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Amtsblatt. OM- Donnerstag, den 25. October 1900. Nr. 248. Beilage. AnmWmW Kai Amth o. MM. Ein Gedenkblatt zu seinem hundertjährigen Geburtstage am 26. Lctober 1960. Bon Ludwig Epstein. (Nachdruck verboten.) Helmuth Karl Bernhard Freiherr v. Moltke ent stammt einem alten deutschen Adelsgeschlechte und wurde am 26. Oct. 1800 zu Parchim in Mecklenburg als dritter Sohn des preußischen Hauptmanns a. D., späteren dänischen Generalleutnants Fritz v. Moltke und einer Tochter des preußischen Geheimen Finanz raths Paschen geboren. Von 1811 bis 1818 besuchte er mit seinem älteren Bruder Fritz die Landkadetten anstalt zu Kopenhagen und wurde im Jahre 1819 dänischer Offizier. Durch seinen regen Pflichteifer, durch seine pünktliche Dienstleistung und durch sein kameradschaftliches Wesen erwarb er sich die Gunst seines Regimentschefs, des Generalmajors Herzogs von Holstein-Beck, der ihm zur Verwirklichung seines Herzenswunsches, in preußische Dienste zu treten, in Berlin die Wege ebnete. So trat Moltke, nachdem er zuvor eine ihm auferlegte Prüfung in glänzender Weise bestanden hatte, 1822 als Leutnant im Leib- Grenadierregiment Nr. 8. zu Frankfurt a. O. ein. Von 1823 bis 1826 besuchte er die Allgemeine Kriegsschule in Berlin und machte sich schon dort durch hervorragende Fähigkeiten und gediegene Kenntnisse bemerklich. 1827 als Lehrer bei der 4. Divisionsschule zu Frankfurt a. O. beschäftigt, wurde er in den folgenden Jahren bei den topographischen Vermessungen des Generalstabes verwendet. Seine ausgezeichneten Leistungen hatten zur Folge, daß er im Jahre 1832 in den Großen Generalstab berufen wurde, in welchem er seine ganze übrige Dienstzeit verblieb. Nun erklomm er in rascher Folge die militärische Stufenleiter. 1835 wurde er Hauptmann und unternahm noch in demselben Jahre eine Reise nach dem Orient. Entgegen seiner ursprünglichen Ab sicht, blieb Moltke vier volle Jahre in der Türkei, um in durchaus unabhängiger Stellung die von Mahmud II geplante Reorganisalion des ottomanischen Heeres durchsühren zu Helsen. Er begleitete den Sultan auf einer Reise durch Bulgarien und führte fortifikatorische Aufträge in Rustschuck, Silistria, Varna, Schumla und an den Befestigungen der Dardanellen aus. Später durchforschte er den größten Theil von Kleinasien, um die Karten dieser Provinz zu vervollständigen. Auch nahm er am Feldzuge gegen die Kurden (1838) und gegen die Egypter in Syrien (1839) theil. Sein Rath wurde in der entscheidenden Stunde vor der Schlacht bei Nisib von Hafis Pascha, dem türkifcheu Oberbefelshaber, nicht befolgt, aber der veihängnißvolle und folgenschwere Ausgang dieser Schlacht bestätigte die Richtigkeit der von dem preußischen Generalstabs offizier gemachten Vorschläge. Nach dem am 1. Juli 1839 erfolgten Tode Sultan Mahmuds II kehrte Moltke, mit Ehren überhäuft, in die Heimath zurück. Sein König belohnte ihn mit dem Orden pour lc mcrite. Die großartigen Erlebnisse und die reichen Erfahrungen im Orient schilderte er in seinen „Briefen über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839." Im Jahre 1842 wurde Moltke zum Major ernannt und vermählte sich mit Marie Burt, der Stieftochter seiner Schwester, die ihm eine treue Lebensgefährtin wurde und ihn fast auf allen Reisen begleitete. Die überausglückliche, durch keinen Mißton getrübte Ehe wurde durch den Tod der Gattin am Weihnachtsabende des Jahres 1868 gelöst. 