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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 05.07.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190007058
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19000705
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19000705
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-07
- Tag 1900-07-05
-
Monat
1900-07
-
Jahr
1900
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 05.07.1900
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Geschichte der Luftschifffahrt noch manche gelungene Parts, 2. Juli. Der offiziöse Tempo erklärt, Angesichts der tragischen Nachrichten aus Peking sei kein Zaudern mehr gestattet. Die civilisirte Welt sei es sich selbst schuldig, einen entscheidenden Streich zu führen, um das verbrecherische Attentat zu bestrafen. Es fei keine Zeit mehr zu Verhandlungen, jetzt müsse das Pulver sprechen. Das Journal des Debats sagt, die einzige Aussicht, weitere tragische Vorkommisse zu verhindern, liege in einem vollständigen Einvernehmen der Mächte. Petersburg, 3. Juli. Der hiesige General» stab erhielt folgende Nachrichten: Nach der Einnahme von Taku zerstreuten sich die chinesischen Truppen nach verschiedenen Seiten. Ein Theil im Norden ver einigte sich mit einer Räuberbande und zog in das Gebiet zwischen Port Arthur und Mukden, wo die Eisenbahn stellenweise zerstört wurde. Es gelang den Russen, rechtzeitig energisch einzuschreiten und die Bahnlinie wieder herzustellen. Rußland hat weitere Maßregeln zur Sicherung feiner Würde, sowie zur Verpflegung und Unterstützung der russischen Truppen n Tientsin ergriffen. — Zur Ermordung des Frei herrn von Ketteler schreibt der Herold: Die Völker müßten von dem Bewußtsein durchdrungen sein, daß die europäische Kultur ein enges Band um sie schlinge und daß diese Kultur zum Siege geführt werden müsse. — Nowosti sagt, jetzt sei nicht die Zeit, zu untersuchen, wer Recht habe, Europa oder China, das Leben von Tausenden sei auf eine Karle gestellt. Alle Betheuerungen der chinesischen Regierung, die Ver heimlichung der grausigen Nachricht von der Er mordung Kettelers hätten nur den Zweck gehabt, Zeit zu gewinnen, um den vereinten Mächten entgegen treten zu können. Dieser versteckte, hinterlistige Krieg müßte mit einem offenen Kriege beantwortet werden. Graf Zeppelins Luftfahrt. Nun ist der langerwartete, vielbezweifelte Auf stieg des Grafen Zeppelin Ereigniß geworden. Wie wir schon in einem Telegramm berichteten, war der Aufflug glücklich von Statten gegangen. Das Ge lingen dieses Aufstieges dürfte in der ganzen techni schen und wissenschaftlichen Welt eine tiefe Wirkung hervorbringen. Wohl ist es nicht das erste Mal, daß der Luftballon bis zu einem gewissen Grade lenkbar gemacht wurde. Die beiden französischen Luftschiffer Renard und Krebs haben vor mehreren Jahren mit ihrem Luftballon insofern recht gute Resultate erzielt, als sie bei Windstille in der That jede beliebige Be wegung auszuführen vermochten. Auch sonst hat die M Hwck in Lacks ja Nm-W pielten sich Scenen ab, wie man sie sich nicht fürchter- icher denken kann. Leider sind die Todten und Ver wundetenfastausnahmslos Deutsche,insbesoderedasganze Ajaschinenpersonal, die Heizer und Kohlenzieher. Nach Berichten von Augenzeugen über die Entstehung des Brandes ist folgendes festgestellt: Gegen 4 Uhr Nach mittags sah man ein unscheinbares Flämmchen am Pier III vom Bremer Dock in Hoboken. Plötzlich sprangen hohe Flammengarben aus dem ganzen Dock gebäude. Fünf Minuten später waren alle Dockbauten in Flammen und undurchdringlichen Rauch gehüllt. Wiederholte Detonationen explodirender Whiskyfässer tönten aus den Rauchwolken. Ganz in Flammen gehüllt, treibt