Suche löschen...
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 28.06.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190006288
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19000628
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19000628
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-06
- Tag 1900-06-28
-
Monat
1900-06
-
Jahr
1900
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 28.06.1900
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Gläubiger mit 403 M. bevorrechtigten und 45684 M nicht bevorrechtigten Forderungen völlig leer ausgehen. — Leipzig. Auch ein Leipziger Kind befindet sich unter den deutschen Seeleuten, die in helden- müthigem Kampfe vor den chinesischen Forts von Taku ihr Leben hingegeben. Ein ehrevwerther Leipiger Bürger, Herr Glasermeister Bothe, Elisenstraße 84, beklagt mit seiner Familie den Tod des blühenden hoffnungsvollen Sohnes Felix, der, am 28. Dez. 1879 geboren und seit 1896 in der kaiserlichen Marine dienend, als Obermatrose auf S. M. S. „Iltis" bei dem Kampfe vor Taku in der Nacht vom 17. zum 18. Juni gefallen ist. Das Schicksal spielt oft wunderbar. Am Morgen des 18. Juni, zur selben Stunde vielleicht, da den Tapferen die todbringende Kugel traf, lief hier bei den betagten Eltern ein Schreiben des Sohnes ein, in dem er voll Herzlichkeit seiner Freude über ein baldiges Wiedersehen Ausdruck gab. Schickt nichts mehr hierher, schrieb er, denn ich kehre mit dem Ablösungstransport am 17. Juni in die Heimat zurück. Der Himmel hat es anders beschlossen. — Als Seltenheit verdient folgende Thatsache Erwähnung: Bor kurzem starb in Hauswalde bei Pulsnitz eine Frau im Alter von 94 Jahren, die trotz ihres langen Lebens weder die ihrer Heimat nahe gelegene Stadt Bischofswerda, noch je einen Eisenbähnzug gesehen hat. Im Zeitalter des Verkehrs sicher eine Seltenheit. — Altenburg, 26. Juni. Aus Prößdorf bei Lucka traf gestern Abend die Nachricht hier ein, daß der Oberschweizer auf dem dortigen Rittergute einen andern ihm unterstellten Stallschweizer im Jähzorn erschossen habe; der Mörder giebt an, er habe sich in der Nothwehr befunden. Altenburg, 24. Juni. In einer zahlreich be suchten Versammlung erklärte sich die hiesige vereinigte Kaufmannschaft einmüthig für Schließung der Geschäfts läden abends 8 Uhr. Im Bunde mit dem Gewerbe verein sollen die nöthigen Schritte gethan werden, um zum Ziele zu kommen. LssesZeschLchte. Deutschland In Kiel, dem deutschen Ostseekriegshafen, sind in Gegenwart des Kaisers wiederum die unter dem Namen der „Kieler Woche" bekannten segelfportlichen Veranstaltungen im Gange. An der am Freitag in der Kieler Föhrde veranstalteten Regatta betheiligte sich der Kaiser selbst an Bord seiner Rennyacht „Meteor", obwohl es fast ununterbrochen regnete. Neben dem Vergnügen des Wassersports kommt bei dem Kaiserbesuch in Kiel jedoch auch die Politik zu ihrem Rechte, wie der zweitägige Aufenthalt des Staatsseeretärs Grafen v. Bülow beim Kaiser an Bord der „Hohenzollern" beweist. Graf Bülow hat hierbei seinem erlauchten Souverän wiederholt Vor träge gehalten; daß dieselben den Ereignissen in China galten, dies kann man wohl als sicher annehmen. Den Freitag Abend brachte der Kaiser in der Kieler Marineakademie zu. Seine allsommerliche Seereise nach dem skandinavischen Norden gedenkt der Monarch am 3. Juli anzutreten; über die Einzelheiten des Programms dieser Kaiserreise ist indessen bis jetzt noch nichts veröffentlicht worden. Oesterreich-Ungar«. Die