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MU M ZUeSlÄt Amtsblatt. Nr. 99. Mittwoch, den 2. Mai 1900. 1. Beilage. Ach WM m MmMWlW. FkUm. (Schluß) Zur deutschen Verfassungsfrage besitzt besonderen Werth ein Schreiben König Johanns vom 20. Oktober 1870 an König Wilhelm I. Er schreibt: Mit großem Interesse verfolge ich auch die Aus sichten auf eine Ordnung der Gesammtteutschen An gelegenheiten, zu denen die Verhandlungen mit den südteutschen Staaten Aussichten zu eröffnen scheinen. Mein innigster Wunsch ist es, daß es gelingen möge, dem ganz Teutschland umfassenden Bund eine Ein richtung zu geben, bei der alle Theile sich behaglich fühlen, damit das in heißem Kampf geknüpfte Band auch im Frieden ein recht festes bleibe. Wir lassen hier die anschließende Schilderung des Hasselschen Buches im Wortlaut folgen: Durch Herrn v. Friesen, der wenige Tage nach dem Kampfe von Le Bourget, am 4. November, das Heerlager in Margemy aufsuchte, erhielt der Kronprinz Kenntniß von den kritischen Momenten, die damals noch bei den Versailler Verhandlungen obwalteten. Die Hauptschwierigkeit bestand darin, daß Bayern neben dem engeren Bunde, zu dem auch Württemberg, Baden und Hessin hinzuzutreteu geneigt waren, für sich eine Sonderstellung im we.teren Bunde bean spruchte. Der Kronprinz war diesem G.danken eben so abgeneigt wie sein Vater; der Bund des neuen Deutschen Reiches mußte nach seiner Ansicht ein ein heitlicher sein, wenn auch einige Modifikationen der norddeutschen Bundesverfassung dadurch nicht aus geschlossen waren. Allmählich trug bei den Verhandlungen in Ver sailles unter Mitwirkung der dazu berufenen Ver trauensmänner der Geist der nationalen Eintracht den Sieg davon. Bei seiner zweiten Anwesenheit in Margency, auf der Rückkehr nach Dresden, am 17. November, konnte Friesen melden, daß der An schluß Bayerns gesichert sei; nur über die Feststellung der Reservatrechte wurde noch debattirt. Dagegen war die Kaiserfrage noch unentschieden, obwohl der all gemeine Impuls der Nation es kaum zweifelhaft er scheinen ließ, in welchem Sinne sie erledigt werden würde. Mit Bismarck betrachtete der Kronprinz die Annahme des Kaisertitels als eine politische Noth wendigkeit; scherzend sagte er wohl einmal: „Das Kind muß doch einen Namen haben." Daß die An regung zur Inauguration der Kaiserwürde von den deutschen Fürsten ausgehen müsse, mar in den Augen des Königs Wilhelm eine nothwendige Vorbedingung, und diese Empfindung theilte sowohl König Johann als der Kronprinz. Ov König Ludwig II. von Bayern dazu die Initiative ergreifen würde, blieb bis Anfang Dezember ungewiß. Bismarck hielt daher noch immer an dun Plane fest, die gesummte Fürsten schaft Deutschlands, die Vertreter der sreien Städte und vielleicht selbst den norddeutschen Reichstag nach Versailles zu berufen. An den sächsischen Monarchen schrieb Wilhelm I. am 22. November: „Ew. Majestät haben die Güte gehabt, mich durch den Kronprinzen, Ihren Sohn, Ihrer Bereit willigkeit versichern zu lassen, seiner Zeit an einer Berathung der deutschen Fürsten persönlich theilzu nehmen, durch welche die Thatsache bekundet würde, daß die Ergebnisse des Friedens das Werk gemein schaftlicher Anstrengungen und Opfer und die Frucht einmüthiger Erkenntniß der nationalen Bedürfnisse sind. Ich erachte deu Zeitpunkt nunmehr gekommen, um an Ihre Majestäten die Könige von Bayern und Württemberg eine vorbereitende Einladung zu richten, worin ich um die Zusage ihrer Betheiligung an einer Verhandlung der verbündeten Fürsten ersuche, sobald die Entwickelung der Ereignisse die bestimmte Aussicht auf