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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 13.07.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190007131
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19000713
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19000713
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-07
- Tag 1900-07-13
-
Monat
1900-07
-
Jahr
1900
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 13.07.1900
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Lengenfeld, Untersachsenberg, Klingenthal, Oelsnitz, Mark- neukirchen, Bad Elster, Brambach und anderen Orten be obachtet. Auch in der Nacht zum Sonntag wurden wieder mehrere minder kräftige Erderschtiiterungen wahrgenommen. — Oelsnitz i. B. Am Dienstag stießen in Lauterbach beim Gutsbes. Lippert Arbeiter beim Abtragen eines alten Gebäudes auf einen in den Backofen einge mauerten Topf, in welchem vorzüglich erhalten gegen 700 Silbermünzen sich befanden. Dieselben — sächsische, preußische, hannoversche Thaler, Acht- und Viergroschen stücke, Mariengroschen rc. — stammen aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (1660—1691). — Kriegsminister Edler v. d. Planitz weilte kürzlich in Grünbach bei Falkenstein zur Besichtigung des alten Schulgebäudes behufs Ankaufs desselben zu einem Militärgenesungsheim. — Dresden, 10. Juli. Auf dem Festplatze des 13. deutschen Bundesschießens herrschte gestern in Folge des schlechten Wetters eine trostlose Stimmung. Die gewaltige Festhalle war am Tage gänzlich leer, und auch der Vergnügungspark war wenig besucht. Hier hatten sich vielfach tiefe Lachen trüben Regenwassers angesam melt, so daß die Wege oft gänzlich unpassirbar waren. Das Bankett am Mittag fand leider auch keinen allzu großen Zuspruch. Nur in der Schießhalle ging es leb haft zu, denn hier knatterten lustig die Büchsen und oft verkündete ein fröhlicher Jauchzer eines oberbayerischen Schützen einen guten Treffer. — Borna bei Leipzig, 10. Juli. Seine That eingestanden hat der an die Staatsanwaltschaft nach Leipzig überführte Mörder Dreßler. Nach seinen An gaben hat er sein Opfer am Feldrande mit den Händen erdrosselt und dann in das Getreidefeld geschleift. Der Verbrecher, von Beruf Fleischer, hat bei dem Pirnaer Artillerie-Regiment gedient, ist von da zur Arbeiter- abtheilung gekommen, worauf er ein bewegtes Leben geführt hat. — Eine tragische Hochzeitsreise. Bon einem traurigen Geschick ereilt wurde in Steier mark (Tirol) der Hauptmann Max Müller aus Dresden. M., welcher sich mit seiner 20 jährigen Gattin auf der Hochzeitsreise befand, war von St. Jodok am Brenner zur Geraer Hülte (2500 m) aufgestiegen, wo das junge Ehepaar das Mittagsmahl einnahm. Hier wurde Müller plötzlich von einem Unwohlsein befallen, das jedoch, nachdem er etwas Chinin zu sich genommen hatte, bald wieder vorüber- ging, so daß der Patient am Abend seiner Frau die Absicht zu erkennen gab, in der Frühe des kommen den Tages den Abstieg von der Hütte vorzunehmen. Als nun Frau Müller am anderen Morgen ihren Gatten wecken wollte, fand sie diesen ohne Bewußtsein im Bette liegend vor. Ein sofort aus Steinbach her- heigerufener Arzt stellte eine Gehirnhautentzündung fest und erklärte den Zustand des Hauptmanns für hoff nungslos und ein Hinabtransportiren nach Lage der Sache nicht für zulässig. Der Arzt hatte die schwere Aufgabe, die erst seit drei Wochen verheirathete junge Frau allmählich auf den Tod ihres Gatten vorzu- bereiten, dann ließ er von den vier mitgenommenen Führern zwei bei der bedauernswerthen Frau zurück. Das