die „Saale" langsam den Hudson hinab, kurz darauf „Bremen". Von beiden Schiffen springen Menschen ins Wasser. Das Feuer greift auf das Cempbel - Lagerhaus, ein vierstöckiges Ziegelgebäude, über, der Bau stürzt mit donnerähnlichem Krach zu sammen. Es gelingt der Feuerwehr die Lokalisirunc oes Brandes, im Augenblicke, wo die ganze Stad; Hoboken bei einer Winddrehung in höchster Ge fahr ist. Die Geretteten der „Saale" erzählen: Auf den spreche Ew. Majestät meinen tiefsten Abscheu aus ob der ruchlosen That in Peking und den innigsten Dank für die Worte über die Missionen in der gestrigen Rede." Inzwischen werden die gestern angeordneten Kriegs- rüstungen der Marine in beschleunigtem Tempo durchge- führt. Das Kanonenboot „Luchs" wird bereits am 7 i Juli in See gehen. Auch steht die Seefähigkeit des ' Kreuzers „Nymphe" für die allernächste Zeit zu erwarten. ' Die erste Division des ersten Geschwaders wird sofort die ! kriegsmäßige Ausrüstung beschleunigt ausführen, sodaß ihr . Abgang nach China in wenigen Tagen erfolgen kann. Sie ' geht unter dem Befehl des Admirals Hoffmann direct ' nach Wilhelmshaven, wo sich die Schiffsausrüstungskam mern für sie befinden. Vom Chef des Kreuzergeschwaders ist aus Taku fol« gende, vom 1. d. M. datirte telegraphische Meldung ein gelaufen: „Ich schicke auf dem Dampfer „Köln" die verwundeten Officiere Lans, Schlieper und Krohn, deren Befinden sehr gut ist, sowie den Obermatrosen Zimmer mann und den Matrosen Janssen von der „Gefion" mor- gen nach Aokohama. Alle anderen Verwundeten sind noch in Tientsin und befinden sich, soweit bekannt, im allgemeinen gut. Die Lage ist unverändert." Der künftige Höchstcommandirende in China, der Zweitälteste Viceadmiral und heimische Geschwaderchef Hoff mann, ist ein genauer Kenner der chinesischen Verhältnisse. Er wurde nach Beendigung des japanisch-chinesischen Krieges Chef der Kreuzerdivision in China und führte er- folgreich die Bestrafung der Urheber der Metzeleien bei Swatow in Südchina durch und leitete die neueste Colo nialpolitik Deutschlands in Ostasien ein. Nach Absendung der ersten Division des 1. Geschwa ders nach China werden wir in Ostasien 4 Linienschiffe, den gepanzerten Kreuzer „Fürst Bismarck", 3 große Kreu zer („Hertha", „Hansa", „Kaiserin Augusta"), 3 kleine Kreuzer („Irene", „Gefion", „Hela"), 4 Kanonenboote („Jaguar", „Iltis", „Tiger", „Luchs"), also 15 Kriegs schiffe haben. „Kurfürst Friedrich Wilhelm", „Branden burg", „Weißenburg" und „Worth" haben einen Besatz ungsetat von je 567 Mann, der kleine Kreuzer „Hela" einen solchen von 178 Mann. Die nach China hinaus- zuscnbenden Linienschiffe repräsentiren einen der vollendetsten Typen; sie sind hinsichtlich der artilleristischen Leistungen durch die neuesten Linienschiffe „Kaiser Wilhelm II-" rc. schon etwas überholt, dürften aber jedem Panzer, welcher in den ostasiatischen Gewässern eine fremde Flagge zeigt, ebenbürtig sein. In der Regierung nahestehenden Kreisen wird Werth daraus gelegt, zu betonen, daß die Politik der Reichs- regierung durch die jüngsten Ereignisse in ihrer Gesammt- richtung keinerlei Aenderung erfahren habe. Wie die Worte des Kaisers zur Genüge bewiesen, sei Deutschland fest entschlossen, im Verein mit den anderen Mächten für das Leben und Eigcnthum der in China bedrohten Euro- Einem Bericht über die Abfahrt der deutschen Truppen aus Wilhelmshaven entnehmen wir noch das Folgende: „Wittekind" und „Frankfurt" sind mit den nach China bestimmten Mannschaften an Bord heute früh zwischen 3 und 4^/, Uhr mit der Fluth in See gegangen. ES war noch stockfinster und nur wenig Publikum zur Stelle, als die ersten schrillen Pfeifen signale erschallten und die Stimme des diensthabenden Maaten