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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 26.09.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-09-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190009262
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19000926
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19000926
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-09
- Tag 1900-09-26
-
Monat
1900-09
-
Jahr
1900
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 26.09.1900
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einaehende Nachrichten über diese Plündemngen zum Besten zu geben. Das Blatt meldet: Englische Offiziere in Gemeinschaft mit den russischen hatten den Pfandleiher ausfindig gemacht, dem die Reichen der Stadt während des Sommers ihre kostbaren Pelze zur Aufbewahrung zu übergeben pflegten. In den riesigen Lagerräumen desselben drängte sich daher eines Tages eine wilderregte Menge von Offizieren. Einen geladenen Revolver in der Rechten, durch wühlten sie Kisten und Kästen hastig mit der Linken, vornehmlich nach Zobelpelzen. Die englischen Offiziere verfuhren aber weit systematischer als ihre russischen Kameraden, denn sie hatten gleich Leute ihrer Mann- schäften mit Tragbahren und Gefährten mitgebracht, und machten daher ungeheure Beute. Ein anderer Bericht erwähnte auch der Theilnahme der Amerikaner an dem Plündern, doch wurde demselben sofort von offizieller Seite auf das Entschiedenste widersprochen, und zwar, weil es einzig undenkbar wäre, daß ein amerikanischer Offizier sich soweit vergessen könnte. Auf einem soeben in Newyork eingetroffenen Lazareth schiffe entdeckten die Zollbeamten jedoch große Mengen Kriegsbeute in Kisten, die auf diese Weise von Offizieren an Angehörige und Freunde in der Heimath gesandt wurden! Ebenfalls ein englisches Bureau, das Bureau Lassan, meldet noch, daß die Russen aus dem Sommer palast in Peking alles Werthvolle weggeschafft haben; ein Kammerherr des Zaren habe die „Konfiskation" geleitet. Der Krieg »w Transvaal. Präsident Krüger wird nur einen kurzen Aufenthalt in Holland nehmen. Die Königin Wilhelmina, welche das Schicksal der Buren sehr interessirt, soll den Prä sidenten bewogen haben, sich in erster Reihe an Frank reich zu wenden und sich dessen Sympathien zu Gunsten der Buren zu sichern. Die Königin soll bereits in diesem Sinne auf die französische Regierung einwirken. In Lorenzo Marquez ist das Gerücht verbreitet, Präsident Krüger wolle nach England kommen und eine persönliche Zusammenkunft mit der Königin Viktoria zu erlangen suchen. Abgesehen davon, daß die Königin von England gar keinen nennenswerthen Einfluß auf den Gang der Ereignisse hat, könnte auch nur ein Feind dem Oberhaupt der Transvaalrepublik den Rath geben, sich in das Land seiner Todfeinde zu begeben. London, 24. Sept. Eine Depesche Lord Roberts berichtet, daß am 23. Sept, ein Buren kommando unter Erasmus die Bahnstation Elands- river angriff, aber zurückgeschlagen wurde. In der Zwischenzeit nahm General Paget das Lager der Buren und erbeutete 2500 Stück Vieh und 6000 Schafe. Elandsriver ist eine der nächsten Stationen öst lich von Prätoria und nur wenige Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Danach scheint von einer eigent lichen Pacificirung des Landes trotz der drakonischen Maßregeln