Wehklagen der letzteren über das tragische Ge schick ihres Lebensgefährten konnte man noch eine Viertelstunde weit von der Geraer Hütte hören. — Zwei Brüder, die Söhne des Mühlenbesitzers Dörfer in Vogtsberg, befinden sich auf dem Kriegs pfade. Der jüngere Bruder befindet sich als Matrose auf dem „Fürst Bismarck" aus dem Wege nach China und der ältere wird demnächst mit dem Dampfer „Kurfürst" Kiel verlassen. Ein dritter Bruder be findet sich zur Zeit gleichfalls in Kiel. — Annoberg. Die obererzgebirgische Posa- mentenindustiie hat seit Wochen bereits unter recht flauem Geschäftsgang zu leiden. Für kleinere Fa brikanten fehlen zum Theil die Aufträge ganz. Diese geschäftliche Stockung ist auch aus der Uebersicht des Konsulats zu Annaberg über die Waarenaussührung nach Amerika zu ersehen. Der deklarirte Werth der aus dem hiesigen Bezirk nach Amerika überhaupt aus geführten Waaren hat im Vergleich zu derselben Berichtszeit des Vorjahres eine Abnahme von rund 50 000 Doll, ergeben. — Kamenz, 7. Juli. Der Produkten- und Delikatessenhändler Albert Mezger hier ist seit einigen Tagen flüchtig unter Zurücklassung von Verbindlich keiten in Höhe von ca. 3000 Mk. — Eine Handelsfrau in WÜNschendorf bei Pirna und ihr Sohn formten gegen 9 Centner Marga rine sund verkauften sie dann als beste Centrifugenbuttcr. Die Frau wurde zu 1 Monat Gefängniß und 200 Mk Geldstrafe, ihr Sohn zu 10 Tagen Gefängniß oder 50 Mark Geldstrafe verurtheilt. — Dreiviertel Jahr umsonst gedient hat bei einem Pirnaer Regiment ein junger Mann, bei dem sich nachträglich herausgestellt, daß er geborener Oester reicher ist. Er ist jetzt aus jedem militärischen Ver hältnisse entlassen worden: wird aber seine volle Dienstpflicht im österreichischen Heere wohl zu erfüllen haben. Tagesgeschichte. Metrische» Keich. Die zwischen dem Deutschen Reiche und den Ver einigten Staaten bisher bestehenden handelspolitischen Schwierigkeiten sind behoben. Wie man uns aus Wa shington telegraphirt, haben der deutsche Botschafter von Holleben und der amerikanische Staatssekretär Hay ein Abkommen unterzeichnet, nach welchem auf die veutsche Einfuhr die bisher anderen Ländern gewährten Zoll erleichterungen Anwendung finden. Präsident McKinley wird demnächst eine Proclamation erlassen, welche die er mäßigten Zölle in Kraft setzt. Nach Cowes geht der Kaiser nicht! Die N. A. Ztg." schreibt: „Ein englisches Blatt meldet, daß der deutsche Kaiser den diesjährigen Regatten in Cowes beiwohnen werde, und giebt sogar ein Programm für den Auf enthalt Sr. Majestät in England an. Diese Nachricht ist falsch. Se Majestät der Kaiser wird den Regatten in Cowes nicht beiwohnen." Wie der „Hann. Cour." von unterrichteter Seite erfährt, sind die freiwilligen Meldungen zur See brigade besonders zahlreich bei der Eisenbahnbrigade, deren zweites Regiment bekanntlich eine württem- bergische und zwei sächsische Kompagnien hat. Es meldeten sich bei den einzelnen Kompagnien je 40 bis 50 Mann, wobei auch die Elsaß-Lothringer stark ver ¬ treten waren. Berücksichtigt kann von den Meldungen nur eine um so kleinere Zahl werden, je schärfer die Untersuchung auf Tropendiensttauglichkeit gehandhabt wird. Wer früher an Lunge, Herz oder Leber, an Magen-, Darm- und Hautkrankheit gelitten hat, wird nicht angenommen. Bon den Angenommenen müssen sich die im zweiten Dienstjahre Stehenden bereit er- klären, ein drittes Jahr unter der Fahne zu bleiben. Zur militärischen Ausbildung der Chinesen sind Deutsche in den letzten Jahren hervorragend thätig gewesen. Deutsche Offiziere haben die Chinesen im Gebrauch