immer und immer wieder alle mahnte, an Bord zu gehen. Schnell huschten die letzten Nach zügler das Fallreep hinauf, oben erschienen, von Offi- cieren des Expeditionscorps geleitet, einige Damen, sowie eine Anzahl von Officieren der in Wilhelms haven stationitten Abtheilungen der Kaiserlichen Marine, welche im Salon der Steamer den Scheidenden bis dahin Gesellschaft geleistet hatten. Halb scherzhaft, halb ernst haft wurde Abschied genommen. Unterdessen war es hell geworden, und man hatte Gelegenheit, das allmählich zahlreicher am Quai sich ansammelnde Publikum zu mustern. Im allgemeinen überwog die frohe, zuversichtliche Stimm ung, fast alle verstanden ihre Rührung zu verbergen. Nur vereinzelt sah man eine Mutter, der es schwer fiel, ihre Bewegung zu bemeistern, oder ein weinendes junges Mäd« chen. Die Mannschaften hatten theils am Bordrand, mit der Front nach der Kaiserlichen Jacht „Hohenzollern" zu, Auffüllung genommen, theils waren sie aufgeentert und hielten auf Strickleitern die Masten bis hinauf zum Bug und selbst die Takelage in abenteuerlichen Stellungen be setzt, die Brücken waren eingezogen, alles klar, ein Pfiff des Schleppers, und „Wittekind" setzte sich schwerfällig m Bewegung. An Bord der „Hohenzollern" erschien das Kaiserpaar, das dem weiteren Verlauf der Abfahrt, ost grüßend und winkend, beiwohnte. Gleichzeitig setzte das Matrosenorchester des Kaiserschiffs mit dem Hohenfried berger Marsch ein. Brausende Hochs auf den obersten Kriegsherm erschallten von Bord, dann der Gesang des Flaggenliedes, von „Heil Dir im Siegerkranz" und des bekannten Soldatenliedes „Muß i denn, muß i denn zum Städtle hinaus". Und dann glitt unter Begleitung der Bataillonskapelle, unter dem Jubel und Tücherwehen zahl reicher Menschenmassen, die dort Aufstellung genommen hatten, das Schiff durch die Schleusen hindurch. Jubel begleitete es auf seiner Fahrt durch die Rhede, grüßende Zurufe klangen von Bord wieder. Dann kehrte der Schlepper zurück, die Maschine des Steamers setzte mäch tig ein, „Wittekind" hatte seine Fahrt angetreten. Die selben Scenen wiederholten sich bei dem nun folgenden Auslaufen des Coloffes „Frankfurt", an dessen Bord ein siebentes Feldgeschütz als Uebungsgeschütz für die an Bord befindliche Artilleriemannschaft aufgestellt worden ist. Eine Schnellfeuerbatterie wird nach Mittheilung des Kaisers an das Ofsiciercorps mit dem nächsten Postdampfer nachge schickt. Um 4*/, Uhr hatte auch die „Frankfurt" den Hafen verlassen. Der in China amtirende Bischof Anzer, der z. Zt. in Deutschland weilt, telegraphirte an den Kaiser: „Ich liche Verhalten der Schlepper und Bootführer, die in der Sucht, bei der Bergung von Waaren Geld einzu- ... ....... . . „ heimsen, die im Wasser um ihr Leben ringenden Versuche aufzuweisen. Alle Constructionen aber und Menschen ihrem Schicksal überließen, beschäftigt bereits aller anfgewendete Scharfsinn scheiterten, wenn es galt, über Paotingsu den Weg nach Tientsin eingeschlagen. Taotai Scheng betheuert die Richtigkeit und das Con» sularcorpS nehme an, daß seine Angabe wahr sei. Auch das ConsularcorpS in Shanghai nimmt an, daß diese Angaben SchengS auf Wahrheit beruhen. Nach einer Nachricht des „Daily Expreß" aus Shanghai geht der Verkehr mit Peking durch Kuriere nach Paotingsu und von dort telegraphisch nach Westen. — Auch das Schick« sal der Schutzwachen der Gesandtschaften ist ungewiß. Am Sonntag, 3. Juni, ist eine aus einem Offizier und SO Mann bestehende deutsche Schutzwache für die Ge sandtschaft, welche die „Kaiserin Augusta" am 28. Mai in Taku gelandet hatte, in Peking eingetroffen. Am gleichen Tage traf in Peking eine österreichische Wach- Mannschaft ein. Auch die übrigen Mächte hatten Schutz