der Engländer noch keine Rede zu sein. London, 24. Sept. Eine Depesche Lord Roberts meldet aus Prätoria vom heutigen Tage: Pole-Carew hat heute früh Komatipoort besetzt und eine große Menge Eisenbahnwagen und Lokomotiven erbeutet. Lorenzo Marquez, 24. Sept. Die Gesammt- zahl der Buren, welche sich den Portugiesen an der Grenze ergaben, beträgt 3000. Dieselben befinden sich unter Bewachung. Lissabon, 24. September. Amtlich wird gemeldet: Vorgestern Nacht haben weitere 600 Buren, darunter 60 Frauen, gestern 400, dabei viele Verwundete, die portu giesische Grenze überschritten, wo sie widerstandslos ent waffnet wurden. Später kamen noch 100 Mann mit 16 Ossi zieren und 1 General; alle wurden nach Lorenzo- Marque; befördert. Es gab ke nen Zwischenfall an der Grenze. Schlimme« «ud Schlimmere«. Gar schlimme Kunde kam vom fernen Strand, Wo seiner trüben Fluthen mächt'gen Schwall Ins Meer d:r Vater der Gewässer wälzt. Von Sturmes Wuth und von der Wogen Grimm Vernichtet ward in Stunden eine Stadt, Die Menschenfleiß am Meeresufer baute. Zerschmettert liegen unter Schutt und Trümmern Unzählige, vom grausigen Verderben Im frohen Schaffen jählings überrascht. Nicht hat die Erde für die Gräber Raum, Und auch das Meer behält die Todten nicht, Die d,uh in seinem Schooße finden sollten; Wenn sich zum Strande drängt die Fluth, so kehrt Mit ihr zurück die Schaar der blassen Schläfer Zur Stätte, wo im Leben sie geweilt. Mit Grausen hören wir die Schreckenskunde; Doch grausiger will uns bedünken noch, WaS sich begeben hat im fernen Lande Der gelben Teufel, die zu guten Christen Zu machen fromme Einfalt sich bemüht, Der Predigt Perlen vor die Säue werfend. Wehrlose Männer, Weiber, Kinder wurden In Höllenfoltern langsam hingemordet, Und an der Armen Qualen weidete Das Auge sich der mitleidlosen Henker, Bis endlich, endlich im zerfleischten Leib Erstorben war des Lebens letztes Zucken. Und ist nicht grausig auch, was sich begiebt Im Land, wo endlich sich die schnöde Habgier Des Briten sieht am Ziel des Räuberzugs? Die Tapfern, die im Kampfe für die Freiheit Ein Jahr nun stehn, gleich wilden Thieren werden Gehetzt sie von brutaler Uebermacht, Bis auch die Letzten endlich unterliegen. Auf ihren Farmen, wo mit zähem Fleiß Sie sonst geschafft in stiller Arbeit, lagert Das wüste Kriegsvolk; Mord und Brand begleiten Die Räuberbanden, preisgegeben sind Die Weiber ihnen und die zarten Kinder Und lange werden Mord und Brand noch Hausen Im Lande, zögernd kehrt erst spät zurück Der Friede, der hier unter niederm Dach Beim schlichten Bauernvolke einst gewohnt. Wenn wir mit Schaudern sehen, was der Mensch Dem Menschen anthun mag an Leid und Qnal, Da trägt sich leichter, was den Erdbewohnern Die Elemente Gräßliches bereiten, Die blinden, ungebändigten Gewalten, Mit denen sich nicht streiten läßt und rechten. Kladderadatsch. LSchßfcheS. Hohenstein-Ernstthal, 25. September 1900. vk!tth«Uungrn von allgemeinem Jntereste werden dankbar ent gegengenommen uno eveutl. honvr«rt. — Am Sonntag fand in Kirchberg der 19. Verbandstag des Kreisfeuerwehrbezirksverbandes Zwickau-Glauchau statt. Vertreten waren 60 Wehren. Blankenhain und Grünberg fehlten. Herr Branddir. Klötzer-Bockwa begrüßte herzlichst die Anwesenden und erstattete den Jahresbericht. Der Verband erfreut sich einer gedeihlichen Entwicklung. Er umfaßt 62 