Frieden eröffnet. Im Vertrauen auf Ew. Majestät freundliche vor- läufige Zusicherung wiederhole ich meine Einladung schriftlich mit Hinzufügung der Bitte, mir gestatten zu wollen, daß ich seiner Zeit den Tag unserer Zusammen kunft auf telegraphischem Wege anzeigen darf, da der Gang der Ereignisse, wenn er auch wahrscheinlich noch geräumige Fristen gewähren wird, doch möglicherweise ein so rascher werden könnte, daß der Weg der schrift lichen Mittheilung und Verständigung nicht mehr recht zeitig zum Ziele führen möchte. Ew. Majestät treu ergebener Bruder und Freund Wilhelm." König Johann ertheilte sofort seine Zusage, ob gleich er durch den Legationssekreiär Fürsten Lynar, der mit der Uebergabe der Einladungen in Stuttgart, München und Dresden betraut war, am 29. November erfuhr, daß König Karl von Württemberg seine Ant wort noch verschoben und Ludwig II. mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand die Reise nach Versailles abgelehnt hatte. Inzwischen war der Reichstag, dem die Bundes vertrüge zur Prüfung vvrgelegt werden sollten, am 24. November in Berlin zu einer außer ordentlichen Session zusammengetnten. Nach einem Ausdruck des weimarscheu Staatsmiuisters Stichling „schwebte die Kaiserfrage noch völlig in der Luft". Wenn die Entscheidung nicht bald erfolgte, ließ sich vorherseh n, daß der Reichstag aus eigener Entschließung den Antrag auf Errichtung des Kaiferthums stellen würde. Im Bundesrath wurde daher angeregt, den König von Sachsen um Ergreifang der Initiative, wenn auch nach voraufgegangeuem Einvernehm.'u mit Bayern, zu ersuchen; der Minister v. Friesen belichtete hierüber am 26. November nach Dresden. In dieser Form, die in München hätte verletzen köumn, erschien der Vorschlag dem König unannehmbar: aber er trug kein Bedenken, in einem eigenhändigen Schreiben dem bayerischen Monarazen das Anerbieten der Kaiserwürde im Namen der deutschen Fürsten zu empfehlen. Diese Meinungsäußerung des Königs traf jedoch erst in Hohenschwangau ein, nachdem Ludwig ll. infolge der bekannten Sendung des Grafen Holnstein sich zu dem Kaiserautrage cutschloffen hatte. In einem eigen händigen Schreiben theckte der bayerische Monarch dem König Johann seine Entscheidung mit. Der König meldete umgehend telegraphisch seine Zustimmung, sowohl nach München als nach Versailles. Die Ant wort Wilhelm l. vom 6. Dezember lautete sehr be zeichnend: „Mit warmem Dank für Dein wichtiges Telegramm muß ich es doch aussprechcu, daß ich das Ereigniß mit sehr gemischten Gefühlen hsranuahen seh'." Am 18. Januar 1871 fand die Kaiser-Proklamation im Spiegelsaale des Schlosses von Veisailles statt. Der zweite Theil des Hrsselschen Werkes „Aus dem Lebe» des Königs Albert von Sachsen" reicht bis zu dem Hiusheideu König Johanns. Tas Werk zeigt uns, wie das Leben des Königs Alvert, in dem das deutsche Volk den letzten der Paladine des wieder- erstandtuen Reiches verehrt, mit der Geschichte des deutschen Vaterlandes untrennbar verknüpft ist. Die vorstehenden, aus dem zweiten Theile herausgegrisfenen Stellen legen Zeuguiß ab von dem Reichthum des Hasselschen Werkes; cs wird jedem Deutschen hohen Genuß bereiten, den Lebensgang König Alberts und die Entwickelung der deutschen Geschichte aus Grund dieses Werkes zu verfolgen. Landtag. Dresden, 27. April. Die Streitfrage, die in Bad Elster alle Gemüther bewegt hat, ist durch Kammerbeschluß zu eine vor läufigen Lösung gelangt. Von der Staatsregierung Warin len Staatshanshaltplan für 1900/01 der Betrag vou 241,000 Mk. für Erbauung und Einrichtung von zwei Villen zur Unterbringung von Eurgästcu in Elster