Vermählung des Erzherzogs Franz Ferdinand mit der Gräfin Chotek soll am 1. Juli stattfinden. Der Kaiser wird der Vermählung nicht beiwohnen. Noch vor der Vermählung erfolgt die Standeser höhung der Gräfin Chotek; ihr Titel wird sein: Durchlaucht Erzherzogin-Gemahlin Fürstin von Hohenberg. Rußland. Die Meldung von der russischen Mobilmachung in Sibirien erregt große Bestürzung. Man nimmt an, daß Rußland mit großer militärischer Kcastan- strengung die Boxerbewegung Niederschlagen und dann die Rolle einer Schutzmacht der chinesischen Dynastie übernehmen wird. MM-raß. — Die Wetterlage ist fortgesetzt eine sehr un günstige, indem nämlich der große Theil Nordeuropas von niedrigem Druck überdeckt wird mit verschiedenen Depressionen, während hoher Druck zugleich über Süd frankreich lagert. In Deutschland herrscht veränder liches, ziemlich kühles Wetter mit Regenfällen, dessen Fortdauer unter den gegebenen Wetterverhältnissen zu erwarten ist. Berlin, 27. Juni. Das Landgericht verurtheilte gestern Abend nach mehrtägigen Verhandlungen wegen der Ausschreitungen am Rosenthaler Thor am 20. Mai d. I. anläßlich des Straßenbahnausstandes 11 Angeklagte zu Gesängnißstrafen von 3 Wochen bis zu 9 Monaten, 4 Angeklagte zu Hast von 6 Tagen bis zu 8 Wochen, 4 Angeklagte wurden freigesprochen. Bei den am schwersten Vcrurtheilten wurde Aufruhr als vorliegend angenommen. Rie!, 26. Juni Der Kaiser besichtigte in Be gleitung des Prinzen Kanin von Japan und des Prinzen Heinrich auf der Vulcanwerst den neuerbauten hier angekommenen japanischen, 14000 Tons tragen- den Panzerkreuzer „Iakumo". Der mit schwerer Arlillerie ausgerüstete Kreuzer hat heute morgen um 10 Uhr die Reise nach China zur Vervollständigung der dortigen Flotte angetreten. Waldenburg in Schlesien, 27. Juni. (Reichs- tagsersatzwahl.) Bis gestern Abend 10 Uhr wurden gezählt für Ritter 11861, für Sachse (Soz.) 13167 und für Feige 1336 Stimmen. Paris, 27. Juni. Mehrere Blätter melden, der Generalstabschef Delanne habe einen Tagesbefehl erlaßen, in welchem er, ohne im Geringsten den vom Kriegs minister Andrö vollzogenen Ernennungen Rechnung zu tragen, anordnete, daß die abberufenen Offiziere ihren Dienst weiter zu versehen haben. „Gaulois" bemerkt hierzu, daß diese Entscheidung Delannes überaus ernst sei und beweise, daß der Generalstabschef sich amtlich ge weigert hat, die vom Kriegsminister getroffenen Maß nahmen anzuerkennen Trotz des Widerstrebens der Re gierung werde die Angelegenheit vor Schluß der Session in der Kammer zur Sprache gebracht werden. Loudou, 27. Juni. Das Reutersche Bureau meldet aus Maseru von gestern, daß eine Abtheilung Basutoarbeiter, welche unter einem englischen In genieur bei Kroonstad arbeiteten, von den Buren an gegriffen wurden. Sie r erkoren 20 Mann an Todten und Verwundeten, 200 wurden gefangen genommen. Dieser Vorfall ereignete sich gleichzeitig mit dem Un glück, welches das Derbyshire-Regiment betraf, bei welchem Eingeborene zugegen waren, die nun glauben, daß die Buren die Engländer zurücktreiben werden. Der Kommissar in Ladybrand wurde nach Maseru zurückberufen, da, wie verlautet, der Burenführer Olivier, von Süden kommend, die Reihen der Briten mit seinem Kommando durchbrochen habe. Kapstadt, 26. Juni. Amtlich wird bekannt gemacht, daß keine Truppen vor Beendigung des Krieges Südafrika verlassen werden. Wahrscheinlich wird die Gardebrigade zuerst abreisen. Pratzu (Goldküste), 26. Juni. (Meldung des Reuterschen Bureaus.) Heftige