Wehren mit über 5000 Mitgliedern. Neu hinzu getreten sind Crossen-Mulde und Ruppertsgrün bei Werdau. Neu angemeldet sind Langenchursdorf und Lichtenau. Der von Branddir. Frank-Zwickau er stattete Kassenbericht weist folgende Zahlen auf: 512,98 Mk. Einnahme, 472,96 Mk. Ausgabe, mithin Bestand 40.02 Mk.; Gesammtvermögen 903.02 Mk. Hierauf folgten die Berichte über die einzelnen in diesem Verbandsjahre abgehaltenen Inspektionen durch die Branddirektoren Klötzer-Bockwa, Frank-Zwickau, Fischer-Meerane, Bräuer-Kirchberg und Hertel-Harten stein. Eine Seltenheit, aber auch eine große Freude dürfte es sein, daß bei sämmtlichen Inspektionen die Censur „recht zufrieden" ertheilt werden konnte. Gut Wehr! Statutengemäß waren Neuwahlen für die Branddirektoren Klötzer-Bockwa, Kühn-Glauchau und Kommandant Nier-Wilkau nothwendig. Da Herr Nier eine Wiederwahl ablehnte, wurden die Herren Klötzer, Kühn und Hertel-Hartenstein gewählt. Dan kend nahmen sie die Neuwahl an. Der jährliche Bei- trag für den Verband soll auch fernerhin 5 Pfg. für den Mann betragen. Als Ort für den nächsten Ver bandstag wurde Werdau, bez. Lößnitz in Aussicht genommen. Schließlich wurde über einige Anträge Aussprache gehalten und Stellung genommen. Nach der Sitzung zerstreuten sich die Mannschaften, um bei den gastfreien Bürgern Kirchbergs einen angenehmen Mittagstisch zu finden. Gegen 3 Uhr Nachmittags eilten die Wehrleute zum „Deutschen Hause", wo sie sich zum Festzuge sammelten. Unter reger Antheil- nahme der Bewohner bewegte sich der stattliche Zug, der aus ungefähr 3000 Mann bestand, durch die Hauptstraßen der Stadt nach dem Altmarkte. Die freiwillige Feuerwehr und die freiwillige Schützen feuerwehr führten hier einen Sturmangriff aus, der Herrn Branddirektor Bräuer-Kirchberg und seinen Wehrleuten reiche Anerkennung seitens des Ausschusses einbrachte. Schließlich folgte eine besondere Vor- fühiung der städtischen Hochdruckwasserleitung, die in den verschiedenen Stadttheilen zwischen 8 und 13 Atmosphären schwankt. Neugeordnet bewegte sich hierauf der Festzug nach dem Schützenhause, wo die Stadtmusik konzerttrte. Abends fanden Festbälle statt im Rathaus, in der Wiener Spitze und im Deutschen Hause. — Die am 1. Oktober d. I. in Kraft tretenden Neun-Uh r-L adenschlu ß-B est immungen sind selbstverständlich von großer Bedeutung für die Ladeninhaber aller Branchen. Nicht bloß die im Handelsregister eingetragenen kaufmännischen Firmen, sondern auch die sogen. Minderkaufleute, Gewerbe treibenden und Handwerker, soweit sie Verkaufsläden besitzen, unterliegen den allgemeinen gesetzlichen Laden- schluß-Bestimmungen. Bekanntlich hat diese jüngste Novelle zur Gewerbeordnung den obligatorischen Laden schluß um 9 Uhr abends angeordnet und den Schluß um 8 Uhr von einer Abstimmung der Ladeninhaber der einzelnen Handels- und Gewerbezweige abhängig gemacht. Wegen dieser Neuerung haben nun in vielen Bezirken und Städten Versammlungen stattgesunden, um eine Einigung wegen des Ladenschlusses bereits um 8 Uhr herbeizuführen, hie und da mit Erfolg meist jedoch wollen sich die Ladeninhaber ihr Recht und ihre persönliche Freiheit nicht noch selbst verkürzen. Im übrigen verweisen wir auf die Einladung in heutiger Nummer dieses Blattes. — Jener Langfinger, welcher vor einigen Wochen in einem Klempnerladen auf der Weinkellerstraße hier einen