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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 24.05.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190005249
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19000524
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19000524
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-05
- Tag 1900-05-24
-
Monat
1900-05
-
Jahr
1900
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 24.05.1900
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zu Mahon gestoßen und leistete diesen werthvolle Hilfe. Die englischen Verluste betrögen etwa 30 Mann, vie Verluste der Buren sind schwer. Ueber die Lage in Pretoria und über den Erfolg der Burenmission in Nordamerika ist zu melden: Prätovia, 21. Mai. (Meldung des Reuter- schen Bureaus.) In einer unter freiem Himmel ab- gehaltrnen Versammlung, an welcher zweihundert Personen beiwohnten, wurde über die Sachlage im Falle einer Belagerung Pretorias berathen. ES wurde ein Komitee eingesetzt, welches für die Sicherheit der Frauen und Kinder Sorge tragen soll. Gleichzeitig wurde der niederländische Consul aufgefordert, seiner Regierung zu rathen, daß sie zum Schutze der nieder ländischen Unterthanen die nöthigen Maßregeln ergreife. Washington, 22. Mai. Die Burenoelegirten wurden heute Vormittag inofficiell vom Präsidenten Mac Kinley empfangen. Als das Gespräch auf den Präsidenten Krüger kam, bestätigte Mac Kinley die von den Delegirten geäußerte Annahme, daß Amerika nicht interveniren könne, mit dem Hinweis, daß sein erstes Vermittelungsanerbieten von England zurück gewiesen worden sei. Nöwyort, 22. Mai. Dem „Newyork Herald" wird aus Washington gemeldet, die Mitglieder der Burenmission hätten geäußert, sie würden, wenn ihnen von Mac Kinley die Erklärung des Staatssekretärs Hay bestätigt würde, sich direct an das amerikanische Volk wenden, um die Regierung zu zwingen, so vor zugehen, wie sie es wünschte. Aus Kapstadt wird gemeldet, unter den fortschritt lichen Holländern in Transvaal sei eine Bewegung im Gange, Krüger und dessen Regierung abzusetzen und als dann Roberts die Unterwerfung Transvaals anzubieten Der „Liverpool Post" wird von besonderer Seite ge schrieben: „Die Meldung, daß Krüger im Hinblick auf den Frieden um Einstellung der Feindseligkeiten ersucht habe, ist nicht unwahrscheinlich. An wohl informirten Stellen hatte manerwartet, Krüger würde in dem Augen blicke, da die englischen Truppen Transvaal erreichen, versuchen, Verhandlungen anzuknüpfen. Diese Möglich keit hat man vorhergesehen und dafür Vorkehrung ge troffen. Auf Grund einer hohen Autorität kann ich ver sichern, daß der Waffenstillstand nur unter der Bedingung vollständiger Uebergabe gewährt werden wird. Die Buren müssen die Waffen niederlegen und in ihre Heim stätten zurückkehren; alle Foits, die Artillerie und die Waffen im Besitz der Buren müssen übergeben werden Ob Krüger schon bereit ist, solchen Bedingungen zuzu stimmen, ist schwer zu sagen. Man erwartet nicht, daß die englische Regierung sich in Erörterung der Bedingungen eines politischen Friedensschlusses einlassen wird, ehe der Krieg vorüber ist. Krüger darf kaum erwarten, daß Transvaal seine alte Unabhängigkeit zurückerhält. Doch wenn er bereit ist, die britische Oberhoheit und den Status einer freier», sich selbst verwaltenden Colonie anzunehmen, so kann man sich leicht über die weiteren Bedingungen