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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 29.06.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190006294
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19000629
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19000629
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-06
- Tag 1900-06-29
-
Monat
1900-06
-
Jahr
1900
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 29.06.1900
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freiwillig gemeldet und sind dienstfähig für die Tropen befunden worden: Von der Infanterie 137 Sergeanten und Unteroffiziere und 727 Gefreite und Gemeine, von der Feldartillerie 23 Unteroffiziere und 50 Kanoniere und Fahrer; eS können jedoch von den Angemeldeten nur 3 Unteroffiziere und 100 Gefreite und Gemeine von der Infanterie und 1 Unteroffizier und 15 Mann von der Feldartillerie berücksichtigt werden, welche spätestens am 28. d. Mts. sich bei dem zweiten Seebataillon in Wilhelmshaven stellen müssen. Leipzig. 26 Juni. Zu dem chinesischen Ex. peditionscorps stellen von den in Leipzig garnisonierenden Regimentern: das 107. Reg. 1 Unteroffizier, 1 Gefr., 6 Gem.; das 106. Reg. 7 Gem; das 164. Reg. 6 Gem.: das Artillerie-Regiment 77 I Unteroffizier und 2 Fahrer. * . -p Der oberste Eunuch der Kaiserin-Wittwe, Li-Lien« yin, ist Ende April unter Hinterlassung eines Vermögens von beinahe 40 Millionen Taels oder mehr als 100 Millionen Mark gestorben. Dieses Sümmchen hatte der Edle lediglich durch Bestechungen erworben, die jeder mann, vom Prinzen bis hinab zum Mandarinen sechsten oder siebenten Ranges, anwenden mußte, der von der Kaiserin-Wittwe etwas durch ihren Lieblings-Eunuchen erreichen wollte. War aber einer erst in Lis Netz ge gangen, so wußte dieser dafür zu sorgen, daß er zeitlebens darin stecken blieb. Denn am Ende jedes Jahres machte er, wie der „Franks. Ztg." aus Shanghai berichtet wird, alle seine Bekannten darauf aufmerksam, daß ein kleines Ncujahrsgeschenk der weiteren Freundschaft sehr zuträg« lich sein würde. Li legte sein Geld auf die verschieden artigste Weise an: in Leihhäusern, eine in ganz China sehr beliebte Art, in Banken, Häusern rc. In Peking sollen ganze Straßen auf seinen Namen eingetragen sein. Er gehörte jedoch nicht zu den Geizhälsen, die niemals einen Pfennig ausgeben wollen, wenn sie es vermeiden können. Vielmehr verwendete er als Kenner von alter Bronze und altem Porzellan oft bedeutende Summen für den Ankauf von besonders werthvollen Stücken, die er seiner reichhaltigen Sammlung dieser Sachen hinzuzu fügen wünschte. Die Mächte und China. Dem „Figaro" zufolge ist der Großfürst Alexis, der zu längerem Aufenthalte nach Paris gekommen war, über Toulon plötzlich abgereist, um den Oberbefehl über die ruffische Flotte in Port Arthur zu übernehmen. Der Groß fürst, ein Oheim des Kaisers Nicolaus, ist General admiral und oberster Chef der gesammten russischen Kriegsmarine. Er steht im 51. Lebensjahre. Die Entsendung des Großfürsten nach Ostasien würde dar- thun, welche Bedeutung Rußland den ostasiatischen Vorgängen beimißt. Sie würde zur Folge haben, daß bei dem Kooperiren der verschiedenen ausländi schen Geschwader die Oberleitung stets in russischen Händen läge. In dem Wettbewerb der europäischen Mächte, ihre Streitmacht in Ostasien auf eine der gefahr drohenden Situation entsprechende Höhe zu bringen, hat Rußland also einen entscheidenden Schritt gethan, der das russische Uebergewicht in Nordchina für ab sehbare Zeit sicher stellt. Die Mobilmachung der ostsibirischen und amurischen Truppen kann durch