Regengüsse verzögern das Vordringen der zum Entsatz von Kumasi be- stimmten Expedition. Die Flüsse sind beinahe un- passirbar. China. Berlin, 27. Juni. In militärischen Kreisen erhält sich das Gerücht, daß außer den beiden auf Kriegsstärke gebrachten Seebataillonen weitere Truppen- Abtheilungen in die chinesischen Gewässer entsandt werden sollen. Man spricht von 6000 Mann. Eine Allerhöchste Cabinetsordre führt die Be timmungen für die Entsendung der Marineinfanterie aus. Danach tritt Generalmajor von Höpfner mit Zintreffen der kriegsstarken Bataillone in China unter )en Befehl des Chefs des Kreuzergeschwaders, doch iehält er den Befehl über die gesammten Landstreit- kräste. London, 26. Juni. Nach einer Meldung aus Taku von Sonntag Nacht durchbrachen die verbündeten Truppen nach großen Anstrengungen die chinesischen Linien und erreichten am Sonnabend Tientsin. Dort fand ein ernster Kampf statt, aber die Verluste der Verbündeten waren nicht erheblich. Die Entsatztruppe marschirte dann weiter, um Admiral Seymour zu Hilfe zu kommen, der am 10. Juni Tientsin verlassen hat. Weitere Truppen-Abtheilungen werden jetzt nach Tientsin zur Bewachung der Verbindungslinien nach geschoben. Ueber Seymours Lage sind weitere Nach richten nicht eingetroffen, verschiedene Anzeichen sprechen jedoch dafür, daß er Peking noch nicht erreicht hat. Lingeborene berichten, er sei 10 Meilen von Peking verschanzt und vom Feinde umringt, halte jedoch aus. Zier ist mail geneigt, diesem Berichte Glauben zu chenken. London, 26. Juni. Aus Schanghai wird vom Montag Abend gemeldet: Nachrichten aus Taku be- agen, daß dort ein großes Militärlager in der Bild ung begriffen ist. Russische und japanische Truppen werden täglich gelandet, das britische Contingent wächst kündig. 1000 Franzosen kamen am Sonntag von Annam an. Zwei katholische Priester, Jsore und Ans auer, wurden von Boxern in der Nähe von Hienhsien m südöstlichsten Tschili niedergemacht. Die römisch- atholischen Einwohner sind dort in großer Gefahr. London, 27. Juni. (Unterhaus.) Der erste Lord der Admiralität, Goschen, antwortete auf eine Anfrage, in Abwesenheit des Admirals Seymour sei der russische Admiral jetzt der älteste Officier und da her das Haupt der internationalen Streitkräfte zu Wasser. Ashmead-Barlett fragt an, ob die Regierung mit der japanischen Regierung, der einzigen, die in der Lage sei, ohne Verzug zu handeln, über die so fortige Entsendung einer angemessenen Landtruppe ur Unterdrückung der Unruhen in China eine Verein barung treffen werde. Der erste Lord des Schatzes Balfour erwidert hierauf, es empfehle sich nicht, über die Natur von Unterhandlungen, die etwa im Gange wären, Erklärungen abzugeben; die englische Regierung werde die Entsendung von Truppen seitens jeder Macht begrüßen, die infolge des nahen Standorts der Truppen in der Lage sein könne, sofort zur Unterdrückung der Unruhen in Nordchina einzuschreiten. Unterstaais- secretär Brodrick erklärte weiter, die Regierung habe keine directe Nachricht aus Peking oder Tientsin oder von der Entsatzcolonne. Nach den letzten Meldungen von Officieren aus Weihaiwei standen 3000 Entsatz truppen am Sonnabend 9 Meilen vor Tientsin und vor dem Feinde. Die Regierung habe Nachricht aus glaubwürdigen privaten Quellen erholten, daß die Truppen später in Tientsin einrückten. Die Regierung ergreife Maßregeln, um die britisch n Interessen im Jangtsethal zu schützen. Loudou, 26. Juni. Im Unterhause erklärte Brodrick weiter, ein