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Erscheint jeden Wochentag abends für den folgenden Tag und tostet durch die Austräger pro Quartal Mk. 1,40, durch die Poft Mk. 1,50 frei m's Haus. Inserat» nehmen außer der Expedition aucb die Austräger auf dem Lande entgegen, auch befördern die Annoncen- Expeditionen solche zu Originalpreisen. Anzeiger fAr Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Lugau, Hermsdorf, Gernsdorf, Langenberg, Falken, Langenchursdors, Meinsdorf, Rußdorf, Wüstenbrand, Grüna, Mittelbach, Ursprung, Erlbach, Kirchberg, Pleißa, Reichenbach, Callenberg, Tirschheim, Kuhschnappel, Grumbach, St. Egydien, Hüttengrund u. s. w° für den Verwaltungsbezirk des Stadtrathes zu Hohenstein-Ernstthal Orgcrn aller Gerneirröe-Verwalturrgerr der urnlregerröerr Mrtschafterr. Rr. 104. Dienstag, den 8. Mai 1900 50. Jahrgang. Bekanntmachung, die Anwendung von Sensenschuhen betr. Im Verkehrs- und sicherheitspolizeilichen Interesse wird hierdurch angeordnet, daß Sensen auf Straßen, Wegen und Plätzen, in Höfen, Hausfluren und anderen dem Verkehr dienenden Orten mit Sensenschuhen dergestalt zu versehen sind, daß letztere die Schneiden der Sensenmesser gänzlich umschließen. Die Sensenschuhe sind so fest anzubringen, daß ein Abgleiten derselben beim Tragen der Sensen unmöglich ist. Zuwiderhandlungen hiergegen werden mit Geldstrafe bis zn60 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen geahndet. Hoheufteiu-Erustthal, den 3. Mai 1900. Der Stadtrath. i. V.: W. Zeitzig. Ws. Bekanntmachung. In hiesiger Gemeinde soll ein Ceremoniemeifter angestellt werden. Bewerbungsgesuche nimmt der Unterzeichnete bis zum 16. ds. M. entgegen. Oberlungwitz, den 5. Mai 1900. Der Kirchenvorstand. Laube, Pf., Bors. Bekanntmachung. Am 30. April 1900 ist der 1. Termin Einkommensteuer fällig gewesen und bis zum 2«. Mai 1900 an die hiesige Ortssteuereinnahme abzuführen. Außerdem erfolgt die Einnahme am 9. Mai 1900, nachmittags 3 bis 6 Uhr im Restaurant Edelweitz und am 10. Mai 1900, nachmittags 3 bis 6 Uhr in Wustlich's Restauration. Nach Ablauf der bezeichneten Frist wird gegen Säumige das Beitreibungsverfahren eingeleitet. Gersdorf, 5. Mai 1900. Der Gemeindevorstand GSHler. Bekanntmachung. Es wird hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß die Abwalzung des 2. Traktes hiesiger Dorfstratze Donnerstag, den 3. dfs. Mts., mittels Dampfstratzenwalze erfolgt und ca, 10 Tage dauern wird. GerSdorf Bez. Zw., am 1. Mai 1900. Der Gemeindevorstand. Göhler. Bekanntmachung. Behufs Einzäunung hiesigen Eeutralschnlgrnndstückes sollen die zur Herstellung eines 150 Meter langen hölzernen StacketenzanneS mit eisernen Säulen erforderlichen Arbeiten einschließlich der Materiallieferungen vergeben werden. Avgebotsverzeichnisse können im hiesigen RatqhauS — Zimmer Rr. 3 — gegen Erstattung der Schreibgebühren entnommen werden und sind bis zum 12. Mai 1900 daselbst portofrei einzureichen. Gersdorf Bez. Zw., am 4. Mai 1900. Der Schulvorstand. GSHler, Vorsitzender. Deutscher Reichstag. Berlin, 4. Mai. Mit einer Ausdauer und mit einem Eifer kämpfen die Socialdemokraten für ihre zahllosen Abänderungs anträge zu dem Unsallversicherungsgesetz, die zu den praktischen Erfolgen, die sie erzielen, im ärgsten Mß- verhältniß stehen. Auch heute wieder schleppten sich vor schlecht besetztem Hause die zwecklosen