Spazierstock im Werthe von 4 Mk. entwendet hatte, war der 56 Jahre alte Eisendreher Möckel aus Crottendorf. Er wurde wegen des im Rückfalle be gangenen Diebstahls von der Strafkammer des K. Landgerichts Zwickau zu 5 Monaten Gefängniß und wegen Bettelns zu 2 Wochen Haft verurtheilt, auch seine Unterbringung in einer Anstalt verfügt. — Die Erhöhung der Zeitungspreise macht sich bei all den Blättern, welche nicht nur in 2—300 Auflage erscheinen, also von der PapierPreiserhöhung nicht allzu hart betroffen werden, unumgänglich nothwendig. Nachdem die in der hiesigen Gegend maßgebenden Zeitungen, Chemnitzer Tageblatt, Chemnitzer Neueste Nachr. und Chemn. Allg. Ztg bereits zu Anfang des Jahres, als die Papierpreise in Vie Höhe schnellten, ihre Bezugspreise um ca. 25 Prozent erhöht hatten, werden die meisten Zeitungen des Zwickauer Regierungs bezirks im Laufe des Jahres nachfolgen. In einer am heutigen Mittwoch in Werdau angesetzten Ver- sammlung der Verleger soll das Nähere über die nothwendigen Schritte berathen werden. Praktisch sind in Hildesheim die Zeitungsverleger vorgegangen. Dort haben sich die Verleger der 4 daselbst er scheinenden Zeitungen vereinigt und gemeinschaftlich den Bezugspreis der Zeitungen um vierteljährlich 50 Pf. erhöht. Sie haben sich mit einer Erklärung an ihre Leser gewandt, in welcher sie hervorheben, daß die Herstellungskosten der Zeitungen in den letzten Jahren in Folge der Steigerung der Löhne und Redaktionsunkosten, der Preise von Schriftmaterial und Maschinen, insbesondere aber des Papierpreises um 40—50 Prozent eine so unverhältnißmäßige Höhe erreicht hätten, daß ein Weiterarbeiten unter den bestehenden Verhältnissen den geschäftlichen Niedergang sämmtlicher Zeitungsgeschäfte herbeiführen müsse. Neue Opfer fordere der am nächsten 1. Januar zur Ein führung kommende Postzeitungstarif. Ueber ander weite Versammlungen berichtet der Telegraph: Hannover, 24. September. Gestern fand hier eine Zeitungsverleger-Versammlung statt, die annähernd von 60 Verlegern aus Braunschweig, Bremen, Hannover, Oldenburg und Westfalen besucht war. Auf der Tagesordnung stand die Besprechung der „gegen wärtigen Lage des Zeitungsgewerbes mit Rücksicht auf die unverhältnißmäßige Erhöhung des Papier preises und des Postzeitungstarifes". Zum Schluffe gelangte folgende Resolution zur Annahme: Die heutige Versammlung der Zeitungsverleger aus Braunschweig, Bremen, Hannover, Oldenburg und Westfalen empfiehlt den Zeitungsverlegern aus Nord westdeutschland, überall die Gründung von Bezirks vereinen ins Werk zu setzen. Sie regt ferner an, daraus später eine große allgemeine Vereinigung ernst lich ins Auge zu fassen. Al len st ein, 24. Sept. Die gestern hier statt gehabte Generalversammlung des Vereins der Drucker und Zeitungsverleger von Ost- und Westpreußen nahm einstimmig eine Resolution an, betreffend Er- böhung der Abonnementspreise vom 1. Januar 1901 ab; motivirt wird die Erhöhung mit der Steigerung des Preises des Druckpapiers um 40 bis 45 Prozent und mit dem neuen Posttarif. — Die Kartoffelernte läßt allenthalben in Thü ringen an Güte und Menge nichts zu wünschen übrig Kranke Kartoffeln sind Dank der vorzüglichen Witterung so gut als gar nicht vorhanden. An manchen Stellen ist die Kartoffelernte so reich, daß sie die höchsten Er» Wartungen noch weit übertrifft. — (Errichtung