Telegramm des englischen Lontre- admirals Bruce vom 23. Juni besage, daß ein russi scher Generalmajor und ein deutscher Offizier als zweiter Commandirender, sowie der Capitän des britischen Kriegsschiffes „Barfleur" die Operationen leiten, welche von den Forts bei Taku zum Entsätze Tientsins unternommen werden. Paris, 26. Juni. In der Kolonialgruppe der Kammer, deren Berathungen für Beschlüsse der Re gierung sehr häufig maßgebend sind, erklärte in einer lebhaften Debatte über Frankreichs Aufgaben in China der Vicepräsidem der Kammer, Etienne, mit Zu stimmung der ganzen Gruppe, Frankreich müsse aus schließlichen Einfluß haben in Dünnan, Kuangtung, Kuangsi und Setschuan, ferner müßten Frankreichs Ansprüche auf das rechte Melongufer energisch be häuflet werden. Hougkoug, 26. Juni. Der Dampfer „Samchui" ist aus Wutschau am Westflusse mit einer Anzahl weiblicher Missionare eingetroffen. Der Kapitän be richtet, daß die Chinesen im Augenblick der Ein schiffung der Frauen fremdenfeindliche Kundgebungen veranstalteten, indem sie riefen: „Schlagt alle fremden Teufel todt!" Die in Wutschau zurückgebliebenen Europäer sind darauf vorbereitet, jeden Augenblick ab zureisen. In Kweischin dauern die Unruhen fort. Tschifu, 25. Juni. Die hiesigen Ausländer glauben, daß die chinesische Armee unter Tung-fuh-sieng, welche kürzlich den Muhamedaueraufstand unterdrückte, sich jetzt vollzählig der Bewegung der Boxer anschließt. Man nimmt an, daß 60000 gut bewaffnete chinesische Soldaten um Peking und Tientsin versammelt sind. Die chinesischen Offiziere verkünden prahlend, daß sie 400000 Soldaten zur Verfügung hätten. Die Aus länder in China haben den dringenden Wunsch, daß 100000 Mann europäischer Truppen, davon mindestens 50000 für Peking, in China zusammengezogen werden. Auch sind sie für eine große Flotlendemonstration in allen Vertrazshäfen, um die in ihrer Haltung schwankenden chinesischen Kaufleute zu beeinflussen Die von Seymour befehligten Truppen sollen mit Mundvorrach für eine Woche und 150 Patronen für den Mann abmarschirt sein. Infolge von Gerüchten von Erfolgen der Chinesen gegenüber den Mächten zeigt sich die Volksmasse in wachsender Er- regung. Hier eintreffende Kaufleute berichten, daß in Niutschwang Boxer in den Straßen exerzieren. Wie sich herausgestelll hat, haben Soldaten des chinesischen Heeres Geschütze und Ausrüstungsgegenstände an die Boxer verkauft. Der englische Conful in Futschan hat die Bitte um Entsendung von Kriegsschiffen aus gesprochen. Das englische Kriegsschiff „Terrible" und 2 japanische Kreuzer sind in Tschifu eingetroffen, wo durch die Lage hier gebessert ist. Das hiesige Fremdenviertel wird von 2 mit Kruppschen Geschützen ausgestatteten chinesischen Forts beherrscht. Paris, 26. Juni. Der chinesische Gesandte übermittelte dem Minister des Auswärtigen ein heute eingegangenes Telegramm, in welchem es heißt, daß der französische Consul Francois mit seinem Gefolge am 24. d. M. Jünnan verlassen und sich mit Be gleitmannschaften nach Tonking begeben habe. Es sei anzunehmen, daß Francois und seine Leute ohne Schwierigkeiten aus der Provinz gelangen würden. Der Vizekönig versichert weiter in seinem Telegramm, welches allerdings schon vor einigen Tagen aufgegeben wurde, daß nach seiner Kenntniß die Europäer in Peking wohlbehalten seien. London, 26. Juni. Der „Times" wird aus Hongkong gemeldet, daß Li-Hung-Tschang die An wesenheit fremder Truppen in der Hauptstadt bekannt gegeben habe mit dem Hinzufügen, daß