eingestellt worden, außerdem 7000 Mk. für Schleußenanlagen und 9486 Mk. für Erwerb forst- fiscalischen Areals für die Badcverwaltung. Von dem erstgenannten Betrage sollten 123,500 Mk. zum Bau einer größeren Villa und 117,500 Mk. zum Bau einer kleineren Villa dienen. Zur Begründung für die Villenbauten wurde von der Staatsregierung aus- gesührt, daß bei dem sichtlichen Aufschwünge des Elsterbades die Nothwendigkeit für den Staat immer mehr hervortrele, auf seinem Grund und Boden selbst mit für ein auskommendes Unterkommen der Curgäste zu sorgen. Ueber diese Angelegenheit hat sich bekannt lich ein Petitioussturm — und zwar für und wider — erhoben. Bei ihrer Berathung hat sich nun die Deputation vou folgenden Gesichtspunkten leiten lassen: Sow.it nur der Standpunkt des Unternehmers — und ein solcher sei der Staat in diesem Falle — in Frage komme, sei der beantragte Bau von 2 Villen völlig gerechtfertigt. Der Staat habe bisher 2'^ Mill. Mark in das Elsterbad gesteckt und habe ein voll ge rechtfertigtes Interesse an dem Gedeihen desselben. Dieser Standpunkt konnte aber der allein maßgebende nicht sein, sondern es mußten auch die Enmrbsvcr- hältnisse am Orte mit in Berücksichtigung gezogen werden. Hierbei stellte sich nun heraus, daß ein großer Theil der Häuser in Elster, deren Wohnungen an Curgäste vermiethet werden, im Besitze weiblicher Personen sich befindet, die bis auf ganz einzelne Aus nahmen auf diesen Erwerb angewiesen sind und in recht bescheidener Weise dadurch ihren Lebensunterhalt verdienen. Angesichts solcher Thatsachen trug die De putation Bedenken, durch die Bewilligung des Baues von zwei Villen den wirthschaftlich schwachen Kräften in Elster eine eventuelle Concurrenz zu schaffen und hat sich deshalb nur für deu Bau einer Villa (der größeren) entschieden. Die Bau- und Einrichtungs kosten wurden 123,500 Mk., die Schleußenanlagen 5000 Mk. (anstatt 7000 Mk.) und Arealserwerbung 9486 Mk. erfordern, insgesammt also 137,986 Mk. Hiermit hat sich die Staatsregierung einverstanden er klärt. Die Deputation sagt schließlich in ihrem Be richte, sie könne nicht unerwähnt lassen, daß die in Elster betriebene Agitation gegen den Plan der Slaats- regiernng im Hmblick ans oas seit Jahren bekundete Wohlwollen derselben für Elster ihr in mancher Hiu- I sicht nicht verständlich erscheine. Wie mit früheren Vorlagen, so habe auch mit dieser die Regierung für Elsterbad nur das Beste im Auge gehabt, und die durch Zuschriften, Zeitungen und Versammlungen be kannt gewordenen Auslassungen und UeberOeibungen seien deshalb nm so bedauerlicher. Abg. Dr. Schill-Leipzig führt aus, daß er gegen den beabsichtigten Neubau vou Staatsvillen im Elster bads Bedenken habe. Er meine, daß man bei der jetzigen Finanzlage nicht Mittel bewilligen solle, die nicht unbedingt nothwendig seien. Sodann steht er ans dem Standpunkte, wie die Deputation, daß es nicht Sache deS Staates sein solle, sich in Verhältnisse einzumischen, die man den Privaten überlassen kann und die geeignet sein können, den Bewohnern und Hausbesitzern in Elster selbst Schädigungen zuzusügen. Die Deputation habe diesen Grundsatz ausgestellt und sage trotzdem, daß wir eine Villa bauen wollen: das Prinzip werde damit nicht durchbrochen! Die Logik dieser Folgerung könne seiner Meinung nach nicht be wiesen werden. Er bedauere also, in diesem Falle gegen das Deputationsvotum stimmen zu müssen. Be richterstatter Abg. Behrens-Dresden: Der Bau der Villa werde sich ganz entschieden gut verzinsen und den Staat nicht schädigen. Die Tevutationsanträge zu deu genannten Positionen wurden