keine europäische Macht wett gemacht werden. Es liegt auf der Hand, daß nur Japan geographisch in der Lage wäre, eine der russischen die Waage hallende Macht nach China zu werfen. Es müßte zu dem Zwecke aber erst kostspielige und unter Umständen ge fährliche Transporte aussühren. England wäre dazu nur unter der Voraussetzung einer weitgehenden Ent blößung Südafrikas und Indiens im Stande. Durch die Entsendung des Generaladmirals Großfürst Alexis nach Port Arthur giebt die russische Regierung zu erkennen, daß Rußland auch auf maritimem Gebiete die erste Stelle in den chinesischen Gewässern einzu nehmen entschlossen ist. Durch diese Maßnahmen Ruß lands tritt eine merkliche Verschiebung in der allge meinen politischen Lage ein. Die kolossalen Rüstungen, die Rußland Chinas wegen trifft, beunruhigen die Börsen. Rußland ver- sichert zwar fortgesetzt, daß es in China keine Sonder interessen verfolge, trotzdem befindet sich sein erster Rivale, Großbritannien, in fieberhafter Aufregung. England beansprucht nun einmal die ungetheilte Welt herrschaft und kann sich nicht dareinfinden, daß Ruß land auf dem besten Wege ist, ihm in Ostasien den Rang abzulaufen. So ernst aber die Lage auch er scheinen mag, vorläufig ist die russisch-englische Aus einandersetzung im fernen Osten doch noch nicht zu befürchten. Rußland bedarf bis zur Vollendung seiner sibirischen Eisenbahn noch einiger Jahre Ruhe und hütet sich daher, Großbritannien zu provozieren. Sitzt es aber erst fest im Sattel, dann wird es mit seinen Absichten sicher nicht länger mehr Hinterm Berge halten und die Mandschurei und Mongolei unter irgend einem Vorwande zu annektieren suchen. England wird gegen diese Gebietserweiterung Rußlands schwerlich Ein spruch erheben, wenn es Gelegenheit findet, gleichzeitig seine Machtsphäre in dem sehr viel werthvolleren Süd china nach Wunsch zu erweitern. Dort aber berühren sich die Interessen Englands mit denen Frankreichs un mittelbar, und die Anglisirunq Südchinas bis Indien hin ist durch das Frankreich gehörige Tonking schon unaus führbar. Rußland wird also seines Bundesgenoffen wegen einer Ausbreitung Großbritanniens in Südchina sich mit aller Macht und unter allen Umständen widersetzen. Eng« land beherrscht aber schon heute einen Theil der großen Ströme der reichen südlichen Chinahälste. Von Peking aus hofft Rußland in der Lage zu sein, England wirksam hindern zu können, auf diesem Gebiete Fortschritte zu machen. Daher die gewaltigen Anstrengungen Rußlands, in der Hauptstadt des Reiches der Mitte zu maßgebendem Einfluß zu gelangen. Der Krieg uw Transvaal. Ueber Capetown wird unter dem 23. Juni gemeldet, daß es den Buren vor kurzem gelang, am Zandfluffe einen englischen Postzug zum Stehen zu bringen, und 2000 Säcke mit Briefschaften für die Robertsschen Trup pen. fortzusühren. Bei oieser Gelegenheit wurden ver schiedene englische Soldaten und Beamte getödtet, ver wundet oder gefangen genommen und der Eisenbahnzug, sowie der Schienenweg mittels Dynamit gründlich zerstört Die Buren sollen außerdem für ungefähr 80,000 Mark englische Freimarken erbeutet haben, was unter Umständen als gar kein übler Erfolg angesehen werden kann. Ein Reuter-Telegramm aus St. Helena meldet, daß die Influenza gegenwärtig auf dieser Insel grassirt Jeder Mensch in Jamestown habe sie mehr oder weniger, und auch auf dem Lande fielen viele Leben der Krankheit zum Opfer. Die Krankenhäuser seien bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Nachrichten von dem Entsätze von Mafe- king und der Besetzung von Johannesburg und Prätoria sollen große Erregung hervorgerufen haben. Salute