hieran die Boxers Schuld seien. Die Fremdenniederlassung in deni Stadttheil Schamim werde beschützt. Rom, 26. Juni. Die italienische Regierung be absichtigt mit größter Schnelligkeit ein bedeutenderes Truppencontingent unter General Baldissera nach China zu entsenden. Loudon,27. Juni. Die „Times" melden gestern aus Shanghai: Ein von Niutschwang über Tschifu eingegangenes Telegramm meldet, daß die Eisenbahn stark beschädigt sei. Die Eisenbahnbeamten von allen Stationen, sowie die Missionare aus den ferner lie genden Distrikten hätten in der Fremdenniedcrlassnng, die durch ein russisches Kanonenboot geschützt werde, Zuflucht gesucht. Die Einwohner befürchteten einen Angriff seitens der chinesischen Truppen. London, 27. Juni. „Daily Telegraph" wird aus Canton vom 25. via Hongkong vom 26. ge neidet: Man hegt hie- Besorgniß, daß man am Vorabend eines großen Blutvergießens und einer all- emeinen Anarchie siebe, wie sie nur während des laipingaufstandes in ähnlicher Weise vorgekommen ind. Die Anzeichen einer gefährlichen Erhebung der Boxer und Piraten, welche nichts zu verlieren und durch Mord und Plünderung nur zu gewinnen haben, werden so offenbar, daß die begütertsten Chinesen von Canton und Unigegend hinwegeilen und igre Fami- ien und Werthsachen mitnehmen. Li-Hung Tschang hat nocknnals ausdrücklich Befehl erhalten, sich nach Peking zu begeben. Seine Gegn-r erklären, sie würden ihn ermorden, bevor er Peking erreiche. In einer heute avg haltenen sehr wichtigen Conferenz theilte Li Hung-Tschang mit, daß er entschlossen sei, die Tinge so günstig wie möglich für China zu regeln und für die Aufrechterhaltung der freundschaftlichsten Beziehungen Chinas mit England, Amerika, sowie den übrigen Mächten Sorge zu tragen. Londou, 27. Juni. Aus Tschifu wird ge meldet: Die HilsScolonne, die die Europäer in Tientsin befreite, bestand aus 8790 Mann mit 36 Geschützen. Die russischen Truppen in Tientsin unter dem Befehl des Obersten Wogack beliefen sich auf 1500 Mann. Es wird mitgetheilt, daß die Frauen und Kinder, die in ein öffentliches Gebäude geflüchtet waren, auf das Süduser des Peiho gebracht sind. Diele Operation mußte unter einem mörderizchen Feuer ausgcführt werden. Die Stadt soll einen gräßlichen Ant lick gewähren; die Leichen der Massakrirten aller Nationen bedecken die Straßen. Die deutsche und die tNglische Chartered sind cingeäschcrt worden. Yokohama, 27. Juni. (Meldung des Reuter- schm Bureaus). Berichte aus Söul melden eine wachsende feindselige Stimmung gegen die Christen in Korea. — Die koreanisch: Regieru: g ist nicht gewillt den Kontrakt betr. Mosampho zu vollziehen, da Ruß land wünsche, den Betrag seiner noch schwebend, n Forderungen an Korea in den P eis für die Kon zession hinein zu nehmen. — Der Kaiser von Japan hat die Verausgabung von 15 Millionen Dens zu militärischen Zwecken sanktionirt. Schanghai, 26. Juni. (Meldung des Reuter- schen Bureaus.) Das deutsche Kanonenboot „Iltis", welches den Peiho auswärts nach Tientsin zu gefahren ist, ineldet, daß eine große Abthecknng von Chinesen sich Tongku nähere und daß ein sofortiger Angriff erwartet werde. Die Vicekönige von Nanking und Changchitung haben den Doyen der Cvnsuln davon in Kenntniß gesetzt, daß sie die Verantwortung für die Aufrechterhaltung des Friedens in ihren Provinzen übernehmen und daß sie sechs Kriegsschiffe aus Schang hai beordert haben, mit deren Hilfe sie sich erbösig machen, für die Aufrechterhaltung der Ordnung und den Schutz der