Kruppscher Geschütze unterrichtet. Die deutsche Ausfuhrstatistik zeigt, daß wir 1899 u. A. 2840 62 Schießpulver und 3085 62 „Gewehre für Kriegszwecke" nach China verkauft haben. In den beiden Jahren 1897 und 1898 wurden 1865 bezw. 2442 62 Schießpulver und 973 beM 1038 62 Ge wehre nach China ausgeführt. Es ist ja bekannt, daß ebenso die Schichau-Werft Aufträge für Torpedo boote wie der Vulkan bei Stettin Aufträge für Panzer schiffe für China ausführt. Vielleicht haben unsere Seeleute, als sie sich in die vor Taku eroberten chine- sichen Torpedoboote mit den anderen Nationen theilten, Boote deutschen Ursprungs wiedererkannt. Der erste Dolmetscher bei der Gesandtschaft in Peking, Freiherr v. d. Goltz, welcher China glücklich noch vor Ausbruch des Aufstandes verlassen hatte, um einen längeren Erholungsurlaub in der Heimath zu verbringen, ist in Berlin eingetroffen. Er hat für eine Reise den Ueberlandweg gewählt und zur Zurück egunz der ganzen 15 000 Kilometer langen Strecke von Wladiwostok aus 37 Tage gebraucht, von denen er 21 Tage auf dem Wasser, insbesondere auf dem Amur, hat zubringen müssen. Er ist feit Jahren in einer jetzigen Stellung in Peking thätig. Gesterretch-Hlnsar«. In Oesterreich wird fortgewurstelt. Neuerdings heißt es, das Sprachengesetz solle wieder umgearbeitet und nochmals den Parteiführern vorgelegt werden. Sollte dieses umgearbeitete Gesetz wieder nicht an genommen werden, werde die Auflösung des Par aments erfolgen. Wien, 10. Juli. Heute Vormittag fand im Schlosse Cumberland zu Gmunden die Civiltrauung des Prinzen Max von Baden und der Prinzessin Marie Luise von Cumberland statt. Zur Hochzeit in Gmunden bemerkt der „Reichsb." u. a.: Die deutsche Nation darf an sich dem Familien este, das im Schlosse des Herzogs von Cumberland gegenwärtig stattfindet, mit unbefangener Antheilnahme olgen, Daß das reichstreue Haus der Zähringer in engere Verbindung mit den hannoverschen Welfen tritt, ist eher ein Moment künftiger Beruhigung älterer Schmer zen. Soweit die Nation evangelisch ist, darf sie auch eine gewisse Freude an dem rein protestantischen Charakter der fürstlichen Ehe haben, nachdem Prinz Max von Baden einmal im Begriff stand, eine griechisch-orthodoxe Großfürstin heimzuführen und von klerikaler Seite in Wien früher Pläne bestanden haben, die Prinzessin von Cumberland zur römischen Conversion zu bestimmen und ihre Hand dann an den jetzt mit der Gräfin Chotek mor ganatisch getrauten Erzherzog Franz Ferdinand zu ver geben. Auch der deutsche Kaiser hat seine herzliche per sönliche Antheilnahme zu erkennen gegeben; er sandte als Hochzeitsgeschenk ein Service der Königlichen Berliner Porzellan-Manufaktur. Rußland- Der russische Kaiser wird die Weltausstellung in Paris nicht besuchen. Er hat den Kopf voll von den Dingen in Ostasien, ist wohl auch verstimmt über die fatalen Vorgänge bei der französischen Generalität, und will von den verdächtigen Huldigungen der Nationalisten nicht belästigt sein. Ein guter Empfang wäre ihm umsomehr bereitet worden, da der lang angekündigte Ukas über die Einschränkung der Ver schickungen nach Sibirien nunmehr erlassen worden ist. Künftig wird die Deportation nur als Strafe für die Begehung gewisser Verbrechen, wofür sie ge setzlich vorbestimmt ist, erfolgen. Belgien. Der Prozeß Sipido hat noch ein Nachspiel. Artikel 72 des Strafgesetzes bestimmt: „Der Angeklagte, der im Augenblick der That weniger als sechzehn Jahre alt ist, wird freigesprochen, wenn feststeht, daß er ohne Ueber- legung gehandelt hat. Er kann dann aber zur Verfügung der Regierung gestellt