einigen. * * * * Von der „Weiberplage" an der Front. Die blutgetränkten Schlachtfelder Südasrikas üben eine unbegreifliche Anziehungskrast aus die mit ziemlich starken Nerven ausgerüsteten Töchter John Bulls aus, die — wie erst kürzlich mitgetheilt wurde — seit Monaten en mässe nach dem fernen Kriegsschauplatz absegeln. Sie verzichten in diesem Jahre lieber auf den Aufenthalt im fashionablen Bade, als daß sie sich die Gelegenheit entgehen ließen, wenigstens die Spuren der Kriegsgreuel aus allernächster Nähe zu schauen. Die Mehrzahl der „asrikatollen" Britinnen gebraucht den Vorwand, einen nahen Verwandten im Lazareth besuchen zu wollen oder sich auch nur die Stätte zeigen zu lassen, an der ein theurer Bruder oder Vetter gemeinsam mit vielen Kameraden für immer von den Strapazen und Schrecken des Feldzuges ausruht. Nicht wenige Frauen aber suchen es durchzusetzen, als Pflegerinnen in den Hosp tälern angestellt zu werden, und diese „Lady-Nurses" sind das Entsetzen aller Aerzte und Verwundeten. Der in letzter Zeit viel genannte Londoner Chirurg Mr. Treves, der von seiner nervenangreifenden Thätigkeit als Stabswund arzt bereits zurückgekehrt ist, spricht in seinem neuesten Artikel im „Medical Journal" viel von der Süd afrika heimsuchenden Wsiberplage, wie er sich aus drückt. Er betont jedoch zu wiederholten Malen, daß er die wirklich kompetenten Pflegerinnen, deren Auf opferung, Geduld und Umsicht ihn mit höchster Be wunderung erfüllten, auf te'nen Fall hätte missen mögen, daß sie ein Segen für die Kranken seien usw. Desto schärfer aber verurtheilt er die Schaar jener lästigen Weiber, die nur in dem Bestreben, von sich reden zu machen und ihre von wenig Zartheit des Gemüths zeugende Neugier zu befriedigen, die weite Seereise und die Unbequemlichkeiten, ost sogar Ge fahren, denm sie in unmittelbarer Nähe des KriegS- theaterS au-gesetzt sind, nicht scheuen und überall auf tauchen, wo man sie weddr wünscht noch braucht. Zum großen Verdruß der befehlShabenden Offiziere lenken die LadieS durch Arrangiren von Picknicks und allerlei Belustigungen die Soldaten von ihren Pflichten ab, und verschiedene skandalöse Vorgänge zwangen die Autoritäten zu ganz energischem Einschreiten. Die sonderbaren Vorkommnisse und Situationen, zu denen de im Süden des dunklen Erdtheils umherschwär menden „Gentlewomen" Anlaß geben, entbehren manch mal nicht einer gewissen Komik. So sollte unlängst eine in London den besten Kreisen angehörende Mrs. W...., der es gelungen war, einen Posten als „Nurse" in einem Hospital zu erhalten, per Schub nach der Küste gebracht werden. Die „Dame" hatte eine auffallende Vorliebe für den guten alten Brandy bekundet, den man im Lazareth für die Patienten hielt, und eines Tages wurde sie in total betrunkenem Zu stande von einem Polizisten von der Straße auf gelesen. Man führte sie bald darauf zur Bahnstation, damit sie den nächsten Zug nach Durban benutzen konnte. Da noch mehrere Stunden bis zur Abfahrt vergehen mußten, bot ihr der Stationsvorsteher sein Wohnzimmer an. Als dann der Zug zur Abfahrt bereit stand, erschien der Beamte, um sie zu benach richtigen. Zu seinem Erstaunen sand er das Gemach leer. In einer Ecke bemerkte er aber die Sachen der Lady, und in das anstoßende Schlafzimmer tretend, erblickte er den seltsamen weiblichen Passagier in seinem eigenen Bett und — in seinen eigenen Schlasunter- hosen. Es blieb dem guten Mann nichts übrig, als die süß schlummernde Britin zu wecken und ihr so schnell als möglich wieder in ihre Kleider zu helfen. Aus Paris. K. O. Paris, 20. April. Rastlos geht es vorwärts auf der Ausstellung und jeder neue Tag ist dazu angethan, auch die letzten Zweifel zu verscheuchen, die sich zuerst, noch bei Er öffnung der Ausstellung, an dem geringen Maße der Fertigstellung und Vollendung in den einzelnen Ab- theilungen knüpften. Durchschnittlich wird die Aus stellung von 90 bis 100 000 Personen, und die beiden Dependencen in den Vororten zusammen von 3 bis 5000 Personen besucht. Mit diesen Ziffern, die na türlich noch lange nicht auf die Frequenzzahl der Be sucher während der Hochsaison schließen lassen, dürften Frankreich und namentlich die Pariser zufrieden sein. Trotzdem noch überall die Werkzeuge rüstig in Anwendung sind, läßt sich doch schon erkennen, daß diese Ausstellung durch die Fülle ihrer Darbietungen und die entfaltete Pracht alle ihre Vorgängerinnen überbieten wird. Es wird in der That die Bilanz eines technisch und wissenschaftlich ain höchsten ent- wickelten Zeitabschnittes sein, die Kraftleistungen von Hirn und Hand sollen hier glänzend und machtvoll in Erscheinung treten. Schon heute läßt sich behaupten, daß das deutsche Reich hierbei auf den meisten Ge bieten eine erste Stelle einnehmen wird, in den wichtig sten Zweigen, wie Maschinenwesen, Elektrizität, Che mie, sogar die erste Stelle überhaupt. An Kraftverbrauch wurden 20000 Pferdestärken in Betracht gezogen, die nöthigenfalls verdoppelt werden können. Die Weltausstellung vom Jahre 1889 ver fügte nur über 5000 Pf.-St. Von diesen 20000 sind 15000 sür Beleuchtungszwecke und 5000 für Maschinenbetrieb bestimmt. Hierzu werden stündlich 200000 Liter Wasser in Dampf verwandelt. Zwei monumental gestaltete Schornsteine von je 80 Meter Höhe dienen zum Abzug des Rauches, der zuvor durch ein umfangreiches Kanalsystem geht. Die bedeutende, für Beleuchtungszwecke erforderliche Kraft wird leicht begreiflich, wenn wir die großartige Beleuchtung in Betracht ziehen. Das allerdings nicht sehr geschmack volle Hanptthor all in weist 3116 Glühlampen, sowie zahlreiche Bogenlichter und Scheinwerfer auf; der Pa last der Elektrizität 5000 Glühlampen, 8 Bogenlam pen, alles in bunten Farben, und 4 Scheinwerfer. Das diesem vorgelagerte Wasserschloß 1100 Glühlam pen und Bogenl npen, die nachts den von einer Höhe von dreißig Meter herabstürzenden Wasserfall in farbigen Lichtern erstrahlen lassen. Der Eiffelthurm, der in seiner schlanken Behäbigkeit den Hauptanziehungs punkt auf dieser Ausstellung bildet, erscheint in seiner Höhe von dreihundert Meter mit unzähligen Glüh lampen besetzt; der große, in der früheren Maschinen halle eingebaute Festsaal erstrahlt von 5000 Glüh lampen und Bogenlichtern. Ziehen wir noch in Be ¬ tracht, was die zahlrricheu anderen Bauten, Hallen und Straßen an Licht beanspruchen, so wird uns dieser große Auftvank leicht erklärlich. Bei den Ktakt- und Beleuchtungsanlagen nimmt Frankreich, wie überhaupt in allen AusstellüngS- gruppen, ungefähr die Hälfte für sich in Ansprüche Frankreich zunächst folgt Deutschland. Hier sei vor allem die von A. Borsig ausgestellte und in Betrieb befindliche stehende dreifache Expanfions-Dampfma schine von 2500 Pferdestärken erwähnt, verbunden mit einer Dynamomaschine von 2000 Pf.-St. der Berliner Firma Siemens und Halske. Neben diesem Zwilling- Goliath wirken deutscherseits noch einige Maschinen bei der Herstellung der nöthigen Kraft für den Be trieb mit. Gute Dienste leistete bei der Aufrichtung dieser Maschinen der von Karl Flohr in Berlin ge lieferte Riesenkrahn von 25 Tonnen Tragkraft, der ebenfalls einen der bemerkenswerthesten Ausstellungs gegenstände bildet. Ganz besondere Effekte, an denen im übrigen die Ausstellung überreich ist, werden hier noch durch die, geradezu gewaltig zu nennenden Wasserkünste erzielt, über die an dieser Stelle auch einige Worte gesagt werden müssen. Die Hauptkaskade dieses Kunstwerks, das sich in der Nähe des Trocadeio befindet, ver braucht in der Stunde die Kleinigkeit von 200000 Liter Wasser. Das Wasser wird durch eine am linken Seineufer aufgestellte Pumpenstation aufgesaugt. Diese Pumpstation ist ein Gebäude von 500 Meter Länge und 30 Metern Breite; es befinden sich in derselben vier Elevatoren, die paarweise arbeiten. Im Innern des Gebäudes befindet sich ferner in einer Höhe von fünf Metern ein Kupferbalkon, der die vier Wände entlang geht und dem Publikum einen Einblick in die Thätigkeit der Elevatoren gewährt. Die Dampf maschinen, die die Elevatoren treiben, sind in einem Nebenraum untergebracht, in welchen den Publikum jedoch der Eintritt wegen der Gefährlichkeit nicht ge stattet ist. Alle, die jedoch auf der Ausstellung nicht nur Belehrung, sondern auch Vergnügen suchen, finden letzteres besonders auf dem großen Riesenrad, nach Art der russischen Schaukel, das sich am Westende des Marsfeldes befindet. Ueber die Größe des Rades mögen folgende Zahlen orientieren: Der Durchmesser beträgt 93 Meter, an der Peripherie sind 40 elegant eingerichtete Pavillons angebracht, die man sich als Lese- oder Restaurationszimmer zu denken hat. Zu seiner Umdrehung, welche mittels eines elektrisch be triebenen Drahtseiles erzeugt wird, gebraucht das Riesenrad 20 Minuten, während welcher Zeit man Muße genug hat, sich in aller Gemächlichkeit die Aus stellung und ganz Paris aus der Vogelperspektive zu betrachten. Dos G sammtgewicht dieses Riesenrades beträgt die Kleinigkeit von 1191100 Das dürste wohl genügen! — Von neuen großen Ausstellungsobjekten dürste als ein ganz besonders interessantes Stück ein großer Himmelsglobus hervorgehoben werden, der in der astronomischen Abtheilung untergebracht ist. Dieses Prachtinstrument stammt aus der optischen Werkstatt von Galeron und enthält in seinem Inneren einen Musikapparat, der durch die Bewegung der einzelnen Sterne, — es sind gegen 1200 bewegliche Sterne angebracht — durch welche sich die Erde in Be gleitung des Mondes hindurchschlängelt, in Aktion tritt. Die instrumentale Abstimmung des Musikappa rates ist in Einklang mit dein Harfenton gehalten. Der Apparat selbst funküonirt äußerst genau und zeigt die verschiedensten Stellungen der Erde im Welt raum an. Wer sich über Astronomie informieren will, dem ist die Besichtigung dieses vorzüglichen In struments nur entschieden anzurathen. Von dieser Sphärenmusik der Himmelsmusik bis zu den Eß- und Trinkgelegenheiten eines elektrisch be triebenen, automatischen Restaurants ist freilich ein Riesenschritt, allein wer die Ausstellung besucht, muß sich auch daran gewöhnen, gelegentlich einmal Riesen schritte zu machen. — In diesem Riesenrestaurant — oder vielmehr Oranäe Lrasserie, wie es hier heißt — giebt es nicht nur, wie bei uns in Deutschland, Bier und belegte Brvdchen, sondern auch Pasteten, warmen Braten, Cvinpots rc. Die Preise sind ver- hältnißmäßig recht mäßig und kann man sich ein ganz gutes Mittagsessen für 1,50 M. leisten, das sich etwa folgendermaßen zusammen stellen würde: Ragout ttu lapin (30 ctm.), Uoeut ä la motte (40 ctm.), Käse (10 otm.), Lalä mit Rum und Gebäck (20 ctm.), eine halbe Flasche Wein (40—50 ctm.) Wem läuft da nicht das Wasser im Munde zusammen? Also nochmals: Geld braucht man wohl zum Besuch der Ausstellung, aber so schrecklich viel, wie man in Deutschland immer denkt, ist keineswegs von nöthen! — * * * In der (nicht- weniger als deutschfreundlichen) „Daily Mail" veröffentlicht ein gleichgesinnter Jour nalist folgenden Herzensschrei: „Die Deutschen sind nach ihrer Gewohnheit wieder allen andern voraus. In der That, ich möchte die große Rolle, die sie auf der Pariser Ausstellung spielen, als das vielsagendste Zeichen der Zeit hinstellen. Der Kaiser erntet endlich einige Früchte seiner Versöhnungspolitik gegen Frank reich. Man muß es hier eingestehen, daß er bei all seinen Ideen, die uns so oft überraschen und entrüsten, in diesem Falle mit Ausdauer und Erfolg seinen Zweck erreicht hat, mit dem Erfolg, daß die Deutschen die zahlreichste Besucherschaar bilden und die deutschen Erzeugnisse mehr ins Auge fallen, als die irgend einer andern Nation. Ich will ein vielsagendes Beispiel an- sühren. In der SchiffahrtSabtheilung sollte jedermann England am stärksten vertreten erwarten. Doch jeder Besucher könnte die Ueberzeugung davontragen, daß die wirklich große Seefahrernation der Welt Deutsch land ist. Zwei Gebäude stehen nebeneinander, das eine groß, schön, imposant, das andere klein, niedrig, halb versteckt. Das erste gehört den Deutschen, daS andere repräsentirt die Schifffahrt Englands, der Herrin der See.... Andere Abtheilungen gewähren dasselbe Bild. Unter den Maschinen hebt der große Krahn aus Berlin englische Güter. Deutsche Dynanomaschinen erzeugen zwei Drittel der elektrischen Beleuchtung des Ausstell ung. Wer gut essen will, geht am besten in das geräumige deutsche Restaurant in der Rue des Nations. Und hier erlebte ich eins der merkwürdigsten und un glaublichsten Dinge dieser Zeiten, wo alles druuter und drüber hergeht. In diesem Restaurant ist nicht nur alles deutsch, sondern alle Augenblicke hörte ich aus den vielen Speiscsälen das „Hoch hoch, hoch!" und Hellen Gläserklang und alle anderen Ausdrücke ungetrübter, voller deutscher Festesfreude. Und die Seine floß wenige Meter von diesen Deutschen — Siegern im Frieden wie im Kriege." L«,eSj,eschtchte. Ae«tfche» K-ich. Crouberg, 21. Mai. Der Kaiser ist heute Mittag in Begleitung des Staatssekretärs Grafen von Bülow und des Generals Plessen hier eingetroffen und von der Kaiserin Friedrich empfangen worden. Die Majestäten begaben sich sofort nach dem Schlosse Friedrichskron. Aus Wiesbaden schreibt man der „Fr. Zt.:" Der Kaiser bewegt sich hier recht ungezwungen. Bei einem Spazierritt im Walde trat ein alter Invalide an ihn heran, ein Bittgesuch überreichend, das der Monarch persönlich in Empfang nahm. Er unte hielt sich mit dem Bittsteller und gab dann das Schreiben dem Adjutanten. — Während der Kaiserparade haben die Taschendiebe gute Ernte gehalten. Besonders ver schiedene Damen vermissen Uhren, Geldbörsen rc. — Zu Ehren des Geburtstages des Kaisers von Ruß land fand eine größere Tafel statt. Der Kaiser trank auf das Wohl des Zaren. Sonnabend Abend besuchte der Kaiser die prächtige Aufführung des „Fra Dia- volo", Sonntag die des „Oberon". Der russische Botschafter Graf Osten-Sacken blieb auf kaiserlichen Wunsch in Wiesbaden, wo auch Prinz und Prinzessin Heinrich von Preußen angekommen sind. Den preußischen Landwirthschaftskammern ist die Mittheilung zugegangen, daß neuerdings in der Provinz Schlesien gemachte Erfahrungen zu der Annahme be rechtigten, daß die Heranziehung italienischer Arbeiter geeignet erscheine, zur Beseitigung des in der Land- wirthschaft hervorgetretenen Arbeitermangels mit Erfolg beizutragen. Da nationalpolitische Bedenken (wie bei den russisch-polnischen und galizischen Arbeitern) nicht entgegenständen, so entfielen bei diesen Arbeitern auch die Gründe für eine zeitliche Aufenthalts-Beschränkung. Bei der Anwerbung italienischer Arbeiter könne ferner behufs wohlwollender Förderung etwaiger Sonder wünsche die behördliche Mitwirkung im Auslande seitens der Reichsregierunq in Aussicht gestellt werden. Verschiedene Landwirthschaftskammern haben denn auch bereits die Sache in die Hand genommen, um sür ihre Mitglieder auf Wunsch italienische Arbeiter anzuwerben, da sich natürlich im einzelnen die Kosten um so niedriger stellen weiden, je mehr Arbeiter auf einmal angeworben werden. Als Maßregel gegen die Leutenoth hat das Centrum in der Budgetkommission des Reichstags zur Flotten vorlage eine Resolution eingebracht, welche die Oeffnung der Grenzen für den erforderlichen Zuzug fremdländischer Die Löwenmähne. Novelle von Lothar von Brenkendorff. (Nachdruck verboten) Am abendlich dunklen Strande des eleganten Seebades war es einsam und still. Selten nur tauchten die Umrisse eines lustwandelnden Pärchens zwischen den verlassenen Strandkörben auf. Leise und eintönig rauschten die auf das Gestade hinauf spülen den Wellen ihre immer gleiche, uralte Melodie. Aus den theilweise geöffneten, hell erleuchteten Fenstern des weiter landeinwärts gelegenen Kurhauses aber tönten in halb verwehten Akkorden lustige Tanzweisen her über, die wöchentliche „Reunion" war im besten Gange, und alle die poetisch veranlagten jungen Damen und Herren, die sonst um diese Stunde die Erhabenheit der schlummernden Meeresnatur anzu schwärmen pflegten, gaben sich heute da drinnen den er heblich reelleren und greifbareren Vergnügungen eines zwanglosen Balltreibens hin. Ein einzelner Sparziergänger von jugendlich schlanker Gestalt kam langsam über den elastischen, weißlich schimmernden Sand daher. Er trug den Hut in der Hand und die leichte Abendprise spielte in seinem kurz geschnittenen dunklen Haar. Sein hübsches Gesicht war von der krästigen Seelust tief gebräunt, und diese Bronce nahm sich recht gut aus zu dem weichen^ schwarzen-Bärtchen, das sein Kinn wie seine Oberlippe zierte. Den Blick auf die weite, hier und da matt pho-phoreScierende Wasserfläche hinaus gerichtet, und halblaut allerlei Motive aus Wagner'schen Opern vor sich hinsummend, hatte der junge Mann seiner Umgebung so wenig Acht, daß er höchst betroffen zurückfuhr, als unmittelbar neben ihm plötzlich ein leiser Ausruf des Erschreckens aus weib lichem Munde ertönte, und als er aus dem Strandkorb, den er im Vorübergehen vielleicht etwas unsanft ge streift hatte, ein weißes Frauengewand schimmern sah. Er murmelte eine verlegene Entschuldigung; jetzt aber war es ein Helles, fröhliches Mädchenlachen, das ihm Ant wort gab. Und nun war auch seine Befangenheit mit einem Mal dahin. „Sie sind es, Fräulein Jmgart!" rief er sichtlich erfreut. „Das ist ja eine sehr unerwartete Begegnung, denn ich glaubte Sie natürlich drüben unter den Tanzenden." „Dasselbe dachte ich von Ihnen, Herr Harders — und, wie mir scheint, mit etwas größerem Recht. Fürchten Sie denn nicht, daß man Ihnen diese Fahnenflucht sehr verübeln werde? „Eine solche Befürchtung ist mir in der That bis jetzt nicht gekommen. Ich bezweifle, daß es da drinnen jemanden giebt, der mich vermißt." „O, wie Sie heucheln können! Wahrscheinlich wollen Sie mich verführen, Ihnen den Namen der jenigen zu nennen, die Ihnen vor allen anderen Tänzern den Vorzug geben würde." „Wenn Sie doch endlich aushören wollten, mich mit diesem Fräulein Rochlitz zu necken! Ich versichere Ihnen " „Halt! Versichern Sie mir nichts! Ich begreife ja, daß es vorläufig Ihren Mannesstolz noch ein wenig verletzt, die Gunst der schönen Saisonkönigin nur dun Zufall einer Aehnlichkeit zu verdanken. Aber es wäre wirklich gar zu thöricht, wenn Sie diesen Zu fall nicht zu nutzen versuchten." Er hatte sich mit verschränkten Armen an den Strandkorb gelehnt, und seine Augen ruhten wohlge fällig auf dem frischen, jungen Gesichtchen unter der kecken Srrandmütze, das sich ihm ganz unbefangen zu gewendet hatte. „Und warum wäre es thöricht, Fräulein Jm gart? — Etwa weil Ihre Freundin eine reiche Erbin sein soll?" „Sie soll es nicht nur sein, sondern sie ist es wirklich. Verlassen Sie sich darauf! Aber das ist bei weitem nicht ihr einziger oder auch nur ihr größter Vorzug. Als ihre Gesellschafterin muß ich sie ja kennen, und ich kann Ihnen sagen, daß der Mann sehr glücklich sein wird, dem es gelingt, sie zu ge winnen. Schade nur, daß Sie Ihr Haar so kurz tragen und daß Sie nach Ihrer eigenen Versicherung so ganz unmusikalisch sind. Sie werden immerhin noch einige Mühe haben, Fräulein Hilde mit diesen Mängeln auSzusöhnen." „Sprechen Sie nun ernsthaft oder im Scherz? ES ist manchmal recht schwer, das bei Ihnen zu er kennen." „Ganz ernsthaft. Daß meine Gebieterin Sie so viel gnädiger behandelt als alle die andern jungen Herren, von denen sie hier umschwärmt wird, haben Sie, wie gesagt, vorläufig nur Ihrer wirklichen oder vermeinlichtenAehnlichkeit mit dem großen Wolkonski zu zuschreiben. Seitdem Hilde im verflossenen Winter diesen Violinvirtuosen gehört und gesehen hat, vermag sie ihr männliches Ideal nur noch in seine Gestalt zu kleiden. Und die Illusion würde jetzt eine viel lebhaftere sein, wenn Sie es ihm wenigstens in etwas gleichthun könnten." „Sie selbst theilen Fräulein Hildens Schwärmerei sür jenen Virtuosen natürlich nicht?" „Nein. Schon aus dem einfachen Grunde nicht, weil ich ihn nicht kenne. Ich habe seine Concerte nicht besucht und habe nichts von ihm gesehen als seine Bilder, die mir in ihr:r unmännlichen Süßlichkeit und Geziertheit keinen sonderlich sympathischen Eindruck ge macht haben. Wer da meint, seine Genialität durch eine ungeheure Löwenmähne, durch einen düsteren Blick und durch weltschmerzlich herabqezogene Mund winkel bekunden zu müssen, der mag ja ein recht guter Komödiant sein; ein echter Künstler aber, so wie ich ihn mir vorstelle, ist er jedenfalls nicht." „Aber wenn Ihnen auch Herr Wolkonski nicht gefiel, seine Musik hätten Sie sich doch vielleicht an hören können." Martha Jmgart schüttelte energisch das reizende Köpfchen. Fortsetzung folgt.
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