wachen entsandt. Die Lage dieser Schutzwachen wird nur erwähnt in dem Telegramm des deutschen Consuls in Tientsin, wonach die Schutzwachen an Munition Mangel leiden. Einer Schilderung des CapitänS des Feuerlösch bootes „Robert", das 30 Mann der „Saale" rettete, lautete: Wir fahren an das Schiff heran, das nur mehr eine einzige Feuermasie ist. Mittels Spritzen haben wir uns den Weg auf das Schiff gebahnt, wo eine große Schaar Passagiere im Schiffsraum einge keilt ist. Hunderte von Menschenarmen, von denen Fleisch und Haut abgerissen ist, strecken sich aus runden, nur einen Fuß Durchmesser großen Seitenfenstern heraus und schreien in allen Sprachen um Hilfe. Nur dreißig sind erreichbar. Ganz von Kohle und Rauch geschwärzt, schlagen sie nach ihrer Rettung noch immer wüthend aufeinander los. Eine Frau steckt den Kopf durchs Fenster, schöpft eine Hand voll Wasser, um das Gesicht zu kühlen, ergreift einen ge- reichten Becher und trinkt. Im nächsten Augenblick steigt eine Flammengarbe auf, die Frau sinkt verloren zurück. Infolge fortgesetzter Explosionen muß das Rettungsboot abziehen. Ein katholischer Geistlicher erzählt: Gegen neun Uhr ertheilte er dreißig der an die Battery Gebrachten die letzte Oelung, dann fuhr er mit dem Schleppboot an die Todesstätte der „Saale", die beim Anlegen schon in langsamem Sinken begriffen ist. Viele stecken durch die Fenster den Kopf heraus, sie wußten, daß keine Hilfe mehr möglich sei, sie schließen die Augen und senken den Kopf zum Gebet. Während hinten die Flammen daherkommen, steigt vorn das Wasser den Betenden schon über die Köpfe. — Die Rettung des „Kaiser Wilhelm" ist als Wunder zu bezeichnen. — Von großer Wichtigkeit ist auch folgende Erklär ung: Auch die anderen Schiffe hätten zweifellos ge rettet werden können, wenn man auf den Schlepp dampfern correct und der Größe der Gefahr entsprechend vorgegangen wäre. Anstatt Hand anzulegen, feilschten diese Leute um das Bergegeld, und einer der Schlepper warf direct das Tau, das ihm von der „Bremen" aufs Verdeck geworfen wurde, wieder herunter. Als man schließlich doch Hand anlegte, war es zu spät, und Hunderte von Menschenleben fallen dieser Habgier zum Opfer. Der vierte Officier der „Phönicia", Hans Kuwe- spiel, fuhr auf dem Rettungsboot das Steuerbord der brennenden „Saale" entlang. Er sah einen Frauenkopf in einer der Lichtöffnungen. Kuwespiel wollte mit der Hand die Lichtöffnung erweitern. Die Frau rief ihm zu: „Schlagen Sie mir aus Erbarmen den Kopf ab, mein Körper brennt." Dann verschwand der Frauenkopf. Flammen schlugen aus der Licht öffnung. Newyorik, 3. Juli. Immer neue Berichte über unmenschliche Greuelthaten der Mannschaft des Schleppbootes werden bekannt. Zwei gerettete Offi ziere der „Saale" erklären, daß von dem Boot „Bourgogne" nicht nur jede Hilfeleistung verweigert wurde, sondern die sich Anklammernden mit dem Bootshaken sogar in die Tiefe gestoßen wurden. Auf im Wasser treibende Kinder aufmerksam gemacht, sagte der Capitän: „Wir haben keine Zeit diese Din» zer herauszufischen." Ein Offizier, der, am Versin ken, um Hilfe rief, erhielt die Antwort: „Fahre zur Hölle." Wer erklärte, kein Geld zu haben, wurde unbarmherzig von Deck geworfen. Wenigstens 100 Menschen sind auf solche Weise umgekommen. Aehn- liche Aussagen von vertrauenswürdigster Seite liegen vielfach vor. Die Anzahl der bei der New-Aorker Katastrophe ums Leben Gekommenen wird noch immer sehr ver schieden, von mehreren Quellen aber übereinstimmend auf etwa 300 angegeben. Davon sollen 156 Ange stellte des Norddeutschen Lloyd, der Rest Arbeiter, Be sucher und Reisende gewesen sein. Die Abschätzungen des materiellen Schadens schwanken noch zwischen einer Million Dollars — dies ist die