werden, jedoch nicht über sein 21. Lebensjahr hinaus. In diesem Falle wird er in eine Besserungsanstalt gebracht. Die Regierung kann ihn seinen Eltern zurückgcben, wenn er in der Folge ge nügende Bürgschaften guten Verhaltens giebt." Die Geschworenen und Vertheidiger wollten sich bei der Re gierung dafür verwenden, daß Sipido in seiner Familie verbleibt. Inzwischen giebt aber die englische Presse ihre Entrüstung über das schwurgerichtliche Erkenntniß in heftigen Ausdrücken kund und diese Haltung der englischen Presse machte die Familie Sipido stutzig: noch stutziger wurde sic, als seit Freitag das Sipidosche Haus und Sipido selbst von Polizisten im Bürgergewande scharf be obachtet wurde. Da alle der Familie riethen, ihren Sohn sofort aus Belgien fort zu schaffen, so wurde dieser Plan schon am Freitag Nachmittag unter Anwendung zahl reicher Kniffe trotz der Ueberwachung zur Ausführung gebracht. Sipido fuhr mit feinem Schwager nach Lille; abends traf der Vater Sipidos in Lille ein und brachte seinen Sohn gestern nach Paris zu einer ihm verwandten Familie, wo er sich weiter in der Klemp nerei ausbilden und bis zu seiner Mündigkeit bleiben soll. Damit ist seine Einsperrung verhindert. Da die Stellung zur Verfügung der Regierung keine Strafe, sondern nur eine Verwaltungsmaßregcl ist, so kann die belgische Regierung nicht die Auslieferung Sipidos beantragen. «achtrag. Dresden, 12. Juli. Der Dresdner Sängerbund „Liedertafel" und „Lehrergesangverein" erzielte gestern Abend in der Festhalle des Bundesschießens einen großen Erfolg. Mit dem Umschlag der Witterung ist der Besuch des Festplatzes ein sehr starker ge- worden. Nur wenige Schützen sind abge reist, aus den Nachbarstädten treffen täglich neue ein. Berge«, 11. Juli. Die kaiserliche Yacht „Hohen- zollern" ist mit dem deutschen Kaiser an Bord heute nach mittag hier eingetroffen. General Nieh seine Truppen von Tientsin zurück gezogen habe und auf Peking marschire, um dem Prinzen Tsching in seinem Bemühen, der Kaiserin- Wittwe beizustehen, zu helfen. Ein Telegramm der „Daily Expreß" aus Schanghai vom 11. Juli besagt, daß fast alle Häuser der Fremden in Tientsin verlassen sind. Lando«, 12. Juli. Dem „Reuterschen Bureau" wird aus Tientsin vom 4. Juli gemeldet: Der frühere Polizei-Direktor von Port Arthur ist in Tientsin ange kommen. Er theilt mit. daß die Chinesen Niutschwang geplündert und in Brand gesteckt haben. Die Chinesen zerstörenauch die mandschurische Eisenbahn und brandschatzen die unbeschützte Umgegend von Port Arthur. London, 12. Juli. Das „Reuter'sche Bureau" meldet aus Washington: Der hiesige chinesische Ge- andte richtete an den Staatssekretär Hay ein Tele gramm mit einer Mittheilung des chinesischen Staats- rathes vom 29. Juni. Darin wird die Verantwort- ichkeit für die Unruhen abgelehnt. Nach einer Be- prechung der zügellosen Ausdehnung der Boxer- lewegung sagt die Mittheilung, die Erlaubniß Chinas, laß fremde Truppen Peking betreten dürfen, beweise das Bestreben Chinas, die freundlichen Beziehungen zu den Mächten aufrecht zu erhalten. Die fremden Truppen hätten aber, statt sich auf den Schutz der remden Gesandtschaften zu beschränken, zeitweise die Straßen durchstreift. Beständig seien Anzeigen von Leuten eingegangen, die durch verirrte Kugeln getroffen wurden; die fremden Truppen hätten sogar in den Bereich des Palastes einzudringen versucht. Dies pro- vozirte die chinesischen Soldaten und das Volk. Ruch lose Lente hätten begonnen, die christlichen Konvertiten zu tödten und deren Eigenthum niederzubrennen. Die Regierung säumte