Ausländer in ihren Bezirken sich zu verbürgen. Washington, 27. Juni. General Chasfel wurde zuin Kommandirenden der amerikanischen Truppen in China ernannt. Chasfel werde bis zum 26. Juli über eine volle mobile Brigade in Tschifu verfügen. Manila werde den Stützpunkt für die Verstärkungen bilden. Petersburg, 26. Juni. Ein Telegramm des Viceadmirals Alexejeff an den Kriegsminister vom 22. d. M. besagt: Ein Bericht des Oberst Anißimoff aus Tientsin vom 19. d. M. bezeichnet die Lage der dortigen Besatzung als sehr gefährlich. Der Verkehr sei unterbrochen. Chinesische Horden hätten Tientsin umzingelt und beschössen es mit schweren Geschützen. Die Verluste seien bedeutend. 7 Offiziere und 150 Soldaten feien todt oder verwundet. Die Munition für die Gewehre und Geschütze sei knapp. Es halte schwer, einen Durchbruch nach Taku zu erzwingen, zu ¬ mal man Frauen, Kinder und verwundete Soldaten mitnehmen müßte. Die Eisenbahn sei vollständig zer stört. Der Bericht ist nur durch einen glücklichen Zufall übermittelt worden. General Steffel sandte am 20. d. M. alle Truppen, die ihm in Taku zur Verfügung standen, an Anißimoff zu Hilfe und hoffte am 21. Juni nach Landung der Artillerie, unter Hinterlassung einer Besatzung in Taku, mit seiner übrigen Streitmacht abrücken zu können. In dem Telegramm heißt es weiter: Der Ernst der Lage zwingt mich, außerordentliche Maßregeln zu treffen und heute Nacht sofort ein Bataillon des 10. Re giments abzuschicken, ohne das Eintreffen der Truppen aus. Wladiwostok! zu erwarten. Der Wasserstand des Westflusses ist niedrig und eS ist dem englischen Fluß dampfer „Sandpiper" unmöglich, Nauning zu erreichen. Telegramme vo» Mansche« K«rea« Dresden, 27. Juni. Das Befinden des Kö nigs hat sich, wie das Hofmarschallamt erklärt, nicht verschlechtert. Krankhettsberichte werden nicht ausgegebeu. Berlin, 27. Juni. Ein heute früh eingetroffenes Telegramm des Kaiserlichen Konsuls in Tschifu meldet: Admiral Seymour ist mit seiner aus Deutschen, Eng ländern, Russen, Japanern und Franzosen bestehenden Hilfstruppe für Peking, 14 km von Tientsin umzingelt. Er verlor 62 Todte und 200 Verwundete und ist sehr bedrängt. Er verlangt 2000 Mann Hilfstruppen. Die am 25. Juni Morgens von Tientsin ausgerückten Trup pen stehen unter russischem Obercommando. Paris, 27. Juni. Eine Note der „Agence Havas" theilt mit: Der französische Konsul in Schang- Hai meldet von gestern: Die Truppen der vereinigten Mächte rückten in Tientsin ein. Die fremden Ge- andten verließen Peking auf der Nordseite mit einer chinesischen Eskorte. Man vermuthet, die Gesandten schlagen die Richtung auf Schan-hai-kwan, längs der großen Mauer ein. Der Konsul fügt hinzu, die Vice- önige von Nanking und Changchitung hätten ihn be auftragt, der französischen Regierung die Versicherung zu übermitteln, daß er für den Schutz der Missionare und fremden Kaufleute im Jangtsekiang-Gebiet sorgen werde. — Ein Telegramm des Konsuls in Tschifu von gestern bestätigt gleichfalls den Entsatz Tientsins und die Abreise der Gesandten aus Peking. Vermischtes * Berlin, 24. Juni. Es war eine schwarze Woche, die eben vergangene. Am Sonntag verstarb in der Dunkerstraße eine in wilder Ehe mit einem Schlosser zusammenlebende Frauensperson unter ver dächtigen Umständen, die auf einen freiwilligen oder auch unfreiwilligen Tod durch Gift schließen lassen; am Montag früh wurde bei Berlin der Maurer Thiede ermordet, am Vormittag desselben Tages tödtete in Moabit der Schreiber Gagel sein