte das schöne Thier erschossen werden. — Lugau. Seit Mittwoch mittag haben sich von hier zwei Knaben entfernt, ohne bis jetzt wieder zurückgekchrt zu sein. Der ältere von beiden Namens Oskar Findeisen ist 12 Jahre alt, der andere Namens Albert Lahl erst 9 Jahre. Bekleidet ist Findeisen mit grünem Hut, brauner Aermeljacke, schwarzen Gurthosen und schwarzen Turnschuhen, Lahl mit grüner Wintermütze, Schurzleder und Stulpenstiefeln. Beide sind am Mittwoch abend in Oelsnitz gesehen worden. — Glauchau, 27. Oktober. Wie das „Glauchauer Tageblatt meldet, traf Ihre Kaiserl. und König!. Hoheit die Prinzessin Friedrich August heute Vormittag 11 Uhr 27. Min. mit dem Schnellzuge zum Besuche Ihrer Erlaucht der Frau Gräfin Octa via von Schönburg-Forderglauchau hier ein. Zum Empfange Ihrer Kais, und König!. Hoheit waren am Bahnhofe Graf Joachim nebst Gemahlin und Bürger meister Brink anwesend. — Oelsnitz i. E. Ueber das traurige Ende des Bergarbeiters Klötzer berichtet der „L.-C. Anz.": Der in Neudörfel wohnhafte Bergarbeiter Klötzer, der im Alter von 38 Jahren steht und Vater mehrerer Kinder ist, verließ am Dienstag Abend nach beendeter Schicht mit einigen seiner Arbeitskollegen aus Oelsnitz seine Arbeitsstätte. Nachdem er dann in später Abend stunde seinen Heimweg angetreten, ist er in der Dun kelheit in Oberölsnitz von der Straße abgekommen und hat sich auf den Feldern verirrt. Von Müdig keit und Schlaf überfallen, hat er sich dann jedenfalls gesetzt, woselbst ihn dann in der frühen Morgenstunde des anderen Tages auf Arbeit gehende Leute in er schöpftem Zustande aufgefunden haben. Nachdem sie
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