Taxe des General agenten des Love — und sieben Millionen Dollars. Admiral Meltville von der amerikanischen Marine, der den Schauplatz der Katastrophe gestern besuchte, sprach sich sehr abfällig über die Kleinheit der Luken der verunglückten Schiffe aus und schrieb ihr den großen Verlust an Menschenleben in erster Linie zu. Selbst von der Mannschaft des nur wenig beschädigten „Kaiser Wilhelm" kamen drei Mann um. Bis gestern Abend waren 49 Leichen aus dem Wasser gezogen worden. Die Schlepper, welche den „Kaiser Wilhelm" in Sicherheit brachten, verlangen 50000, nach einer An gabe sogar 200000 Dollars Bergegeld. Das Feuer auf dem „Main" war bis gestern Nachmittag noch nicht gelöscht, es hatte die Kohlen räume des Schiffes erfaßt und wird, wenn überhaupt, erst in einigen Tagen zu bewältigen sein. Der „Main" ist so gut wie völlig verloren, dasselbe gilt von der „Saale". Die Berichte sind voll Lobes für den Heldenmuth, mit dem Kapitän Mirow von der „Saale" auf seinem Posten bis zum Tode ausharrte. Das Feuer auf der Saale ist jetzt völlig gelöscht, mehrere Leichen sind herausgeholt worden, das Schiff sieht aus, wie von Granaten zerschossen. Das umnensch- >äer einzutreten. Jedes Sonderinteresse Deutschlands sei ausgeschlossen, und es sei mit Genugthuung zu eonstatiren, daß auch die anderen Mächte die gleiche Haltung beob achten. Daß Deutschland für die feige Ermordung seines Gesandten vollste Genugthuung verlangen und auch er reichen werde» dafür bürge die Entschlossenheit, mit der diese Angelegenheit behandelt werden würde. Rettung der Europäer, Wiederherstellung der Ordnung in China, strengste Bestrafung der Schuldigen und ausreichende Sühne für den Europa angethanen Schimpf ist und bleibt daS gemeinschaftliche Ziel aller Mächte. Da Deutschland unter den in China interessirten die New-Aorker Justzbehörde, die gegen eine Anzahl dieser Flußpiraten einschreiten wird. Es wird erzählt, der Chef-Ingenieur des „Kaiser Friedrich" bemerkte auf der brennend vorbeifahrenden „Saale" Menschen. Er läßt ein Rettungsboot ab, sehr befremdet, daß von fünf Schleppdampfern um daS Schiff kein Rettungsversuch gemacht wird. Erst auf die Drohungen werden Schläuche zur Ver fügung gestellt, man richtet den Wasserstrahl in den Maschinenraum, dringt in den Heizraum, durch offene Thüre in den Nothschacht und klettert trotz höchster Lebensgefahr hinunter. Durch laute Rufe angelockt, kommen aus den untersten Räumen Gefährdete her aus, von denen 37 gerettet wurden, da daS Schiff rasch sank. Der dritte Officier Krufe der „Phönicia" sprang auf einen Schleppdampfer und rief dem Capitän zu, nur schnell zu fahren, da Menschenleben in höchster Gefahr sind. „Haben sie auch Geld? Nein? Dann wird auch nicht gefahren." Kruse mußte daS Boot verlassen. Der Tod des Capitän Mirow von der „Saale" wurde von seinem Steward, der sich durch einen Sprung ins Wasser rettete, beobachtet. Er weigerte sich daS Schiff zu verlassen, und es wurde von der „Phönicia" aus gesehen, wie Mirow ohne Rock und Hemd bereits halb verbrannt aufrecht da stand, bis er sich in eine Luke stürzte und vom Feuer erfaßt wurde. Ueber Kapitän Mirows Tod wird berichtet: Er stand auf der Commandobrücke bis die Flammen seine Uniform erfaßten, und er den sicheren Tod vor Augen, zur Abkürzung des schrecklichen Endes mit einem Satze in die Gluth hineinsprang. Er zuckte noch für einige Augenblicke und lag dann still, während Rauch und Flammen über ihn zusammenschlugen. Ein Berliner Blatt bemerkt hierzu: Es giebt Heldenthaten, die in uns jedes Wort des Lobes und auch jeden Ausdruck der Bewunderung verstummen machen, weil sie weit über das menschliche Maaß hinausgehen. Wir loben den muthigen Mann, der in voller Geistesgegenwart