uneheliches rind und versuchte dann sich selber zu tödten; am Dienstag erfolgte der Ranbmordversuch auf den Hof- phowgraphen Pflaum durch den 16 jährigen Lehrling Hille; am Mittwoch ein Mordversuch auf den Schlächter Matting aus Werneuchen; am Freitag früh warf die Frau Sogloweck in der Wrangelstraße ihre 4 Kinder aus dem Fenster des 4. Stockes und sprang dann elber nach; endlich enthüllte der am Freitag und Sonnabend abgewickelte Prozeß gegen den Giftmörder Jänicke neue erschreckende Beweise dafür, wie sehr der insterste Aberglaube in weiten Kreisen noch verbreitet st. — Der Berichterst. des CH. T. bemerkt hierzu: Schlimmer aber noch wie diese lange Liste von Ver brechen sind die Entschuldigungsgründe, die für Kapitalverbrechen vorgebracht werben. Dem Mörder Jänicke wie auch dem jugendlichen Mordbuben Hille wird von lieben Angehörigen bescheinigt, daß sie so „komisch" gewesen wären, Jndianergeschichten u. dcrgl. gelesen hätten, immer mehr greift jene S'.ttenverweich» lichung um sich, welche alles verstehen und alles ver zeihen möchte. Daß wir uns damit auf einer schiefen Ebene befinden, auf der es unhaltsam abwärts gehen muß, das scheinen wenige zu begreifen, und doch sind die Erscheinungen der letzten Woche ein vollgiltiqer Beweis dafür. Jene Sittenverweichlichung, die Nach sicht gegenüber Verbrechern, ist nur möglich in einer Menschengemeinschaft, von welcher ein großer Theil immer mehr auf schlüpfrige Wege g^räth, und sie zeitigt eine Verwilderung und Rohheit des Denkens, die nur schwach von einer weltstädtischen Politur ge deckt wird, bei passender Gelegenheit aber hervorbricht. Es ist wie mit einem Morast; bei Windstille liegt das Gewässer da, so klar, so durchsichtig; wehe aber, wenn ein Sturm hineinfährt, der ganze Schlamm und Schmutz kommt zum Vorschein. Nicht anders ist es mit den Seelen so vieler Großstadtmenschcn. Da diese Frau Sogloweck, die ihre vier Kinder und sich selber umbringt, weil der Steuererheber nicht befriedigt werden kann, und — weil sie einst bessere Tage ge sehen. Jung hat sie geheirathet — sie war erst 21 Jahre alt und ihr Mann auch — noch ehe eine ordentliche Existenz begründet war, noch ehe der Charakter gestählt war im Kampfe ums Dasein; mit den bald kommenden Kindern kommen die Sorgen, kommen die Vorwürfe darüber, daß man so früh sich band, kommen die Streitigkeilen mit dem Manne; nicht das aber hat in der Frau den Entschluß reifen lassen, sich das Leben zu nehmen, nein, das war jene verrückte, hysterische Anschauung vom Leben, die in den letzten Jahren sich breit gemacht hat. Nimmer hätte die Willensschwäche Frau zur vierfache» Mörderin und Selbstmörderin werden können, hätte ihr als heischendes Gebot die ernste, sittliche Forderung einer strengen Anschauungen huldigenden Gesellschaft vor Augen gestanden. * Ei« Wirbelsturm hat Sonnabend Mittag während eines mit Hagel niedergegangenen Gewitters in dem nördlichen Theil von Mülheim a. Nh. bedeutenden Schaden angerichtet Der „Köln. Ztg." wird darüber geschrieben: Das ganze Zcrstörungswerk vollzog sich binnen wenigen Minuten. Der Sturm entwurzelte Bäume, deckte Dächer ab, zertrümmerte unzählige Fensterscheiben, riß Schornsteine um und verwandelte viele Fabrikhöfe in Trümmerhaufen Der Wirbelwind deckte zunächst in der Dampfkeffelfabril von Lammine an einer Reihe von Fabrikgebäuden die Dächer ab und warf einen ziemlich hohen Schornstein zwischen Bahngeleise und Fabrik nieder.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)