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Außenstellungen im Osten und Südosten der Stadt an gesichts der von den Buren drohenden Ueberfälle. In Folge dessen zog sich die Kavallerie, Infanterie und Ar tillerie der Engländer im Laufe der Nacht von Rietfontein, Springfield, Rodeval und Klipdrift nach Blumfontein zu rück. Lord Voßlyn ist mit den ihn begleitenden Truppen angeblich von den Buren gefangen genommen worden. Die Buren sind jetzt Herren der gesammten Modderfluß linie im Norden und Osten von Blumfontein Da die englischen Truppen die Fühluug mit dem südwestlich operierenden Feindeverloren, wird eine Flankenumgehung befürchtet und ein Angriff auf die Stadt erwartet. Roberts läßt schleunigst mit größter Energie alle strate gischen Punkte besetzen. General Tucker's Brigade hält Glen-Siding, die 12. Brigade Rhenoster-Spruit, die 8. Leenwkop. Die 9. Division, voraus die Kavallerie, sucht ringsum die Stellungen des Feindes zu erkunden." Aber selbst wenn man diese Nachrichten, daß sich Lord Roberts auf eine Art Belagerung seines Heeres in der offenen Hauptstadt des Oranjefreistaats gefaßt machen müsse, nicht im vollen Umfange glauben sollte, so ist doch ersichtlich genug, daß die Lage Lord Roberts auf einmal eine recht heikle geworden ist. Englische Bericht erstatter nehmen schon an, daß Lord Roberts nach Zer- störung der Wasserwerke von Blumfontein zur Offensive, auch wenn sonst die Vorbedingungen zu einer solchen noch vorhanden wären, unfähig geworden ist; zum mindesten sei er aber in seiner Offensive erheblich geschwächt, da er seine Truppen in weitgehendem Maße zersplittern müsse. Er sei auch gezwungen, da vermuthlich die nörd lichen Burenabtheilung nach der Schwächung der ihnen gegenüberstehenden englischen Vorposten mit einem neuen Vorstoß nicht lange warten werden, mit zwei Fronten zu kämpfen. Das Hauptquartier steht, da die bereits unter- worfenen Buren von neuem Muth schöpfen und in das Lager ihrer Stammesgenossen zurückkehren, nun wieder mitten in Feindeslande, einzig durch die schmale Eisen bahnlinie mit dem eigenen Lande verbunden und jeden Augenblick einer Unterbrechung dieser Verbindung aus gesetzt, wie bereits die Verbindung zwischen Kimberley und Blumfontein durch eine Burenschaar von 400 Mann zerstört ist. Central News meldet aus Blumfontein von Mittwoch Nachmittag: Die Kühnheit des Feindes hat sich seit seinem Erfolg bei Coornsspruit erheblich ge steigert. Die Buren haben beträchtliche Truppen massen rings um Blumfontein versammelt, und er klären, daß sie entschlossen seien, mit Roberts um den Besitz von Blumfontein zu kämpfen. Roberts hat alle Vorbereitungen getroffen, und sollten die Buren ihre Ankündigung wahr zu machen versuchen, so würde Roberts' Aufgabe dadurch bedeutend erleichtert werden. Daily Mail melden aus Blumfontein vom Diens tag Abend folgendes: Es wird jetzt gemeldet, daß die Buren von allen Richtungen gegen Blumfontein vorrücken. Die Burghers sind durch ihren neuesten Erfolg in fehr gehobener Stimmung, und die Frei- staater reorganisiren sich in der ganzen Republik. Mehrere wohlbekannte Freistaater, welche in ostensiver Weise sich den Engländern unterworfen und ihre Waffen abgeliefert hatten, wurden als Hauptbetheiligte bei dem Ueberfall von Sannahs Post erkannt. Die Bevölkerung der Stadt ist hier über die neueste Wendung der Ereignisse einigermaßen beunruhigt. Aber die Situation ist gänzlich zufriedenstellend. (?) Marschall Roberts hat im Hinblick auf eine Erhebung bewundernswürdige (!) Maßregeln ergriffen. — Ein Weiteres Telegramm aus Blumfontein vom Mittwoch Nachmittag meldet: Die Zerstörung der Wasserwerke ist ein ernster Strich durch Marschall Roberts Pläne und wird seine Vorwärtsbewegung hindern. Die Wasserversorgung der Stadt muß erheblich eingeschränkt werden. Es wird eine genügende Menge Wasser für den unmittelbaren Bedarf der Armee zurückbehalten werden. Die Einwohner werden fehr zu leiden haben. Eine weitere Meldung aus Kimberley besagt- Hier herrscht nervöse Aufregung, daß die britischen Truppen zurückgenommen werden könnten, da starke Burenabtheilungen in der Nachbarschaft stehen. Die Directoren der DebeerS-Gesellschaft