wur den von den Forts und den Kriegsschiffen abgefeuert Die gefangenen Buren seien im allgemeinen damit zu frieden, daß der Krieg sich jetzt seinem Ende nahe und daß nunmehr Aussicht vorhanden sei, vaß sie bald nach Südafrika zurückkehren könnten. Ueber die Pferdekäufe der Engländer in Ungarn berichtet der „Magyarorßag": Bisher sind von Fiume aus 8000 Pferde für Süoafrika abgegangen. Und jetzt ist nun der englische Dampfer „Matin" in Fiume einge troffen, um weitere 600 auszunehmen. Recht interessant ist die Art, in der sich der Pserdekauf vollzieht Die englische Regierung hat mit dem Geschäft eine englische Firma betraut und zahlt dieser für jedes Pferd 50 Pfd Stell.; die englische Firma hat ihre Ausgabe einer deut schen Firma übertragen und giebt ihr für jedes Pferd 40 Pfd. Sterl. Die deutsche Firma wieder besorgt das Ge schäft durch die Wiener Firma Hausner unv zahlt ihr 30 Pfd. Sterl. Die Firma Hausner bedient sich unga rischer Pferdehändler, die ihr die Pferde für 20 Pfd Sterl, liefern. Diese Händler wieder unterhalten Agenten, die schließlich den wirklichen Kauf besorgen Und so be zahlt denn die englische Regierung für ein ungarisches Pferd 625 Gulden: der ungarische Pferdebesitzer aber erhält nicht mehr als 100—130 Gulden. Daß die Pferde auch danach aussehen, versteht sich von selbst und mag die Buren und ihre Freunde trösten. Gutenbergseier. Vom Gutenbergfest in Mainz berichtet die „Köln. Ztg." noch: „Weit ins Land grüßt wehender Flaggen- schmuck und zeugt von dem Festkleide, in das Moguntia mit verschwenderischer Pracht sich geworfen. Von des mächtigen Domes höchster Spitze ziehen sich zu den Eckthürmchen des Daches lustig flatternde Flaggen schnüre in luftiger Höhe, auch die entlegenste Gasse prangt im saftigen Grün der Tannenkcänze und bunte Wimpel zieren jedes Haus. Ueber diese Festespracht legt sich wie herzerwärmender lachender Sonnenschein die fröhliche, bürgerlich-gemüthliche Sinnesart der Mainzer. Stolz leuchtet es aus jedem Auge, des Alten und des Jungen, das schöne Wort, das in goldener Schrift um Thorwaldsen's Gutenbergdenkmal sich hinzieht: „Unserm Gutenberg". Ueberall stößt man auf diesen Sohn des alten Mainz. Die Schank tische ziert seine Büste ebenso wie jedes Schaufenster, in Tapetenmustern ist sein Bild verewigt und zahllos sind die Postkarten, die seine Züge in alle Welt tragen. Ja, zum Nachtisch wird er sogar verzehrt, wie ein findiger Süßwaarensabrikant anzeigt, der zu Diners leinen in 36 cm Größe hergestellten „Gutenberg aus Fruchteis in vorzüglicher Ausführung" empfiehlt. Der Glanzpunkt der Ausstellung ist der Gutenbergplatz, wo Thorwaldsen's herrliches Denkmal steht. Hier huldigte am heutigen Montag in dem glanzvollen, mehrere Kilometer langen Festzuge die ganze zivilisirte Welt dem Erfinder der Buchdruckerkunst. Eine Säulen- Halle, in Weiß gehalten, mit duftigem Blumenschmuck als Aufputz, umzieht das Denkmal, dessen düsteres Schwarz sich in dem Farbenkontrast überaus wirkungs voll abhebt. Die lateinische Widmung lautet ver deutscht: „Die Kunst, welche den Griechen verborgen, verborgen den Römern, — hat der findige Geist eines Germanen erdacht. — Jetzt, was immer die Alten gewußt und die Neueren wissen — Wissen sie nicht nur für sich, sondern für jegliches Volk." Vom Denkmal lenkt sich unwillkürlich der Weg zu den Stätten, an denen die Wiege der Buchdruckeckunst stand und die heute fast alle feucht-fröhlichem Gewerbe dienen. Das Grundstück, auf dem die erste Werkstätte Gutenberg's sich einst erhob, ziert heute eine Bier- wirthschaft. Es ist der „Hof zum Jungen" in der Franziskanergasse. Dies Haus