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HchMm-EnWIn DiBlB Amtsblatt. Nr. 173. 2. Beilage. onntag, den 29. Juli 1900. Der Krieg NM Tnmstmal. Lonvorr, 25. Juli. Die zähe und mobile Wider standskraft der Buren hat nicht nur dein FcldmarfchaÜ Roberts, sondern auch der englischen Neichspolitik einen Strich durch die Rechnung gemacht Ungeachtet dessen erregen die Thaten des Generals De Wet in den hiesigen militärische" Kreisen mehr Bewunderung als Aergerniß. Man spricht vielfach die Hoffnung ans, De Wet möge sein Führertalcnt dereinst in britischen Diensten verwenden. Das Publikum aber hat den Krieg längst falt bekommen und kann nicht verstehen, wie es den paar Tausend Bu ren möglich ist, dem mächtigen britischen Heere noch immer wieder empfindliche Schlappen zuzufügen. Selbst verständlich ändert diese verdrossene Stimmung jedoch keineswegs den Entschluß, die Buren gänzlich zu unter werfen. Demgemäß werden auch nach wie vor Ersatz- Mannschaften nach Südafrika entsandt, trotzvem Lord Ro berts, abzüglich der Verluste, bereits über 200 <>00 Mann auf dem Kriegsschauplatz hat. Musern, 26. Juli. General Rundle rückt gegen die Buren vor und nahm den Eommandouck ein. Der Feind zieht sich nach Fourisberg zurück, die Engländer folgten ihm, um ihn zu umzingeln. Unter den Truppen herrscht viel Fieber, es sind mehrere Todesfälle vorgekommen. BaLmoral, 26. Juli. Auf seinem Marsche ost wärts traf General French südlich von Balmoral auf 2000 Buren, welche jedoch bei seinem Herannahen flohen. Die Buren sagen, ihr Feldzugsplan sei, den Kleinkrieg bis zur Präsidentenwahl in Amerika sort- zusetzen, da ihnen Intervention versprochen worden sei, falls die Demokraten siegen. At Ank in KMer Litte, Sage und Achtung. Bon st P. Llein. (Nachdem! Vorboten.) Wie im Altertum bei den Athenern der Oelbaum und bei den Skandinaviern die Esche, so hatte bei unsern Vorfahren, den alten Deutschen, sich von jeher die Linde besonderer Gunst zu erfreuen, und noch jetzt ist sie des deutschen Volkes Liebling, sein Genosse in Lust und Leid. Sie begleitet den Menschen gern zu den Stätten seiner Ruhe und Thäligkeit und siedelt sich überall an, wo höhere Gedanken seine Seele be wegen. „Man sieht sie vor dem Hanse des Pfarrers, des Amtmannes, des Schulzen und neben der Ruhebank vor der Thür des Schenkwirts, bei den Ausgängen der Dörfer, Weiler und Städte und vor den Thoren gefallener Burgen, neben den Grenzmalen der Ge meinden und Gemarkungen, auf Kreuzwegen und ans ehemaligen Gerichtsstätten. Ueber der Ruhestätte der Herde auf der Weide, über den Brunnen, den die menschliche Hand gegraben, über die Quelle, die aus dem Felsen springt, breitet sie ihr schützendes Dach, und in gleicher Weife birgt sie den frommen Beter vor den Strahlen der Sonne bei den Kapellen im Felde, bei den Stativnsbildern und vor dem Bilde des Ge kreuzigten. Auf den Plätzen, welche die Gotteshäuser der ländlichen Bevölkerung umgeben, und wo der Mensch seine letzte Ruhestätte findet, «heilt sie seine Einsamkeit. Ueber der Grabstätte Klopttocks bei Ottensen haucht eine Linde, gepflanzt von Metas Schwestern, ihre Düste aus. Und eine große Linde bei Stuttgart, in der schönen Promenade, aufwärts nach der Höhe, heißt die Uhlandslinde." Ueberhaupt haben unsere Vorfahren gerne Linden gepflanzt, um ein merkwürdiges Ereignis zu bezeichnen, und noch heutzutage werden auf den Dörfern häufig Erinnerungslinden gepflanzt, während man in den Städten zum Andenken an große Männer und bedeu tende Begebenheiten Denkmäler aus Erz und Stein errichten läßt. Kein Baum ist so innig mit dem Ge- mütsleben des deutschen Volkes verwachsen wie die Linde, und mit frommer Scheu hegt und pflegt man alte Bäume, an die sich irgend eine merkwürdige Be gebenheit knüpft. Noch jetzt steht die Linde bei Alt dorf, welche den Tellschuß sah, und unter der Linde, welche man zum Andenken an die Schlacht von Murten gepflanzt hat, versammelt sich noch heute das Linden gericht, um die Streitigkeiten der den Markt besu chenden Landleute zu schlichten. Tie Linde war über haupt dee