von Freibänken.) DaS Königl. Ministerium des Innern hat kürzlich eine Verordnung erlassen, in welcher den AmtShauptmannschasten auheimgegeben wird, den AmtShauptmannschasten und, soweit dies nöthig ist, auch den Stadträchen zu empfehlen, dahin zu wirken, daß in größeren Onen Freibänke errichtet werden und kleinere Orte sich zu diesem Zweck thunlichst in Verbände zusammenschließen. Mit der Verordnung soll den Klagen - abgeholfen werden, welche über die Verwerthung von bank würdigem Fleisch in solchen Orten, wo Freibänke nicht bestehen, laut geworden sind. Zur Erleichterung der Durchführung der Absichten der Regierung ist gleich zeitig mit der Verordnung zur Aufstellung entsprechen der Ortsstatute ein Musterstatut herausgegeben worden. — Wüstenbrand, 25. September. Gestern wurde der seit dem 16. d. M. vermißte 41 Jahre alte italienische Bahnbauarbeiter Spiranza aus Ober lungwitz in dem hiesigen Gemeindeteiche todt auf gefunden und polizeilich aufgehoben. S. ist ledigen Standes und seit seinem 25. Lebensjahre in Deutsch land aufhältlich. Am 16. d. M. Abends wurde er in einem angeheiterten Zustande in Wüstenbrand be troffen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß er beim Nachhausegehen in der Nacht den Weg verfehlt und in den Teich gefallen ist. Bei der Leiche wurde noch Geld im Betrage von 6 M. gefunden. — Chemnitz. Wie verlautet, wird die Markus« kirche in nächster Zeit eine Maschine erhalten, welche die Aufgabe hat, das mit großen Kosten und Umständlich keiten und selbst mit Gefahren verbundene Läuten der Glocken von Hand zu ersetzen. Die Maschine wird vom Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikation, dem Erfinder uno Patentinhaber, von welchem auch das schöne Geläute genannter Kirche seinerzeit geliefert wurde, angefertigt. — Lichtenstein-Callnberg. Der National- soziale Verein hierselbst hatte Sonntag Abend im Goldenen Helm hier eine Versammlung veranstaltet, in welcher Herr Rudolf Schneider aus Leipzig einen Vortrag über „Weltpolitik und Arbeiterbewegung" hielt. In der Discussion wurde von sozialdemokra tischer Seite betreffs des chinesischen Krieges Bedauern über die dort an den Chinesen seitens der fremden Völker begangenen Greuelthaten ausgesprochen, die umsomehr Befremden erregen müßten, als die ersteren doch nur von ihrem Hausrechte Gebrauch machten. Herr Schneider theilte ebenfalls dieses Bedauern über vorgekommene Greuelthaten, bemerkte aber weiter, daß Gewaltmittel oftmals nicht zu vermeiden seien, da durch den Bau von Eisenbahnen die von den Chinesen mit aller Zähigkeit vertheidigten Gräber ihrer Vor fahren berührt werden müßten, wodurch es meist zu Zusammenstößen gekommen sei. Durch den Fanatis mus eines Einzelnen könne unmöglich die Kultur ganzer Länder aufgehalten werden. Hieran schloß sich noch die Wahl des Vertrauensmannes für die hiesige Ortsgruppe, aus der der bisherige, Herr Dippmann- Oberlungwitz, wieder hervorging. Als Delegirte für den in Leipzig stattfindenden Parteitag wurden die Herren Diaconus Bemmann-Glauchau, Bahner und Dippmann-Oberlungwitz, Schneider-Leipzig, Otto Dietze und Giegling-Lichtenstein gewählt. Am Nach mittag hatten die Sozialdemokraten bereits im Garten des Gasthauses zum Grünthal eine Versammlung ab gehalten, in welcher Herr Emil Hähle aus Chemnitz über das nämliche Thema „Chinawirren und Welt