ist natürlich das Wallfahrtsziel der Jünger der schwarzen Kunst, auch derjenigen, die „ohne Kondition" auf der Walze sind. Am Sonntag waren schon 150 konditionslose Buch drucker und Schriftsetzer Gäste dieses Hauses und vom Morgen bis zum Abend klang in der Franziskaner gasse ihr anheimelnder Gruß: „Gott grüß' die Kunst!" Diese Gutenbergsjünger werden an den Festtagen auf Kosten des Buchdruckerverbandes besonders reichlich verpflegt und bewirthet. Eine weitere denkwürdige Stätte ist die heutige Bierwirthschaft zum „Schöffer- hof". Hier wirkten Fust und Schöffer; das ursprüng liche Haus ging 1462 im Kurstreite in Flammen auf, aber schon zwei Jahre später war die Druckerei wieder in Betrieb. Die lehrreichste Stätte des Guten bergfestes ist die typographische Ausstellung im Schlosse. Sie neigt sich in ihrem Werthe mehr nach der wissen schaftlichen Seite hin und wirkt ungemein anziehend auf jeden Freund mittelalterlichen Wissens. Mainz, 26. Juni. Heute fand für die Festtheil nehmer der Gutenbergfeier eine Rheinfestfahrt statt. An derselben betheiligten sich 19 Schiffe, darunter 4 mit Gärten der Stadt. In Bingen wurden die mit den dort landenden Schiffen eingetroffenen Gäste vom Bürgermeister begrüßt, worauf der Oberbürgermeister von Mainz antwortete. Auf ver Rückreise wurde in Eltville, dem Sterbeorte Gutenbergs, Halt gemacht, wo die Theilnehmer an der Festfahrt von der Be völkerung jubelnd begrüßt wurden. Dr. von Oechel- häuser hielt eine Festrede. Um 10 Uhr Abends er folgte die Rückfahrt nach Mainz. Der Lokalanz. berichtet noch: Die Rheinufer von Mainz dis Bingen prangten in reichstem Fest schmuck. Zu Tausenden standen die Massen an den Usern und begrüßten die festlich geschmückten Dampfer mit Musik, Tücherwehen und Hochrufen. Als die Dampfer, denen sich zahlreiche Privatschiffe anschlossen, am Niederwalddenkmal vorüberfuhren, ertönte hüben und drüben in vieltausendstimmigem Chor „Die Wacht am Rhein". Es war eine großartige, nationale Huldigung, die durch den bunten Flaggenschmuck der Fahrzeuge und User ein pittoreskes Relief erhielt. Um 3 Uhr wurde in Bingen gelandet und nach Be grüßungsansprachen zur Burg gepilgert, woselbst als Ehrentrunk 3000 Liter Rheinwein aus mächtigen Kübeln credenzt wurden. Das Leben auf den Schiffen wurde durch den Chorus der Studenten, durch die sich allmählich eine feuchtfröhliche Stimmung gestaltete, noch erhöht; fernen Höhepunkt erreichte der Jubel in Eltville, das den Theilnehmern einen jubelnden Empfang bereitete. Am Eingang des wundervoll ge schmückten Städtchens, aus dessen init Guirlanden ge zierten Häusern zahllose Blumensträußchen geworfen wurden, erhob sich eine Ehrenpforte init dem Spruch: „Willkommen heißt Euch die Stadt, wo der große Meister einst lebte, wo er ermüdet legte sein Haupt zur ewigen Ruhe!" Ueberall Begrüßunqssprüche, die sich auf Gutenberg bezogen! Vor der Burg, in der Gutenberg mit seinen Schülern gearbeitet haue, trieben costümirte Gutenbergschüler ihr heiteres Wesen und hielt Professor Oechelhäuser junior eine Festrede. Es war eine Huldigungsfahrt, der eine gewisse unsystematische Zwanglosigkeit innewohnte. Gegen Mitternacht trafen die Festdampfer in Mainz ein. Meilenweit erstrahlten die Ufer in Feuer und Licht, eine nachträgliche Johannisfeier, die in glanzvoller malerischer Weise das Gedenk- und Huldigungsfest für den großen Meister Johannes Gutenbe:g, dem jetzt eine ganze Welt gehuldigt hatte, würdevoll und heiter abschloß. Mainz, 25. Juni. Am Gutenberg-Kostümfest in der Stadthalle betheiligten sich 15 000 Personen. ES war ein großartiges, buntes, internationales Treiben, das