darauf ange nommen. Ferner wurden bewilligt die erste Rate für deu Neubau der Kunstgewerbeschule und des Knustgewerbe musenms zu Dresden, 2,308,000 Nik. für Neu- und Erweiterungsbauten bei der Universität Leipzig und 1,200,000 Mk. als eiste Rate für Neubauten bei der Technischen Hochschule in Dresden. Neber den Titel betr. die Neubauten für die Universität Leipzig entspann sich eine lebhafte Debatte. Staatsminister v. Sepdewitz sprach s.m Bedauern da rüber aus, daß die Deputation von den Mitteln sür Neubauten des Landw. Instituts und eines thierärzt tichen Instituts einen anderwOteu sehr erheblichen Ab strich vorgeschlagen habe, nachdem die Forderungen regierungsseiüg bereits um rund 200,000 Mk. er mäßigt worden waren. Die Regierung habe die Er fahrung machen müssen, daß an einzelnen Stellen der Ksmmer eine gewisse Mißstimmung gegen Neubauten bei der Universität Leipzig sich zeige, während die Regierung mit ihrem Vorschläge gerade den Interessen der Landwirthschaft dienen wollte. Der Minister be gründet dann eingehend die Errichtung eines Veterinär- Instituts. Hierzu lomme für ihn — den Minister — der persönliche Grund, daß er den Professor Kirchner, der das landwirthschastliche Institut zu seiner hohen Blüthe gebracht, der aber vor einigen Jahren einen glänzenden Ruf nach auswärts bekommen habe, un serem Institut dauernd eihalten sihen möchte und daß ec sich sür verpflichtet erachte, die von diesem ausge sprochenen Wünsche, soweit sie sachlich begründet sind, ihrer Erfüllung zuzusühren, was nicht nur im Inte resse der Universität und der Skudireudeu, sondern auch im Jnter.sse unserer sächsischen Landwirthschaft liege. Abg. Dr. Schill-Leipzig: Jetzt sei das Institut eine alte baufällige Bude. Das solle verbessert und das Jnstitnt auf die Höhe gebracht weiden, daß es concurriren kann. Redner beantragt, statt der von der Deputation beantragten 2,308,000 Mk. die Summe von 2,408,000 Mk. zu bewilligen. Präsident Dr. Mehnert sührt aus: Das unbedingt Nöthige sei die Schaffung eines Instituts, um den landwirthschaft- lichen Studenten die Möglichkeit zu schaffen, die sür sie nöthigen Kenntnisse sich aucignen zu können. Wenn der gute Wille vorhanden wäre, könnten beide Insti tute mit einem gemeinsamen Hörsaale anskommen. Hätten die Leipziger ein Interesse daran, das Institut größer zu schaffen, als es nothwendig ist, so stehe der Stadt Leipzig ja frei, ihre Wünsche der Erfüllung nahe zu bringen. Abg. Dr. Schill habe gesagt, daß man nicht genug für die Universität thun könne. Bis zu einem gewissen Grade sei das ja richtig, aber ein großer Theil der Kammer stehe auf dem Standpunkt, daß nicht nur die Wünsche der Professoren maßgebend sein dürfen, sondern auch noch andere Rücksichten auf das Land in Frage kämen. Er möchte deshalb war nen, das Deputatiousvotum anzunehmen. (Bravo!) Die Abstimmung ergiebt die Ablehnung des An trages Schill mit 40 gegen 22 Stimmen und die ein stimmige Annahme des Deputationsantrages. Der Etat der direkten Steuern, Zölle und Ver brauchssteuern wurde bewilligt. Schließlich wurde noch eine Anzahl Petitionen erledigt. Dresden, 30. April. Die Zweite Kammer nahm heute an erster Stelle den Entwurf eines Gesetzes über Gewährung von Ent schädigung für an Gehirn-Nückenmarks-Entflindung bezie hentlich Gehirnentzündung nmgcstandcnc Pferde und für an Maul- und Klauenseuche gefallenes Rindvieh in all gemeine Vorberathung. Die Debatte eröffnet Abg. Hähncl- Kuppritz (kons.): Der Gesetzentwurf habe bereits dem Landcskulturrath zur Begutachtung Vorgelegen und sei vom Sonderausschuß in Gemeinschaft mit Mitgliedern der