politik" sprach und die deutsche Politik natürlich so schlecht wie möglich machte. — In der unter dem Vorsitz des Herrn Kreishauptmanns Freiherrn von Welck am 19. d. M. in Zwickau abgehaltenen Sitzung des Kreisausschusses wurde u. a. beschlossen, die Ge nehmigung zur Aufnahme einer Anleihe zum Zwecke des Umbaues der städtischen Gasanstalt in Lichtenstein zu versagen und eine Tilgungsfrist von 25 bis 30 Jahren zu erfordern. — Infolge der Geldknappheit haben auch die Sparkassen zu Annaberg und Buchholz sich ge- nöthigt gesehen, den Zinsfuß zu erhöhen. Die Anna berger Sparkasse erhöhte denselben für Spareinlagen von 3 auf 31/2 und die Buchholzer Sparkasse von 3 auf 3,6 Proz. Für Ausleihungen berechnen beide Kassen 41/2 Proz. — In Grotzbuch bei Lausigk brannte das Wohnhaus des Gutsbesitzers Ernst Döge ab. Der im Auszugshause wohnende Rentner Herrfurth wollte einen Handwagen retten, wurde aber von einer herein brechenden Giebelwand verschüttet und erhielt so schwere Verletzungen, daß er ohne Bewußtsein hervor gezogen wurde. Tie Erbschaft. Eine Erzählung vom Lande von E. Siewert. 10. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Es stellte sich heraus, daß einige ziemlich plump aussehende Polinnen, die jungen Nichten von Land pfarrern, Krakowiak tanzen konnten, sie waren auch bereit, ihre Kunst zum Besten zu geben, falls sich paffende Partner fänden — nud siehe da, in Gestalt von einigen scheuen jungen Jnspekwren fanden sich welche. Bald zitterte der Boden von den wilden Sprüngen, die diesem Tanz die Würze verleihen, so daß sich einige gesetzte und kräftige Herren an den Kachelofen stellten, um ein Unglück zu verhüten. In der Tanzpause gab ein dicker kleiner Provisor einige Lieder zum Besten. Wer hätte es diesem lächerlich schüchternen, blmuenhaft verschämten Männchen zu getraut, daß seiner Kehle ein Tenor von solcher Schön heit und Kraft entströmte! Die spöttelnden Be merkungen der jungen Damen verstummten, das herr liche Amüsement des Abends kam so recht zum Aus druck in diesen feurigen, schmelzenden Liedern. Vor der grau getünchten Saalwand saßen sie, der Blumen flor deS Kreises, mit glänzenden Bugen, rasch athmend. Wer hätte geahnt, daß eS soviel allerliebste Mädchen im Kreise gäbe, Fräulein Martha Petzel z. B. sah ganz reizend in einem Hellen Kleid aus, ihr Nacken war weiß und voll und ihre schwellenden Arme von zartester Form. Fräulein Ida Nebel, die neben ihr saß, hatte eigentlich schon mit ihren 27 Jahren mit dem Leben abgeschlossen, ihre jüngeren Geschwister hatten ihr öfters angedeutet, daß sie schon recht alt sei, so daß sie schließlich selber daran glaubte. Nur zögernd hatte sie sich entschlossen, das Fest mitzumachen, und entdeckte nun zu ihrem Erstaunen, wie schrecklich jung sie noch war. Mit welcher Wonne erfüllten sie die leichtsinnigen, lieblichen Walzer des alten Wuptich, wie schrecklich gern tanzte sie nach diesen Walzern! Ja, die erstaunlichsten Entdeckungen wurden gemacht, Walzerkönige und Polkagrafen entpuppte» sich aus den unwahrscheinlichsten Gestalten. Das Feuer der Lebens lust flammte überall empor, unvermuthet auch dort, wo man gemeint hatte, daß es längst erloschen oder unter der Asche der Alltäglichkeit und Langeweile be graben sei. Wie höflich, wie bemüht waren grade diejenigen, die sich am meisten darüber gewundert hatten, daß sie zu den ersten