auf einen fröhlichen rheinischen Grundton gestimmt war, ein imposantes Carnevals-Schauspiel im Sommer, das noch einmal die 3000 Theilnehmer des Festzuges in ihren Kostümen vereinte. Noch einmal einen Schimmer all der Herrlichkeit und Schönheit gab dieses einzig dastehende Kostümfest, es bildete das übermüthige und humorvolle Finale der herrlichen Mainzer Gutenbergfeste, die morgen in Eltville ihren Abschluß finden. Mainz, 26. Juni. Den Schluß der Gutenberg feier bildete ein großes Feuerwerk und ein von etwa 10000 Personen besuchtes Volksfest in der Stadthalls. — Gut-nbergfeier im Gewerbevereiu. In den letzten Tagen wurde überall in der Welt, wo Gebildete wohnen, das Andenken eines Mannes gefeiert, der fast sein ganzes Leben der hervorragendsten Erfind ung, die wohl je auftauchte, geopfert hatte: Man feierte den 500jährigen Geburtstag Johannes Gutenbergs, des Erfinders der Buchdruckerkunst, Natürlicherweise wurde dies Fest in den Städten, die den früheren Wirkungskreis Gutenbergs gebildet, in besonders hervorragender Weise begangen: man darf beispielsweise nur die Berichte lesen über die Festlichkeiten in Mainz, der Geburtsstadt des Erfinders. Kurz, es geschah wohl allerorts etwas, um den genialen Mann, der die Früchte seiner mühevollen Arbeit nie genießen sollte, noch im Tode zu ehren. — Der hiesige Gewerbeverein hatte am gestrigen Abend im „Logenhaus" eine Gutenbergseier veranstaltet, an der Mitglieder und Gäste recht zahlreich theilnahmen. Im Namen des Gewerbevereins begrüßte der Vorsitzende, Herr Schuldirektor Dietze, nach einem einleitenden Claviervortrag, in einer herzlichen Begrüßungsansprache Alle, die der Einladung Folge geleistet; er gedachte der Bedeutung des Tages, wünschend, daß ein jeder der Besucher durch die schlichte Feier neue Anregung finden möge Der dann folgende, von Frl. Schönherr sehr ausdrucksvoll gespro chene Festprolog wurde umrahmt durch Vorträge des Männergesangvereins „Arion", die ganz besonderes Lob verdienen. Den Mittelpunkt des Abends bildete die Festrede des Herrn Lehrer Richter II. Der Herr Vor tragende berührt zuerst nach einleitenden Worten die Gutenbergseier in Mainz, zu welcher die ganze Welt ge laden war; denn in der Festschrift heißt es: Wie die Erfindung die ganze Welt umfaßt, so müssen auch alle Völker an der Feier zu Ehren des Erfinders theilnehmen. Die Krone aller Festlichkeiten in Mainz jedoch bildete wohl eine Ausstellung nicht nur der Druck- und Setzmaschinen und sonstigen modernen Erzeugnisse, sondern der Producte des graphischen Gewerbes in allen seinen Stadien, von altersgrauer Vorzeit bis zu unsern Tagen. Die Kunst, Bücher herzustellen, beruht auf zwei Erfindungen: der Erfindung der Schrift und des Papieres. Die Schrift hat in Bildern ihre Anfänge zu suchen, der Gedanke wurde also symbolisch niedergelegt, sicher ein umständliches und unvollkommenes Verfahren. Ebensolche Wandlungen machte das Papier durch. In der alten Zeit schrieb man mit spitzen Griffeln in Stein, Wachs oder Baumrinde. Die Erfindung des Pergaments bedeutete einen wesent lichen Schlitt vorwärts; doch dauerte es noch sehr lange, bis die Fabrikation des Papiers entdeckt wurde. Papier und Schrift zusammen ergaben das Buch; solange man aber nur geschriebene Bücher besaß, war so ein Buch ziemlich kostspielig. Und als nun gar infolge der Völker wanderung in den Ländern Unwissenheit und Rohheit überyandnahm, fand man nur noch wenige Pflegestätter der Wissenschaft. — Nun legten sich hauptsächlich die Bewohner der Klöster aufs Bücherabschreiben. Eine schön geschriebene Bibel kostete jedoch bis 900 Mark; dabei muß man