nicht, Befehle zur Unter- drückung der aufständischen Elemente zu erlassen, machte sich aber schlüssig, die fremden Gesandten zu ersuchen, im Interesse ihrer eigenen Sicherheit zeit weise sich nach Tientsin zurückzuziehen. Dieses stand noch zur Berathung, als der Pöbel v. Ketteler er mordete, der am vorhergegangenen Tage die Zeit seines Besuches dem Tsungli-Yamen schriftlich an gekündigt hatte. Das Tsungli-Yamen stimmte der Ankündigung v. Kettelers nicht zu, da es befürchtete, er könne auf dem Wege belästigt werden. Hierauf wurden die gesetzlosen Elemente immer drohender. Der Gedanke, die Diplomaten in Peking unter chine^ßher Eskorte fortzuschaffen, wurde schließlich auf gegeben, aber die chinesischen Schutzmannschasten an gewiesen, bessere Vorsichtsmaßregeln zu treffen. In Taku hätten die Fremden zuerst gefeuert. China denke nicht an den Krieg mit den Großmächten. Der Staats- rath weist sodann die chinesischen Gesandten im Aus lande an, den betreffenden Regierungen diesen Bericht zuzustellen und ihnen zu versichern, daß dem chinesischen Militär der Schutz der Gesandtschaften bis zum Vermischtes. * Das Postgeheimnitz. Eine interessante Entscheidung fällte das Schöffengericht zu Oberhausen (Rheinland) in seiner letzten Sitzung. Der Kaufmann Schulz aus Duisburg hatte auf dem Bahnhofe aus Neugierde die Adressen der Packet« gelesen, welche auf einem Postkarren verladen waren. Als ihm ein Post beamter das Lesen der Adressen verbot, ließ er sich zu einer Aeußerung Hinreißen, die ihm später eine Anklage wegen Beleidigung einbrachte. Das Schöffen gericht, welches sich jetzt mit dieser eigenartigen Ange legenheit zu beschäftigen hatte, sprach den Angeklagten kostenlos frei, indem es ausführte, daß es niemandem verboten werden könne, die Adressen auf den Packeten zu lesen. Die Postverwaltung könne das Geheimniß dadurch wahren, daß sie die Packete in verschlossenen oder verdeckten Karren transportiren lasse. * Auf der Kanzel gestorben ist am Sonn tag der Pastor Achilles bei Gifhorn in der Lüne burger Heide. Der Inhalt seiner Predigt über Röm. 8, 8—23 (Sonntagsepistel) hat auf ihn selbst sofort eine wunderbare Anwendung gefunden. Kaum hatte er die Predigt beendigt und das Amen gesprochen, als er infolge Herzschlages todt zusammenbrach. * Aus de« Berge«. Aus Engelberg (Schweiz) 8. Juli wird geschrieben: Nachdem wir hier seit drei Wochen und länger fortgesetzt das schlechteste Wetter hatten, indem mit wenigen Ausnahmen Regen, Kälte, starke Gewitter und Nebel stet- mit einander abwechselten und bei Hellem Wetter d e Berge bis tief herunter frisch gefallenen Schnee zeigten, sitzen wir heute im tiefsten Winter. Nachdem es heute Nacht wie die ganze Zeit in Strömen goß, schneit es seit 4 Uhr Kapstadt, 12. Juli. Man glaubt zu wissen, nach dem Kriege werde Blumfontein ;das Hauptquartier des Oberbefehlshabers in Südafrika werden, sowie der Sitz des südafrikanischen Appellgerichtshofes und die zu- künftige Bundeshauptstadt. Dirschau, 12. Juli. In der vergangenen Nacht sind hier vier große Geschäftshäuser am Markt nieder gebrannt. Sämmtliche Waarenbestände sind vernichtet. Rtw-Uork, 12. Juli. Der Dampfer „Saale" ist flott gemacht worden. In demselben wurden noch 24 Leichen gefunden. Die Gesammtzahl der Todten des Schiffes betragt demnach 60. China. Berlin, 12. Juli. Eine Extraausgabe des „Mi- litärwochenbl." besagt, Generalmajor von Lessel, beauf- trag! mit der Führung der 28. Division, ist unter Be förderung zum Generalleutnant zum Commandeur des ostasiatischen Expeditionskorps ernannt. — General leutnant Freiherr von