Debatten über diese Anträge dahin, während draußen bei herr lichstem Wetter ungezählte, festlich geputzte Menschen massen sich durch die Straßen wälzten, um die Aus schmückung in Augenschein zu nehmen und den Kaiser besuch nebst den anderen hohen Gästen zu erspähen. Das Fazit der heutigen Sitzung ist wiederum die un veränderte Aufrechterhaltung sämmtlicher Kommissions beschlüsse und die Ablehnung aller Abänderungsanträge, unter denen sich auch einige des Frhrn. v. Stumm, für welche nur die Rechte eintrat, und einige der Antisemiten, denen nur die Socialdemvkraten zu stimmten, befanden. Die überwiegende Mehrzahl aber kam von den Socialdemokraten, die meistens ganz ohne Unterstützung blieben und sie nur ausnahmsweise bei den Antisemiten und einigen Freisinnigen fanden. ES ist menschlich nicht gerade verwunderlich, daß bei diesem Ausbleiben jedes Erfolges die Stimmung der äußersten Linken etwas gereizt wurde, was sich be sonders bei dem Abg. Stadthagen, dem Hauptwort führer der Socialdemokraten bei diesem Gesetze, geltend machte. Freilich ist ja dieser Herr, der wohl den deutschen Rekord in Beleidigungsprocessen hält, über haupt etwas leicht erregbar von Natur. Als er aber heute etwas über die Schnur schlug, da trat ihm Generaldirektor Rösicke, der ja sonst in Arbeiterfragen fast stets mit den Socialdemokraten geht, in so scharfer und entschiedener Weise entgegen, daß die bürgerlichen Abgeordneten aller Parteischattirungen sich um seinen Platz versammelten und ihm demonstrativen Beifall zollten. 8 6 mit seinen Unterparagraphen u—5 regelt, die im Falle des Todes des Verunglückten zu leistenden Entschädigungen. Das Sterbegeld wird auf >/iz des Jahresarbeitsverdienstes festgesetzt und das Minimum von 30 auf 50 Mark erhöht. Die Wittwenrente bleibt in Höhe von 20 Procent bestehen, da der von den Socialdemokraten beantragte Satz von 30 Procent abgelehnt wurde. Dagegen wird die bis zum 15. Lebensjahre zu zahlende Kinderrente von 15 auf 20 Procent erhöht nach Ablehnung eines Antrages Stumm, es beim Alten zu belassen. Die social demokratischen Versuche, die Kindercente bis zum 16. Lebensjahr und auch auf uneheliche Kinder auS- zudehnen, mißlangen. Bei dem Tode der Frau er halten der Mann und die Kinder nur dann eine Rente, wenn jene wegen Erwerbsunfähigkeit des Mannes ganz oder überwiegend den Lebensunterhalt bestritten hat, eine Bestimmung, gegen die die Social- demokraten ganz besonders leidenschaftlich, aber gleich falls vergebens, ankämpsten, indem sie darauf hin- wiesev, daß heute die Frauenarbeit durchaus gewöhn lich sei, auch im Falle der Erwerbsfähigkeit des Mannes und daß diese Frauenarbeit in den meisten Fällen für die Erhaltung der Familie nothwendig sei. Aszendenten und elternlose Enkel erhalten die Rente unter den gleichen Einschränkungen, doch darf der Gesammtbetrag aller Renten, wie bisher, 60 Procent des Jahresarbeitsverdienstes nicht übersteigen. Eine ungewöhnlich scharfe Diskussion entwickelte sich bei 8 7, betr. die Heilanstaltsverpflegung, die bei alleinstehenden Personen auch ohne ihre Zustimmung von der Berufs- qenossenschaft an die Stelle der Rente gesetzt werden kann. Hier kennte Stadthagen das dankbare Stecken pferd der „Rentenquetschen" reiten. Er schleuderte die schwersten Anklagen gegen die Berufsgenossenschaften und viele Heilanstalten, ohne damit aber