bedenken, daß das Geld damals vielleicht 20mal mehr Werth besaß als heute. Da riß Guten berg durch seine große Erfindung die hemmenden Schran ken nieder. Was große Geister gedacht, konnte, verviel fältigt durch seine Kunst, hinausgehen in alle Welt, wie keine andere Erfindung hat sie einen Einfluß auf die Kultur ausgeübt. Wir verdanken ihr den hohen Stand der Wissenschaft und die Blüthe des Gewerbslebens. — Es ist eine merkwürdige Fügung, daß dieser Erfinder von tiefem Schweigen umhüllt ins Grab sank, sehr wenig nur ist der Nachwelt über seinen Lcbensgang ausgezeichnet. Gutenberg stammt aus einem alten Patriziergeschlecht. Geburtstag und Jahr sind nicht genau bekannt: wahr scheinlich wurde er am 24. Juni 1400 geboren. Als im Jahre 1420 die Zünfte die Häuser der Pa trizier stürmten, da mußte der alte Gutenberg mit seinem Sohn Johannes Main; verlaffen: sie wandten sich nach Straßburg. Bis zu seiner Heirath, die 1437 erfolgte, schweigt die Chronik über Johannes; über die nächste Zeit geben die Akten eines Prozesses Aufschluß, den Gutenberg gegen einige Straßburger Bürger führte und gewann Wieder verstummen die Aufzeichnungen. 1448 tauchte er wieder in Mainz auf, fast immer befand er sich in Geldverlegenheit. Er hatte wohl sein nicht un beträchtliches Vermögen bereits der neuen Erfindung ge- Seine Schwester. Roman von Fanny Llöckerl. 13. Foniepung Aachdruck verbalen.) „Das ist mir allerdings auch schon so vorge kommen, wieder einmal ein Beweis von der Anziehungs kraft der Extreme, denn zwei verschiedenere Naturen kann es kaum geben aber wenn er ihr gesällt, unser einziges Kind brauchte ja ihrer Neigung keinen Zwang anzuthun. Freillig, ob sie ihm gefällt, das ist noch die Frage. Er warf einen vielsagenden Blick auf Carla, welche eifrig mit Fred plauderte. Die junge Dame sah reizend^aus in dem Hellen Sommer kleide, wie eine Fürstin, die ihren Hofstaat um sich versammelt hat, blickte sie um sich. Alle huldigten ihr, erkannten ihre gesellschaftlichen Vorzüge an, die beiden ziemlich bedeutenden Damen aus der Badege sellschaft, die jungen Inspektoren, denen eine solche Erscheinung noch nie begegnet war, sogar Flora, die sonst selten sich jemand unterordnete, war ganz in ihren Zauberkreis gebannt und sah in ihr das Ideal der vornehmen Dame, dem sie nachzustreben suchte. Sie bewunderte ihre Toiletten, nahm ihren Rath in Anspruch in allen möglichen Modeangelegenheiten. Carla war narürlich voll bezaubernder Liebenswürdig keit zu ihr, und da sie Floras Interesse für ihren hübschen Vetter sehr bald durchschaut, neckte sie diese fortwährend mit ihm, prophezeite ihr, daß sie jeden falls dereinst mit Fred vor den Altar treten würde, und dergleichen schöne Dinge mehr, wohl merkend, wie angenehm das in Floras Ohren klang. Fred aber wurde von ihr stets angetrieben, den aufmerksamen Cavalier seiner Cousine gegenüber zu spielen, „sie und keiner merkt es dann, daß wir uns gut sind," erklärte sie ihm, und sah ihn dabei an, so neckisch, so lachend, so sirenenhaft, daß der arme Junge ganz verwirrt wurde, die ganze Welt vergaß und nur den blühenden Lindenbaum sah, unter welchem Carla stand, den Arm um den Stamm gelegt, umwoben von den glühenden Strahlen der Abendsonne, die da drüben im Meer versank. Und keine Stimme in der herrlichen, friedlichen Natur, die ihn gewarnt vor diesem sriedelofen Geschöpf, kein Flügelschlag des Schicksals, das ihn drohend, mahnend umrauscht hätte. „Carla — o Carla!" weiter brachte er nichts über die Lippen, und da nahte auch schon Flora mit irgend einer banalen Frage, und er sah die Welt wieder wie sie war. „Beherzigen Sie meine