Gemmingen, Commandeur der 38. Division, ist mit dem 1. Oktober zum Präsidenten des neu zu errichtenden Reichs-Militärgerichts ernannt. Berlin, 12. Juli. Das Centralcomitee der deut schen Vereine zum rothen Kreuz veröffentlicht einen Auf ruf, wonach sein Anerbieten zur Unterstützung der amtlichen Sanitätspflege vom Reichsmarineamt angenommen wurde. Die erste Sendung von Materialien, die Stellung frei willigen Personals und Errichtung eines überseeischen Vereinslazareths sei in Vorbereitung. Beiträge nimmt die Hauptseehandlungskasse entgegen. Die Bildung wei terer Sammelstellen ist erwünscht. Berlin, 12. Juli. Die ernste Lage, die heute wieder durch einen hochofficiösen Artikel der Pol. Corr, aus Petersburg (s. unten) grell beleuchtet wird, zeitigt die wildesten Gerüchte. So heißt es heute an der Börse, es solle eine weitere Jnfanteriebngade in der Stärke von 10,000 Mann ausgerüstet werden, sodaß alsdann die deutsche Macht in China sich auf 35,000 Mann belaufen würde. Es heißt sogar, um den Transport zu beschleu- , nigen, sei in Petersburg angefragt worden, ob der Trans- , port nicht durch Rußland und Sibirien erfolgen könne. (? ?) London, 11. Juli. Ein Times-Telegramm aus Shanghai meldet: Der Eisenbahnpräsident Sheng theilte den Consuln mit, er habe eine Depesche erhalten, wonach , die Gesandtschaften am 5. Juli noch aushielten und die. Zahl der Boxer sehr zurückging. Aus Shanghai wird ' unterm 10. d. M. gemeldet: Von sehr hoher schinesisch-) . amtlicher Seite wird versichert, daß der Kaiser am Leben ist und sich wohl befindet. Er verfolge die gegenwärtige , Krisis unausgesetzt auf das lebhafteste. Auch die Kaiserin Wittwe sei bemüht, die Ordnung im Reiche wieder her zustellen. London, 12. Juli. „Daily Expreß" meldet aus Tientsin vom 6. Juli: Der chinesische General Ma habe nach sechsstündigem Kampf das östlich von Tientsin gelegene Arsenal wieder genommen und den Vertheidigern desselben schwere Verluste beigebracht. Der japanische Kommandant habe in aller Eile die Entsendung von Verstärkungen verlangt. „Daily Mail" berichtet aus Schanghai vom 11. Juli: Li-Hung-Tschang habe heute ein Telegramm erhalten, in welchem er angewiesen wird, sofort nach Peking zu kommen. Dem General Yuan-schi-kai seien Nachrichten aus Peking zugegangen, wonach zwischen den Führern der verschiedenen Parteien erbitterte Feindschaft herrsche. Ein Offizier des Generals Aunglu sei nach einem Attentat auf den Prinzen Tuan ent hauptet worden. Der Privatsekretär des Kaisers un Kanzler der Universität Peking, Sun-chia-nai, sei mit seiner ganzen Familie und seinen übrigen Leuten, insgesammt 60 Personen, von Boxers ermordet worden. Chinesische Beamte wollen wissen, daß Aeußersten zur Pflicht gemacht sei und daß mit den Aufrührern so streng verfahren werde, als die Um stände eS gestatten. Loudvu, 12. Juli. Dem „Daily Telegraph" wird aus Canton vom 10. d. M. gemeldet: Am Morgen des 10. d. M. habe ein Zusammenstoß zwischen deutschen Truppen und Boxers bei Kiautschou stattgefunden, bei welchem zahlreiche Boxers getödtet worden seien. Petersburg, 12. Juli. Die amtlichen Blätter veröffentlichen folgendes Telegramm aus Nikolskojew im Ussurigebiet vom 5. d. M.: Es verlautet gerücht weise, daß in Mukden der französische Bischof ermordet, die Mifsionsgebäude verbrannt und ein hoher chinesi scher Beamter vergiftet worden ist. Ueber das Er scheinen von Boxerbanden in Tie-ling und von Agitatoren in Arabien sind viele übertriebene Gerüchte in Umlauf. Ein höherer chinesischer Beamter in Tie-ling übersandte dem Chef de« EisenbahndistrictS eine Bekanntmachung, in