Dingbaum, unter dessen schützendem Dache unsere Vorfahren gern zusammenkamen, um Beratungen zu Pflegen, Beschlüsse zu fassen und Rechtsnrteile über Leben und Tod zu sprechen. Viele dieser Linden sind noch heute erhalten, z. B. die Femlinde bei Dortmund, welche jetzt allerdings im Absterben begriffen ist. Die im lö. Jahrhundert ausgestorbenen Grafen von Linden Horst, welche der Feme Vorständen, führten von dieser Linde ihren Namen ,wie ja überhaupt viele Familien namen, z. B. Linde, zur Linde, Zerlinde, von der Linde pp., auf diesen Liebliugsbaum des deutschen Volkes Hinweisen. Auch viele Orte, Burgen, Klöster pp. verdanken ohne Zweifel ihren Namen der Linde, z. B. Linen, Lindan, Lindenfels. Auch Leipzig heißt Lindcnstadt, denn diese Bezeichnung ist aus dem sla- vischen Worte Lipsk, welches aus Lipa, die Linde, ge bildet ist, entstanden. Wie um alle Bäume, die im L.ben unserer Vorfahren eine Rolle spielten, so schlingt sich auch um die Linde die Sage in tausendfachen Verzierungen. Unter ihrem schützenden Dache trieben die Zwerge gern ihr Wesen und die Helden fielen dort in einen Zaubsr- schlaf. Eine der bemerkenswertesten Sagen ist vom „Wunderbcwm", einer alten ehrwürdigen Linde bei Süderhadstädt in Dithmarschen, welche so lange grünen soll, wie die Freiheit der Dithmarschen. Wenn das Land unter sremde Herrschaft gerietst?, werde sie ver dorren, aber eine Elster werde ihr Nest darauf bauen und fünf weiße Junge ausbrüten. Wenn sich nun eine weiße Elster sehen lasse, würde auch das Land wieder frei werden. Ueber die Linde, der der Wallfahrtsort Heiligen- linde in Ostpreußen ihren Namen verdankt, berichtet die Sage Folgendes: „In der Stadt Rastenburg war einst ein Angeklagter zum Tode verurtheilt worden. Am Tage vor der Hinrichtung erschien ihm die heilige Jungfrau, tröstete ihn und gab ihm ein Stück Holz und ein Messer mit dem Auftrage, etwas zu schnitzen. Ec schnitzte darauf ein Marienbild mit dem Christus- kinde ans den Armen. Als die Gerichlsherren das Bild sahen und von der Erscheinung der heiligen Jungfrau hörten, erachteten sie es als einen Wink von oben und setzten den Verurtheilten in Freiheit. Dieser aber trug das Bild nach einer Linde und stellte es in derselben auf, und seitdem verlor der Baum seine Blätter nicht mehr und blieb grün. Wegen solchen Wunders holten die Rastenburg-r das Bild von seinem Platze und trugen es in die Kirche; da es aber am anderen Morgen wieder in der Linde stand, so baute man unter derselben eine Kapelle. So entstand der Wallfahrtsort Heiligenliude." Wie in der Sage, so spielt die Linde auch in der Dichtung eine wichtige Rolle. Im deutschen Helden lied?, welches noch von dem heidnischen Geist unserer Vorfahren durchweht ist, werden gewaltige Thaten hauptsächlich unter die Linde verlegt. Unter einer- Linde tötete der Nibelungenheld den Drachen; ein Lindenblatt fiel zwischen seine Schultern, als er sich im Blute des erlegten Tieres badete, und verursachte die verwundbare Stelle; unter einer Linde wurde Sieg fried, als er sich uiederdückte, um seinen brennenden Durst zu stillen, von dem grimmen Hagen ermordet. Neben den Blumen, dem grünen Grase und dem tauigen Klee, dem schattigen Walde und dem herrlichen Sang der Nachtigall ist es von allen Bäumen besonders die Linde, welcher die Minnesänger begeistert huldigten; man findet keinen unter ihnen, der nicht die Leier ge stimmt Hütte, um zum Preise des schönen Baumes und der liederreichen Nachtigall in feinem schattigen Laub dach sein Lied erklingen zu lassen. Eins der schönsten Minnelieder von Walter von der Vogelweide beginnt mit den Worten: „linier den Minden an der isteide. Wo ich mit meiner Tranten saß." Bei diesem Reichthum von Poesie, welcher von Alters her die Linde umgiebt, ist es natürlich, wenn auch die neueren Dichter gern in igrem Schatten weilen, um sich dort zu herrlichem Gesänge begeistern zu lassen. Klopstocks froher Dichternatur war die Lrnde ein ernstes, wertstes Symbol. In wehmütiger Erinnerung an seine früh verstorbene Gemahlin Margaretha (Meta), geb. Muller singt er: