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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 20.06.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190006209
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19000620
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19000620
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-06
- Tag 1900-06-20
-
Monat
1900-06
-
Jahr
1900
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 20.06.1900
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daß die mechanischen Webereien und die Hauswebermeister höchstens für normale Arbeitszeit einigermaßen voll be schäftigt sind, was sich in unseren Weberfamilien recht unerfreulich bemerkbar macht und auch auf den allgemeinen Geschäftsgang in Glauchau und Meerane störend einwirkt. Gleich den Webereien befinden sich die Spinnereien in einer wenig günstigen Lage Die Nachfrage scheint unter den noch immer hohen Preisen und bei dem ungünstigen Stand des Garngeschäftes sehr zu leiden Auch von Seiten der Herrenstoffbranche, die ja hiesige Fabrikate mit Vorliebe verarbeitet, liegen keine bedeutenden Orders vor, sodaß in letzter Zeit verschiedentlich Produktions reducirungen vorgenommen werden mußten. Ebensowenig kann man von einem günstigen Stand des Garngeschästes selbst reden. Große Umsätze kaffen sich noch immer nicht erzielen Die Consumenten kaufen nach wie vor nur den nöthigsten Bedarf und lassen sich zu bedeutenden Ab schlüflen nicht bewegen Die Beschäftigung in den Für bereien und Appreturanstalten läßt infolge des innigen Verhältnisses, in welchem dieser Industriezweig zur We berei steht, gleichfalls zu wünschen übrig. Während diese Etablissements in den früheren Jahren um die jetzige Zeit mit Ueberstunden und mit Nachtschicht arbeiteten, sind die selben jetzt nur bei normaler Arbeitszeit voll beschäftigt. Die Beschäftigung in den Musterzeichnerateliers erstreckt sich noch immer in der Hauptsache auf die Vorbereitungen für die kommende Saison. — Vorigen Freitag zogen 110 Erholung su chende Kinder aus verschiedenen Orten Sachsens in das durch einen 22 Meter langen neu aufgeführten Mittelbau vergrößerte Bethlehemstift im Hütten grund erstmalig ein. Durch diesen Neubau wurde das seither vorhanden gewesene isolirt stehende Knaben- und Mädchenhaus zu einem großen Ganzen ver bunden. Die Bauleitung wurde durch Herrn Archi tekt Paul Lange in Leipzig bewirkt. — Der Zwickauer Wald in Weißenborner Flur wird als Waldpark umgestaltet. Um diesen auch von der Südseite aus zugänglich zu machen, soll ein in Marienthal gelegenes Pcivatgrundstück für 4000 Mark zur Herstellung emer Zugangsstraße er worben werden. — Mülsen St. Jacob, 17. Juni. Lebens gefährlich verunglückte gestern durch Absturz vom R. Schwalbe'schen Miethshause der Dachdeckergeselle Landgraf. Brüche und sonstige äußere Verletzungen hat der Bedauernswerthe nicht erlitten, doch stellten sich bald nach dem tiefen Falle Lungenblutungen ein, die besorgnißerregend erscheinen. — In Zwickau sprang am Sonnabend der Tags vorher wegen Sittlichkeitsvergehen zu 9 Monaten Gefäng- nitz verurtheilte jüdische Geschäftsinhaber K. aus einem Fenster des 2 Stockwerkes des dortigen Gerichtsgefäng- niffes. Mit zerschmetterten Gliedern wurde er aufgefunden. Der Tod trat alsbald ein. — In Zwickau soll aus dem Kohlenzehnten der Stadtgcmeindc, der jetzt voll zur laufenden Einnahme fließt, für die Zeit, wo der Kohlenabbau dort aufhört ein Zehntenfonds errichtet werden, dessen Zinsen den Kohlenzehnten als laufende Einnahme ersetzen. Darnach sollen zunächst bis 1903 jährlich 30,000 M. vom Kohlen- zehaten diesem Fonds überwiesen werden, desgleichen die Hälfte des die Summe von 175,000 M. übersteigenden Zehnten. — Ein Zweigbureau eröffnet unterm 1. Juli in Zwickau der Deutsche Bergarbeiterverband. Bekannt lich gehören die sächsischen Bergleute diesem Verbände gegenwärtig noch nicht an. Zwickau, 19. Juni. Gestern Abend um 6 Uhr wurde das hier stattfindende Gustav Adolf-Fest durch Glockengeläut eröffnet. Um 8 Uhr folgte die Be grüßungsversammlung, welche sehr zahlreich besucht war. Es sind einige hundert Delegirte zur Theil- nahme an dem Fest hier eingetroffen. — Zwickau, 17. Juni. Eine Schreckenskunde durcheilte gestern Abend unsere Stadt. Der 68 Jahre alte Lohnarbeiter Bernhard Feig war in angetrunkenem Zustand nach Hause gekommen und gerieth mit seiner Frau in Streit. Im Verlaufe desselben stach er sie so in die Seite, daß sie todt zusammenbrach. Die Frau, eine geborene Leonhardt, war 54 Jahre alt und stammt aus Eibenstock. Das Ehepaar hat 4 Kinder, zwei mün dige Söhne und zwei Töchter im Alter von 12 und 19 Jahren. Feig hat sein Opfer zuerst in der Küche beim Essen erdrosselt Er hat sie dann in die Kammer geschafft und hinter das Bett gestoßen. Auf das laute Hilferufen der Tochter kamen mehrere Hausbewohner in die Feigsche Wohnung, zogen sich aber, durch Feigs Drohung ein geschüchtert, alsbalv wieder zurück Doch sah eine Frau noch, daß er seinen Genickfänger in der Hand hielt. Mit dieser Waffe hat er auf dem Hausboden den verhängniß vollen Stich ausgMhrt. F. verließ eilig die Wohnung und seine Frau lief ihm nach bis aus den Hof ohne einen Laut zu verlieren, dort aber brach sie zusammen. Der Mörder floh zunächst nach dem Schillergrund, dann nach dem rothen Berg bei Park Heringsbrauerei, er soll auch noch in einem Reinsdorfer Restaurant gesehen wor den sein Die Frau verstarb bei dem Transport nach dem Stadtkrankenhaus. — ZWickait, 19. Juni. Der Handarbeiter Feig, der am Sonntag seine Ehefrau im Streit erstochen hat und dann flüchtig wurde, ist heute früh festgenommen worden. Er hat in der Zwischenzeit sich in der Um gegend von Zwickau umhergetrieben und wurde heute früh auf dem Heuboden des „Hotels zur grünen Tanne" hierselbst versteckt aufgefunden. Schutzleute führten ihn sofort in Gewahrsam ab — Dieser Tage büßte auf dem Bahnhofe zu Scheibenberg beim Zuschlägen der Coupeethür ein Kind eine Fingerspitze ein. Das Kind hatte im Bei sein der Eltern die eine Hand der Thüröffnung zu nahe gebracht und war infolgedessen bedauerlicherweise sehr rasch um das Glied eines Fingers gekommen. Das Jammergeschrei erregte selbstredend allgemeines Mitleid unter den Passagieren des Abtheils. Dem Schaffner war keine Schuld beizumeffen. — Geringswalde. In einer Stuhlfabrik sprang dem Arbeiter Müller aus Hermsdorf, welcher an der Kreissäge beschäftigt war, ein Stück Holz in's Auge, so daß dasselbe sofort auslief. Der Bedauernswerthe wurde einer Leipziger Klinik zugeführt. — Werdau. Ueber die große Feuersbrunst, welche das Schmelzersche Etablissement betroffen, ent nehmen wir einem Bericht der Er. Ztg. noch das Fol gende: In dem an der Werdauer Stadtgrenze auf Langen- heffener Flur stehenden, erst seit etwa 10 Jahren in Betrieb befindlichen, äußerst stabil und massiv gebauten Spinnerei gebäude der Firma Hugo Schmelzer war in der 5. Stunde im 4. Stocke in der Nähe des Seilganges aus bisher noch unaufgeklärte Weise, vermuthlich durch Selbstentzünd ung, Feuer ausgebrochen. Der sofort herbeigerufene, in der Nähe der Fabrik wohnende Prokurist der Firma ver suchte mit einigen durch das Ertönen der Nothpfeife her beigerufenen Arbeitern und Angestellten der Firma alsbald das Feuer mit Hilfe der mustergiltigen Feuerlölch-Einricht ungen zu dämpfen, was ihnen leider nicht gelang Das gierige Element fand der Nahrung soviel, daß es sich rasch über das ganze 4 Stockwerk, ca. 28 Fenster Front ausbreitete und die Flammen bald durch das Dach schlugen Die allarmirte Werdauer Freiwillige Feuerwehr war die erste am Platze und nahm' sofort mit der auf dem Platze erschienenen Langenheffener Freiwilligen Feuerwehr um fangreiche Löschungsarbeiten vor, welche sich jedoch bei der großen Ausdehnung, die das Feuer bereits genommen, als nutzlos erwiesen. Man mußte zusehen, wie der stolze Bau, eine der schönsten Fabriken Werdaus, dem gierigen Elemente zum Opfer fiel, und das Augenmerk auf Rett ung der anstehenden Niederlagen-, Contor- rc. Baulich keiten richten. Der in Elster zur Cur weilende, sofort telegraphisch benachrichtigte Besitzer fand bei seiner Ankunft in der 11. Stunde feine Fabrik als Ruine vor. Zur Löschung des Brandes waren auch zahlreiche benachbarte Feuerwehren zur Hilfe geeilt, brauchten jedoch nicht in Action zu treten. Durch den Brand der Fabrik, in welcher 27,000 Spindeln liefen, werden ca. 300 Arbeiter und Arbeiterinnen brodlos; sie werden jedoch bei dem hierorts herrschenden Arbeitermangel schnell anderwärts Beschäftigung finden Der Betrieb der Färberei, in welcher auch das Material für die Fabrik der Firma in Böhmen gefärbt wird, erleidet keine Unterbrechung, so ern die Dampfmaschine durch das Feuer nicht allzusehr ge litten hat und wieder in Betrieb gesetzt werden kann. Der Schaden ist ein sehr bedeutender — man spricht von ca. anderthalb Millionen Mark. Als hauptbetheiligte Versicherungsgesellschaft hört man die Magdeburgische nennen. Leider verunglückten heute früh zwei Arbeiter der Firma, der Maschinist Scherf, Ronneburger Straße wohnhaft, und der Arbeiter Wiedemann, welche sich im Souterrain der abgebrannten Fabrik zu schaffen machten. Sie wurden durch auf sie herabfallende Dcckentrümmer verschüttet. Letzterer ist mit leichteren Verletzungen davon gekommen, während der Erstere an den erlittenen schweren Verletzungen bald nach seiner Einbringung in das Stadt krankenhaus verschieden ist. Der Brand gewährte bei hereinbrechender Dunkelheit einen schaurig schönen Anblick und dürfte in Bezug auf Umfang dem Brande der Zwickauer Kaserne nicht nachstehen. Bis in die späten Nachtstunden wogte denn eine große Menschenmenge — aus fern und nah herbeigeeilt — auf der Landstraße. — Auf der Strecke Görlitz Löbau der sächsischen Staatseisenbahnen wurde der Bahnwärter Berndt vom Zuge erfaßt und ihm der Kopf abgefahren. — Auf schreckliche Weise hat sich ein größerer Junge in Neukirch verletzt. Er spielte M't einem Zündhütchen, das er zum Knallen bringen wollte Dabei sprang ihm ein Theilchen ins Auge und verletzte ihn derart, daß das Auge herausgenommen werden mußte — Eine Massenvergiftung des Fischbestandes im Eckartsbach bei Zittau ist vorgekommen. Von dem Pächter sind todte Speise-Forellen in großer Menge aufgefunden worden. Natürlich ist auch der Nachwuchs vernichtet, so daß der Pächter, der erst in diesem Jahre wieder 13000 Stück Forellenbrut ausgesetzt hatte, auf Jahre hinaus geschädigt ist. Es scheint, daß mit giftigen Stoffen versetzte Abwässer aus einem Hause durch einen Kanal in den Bach geleitet worden sind. — Beim Brande des Haugk'schea Gutes in Schönfeld bei Sayda sind auch 6 Kühe, 2 Ochsen, 4 Schweine, 1 Ziege und das Federvieh in den Flammen mit umgekommen. — Der bisherige Direktor des Borschußvereins Röhrsdorf bei Wilsdruff, Landrichter Gießmann, wurde wegen bedeutender Unterschlagungen (man spricht von über 40000 Mark) in seinem Amte in Haft genommen. Dieser Fall dringt in die hochacht bare Familie sehr viel Unglück. — Reichenbach, 16. Juni. Einen guten Fang machte unsere Polizei gestern Vormittag auf hiesigem oberen Bahnhofe. Dem betreffensen Schutzmann siel va selbst ein junger Mensch auf, den er anhielt und der sich auch als ein vielgesuchter Einbrecher entpuppte. Es war ein 1882 geborener Bursche Namens Eugen Görner aus Waldenburg, der zugab, innerhalb der letzten drei Wochen, seitdem er aus Waldenburg bei Glauchau weg war, in Eichlaide, Altwaldenburg, Niederfrohna usw., sowie in Oberreichenbuch, insgesammt in 10 Fällen, nächtlicherweile in Parterrelokale eingebrochen zu sein. Namentlich hatte er sein Augenmerk aus Restaurants, Materialläden usw gelenkt und dort Geld, Materialwaaren uiw, gestohlen; wofür ihn nun die gebührende Strafe ereilen wird. — Beim Wegreißen efiies alten Backofens in Oberoderwitz fanden drei Maurer in einem Topfe 181 Mk. baares Geld. Der jetzige Besitzer schenkte den Findern sofort 20 Mk. Das Geld ist jedenfalls von der schon seit Jahren verstorbenen Gattin des früheren Besitzers Heinze versteckt worden. Der Ehe mann der letzteren hat Ansprüche erhoben. Telegramme vo« Moiff'sche« Kuren« Wilhelmshaven, 19. Juni. Se. Maj. der Kaiser landete heute Vormittag von Helgoland kommend auf der Kaiserlichen Werft und bestieg hier den Hofzug zur Reise nach Oldenburg. Oldenburg, 19. Juni. Zur Beisetzung des G-oßherzogs Peter trafen heute Vormittag der Kaiser, Prinz Heinrich, Prinz Johann Georg von Sachsen und andere Fürstlichkeiten hier ein. Konstaulinv-tl, 19. Juni. In Smyrna sind außer den bereits gemeldeten 4 pestverdächtigen Fällen 2 neue Fälle an einem Armenier und einem Griechen festgestellt wocden. China. Paris, 19. Juni. Sümmtliche Morgenblätter geben übereinstimmend der Ansicht Ausdruck, daß die Lage in China überaus alarmirend und eine regelrechte Expedition notwendig sei. Die Blätter fordern die Regierung auf, sofort energische Schritte zu unter nehmen und die Schiffrevisionen in den asiatischen Gewässern und die Truppenmacht in Hinterindien zu verstärken. — Dem „Figaro" zufolge gab der chinesische Gesandte dem Minister des Aeußeren Lelcassc die formellsten Versicherungen, daß alle nöthigen Weisungen an die Behörden in Jünnan erteilt werden würden. Au den Bizekönig von Mnnan sandte der chinesische Gesandte folgendes Telegramm: Da es mir nicht möglich ist, nach Peking zu telegraphiren, nehme ich les auf mich, Sie aufzufordern, daß Sie Francois und seine Leute beschützen und deren Reise nicht hindern; andernfalls fällt die Verantwortung für das Leben aller dieser Franzosen auf Sie zurück. Sie wollen mir den Empfang dieser Depesche telegraphisch be stätigen. — Im Hinolick auf die Ereignisse in China hat der chinesische Gesandte die Soiree abgesagt, welche amFreitag zu Ehren der Regierung und des diplomatischen Corps stattfinden sollte. London, 19. Juni. Der Korrespondent des Daily Telegraph in Shanghai telegraphirt unter dem 18. d. M.: Ich erfahre von zuverlässiger Seite Folgendes: 5—6 Wochen vor dem Ausbruch der Unruhen erklärte dec deutsche Gesandte, Freiherr von Ketteler, in einer Berathung deS diplomatischen Korps mit Entschiedenheit, daß die von den Gesandten bis dahin getroffenen Maßnahmen unzureichend seien und daß sowohl zum Schutz- der Europäer in ganz China wie der Gesandtschaften in Peking Seitens der euro päischen Mächte energischere Schritte gethan werden müßten, sonst würde in Kurzem ein großes Blutbad unter den Christen angerichtet werden, und selbst die G.'sandtschaften würden nicht verschont bleiben. London, 19. Juni. Dem Reuterfchen Bureau wird aus Tfchifu vom 18. ds. gemeldet: Die Forts von Taku sind auf beiden Seiten des Flusses jetzt besetzt. Die Chinesen eröffneten am 17. das Feuer in unerwarteter Weise. Die Verluste der Truppen der vereinigten Mächte sind folgende: Engländer: 1 todt, 4 verwundet; Deutsche: 3 todt, 7 verwundet; Russen: 16 todt, 45 verwundet; Franzosen: 1 todt, 1 verwundet. Die bei Taku liegenden chinesischen Torpedoboote wurden genommen. Daily Expreß meldet aus Shanghai vom 18: Eine amtliche Nachricht über den Kampf bei Taku besagt: Eine chinesische Granate brachte da? Pulver magazin des russischen Kanonenbootes „Mandschu" zur Explo ion. Das Boot flog in die Luft. Mehrere Blaujacken wurden getödtet und viele verwundet: Die Times meldet aus Shanghai vom 18. ds.: Die Forts von Taku eröffneten am 17. kurz nach Mitternacht das Feuer. Die britischen, französischen, deutschen, russischen und japanischen Kriegsschiffe er widerten dasselbe. Zwei Forts flogen in die Lust, die anderen wurden von den internationalen Truppen im Sturm genommen. Im Hafen von Tfchifu be finden sich jetzt 2 britische, 1 amerikanisches und 5 chinesische Kriegsschiffe. Madrid, 19. Juni. Die „Agence nationale" veröffentlicht ein Telegramm aus Shanghai vom 18. Juni, wonach die Gesandschasien zweimal nach einander von den chinesischen Trupp:n angegriffen wurden, aber beide Male wurden die Chinesen von den europäischen Truppen mit großen Verlusten zurückgeschlagen. London, 19. Juni. Die Morgenblätter sind dec Ansicht, die Großmächte müßten die Kaiserin für die von den Chinesen ausgesührte Ermordung von Europäern verantwortlich machen. „Älobe" erklärt, d.e Absetzung und Verbannung der Kaiserin und die Wiedereinsetzung des Kaisers seien die einzigen Maßnahmen, die China vor der Zerstückelung retten könnten; das sei jetzt der Haupt punkt der ganzen Schwierigkeiten. Sollte Rußland für die Beibehaltung der Kaiserin eintreten, so müsse England die Sache in ganz anderen! Geiste behandeln, als in dein, der Rußland gestattete, die herrschende Stellung in Nordchina einzunehmen. Lottvon, 18. Juni. Dein Beiatzungskorps der europäischen Mächte hat sich ein Vertreter der „Times" «»geschlossen, dessen Berichte reichen bis Mittwoch Da nach trafen die Besatzungstrnppcn am Sonntag Abend in Lofa, einer Station zwischen Tientsin und Peking, von beiden Orten einige 50 Kilometer entfernt, ein und übernachteten. Bis dahin war die Bahnstrecke nicht sehr beschädigt und von den Boxers nicht viel zu sehen; man land indessen einige Leichen mit abgeschnittenen Köpfen und sonstige Spuren des Gefechtes, das der deshalb ge tadelte General Nieh ein paar Tage vorher bei Losa mit den Boxers gehabt hatte. Am Montag Morgen ging die Expedition, eine Spitze vorauf, während der Zonder- zug mit dem Gros folgte, langsam weiter Die Be schädigungen des Bahnkörpers wurden immer erheblicher, die Schienen waren weite Strecken ausgerisscn, die Schwellen verbrannt, die Telegraphenstangen umgestürzt und der Draht entfernt; auch wurden bald kleinere Schaaren von Boxers sichtbar, die aber beim Heranuahen der Truppen Reißaus nahmen. Na hmittags traf die voraufgehende Spitze, die aus 16 Mann von der Be satzung des britischen Schlachtschiffes „Eenturion" bestand l2 Kilometer jenseits Lofa auf Boxers, die mit der Zerstörung der Strecke beschäftigt waren Auch sic suchten das Weite, aber 3 Kilometer weiter bemerkte die Spitze einen Trupp von 2000 Mann, darunter einige Berittene, die von einem Dorfe zur Lmken aus gegen die Bahnlinie vordrangen, offenbar in der Absicht, die Spitze abzuschneiden. Sie waren meist mit Speeren und Schwertern, nur ganz vereinzelt mit Gewehren bewaffnet Obschon die Leute der Spitze 20—30 Boxer in den Sand streckten, ließen diese von ihrem Vorhaben nicht ab, sondern drängten über den Bahnkörper hinüber. Jetzt aber marschirten vom Gros aus Ver stärkungen heran, und als die Boxers zwischen zwei Feuer ger Lethen, zogen sie sich mit einem Verlust von 35 Todten zurück, von den fremden Truppen eine Strecke weit verfolgt. Am Mittwoch haben die Entsatzungstruppen Langfang, 22 Kilometer von Peking entfernt, in unaufhörlichen Kämpfen mit den Boxers erreicht. Sümmtliche Bahnhöfe auf dem Wege nach Peking waren in Brand gesteckt. Vermischtes * Danzig, 15. Juni. Am 25. April d. Js. wurde von dem Schöffengericht in Zoppot der Post direktor a. D. Karl Koch aus Zoppot in einer dort viel besprochenen „Katzenmord"-Sachs wegen Sach beschädigung zu 70 Mark Geldstrafe verurtheilt. L. hatte im Thorwege, welcher zu seinem Garten führte, eine Falle aufgestellt, um Katzen, die sich dort vielfach wildernd umhertrieben, einzufangen, welche er durch Ertränken in einer Tonne tödtete, denen er dann zum Theil Kopf und Füße abhackte, worauf er sie in seinem Keller aushängen ließ, um seinem Dienst mädchen die Verwerthung der Felle zu ermöglichen. Von sieben Besitzern der getödteten Katzen war darauf gegen K. Strafantrag gestellt worden. Gegen dieses Urtheil hatte Koch Berufung eingelegt. Zu seiner Vertheidigung führte er an, daß cr von den Katzen sehr belästigt worden sei und daß er kein andere« Mittel gegen diese Plage gewußt habe. Die Strafkammer de« hiesigen Landgerichts, die sich mit der Sache als Berufungsinstanz beschäftigte, erkannte auf Freisprechung. Das Gericht nahm an, daß dem Angeklagten das Bewußtsein der Rechtswidrigke t seiner Handlungsweise gefehlt habe. * Born BLikergesellen zum vr. pkll. In Wien ist dieser Tage ein ehemaliger Bäckergehilfe zum Doktor der Philosophie promovirt worden. Der neue Doktor heißt Constantin Horna, sein Hauptsach wird die klassische Philologie bilden. Sein Lebenslauf weist interessante Einzelheiten auf. Horna wurde im Jahre 1869 in Saaz (Böhm-n) als Sohn deS gleichnamigen Bäckermeisters geboren, der ihn nach Vollendung deS Bolksschulunterrichts dem Bäckergewerbe zuführte. Drei Jahre war er L.drling und dann vier Jahre hindurch Gehilfe. Die letzterwähnten vier Jahre benutze er zum Selbststudium in den Gegenständen der vier unteren Gymnasialklassen, und zwar ohne Lehrer, sondern lediglich als Autodidakt in der Weise, daß er die Gegenstände gleichzeitig mit einem die betreffenden Klassen besuchenden Gymnasiasten erlernte. Er bestand mit sehr gutem Erfolge die Aufnahmeprüfung des Gymnasiums und dann nach weiteren vier Jahren die Abiturientenprüfung mit Auszeichnung. In seinen Stu dienzeiten war er thatsächlich bei Nacht Bäcker und bei Tage bei den Büchern. Nach dem Abiturium be zog er zunächst die deutsche Universität (philosophische Fakultät) in Prag und dann dieselbe Fakultät der Wiener Universität. In den letzten zwei Jahren als Hilfslehrer am deutschen Staatsgymnasium für Latein, Griechisch und Deutsch thätig, legte er inzwischen in Wien das Rigorosum ab. Dieser Tage erhielt der ehemalige Bäckergehilfe aus Saaz den heißersehnten Doctorhut und hatte die große Freude, seine betagten, aber noch rüstigen Eltern an seinem Ehrentage an wesend zu sehen. * Der «»gehaltene Etsenbahuzug. Aus Senn- heim im Obec-Elsaß wird geschrieben: Es wird oft die Frage aufgeworfen: Könnten Raupen e inen Eisen bahnzug anhalten!? Und doch ist es Thatsache! Ja, nicht nur einmal, sondern mehrere Male ist der Fall letzte Woche eingetreten, und einmal mußte ein Güter zug aogekovpelt und in zwei Theilen nach Station Sennheim befördert werden. Nach Feststellung an Ort und Stelle handelt es sich freilich um keine Raupen, sondern um jene eigenthümliche Gattung, welche den Uebergang von Krebsen zu Insekten bildet und zwar um den sogenannten Tausendfuß oder Viel- fuß Oulius tcrL8trw), welcher 2,5 bis 4 cm lang, schwarz-grau, auf dem Rücken mit zwei gelblichen Längsstreifen versehen ist und mehr als 100 Beine besitzt. Diese Thierchen, welche sich unterhalb des Bahnwärterhäuschens Nr. 4 in den auf dem Bahn körper aufgeschichteten Steinen zu Millionen aufhalten, krochen von 7 Uhr abends an, in einer Länge von 1 Icm aus die Geleise, woselbst sie in Häufchen von 5 cm Höhe während der Nacht hindurch bis gegen 8 Uhr morgens verweilten. Verwandte dieser Wesen sind die in Tropenländern so gefürchteten Skolopender. * Konitz. Seit Montag bietet die Stadt, so schreibt der „Grand. Ges.", das Bild einer kleinen, ruhigen Garnison, in der Alles seinen geregelten Gang geht, der solide Bürger, der sonst wohl als eisriger Geschäftsmann den Tag über sein Haus nicht verließ, ist allerdings jetzt wohl eher zu einem Frühschoppen geneigt, um zu sehen und zu hören, was denn „Neues" passirt sei. Das Hauptinteresse nimmt zur Zeit die vom Obermeister Hoffmann an den Untersuchungs richter Dr. Zimmermann gerichtete Eingabe in An spruch. Fleischermeister Adolf Levy wird sich die schweren Beschuldigungen Hoffmanns in dessen langer Eingabe, worin Letzterer den Levy nnd dessen Sohn Moritz des Mordes an dem Gymnasiasten Winter zeiht, nicht gesallen lassen und hat bereits die Be leidigungsklage erneut gegen Hoffmann einleiten lassen. Dadurch wird ja nun doch die Gelegenheit geboten, den Levy zn dec Mordsache gerichtlich und eidlich zu vernehmen. Neuerdings ist Martha Hoffmann, die älteste Tochter des Fleischermeisters Hoffmann, wieder holt vernommen worden. Die Untersuchungsbehörde hat dem Mädchen, das aus Petersburg kam, wo es als Kind.rfränlein thätig war, untersagt, Konitz zu verlassen. — Der Regierungspräsident Horn aus Marienwerder weilte Mittwoch mehrere Stunden in Konitz. Er hacke mit dem Landrath Freiherrn von Zedlitz nnd dem Bürgermeister Deditius sowie einigen Stadträth'n eine längere B.yprechunz, u. A. auch wegen der zerstörten Synagoge. Vor der Hand soll das Gebäude nicht ansgebessert werden. Den Inden bleibt nichts weiter übrig, als zu den Gottesdiensten die benachbarte Synagoge zu besuchen. — Wie sehr auch der Kaiser Interesse an dec Könitzer Untersuchung hat, geht daraus hervor, daß er sich des Oefleren über den Stand derselben Vortrag halten läßt. Zn oiesem Zweck wird von hier ans täglich an daS Ministerium des Innern Bericht gesandt werden. Aus Konitz wird gemeldet, daß die dort an- weseadcn auswärtigen Journalisten auf höhere Weisung hin ausgewiesen werden sollen. Die Vertreter der Presse sind zur Polizei citirt worden, um binnen 24 Stunden den Nachweis ihrer preußischen Staats angehörigkeit zu erbringen. * Konitz, 18. Juni. In Folge der Ruhe während der letzten Tage ist die militärische Besatzung im Laufe des Sonnabend von Konitz theilweise in ihre Garnison Graudenz abgerückt. Indessen waren für den Sonntag umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen vor gesehen. Der Betrieb der Gastwirthschaften erleidet keine Beschränkung. Der im benachbarten Czersk an gesetzt gewesene Jahrmarkt mußte auf Anordnung des Landralhs v. Zedlitz ausfallen; eine Eingabe an den Minister des Innern wurde abgelehnt. Die Syna goge wurde durch Militärposten abgesperrt. Es ver lautet, daß die 11. Kompagnie in Kürze bis aus eine stärkere Wache ach und nach Konitz wieder verlassen soll. Die Zahl der wegen Betheiligung an den letzten Straßenunruhen vom Gymnasium verwiesenen Schüler soll 13 betragen. Fleischermeister Lewy und sein Sohu Moritz gehen trotz dec ruhigen Haltung der Bürger schaft nur in militärischer Geleitunq aus hrem Hause. * Die grötzte Kohlengrube nicht nur von Obcrschlesien, sondern der ganzen Welt wird die dem Grafen von Tiele-Winckler gehörige Grube „Prinz von Preußen" bei Miechowitz (Beuchen O.-S.) werden. Nachdem das Bohrloch bis aus 1000 Meter nieder^
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