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2106 Nichtamtlicher Theil. ^ 106, §. Mar Nichtamtlicher Theil. Ein Vorbcricht über die Ostermcßausstellung. Seitdem ein Deutscher, der verstorbene Prinz-Gemahl von Eng land, Albert von Sachsen-Coburg, zuerst die Idee einer rationell organisirten Weltausstellung gefaßt und, sie trotz aller Hinder nisse in glänzendster Weise durchführend, damit eins der schönsten Blätter in den Lorbeerkranz seines Ruhms gefügt hat, ist es ein feststehender Satz bei allen Völkern der Erde, daß Ausstellungen nicht mehr zu entbehren sind, daß sie eins der mächtigsten Mittel zur Hebung von Kultur und Wohlstand nach allen Seiten hin sind. Und wenn es gewiß richtig ist, daß man auch hierin des Guten zu viel thun kann, wenn nicht nur einzelne, sondern ganze Regierungen, wie in erster Linie die des Deutsche» Reichs, sich den Weltausstellungen gegenüber ablehnend verhalten, weil sie der Meinung sind, Laß diese — zumal wenn sie zu schnell auf einander folgen — durch die überwältigende Massenhaftigkeit und die dadurch verursachte Zersplitterung der Kräfte nach der einen Seite hin ebensoviel schaden, als nach anderer nützen, so wird doch sicher nur in seltenen Fällen Jemand den Nutzen von Fach ausstellungen bestreiten, die sich einen kleinen Kreis auswählen, ihn so gewisser zu erschüttern, die eine scharf und bestimmt um grenzte Specialität in möglichster Vollständigkeit vorführen, in ihrer freiwilligen Beschränkung aber den Meister zu zeigen sich bemühen. Bei unserer bisherigen Ostermeßausstellung war diese Be schränkung nun freilich eine gar zu große, und sie mußte es sein und war insofern auch nicht ganz freiwillig, als es ihr am ersten Erforderniß zur Ausdehnung und größerer Vollständigkeit, dem Raume gebrach. In dem winzigen Sälchen, das allen Besuchern der Ausstellung seit langen Jahren bekannt ist, eine einigermaßen erschöpfende Mustersammlung dessen zur Anschauung bringen zu wollen, was die gewaltige Industrie der deutschen Buchgewerbe auch nur innerhalb eines einzigen Jahres an hervorragenden Neuigkeiten ,,an das Licht gestellet" hatte, war eigentlich ein Unterfangen von solchem Wagcmuth, daß es für seine Kühnheit schon den Kranz verdiente. Aber wenn man auch den liebt, der Unmögliches begehrt, so kann in vielen Dingen das Wollen nicht über den Mangel des Vollbringens trösten, und die Unzulänglich keit des bisher innerhalb des nun einmal vorhandenen Raumes Möglichen wurde von Jahr zu Jahr auffälliger, so daß es immer klarer wurde, daß eine durchgreifende Neugestaltung unserer Aus stellung eintreten mußte, wenn sie überhaupt noch einen Werth be halten sollte. Als das Resultat dieser Erwägungen tritt die diesjährige Ausstellung den Besuchern entgegen. Sie sucht ein möglichst voll ständiges Bild von dem gegenwärtigen Stande der graphischen Künste und Gewerbe Deutschlands zu geben; sie hat auch das Ausland zur Betheiligung eingeladen und darf sich freuen, daß diese Einladung nicht erfolglos geblieben ist; sie gewährt in der weiter unten erwähnten Klemm'schen Sammlung auch dem Geschichtsfreund ein Object von hohem Interesse, sie bietet end lich als bleibende Erinnerung für spätere Zeiten einen Katalog, der zugleich Proben solcher Leistungen bieten soll, welche sich aus andere Weise nicht zur Darstellung bringen lassen, eine Veran schaulichung der Leistungsfähigkeit aller der Techniken, welche zur Blüthe unserer Industrie unentbehrlich sind. Ob und wie weit dies alles gelungen ist, muß der Beurtheilung der Besucher über lassen bleiben. Diese vorläufige und nur zur allgemeinen Orien