im Momente der Noth handelt und eine kühne RettungSthat vollbringt. Wir be wundern den Krieger, der in der Schlacht sein Leben eingesetzt und durch seine Tapferkeit seine Kameraden zu gleicher Tapferkeit anfeuert. Aber unsere Sprache hat keine Worte mehr für Thaten, wie sie der Capitän Mirow vollbracht. DaS war mehr als strengste Pflichterfüllung, mehr als menschliche Tapferkeit, mehr als Todesverachtung. Alle diese Tugenden vereinigten sich in diesem Manne zu jener Selbstaufopferung, die uns geradezu Grauen einflößt. Er wartete ruhig, bis das Feuer an seiner Uniform emporzingelte. Empfind ungslos gegen alle Todesschrecken, die ihn umgaben, bleibt er felsenfest auf seinem Posten. Und erst als das Feuer an seinem Gewände loht, stürzt er sich selbst jn die Flammen — zum qualvollsten Tode. Wahrlich, eine übermenschliche That! Bremen, 3. Juli. „BöSmannS Telegr.-Bureau" meldet: Bon der Direktion des Lloyd ging uns fol gende Mittheilung zu: „Nach den uns heute aus Newyork eingegangenen Berichten begegnet die Fest stellung der Liste der bei dem Brande umgekommenen Mannschaften des Lloyd großen Schwierigkeiten, da die Mehrzahl der Leichen nicht mehr zu rekognosziren ist. Da die an Bord befindlichen Musterrollen mit verbrannt sind, ist auch eine Feststellung der Ver mißten nicht zu ermöglichen. Sin Verzeichniß der Ueberlebenden der drei Schiffe „Saale", „Main" und „Bremen" wird zur Zeit aufgestellt und dürfte im Laufe des heutigen Tages eingehen. Nach den bis herigen Feststellungen werden aller Wahrscheinlichkeit nach die Dampfer „Saale" und „Bremen" nach Be seitigung der Beschädigung wieder in den Dienst ein gestellt werden können. Dagegen wird der Dampfer „Main" für total verloren angesehen. Kapitän Mirow and den Heldentod auf seinem Posten auf der Brücke des Dampfers." Die Direktion des Nordd. Lloyd schätzt den Schaden, den die Gesellschaft erlitten, auf 5. Mill. Mark. Trotzdem sei bei der glänzenden Geschäftslage eine geringere Dividende als im vorigen Jahre für die Aktionäre nicht zu erwarten. Der Norda. Lloyd beschloß auch die Gewährung einer besonderen Rente an die Angehörigen der bei dem Unglück umgekommenen Offiziere und Mannschaften neben den Bezügen aus den Kassen. Vom Kaiser ging heute aus Wilhelmshaven dem Nordd. Lloyd anläßlich des New Dorker Brandun glückes folgende Beileidsdepesche zu: „Das Unglück, von welchem der Nordd. Lloyd in New Jork betroffen worden ist, erfüllt Mich mit wahrer Betrübniß. Der große Verlust an Menschen und Schiffen ist ein harter Schlag. Ich habe aber die feste Ueberzeugung, daß die bewährte Leitung des Nordd. Loyd auch dieser Prüfung mit mannhafter Stirn begegnen wird, und daß die Angestellten des Nordd. Lloyd in New Jork auch in dieser schweren Stunde sich ihrer gewohnten Pflicht treu gezeigt haben, gez. Wilhelm I. R." Der Nordd. Lloyd antwortete darauf wie folgt: „An des Kaisers Majestät, Wilhelmshaven. Ew. Majestät warme Antheilnahme an dem schweren Unglücksfall, der uns bettoffen hat, stärkt uns in dem Vertrauen, daß der Nordd. Lloyd aus dem Kampfe mit hartem Mißgeschick seine Kraft zu weiterer neuer Blüthe ent wickeln werde. Ew. Majestät bitten wir unseren ehr erbietigsten Dank sür den Ausdruck der Allerhöchsten Theilnahme entgegen nehmen zu wollen. Nordd. Lloyd, gez. Wiegand." Ruf Feuer stürzt alles nach den Treppen. Bon Rauch und Hitze zurückgetrieben, eilen sie von Raum zu Raum. Ueberall ist der Rückzug abgeschnitten. Die Luken sind geschlossen, die Schwächeren sind von den Stärkeren zu Boden geschlagen und ertrinken im steigenden Wasser, daS langsam die Siedetemperatur annimmt. Biele kriechen unter die Kessel und werden vom Wasser vertrieben. Entsetzliche Scenen, ein ver zweifeltes Gemetzel, um