1845 er folgte die Kommandierung des Freiherrn v. Moltke als Adjutant des Prinzen Heinrich von Preußen. Während des Aufenthaltes in der ewigen Stadt nahm er die Umgebung derselben topographisch auf. Nach dem Tode des Prinzen kehrte Moltke nach Berlin zurück und trat zum Generalstab des VIII. Armee- korps über. Alsdann bekleidete er die wichtige Stelle des Chefs des Generalstabs des IV. Korps zu Magdeburg. Im Jahre 1850 zum Oberstleutnant und 1851 zum Obersten befördert, erhielt er 1855 den Charakter als Generalmajor und wurde erster Adjutant des Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen, des späteren Kaisers Friedrich III., den er auf seinen Reisen nach Rußland, England und Frankreich begleitete. Drei Jahre später ernannte ihn der Prinzregent von Preußen zum Chef des großen Generalstabes, welche Stelle er 30 Jahre bekleiden und zur gefeiertsten militärischen Stellung der Welt machen sollte. In emsigem, stillem Wirken unterstützte der Generalstabs chef, 1859 zum Generalleutnant ernannt, das eigenste Werk Wilhelms I., die Neuordnung des preußischen Heeres, im Anfang der sechziger Jahre und wußte die Führung desselben mit dem ihm eigenen Geiste kalten Abwägens und rücksichtsloser Kühnheit zu er füllen. Als er dann später in der kriegerischen Epoche von 1864 bis 1871 zur Ausführung seiner Pläne schneidiger Werkzeuge bedurfte, da stand thatsächlich die ganze Armee hinter ihm, und nirgends versagte ein Theil derselben. Unvergleichlich sind die Erfolge, welche unsere Truppen im dänischen, böhmischen und französischen Feldzuge errangen. Es würde zu weit führen, sie hier alle aufzuführen; aber es bedarf dessen auch gar nicht, denn sie sind noch in aller Ge° dächtniß. Diese glänzenden Erfolge verdanken wir in erster Linie dem Schlachtendenker Moltke. Er war nach dem Urtheil eines Offiziers „die Seele dessen, was an Fortschritten auf dem Felde der Taktik, der Krieg vorbereitung, der Organisation des Eisenbahnwesens und der großen Grundzüge der LandeSvertheidigung geleistet worden ist. DaS ganze mächtige Räderwerk der Kriegsmaschine übersieht der klare Blick des großen Schweigers, seine Hand liegt auf dem Hebel, der auf Befehl des Kriegsherrn das ganze Getriebe in Bewegung setzen kann. Scharf denkend, erst wägend, dann aber mich wagend, was mit strenger Logik erwogen, doch manchmal oft sehr kühn erscheint, sieht Graf Moltke in der Kriegführung nicht eine zu erlernende Wissenschaft, sondern eine Kunst der Aus führung." Die unsterblichen Verdienste Moltke's wurden von seinem Könige dankbar anerkannt. Derselbe ver lieh ihm nach der Schlacht von Königkrätz den Schwarzen Adlerorden, erhob ihn nach dem deutsch- französischen Kriege in den erblichen Grafenstand, er- nanme ihn zum Generalfeldmarschall und veranlaßte, daß ihm eine Dotation bewilligt wurde. Auch in den nun folgenden Friedensjahren hat sich Graf Moltke hohe und bleibende Verdienste um das deutsche Heer erworben. Seine Hauptaufgabe bestand in der Heranbildung der zukünftigen Heer führer. In unablässiger Arbeit hat er „die besten Kräfte aus der Armee an sich herangezogen, hat sie eine scharfe taktische Schule durch Hebungen mit der Feder und im Gelände durchmachen lassen und im Anfsteigen zu höheren Graden sie immer strengeren Prüfungen unterzogen. So erzog er sich einen Nach wuchs, von dem er getrost mit dem Dichter sprechen konnte: „Ein Denkmal hab' ich mir in meinem Volk gegründet, Nicht Menschenhand erschns's, kein GraS be wächst den Pfad — Doch stolzer ragt es auf als jenes, das verkündet Napoleon'sche Ruhmesthat." Im Jahre 1888 bat Moltke seinen kaiserlichen Herrn, ihn, da das Heer jüngere Kräfte fordere, in den Ruhestand zu versetzen.. Mit den gnädigsten Motten willfahrte Wilhelm II. dem Gesuche des Feld- marschalls, stellte ihn jedoch unter Wahrung seiner weiteren innigen Fühlung mit dem Generalstabe auf einen anderen hohen und einflußreichen Platz, indem er ihn zum Vorsitzenden der LandeSverteidigungSkom- Mission ernannte. Doch nur noch zwei Jahre waren