irgend welche Wirkung für seine Anträge zu erzielen, die dem Ver letzten in dieser Beziehung möglichst freie Entscheidung sichern wollten. Sie wurden ebenso wie alle früheren abgelehnt. Am Montag Fortsetzung der Berathung bei 8 8. Landtag. Dresden, 4. Mai. Auf der Tagesordnung für die kurze Sitzung der ersten Kammer stand lediglich die Berathung mehrerer Petitionen, die gemäß den Anträgen der vierten Deputation ihre Erledigung fanden. U. A. wurde die Petition der Uhrmacher-ZwangSinnung zu Dresden um Untersagung des Gutschein- (Hydra- und Schneeball-) Unwesens der Regierung zur Kenntniß- nahme überwiesen. Zu letzterer Petition nahm Ge heimer Kommerzienruth Naumann das Wort. Er bedauert, daß die Regierung nicht in der Lage sei, gegen dieses Unwesen etwas zu thun, bittet aber trotz dem dieselbe, Mittel und Wege ausfindig zu machen, um die reellen Handwerker und Geschäftsleute gegen diesen Uebelstand zn schützen. Vielleicht ließe sich dies vom Standpunkt der Abzahlungsgeschäfte erreichen. Entweder müßt-n die Gutscheinverkäufer ein entspre chendes Kapital deponiren zur Sicherung der Käufer oder sie müßten überhaupt im Besitze der Maare selbst sein. In der zweiten Kammer gedachte vor Eintritt in die Tagesordnung der Präsident Geh. Hofrath Dr. Mehnert des Ablebens des Kammermitgliedes Ge-' meindevorstands Großmann und widmete dem Ver storbenen warme Worte des Nachrufs. Die Kammer ehrte sein Andenken durch Erheben von den Plätzen. Erster Gegenstand der Tagesordnung war der Bericht der Finanzdeputation 8 über die Einführung elektri scher Beleuchtung auf Bahnhof Reichenbach i. V. Die Deputation beantragt, diesen Titel mit einer Ausgabe von 300000 Mark zur Zeit abzulehnen, dagegen „die Regierung zu ersuchen, mit der Stadt Reichenbach in Verhandlung darüber einzutreten, in welcher Weise die für die Beleuchtung des Bahnhofs Reichenbach oberer Bahnhof erforderliche elektrische Kraft von dem geplanten städtischen Elektrizitätswerk unter allen nach Anschauung der Eisenbahnverwaltung für den Betrieb erforderlichen Sicherheitsmaßregeln und unter möglichst vortheilhafter und billiger Festsetzung des Bezugspreises zu beschaffen ist." Der Kern der Streitfrage ist fol gender: Die Stadt Reichenbach plant die Errichtung eines städtischen Elektrizitätswerkes, konnte sich aber bisher mit dem Eisenbahnfiskus noch nicht wegen des Bezugspreises einigen. Kurz entschlossen will nun der Eisenbahnfiskus ein eigenes Elektrizitätswerk in Reichen bach errichten. Dieser Plan fand aber nicht die Zu stimmung der Kammermitglieder in der Deputation, deshalb der ablehnende Deputationsantrag. Es ent- spinnt sich folgende Debatte: Vizepräsident Georgi: Es handle sich beim Anträge zunächst nur um das Ersuchen, daß die Regierung in Verhandlungen ein trete und hierbei sei mit zu erwägen, wie sich die Sache stelle, wenn der Staat die Versorgung der Stadt Reichenbach mit übernehme. Präsident Dr. Mehnert spricht sich im Sinne des Vorredners für den Deputationsantrag aus. Er bedauere, daß die Regierung, der die Ansicht der Deputation seit Anfang April bekannt gewesen sei, nicht inzwischen Verhand lungen mit Reichenbach gepflogen habe. Ministerial direktor Dr. Nitterstädt: Für die Regierung habe nicht der geringste Anlaß vorgelegen, neuerdings mit der Stadt Reichenbach in Verhandlungen einzutreten. Man solle doch nicht den Stärkeren vom Schwächeren ab hängig machen. Der Staat sei hier der Stärkere und er bitte dringend, die Regierungsvorlage wieder her zustellen. Präs. Dr. Mehnert: Der Antrag trage das Datum des 2. April, es seien also nahezu 5 Wochen Zeit gewesen. Wenn der Herr Regierungsvertreter gesagt habe, daß für die Regierung nicht der geringste Anlaß zu neuerlichen Verhandlungen vorgelegen habe, o beweise das, welch' geringes Entgegenkommen manche Wünsche der Kammer bei gewissen Herren von der Regierung fänden. Ministerialdirektor Dr. Rltterstädt: Seinen Ausführungen sei ein ganz anderer Sinn ge geben worden, wogegen er sich verwahren müsse. Abg. Fräßdorf (soz.): Wenn er den Streit, der sich zwischen der Rechten und der Regierung entspannen habe, ernst nehme — er thuc das aber nicht — so möchte er sagen: Lucauns kommt! (Heiterkeit.) Zwischen Suppe und Bitten werde man sich schon verständigen. Er wolle auch weise Sparsamkeit, aber am rechten Orte und nicht bei dieser Gelegenheit. Der Antrag auf Ablehnung der 300000 M. wird gegen 12 Stimmen, der zweite Theil des Deputationsantrages einstimmig angenommen. Weiter berichtet Vicepräsident Georgi über den Antrag Steiger, Enke und Gen. Planung und Aus führung von Staatshochbauten betreffend und bean- tragt namens der Finanzdeputation X: In der Er wägung, daß es dringend geboten erscheint, bei Planung und Aussührung von Staatshochbauten haushälterisch zu verfahren, die Staatsregierung auszufordern. 1. bei monumentalen, sowie bei außergewöhnlichen und, in geeigneten Fällen, auch bei minder bedeutenden StaatS- hochbauten nach einem auszustellenden Bauprogramm unter der ausdrücklichen Bedingung der Vermeidung von allem entbehrlichen Luxus für die Gewinnung von Planskizzen und hierzu gehörigen generellen Kosten anschlägen öffentliche Ansschreibung unter Aussetzung von angemessenen Preisen eintreten zu lassen; 2. auf Grund der aus diese Weise im Wettbewerb erhaltenen Planskizzen die Weiterbearbeitung derselben unter un bedingter Festhaltung der Forderung einer einfachen aber würdigen und den Zwecken des Gebäudes ent sprechenden inneren und äußeren Ausgestaltung den zuständigen Staatstechnikern zu übertragen oder auch, dafern nicht besondere Gründe dagegen sprechen, einen der Sieger im Wettbewerbe zu diesem Zwecke herbei zurufen; 3. die Ausführung der einzelnen Arbeiten aber unter Vorbehalt ausgiebiger staatlicher Aufsicht und unter weitgehender finanzieller Sicherung deS Staates in der Regel im Wege der Ausschreibung — und zwar, soweit nicht besondere Gründe dagegen sprechen, öffentlicher Ausschreibung — an leistungs fähige, vertrauenswürdige Gewerken zu übertragen. Ferner wird u. A. noch beantragt, nun endlich dem n der Ersten Kammer angenommenen Anträge Beut ler zuzustimmen: „die StaatSregierung zu ersuchen, )afür besorgt zu sein, daß die Forderungen für Bauten, insbesondere auch EisenbahnerweiterungS- und Umbau ten — soweit nicht mit einer Verzögerung der Vor lage erhebliche Nachtheile oder Gefahren verbunden ein würden — nicht mehr auf Grund sogenannter genereller Projekte und Voranschläge in den StaatS- haushaltS-Etat eingestellt, sondern erst dann den Stän den zur Genehmigung und Bewilligung vorgelegt werden, wenn eine genaue und speeielle Bearbeitung der Projekte und der Kostenanschläge erfolgt und den Kammern zugängig gemacht worden ist."