Ermahnungen," flüsterte ihm Carla nur noch zu, und er that es, es machte ihm sogar, eitel wie er war, Spaß, die blasse Cousine immer mehr in sich verliebt zu machen. Daß das irgendwie Folgen für ihn haben könnte, das bedachte er nicht, wo all sein Denken sich nur um Carla drehte. Ach der ganze berückens schöne Traum nahte sich überhaupt seinem Ende, vorläufig wenigstens, im Winter, das stand fest bei ihm, setzte er seine Studien in Berlin fort, seine Mutter zu der Uebersiedelung zu bestimmen, konnte nicht schwer halten, dem Onkel aber würde er auseinandersetzen, daß er dort in den großen Krankenhäusern, unter der Leitung berühmter Professoren am besten sich zu dem Examen vorbereiten könne. An Studieren dachte er aber bei diesen Plänen viel weniger, als an das Wiedersehen dort mit Carla. An ihrer Seite würde er dort erst das wahre Leben kennen lernen. In der Residenz allein lebt man sich voll aus, hatte sie neulich erst erklärt, in kleinen Städtchen und auf dem Lande ist das, was man Leben nennt, nur ein trostloses Vegetiren. Nun er wollte nicht weiter mehr vegetiren, er wollte leben! leben! Die einzige auf dem Gute, die der schönen Carla fast mit Mißtrauen begegnete, war Melitta. Es schien, als ob ihre reine Seele tiefer sah, wie all die andern, als hätte sie eine Ahnung von dem versumpften Boden, aus welchem diese schöne, schillernde Erschein ung hervorgegangen. In Carlas Augen war sie die unbedeutende Kleinstädterin, die es nicht gelernt, ihre Vorzüge zur Geltung zu bringen, die arme Verwandte, die sich hier nützlich machen mußte, von der man nicht viel Notiz zu nehmen halte. Melitta bemerkte diese Nichtachtung kaum, sie hatte so viel im Hause zu thun, daß sie sich nur selten an den Spielen und Ausflügen betheiligen konnte. Auch heute war sie nicht auf dem lavn tcnnw-Platz zu sehen, sie arrangirte den Kaffee tisch auf der Veranda, zu welcher die breite Allee hinauf führte. Hier war es still und einsam, nur hin und wieder drang ein Ruf oder Helles Lachen der Spielenden drüben von der anderen Seite des Parkes zu ihr herauf. Nachher freilich würde es auch hier lebendig werden, die heitere Schaar der Spielenden würde sich um den Kaffeetisch reihen, neue Vergnügungspläne würden ersonnen werden, Carla und Flora waren ja unerschöpflich darin, an sie aber ließen sie nur selten eine Aufforderung ergehen, höchstens, daß Fred einmal sich zu ihr wandte und fragte: „Du bist doch auch dabei, Litte?" Wenn aber die Tante von einer nochwendigen Arbeit sprach, wo bei Melitta helfen müsse, dann schwieg auch er. Daß er die bescheidene Stellung, die sie hier einnahm, als etwas so selbstverständliches ansah, das kränkte sie doch bisweilen, Martin Harden würde das sicher nicht lhun! Ach es war gut, er sah es nicht, sah sie hier nichl einsam stehen in dem schlichten Kattunkleide und der Wirthschaftsschürze, das Costüm wie es die Tante für sie liebte, und das neben Floras und Carlas Toiletten geradezu ärmlich aussah. Daß ihre in jedem Kleide durchaus feine Erscheinung die Mängel immer wieder ausglich, ahnte sie ja nun freilich nicht, und gesagt hatte es ihr auch noch nie Jemand. Und Martin Harden, der da die breite Allee jetzt herauf kam, hatte auch kein Auge für ihre einfache Toilette, er sah nur den Zauber des Lieblichen, Mädchenhaften, der ihr eigen, wie zierlich sie da alles ordnete, wie gut sie diese hausfrauliche Beschäftigung kleidete. Es wallte heiß in ihm auf, als er jetzt die Stufen der Frei treppe herauf schritt, als Melitta sich umwandte und ein lichtes Roth in ihre Wangen stieg. Fortsetzung folgt.
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