tierung dienende Besprechung hat lediglich den Zweck, daraus hinzu weisen, in welcher Weise das Erstrebte ausgeführt worden ist, und die Aufmerksamkeit der Fachgenossen auf das Unternehmen zu lenken, welches aus ihre Beachtung und sorgfältige Prüfung rechnen darf, sic nicht zu scheuen braucht und sie ruhig erwartet. Unser altes Schützenhaus, das uns so lange Jahre hin durch schon jedes Jahr seine Räume gastlich öffnete, hat durch seine Vergrößerung zum „Krystallpalast" auch den genügenden Platz erhalten, um neben seinen vielfach Meß-Schaustellungen auch unsere Ausstellung in sich aufzunehmen. Der sogenannte „Wintergarten", der große mit Glas überwölbte Saal rechts vom Garten bietet im Verein mit dem Treppenhause und einem Theil des kleinen Parterresaals einen Raum, der mindestens achtmal so groß ist, als der bisher in der Börse zur Verfügung stehende, und doch wird es großer Sparsamkeit und Findigkeit von Seiten der die Aufstellung besorgenden Herren bedürfen, um alles Vorhandene unterzubringen; so groß ist die Fülle der vor handenen Gegenstände. Auf drei langen Tafeln werden sich die vorhandenen Bücher, Kupserwerke re. präsentiren, wogegen für Landkarten, Kunstblätter, Rahmen mit Holzschnitten, Druck proben u. dergl. in reichlicher Fülle Wandraum dadurch ge schaffen ist, daß man auf der einen Seite noch eine Reihe von Cabinetten oder „Kojen" geschaffen hat, in denen sich die Aus stellungsobjecte einzelner Firmen gruppenweise zusammenfinden. Durch diese Einrichtung, wie sie mit Glück ja schon auf den verschiedenen Kunstgewerbeausstellungen zur Anwendung gekom men ist, hat man auch erreicht, daß der Beschauer nicht auf einmal die ganze Fülle des Gebotenen zu Gesicht bekommt und, dadurch überrascht, zerstreut und vor der Zeit ermüdet wird, sondern für das Auge eine Reihe von Ruhepnnkten, von in sich abgeschlossenen kleineren Sammlungen findet, bei denen er mit Muße verweilen kann. Der große prächtige Saal ist beim Er scheinen dieser Zeilen allerdings noch in dem bekannten Zustande, in dem sich jede Ausstellung in der Woche vor ihrer Eröffnung befindet, und der es jedem nicht Eingeweihten räthselhaft er scheinen läßt, wie jemals Ordnung in dieses scheinbar unent wirrbare Chaos kommen soll; wenn die unablässig schaffenden und ordnenden Hände aber ihre Aufgabe beendet haben werden, dann wird jedem Besucher in dem geschmackvoll decorirten wei ten Raume ein harmonisch wirkendes Bild entgegentreten, das ihn sicherlich befriedigen wird. Der Katalog ist, wie schon weiter oben angedcutet, aus dem Bestreben hervorgegangen, nicht nur eine Uebersicht dessen zu bieten, was wirklich ausgestellt ist, sondern zugleich in den von den einzelnen Ausstellern selbst gelieferten Beilagen theils ein Bild ihrer Verlagsrichtung uudvornehmlichenVerlagsthätigkeit, theilsProben zu liefern von solchen Werken, welche aus irgend einem Grunde nicht selbst ausgestellt werden konnten; ferner durch diese Bei lagen ein Bild zu geben, was unsere Papierfabriken, Drucke reien, Buchbindereien, Lieferanten von Druckfarbe, unsere Holz schneider und galvanoplastischen Anstalten, die Ateliers für Photographie, Photogravüre, Lichtdruck, Zinkätzung ic. zu leisten vermögen. Gewiß wird der stattliche Band in Großquart weit gehenden Ansprüchen genügen und jeden Fachgenossen mit Freude darüber erfüllen, daß unsere deutsche Industrie in den genann ten Fächern, wie aus ihm unwiderleglich hervorgeht, auf ihrer jetzigen Höhe den Vergleich mit keiner anderen zu scheuen hat, ihren ausländischen Schwestern ebenbürtig zur Seite steht und sie vielfach übertrifft.