in die Nähe von Luken zu kommen, fpielen sich ab. Viele haben unterdessen den Verstand verloren und stürzen angesichts der sicheren Rettung in die Flammen zurück. Ein Geretteter der „Bremen" erzählt: Bei Aus bruch des Feuers waren wenigstens 100 Besucher, darunter viele Frauen und Kinder, anwesend. Da ertönte der Rus Feuer. Jn der nächsten Minute er folgte eine furchtbare Detonation. Hilferufe der Frauen und Kinder ertönen, die sich an die ins Wasser springenden Männer klammern und viele gute Schwimmer in die Tiefe ziehen oder von anderen mit Gewalt fortgestoßen werden. Nach der Explosion neigt sich sofort das Schiff, die meisten Personen werden zu Boden geworfen, wo sie über einander stürzen und blindlings ins Wasser rollen. Mächten nunmehr in der ersten Reihe steht, werden seine weiteren militärischen Vorkehrungen überall mit größter Spannung, im Auslande aber auch zum Theil nicht ohne Mißtrauen beobachtet. So ist man namentlich in England bemüht, uns zuzureden, wir sollten Japan mit der Wie. derherstellung der Ordnung zunächst in Peking betrauen. Jn einer Londoner Meldung heißt es: Die Ermord ung des deutschen Gesandten in Peking und ihre mög lichen Consequenzen stehm heute hier um so mehr im Vordergrund des Interesses, als nur wenig Nachrichten über den weiteren Gang der Ereignisse in China vor- liegen. Die Times schreibt, alle civilisirten Völker müßten mit Deutschland sympathisiren anläßlich des schweren Ver lustes, der es betroffen hat, und die tiefe Entrüstung theilen, welche diese Schandthat bei der deutschen Natton hervor gerufen hat Allein so sehr Kaiser Wilhelm die Ver pflichtung fühlen werde, die Ehre Deutschlands durch Erlangung voller Genugthuung zu rächen, so werde er sicherlich mit der schuldigen Rücksicht nicht bloß für die Interessen, sondern auch für die Empfindlichkeiten ander vorgehen. Daily News giebt ebenfalls der Ueberzeugung Ausdruck, daß Deutschland das traurige Ereigniß nicht zum Anlaß für separates Vorgehen nehmen wird. Die Mehrzahl der Blätter befürchten jedoch, daß eine aus reichende Streitmacht Peking nicht rechtzeitig erreichen wird, um die anderen Gesandten davor zu bewahren, Baron Kettelers Schicksal zu theilen, wenn nicht sofort energisch sorgegangen wird und zu diesem Zwecke das am raschesten schlagfertige Japan von den Mächten ein Man- dat zu speciellem Einschreiten erhält Der Daily Chro- nicle schreibt im Einklang mit konservativen Blättern: Würde Kaiser Wilhelm Japan zum Vollstrecker der Ver geltung machen, es mit der Absetzung des Prinzen Tuan und der Eindämmung des Aufstandes betrauen, so würde er der gemeinsamen Sache der Civilisatton dienen, auch wenn es in Petersburg ungemgesehenwürde. Bemerkenswerth ist, daß Telegrammen aus Washington zufolge Admiral Kempf durch seine Nichtbetheiligung am Bombardement von Taku den Beifall seiner Regierung errungen hat. Diese hat ferner, obwohl sie jüngst ein separates Abkommen mit den Vice-Königen der mittleren Provinzen nicht ratifizirte, den amerikanischen Konsul in Schanghai Mr. Goodnow, telegraphisch angewiesen, die Vereinigten Staaten ausdrücklich zu verpflichten, daß ihrerseits keinerlei Akt der Feindseligkeit unternommen werden würde, so lange die Vicekönige die Ruhe aufrecht er halten und die Fremden beschützen können. Die übrigen Mächte sind von der Anweisung in Kenntniß gesetzt worden. Die Regierung der Vereinigten Staaten geht von der Ueberzeugung aus, daß Prinz Tuan nicht die chinesische Regierung darstellt, sondern nur als zeitweiliger Usurpator zu bettachten und daß die Mehrzahl der Beamten und der gebildeten Chinesen überhaupt der fremdenfeindlichen Tuanischen Politik abhold ist.
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