Kreisen gehörten! Gab es auch einige, die es durchaus nicht lassen konnten, die Standes- unterschiede zu betonen, und sich einredeten, daß sie sich nicht amüsieren dürsten, weil die Gesellschaft zu gemischt sei, so hatten doch die meisten Humor und Geist genug, grade in der bunten Zusammensetzung den Reiz des Abends zu finden. Herr Tilo band sich in der Herrengarderobe den dritten Kragen um, vorsorglich hatte er einen ziem lichen Vorrat davon mitgebracht. Er konnte mit seinem Erfolg zufrieden sein, und er war es auch in vollstem Maße; nun kam noch das Abendbrot. „Schöne Frau Wirthin!" rief er mit etwas heiserer Stimme. Er hatte soeben den Kontre kommandiert und sich nicht wenig dabei angestrengt, da es mit dem Französisch einiger Herren nicht grade zum Besten bestellt war. „Frau Wirthin, auf ein Wort!" Die Stimme der Wirthin erklang auf dem Flur. „Ich suche Ihnen," sagte die korpulente, schwarz haarige Wirthin, ihren Kopf mit den mächtigen Wellen scheiteln zur Thür hereinsteckend.. „Was giebt's denn?" „Die Kochsrau, wo ich genommen, sitzt auf'm Herd, singt und will nicht kochen." „Betrunken?" „Na, gewiß doch." Beide sahen sich einen Augenblick verdutzt an, bis sich Herr Tilo zuerst aus seiner Verblüfftheit riß und in sein köstliches Lachen ausbrach. Herr Wuptich fing mit der Aufforderung zu einer Huaärille ä la cour an. „Kalt Abendbrot," sagte er, sich die Nase schnaubend, „diese Weiber! Bratkartoffeln, Wurst, dergleichen, Eisbein! Wir ver stehen uns, was?" Er faßte die dicke Frau Wirthin um die Schultern und drückte sie an die Klappe seines Fracks. „Ja, Herr Tilo," murmelte diese geschmeichelt. „Ich verlasse mich auf Sie, nicht umsonst habe ich grade Sie ausgewählt. Grüßen Sie die Kochfrau von mir!" Lachend flog er dann mit elastischen Schritten die wacklige, knarrende Bodentreppe herab. Für ihn war der Zwischenfall mit der betrunkenen Kochfrau ein Tropfen mehr in dem Freudenbecher dieses Abends. In diesen wunderlichen Kreis nun trat auch die Familie Gothe — die schöne Familie, wie sie genannt wurde. Sie traten ein, das stolze Ehe paar, die blendend schöne Magda in weißer ge musterter Seide. Wie eine Königin, die einem Fest mit ihrem Erscheinen erst die Weihe giebt, schritt Frau Gothe an Herrn Tilos Arm über die mit Talkum bestreuten Dielen, während Magda mit ihrem Vater folgte. Hätte nicht das Auftreten der Damen bei aller Schönheit und Pracht doch ein wenig an das von zwei radschlagenden Pfauen erinnert, so wäre es noch eindrucksvoller gewesen. Sie trugen iher edlen fein gemeißelten Nasen nur leider etwas zu hoch, um nicht dadurch den Spott der bessern und den Reid der einfachern Gäste zu erregen. Donnerwetter, eine wirkliche Schönheit!" dachte Herr Tilo mit einigen raschern Schlägen seines kalten Herzens, als er Magdas ebenmäßige Gestalt, ihr blasses, edles Gesicht mit den mächtigen Augen er scheinen sah. Selbstverständlich widmete er sich ihr sofort — wie es sich gehörte, —tanzte die ersten Tänze mit ihr und sagte ihr Schmeicheleien, die an Deut lichkeit nicht« zu wünschen übrig ließen. Magda gefiel dies sehr — es war der noth wendige Tribut, den sie fordern konnte: sie tanzte mit dem Festordner, natürlich, sie war die einzige von den jungen Mädchen, oie richtige knisternde Seide anhatte. (Fortsetzung folgt.)
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