welcher er der Bevölkerung mittheilt, daß die Boxer und ihre Anhänger die Todesstrafe verwirkt hätten. Thatsächlich werden aber, wie es heißt, keine Maßregeln gegen dieselben er griffen. Aufrührerbanden zwangen die Engländer, welche in den russischen, auf chinesischem Gebiet liegenden Kohlengebieten arbeiteten, dieselben zu ver lassen. In Kirin herrscht allgemein Bestürzung. Man befürchtet dort einen Aufstand. Der Eisenbahn telegraph im Süden, welcher beschädigt war, arbeitet jetzt ohne Störung. London, 12. Juli. Eine Depesche des „Daily Expreß" aus Shanghai enthält Auszüge eines in Shanghai eingegangenen Telegramms, welches mit der Erklärung des chinesischen Staatsrathes, die, wie gemeldet, der chinesische Gesandte in Washington dem Staatssekretär Hay zugestellt hcft, indentisch zu sein scheint, aber noch folgende bemerkenswerthe Stelle ent hält: Wir thun alles Mögliche, um die Gesandtschaften zu retten, welche noch bestehen, aber wenn wir es für unmöglich halten, diesen Schutz weiter fortzusetzen, so möge man den Mächten begreiflich machen, daß uns deshalb kein Vorwurf gemacht werden könne, denn der Zorn unserer Bevölkerung nimmt jeden Tag in dem Maße zu, als es noch mehr fremdländische Soldaten an kommen sieht, die unser Land verwüsten und unsere Völker tödten. Der Daily Expreß fügt hinzu, das Dekret sei unterzeichnet: Tuan, Kaiser. Lo«do«, 12. Juli. Nach einem Telegramm der „Times" aus Schanghai von gestern besagt eine De pesche des russischen Gouverneurs in Port Arthur, daß 40,000 Mandschusoldaten nur 12 Meilen von Niutschwang entfernt stünden. Am 7. Juli sei eine kleine russische Abtheilung künf M eilen vom russischen Pachtgebiet auf diese Mandschus ge stoßen; es habe sich ein Kampf ent spannen. Die Depesche besagt aber nichts über den Ausgang desselben. Die in Niutschwang ansässigen Fremden seien durch Matrosen eines russischen Kanonen bootes an Bord von Dampfschiffen gebracht worden. Die Mandschus sollen in der Richtung auf Je-Holm marschiren. Wie«, 11. Juli. Aus Petersburg erhält die Pol. Corr." von einem gut unterrichteten russischen Gewährsmann eine Zuschrift, welche die russische Po- litik in China in folgenden Sätzen zusammenfaßt: Rußland will ein chinesisches China, ein japanisches oder englisches China könnte es nicht dulden. Es - würde einen Streit der Daseinsinteressen Rußlands bedeuten, wenn es einer anderen Macht die Möglich keit böte, zur Stellung einer Vormacht in China, im moralischen wie materiellen Sinne, zu gelangen. Das Ziel der Mächte in China müsse auch weiterhin ein konservatives, nämlich die Wiederherstellung normaler Zustände und die ungeschmälerte Erhaltung des Reiches bleiben. Auch die Ansprüche, welche die Mächte an zumelden haben, dürfen mit diesem Prinzip nicht im Widerspruch stehen. Der militärische Einzug einer Reihe von Mächten in das Reich der Mitte bildet eine interimistische Durchbrechung des auf die Er haltung der Integrität dieses Reiches gerichteten Prin zips und die Fürsorge, daß dieses Interim keine Wand ung erfahre, müsse begreiflicher Weise in der jetzigen Phase dieser Frage alle Enschlüsse der Regierung be herrschen. Nur auf dieser Grundlage kann die Bürg- chaft dafür gewonnen werden, daß sich nicht aus der Abrechnung mit China eine solche zwischen den anderen Mächte entwickelt. Nokohama, 11. Juli. („Reuters Bureaus".) Das Kabinett hält täglich Sitzungen ab. Wie ver lautet, steht die Frage der Entsendung noch einer Di vision nach China zur Berathung, doch wurde noch kein Beschluß gefaßt.
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