erklären, daß Kimberley dann in schlimmerer Lage sei, als vor dem Kriege. Die Behörden suchen die Bevölkerung zu beruhigen. In der ganzen Gegend streifen Buren abtheilungen von 80—100 Mann herum, die die englischen Loyalisten und deren Landgüter plündern. Die Freistaater, die sich bereits den Briten unter worfen hatten, greifen wieder zu den Waffen und schließen sich den Transvaalern an, nachdem Präsident Krüger ein Manifest erlassen hat, daß er ihnen den Abfall vergeben wolle. Als Erster hat hiervon der Eommandant Pretorius Gebrauch gemacht, der am Sonnabend die Buren bei Sannahs Post commandirte. Von allen Seiten kommen übrigens Nachrichten, daß die Buren angriffsweise vorgehen. So rücken dieselben auf Ladysmith neuerdings vor, um Buller zu beschäftigen, und auch über Kämpfe bei Mafeking kommen Berichte. Ueber Lorenzo Marquez wird ge meldet: Berichte aus Mafeking vom 27. März melden, ein Gefecht soll zwischen Buren und Ein geborenen südlich von Mafeking stattgefunden haben. Nach Meldungen aus Gaberones vom 27. März machte Oberst Plumer einen Eilmarsch nach Trans vaal hinein, um die Verbindung der Buren mit Mafeking zu bedrohen, und erreichte einen Ort 12 englische Meilen von Zeeruet. Auf der Rückkehr überschritt Oberst Plummer die Eisenbahnlinie südlich von Lobatsi, welche wenig beschädigt war. Die Buren hatten Plumer bis dahin nicht angegriffen. Lorenzo-Marquez, 5. April. Aus einer Burenquelle ist hier aus dem Lager von Malobo vom 1. April die Meldung eingegangen, daß am Tage vor her ein heftiger Kampf stattgefunden habe. Die Eng länder in Mafeking machten einen Ausfall und gleich zeitig wurde von dem Obersten Plumer in der Um gegend von Ramathlabama ein Angriff auf die Buren unternommen. Beide Angriffe wurden jedoch zurück geschlagen. Von der englischen Colonne fielen 20 Mann, 6 wurden gefangen genommen. Die Verbündeten hatten nur geringe Verluste. Mafeking ist nach wie vor eng eingeschlossen. Prätoria, 3. April. (Reuter-Meldung.) In dem Kampf mit Oberst Plumer bei Ramathlabama am Sonnabend nahmen die Buren drei schwerver- wundete Hauptleute gefangen, wovon zwei seither ge storben sind, sowie zwei Stabsofficiere und neun Soldaten, wovon sechs verwundet waren. Heute früh wurden 41 englische Unterthanen, die bisher in Prätoria wohnhaft waren, über die Grenze gebracht. Nach einer ferneren Nachricht aus Prätoria soll in Kroonstadt eine Zusammenkunft zwischen Krüger und Steijn stattgefunden haben. Im Volksraad des Oranjefreistaats, der in Kroonstadt tagt, erklärte Präsident Sleijn, er habe nicht die Hoffnung auf den Triumph der Sache der Burenrepubliken verloren. Redner widmete hierauf Joubert einen warmen Nachruf und fuhr sodann fort, er habe den neutralen Mächten mit- getheilt, daß die Engländer die Rothe Kreuz-Flagge verletzt haben. Der in Lord Roberts Proklamation gemachte Versuch, Zwietracht unter den Buren zu säen, sei mißlungen. Hinweisend auf die Correspondenz mit Lord Salisbury, sagte Steijn, er habe nicht nur diese Bemühungen gemacht, die Republiken hätten auch eine Deputation nach Europa und Amerika entsandt, die auf die neutralen Mächte einwirken soll, um das Auf hören des Blutvergießens herbeizuführen. Er hoffe und wünsche lebhaft, daß diese Bemühungen von Er- folg gekrönt sein möchten. Schließlich theilte Steijn mit, daß die Regierung des Oranjefreistaats in Trans vaal eine temporäre Anleihe ausgenommen habe. Die Buren haben eine ganz neue Kampfweise an genommen. So schreibt ein englischer Berichterstatter: „Der Kampfplatz verschob sich sortgesetzt von der einen Seite auf die andere; die Buren befehlen bald Kiefen Kegel, bald jenen, lockten uns hin und her, feuerten unsere Reihen zusammen, wenn wir von der Ebene aus stürmten, und waren allemal verschwunden, wenn wir den Kegel nahmen. Dabei operierten sie so wunderbar, daß ihre Geschütze oft noch wenige Minuten, ehe wir oben waren, feuerten. Das Spiel brachte uns schwere Verluste und ermüdete unsere Pferde dermaßen, daß sie kaum noch von der Stelle konnten. Zuweilen sahen wir ihren Heliographen auf einzelnen Hügeln blitzen; in dem Glauben, dort eine starke Macht der Buren anzutreffen, ritten wir dar auf los, doch nur, um uns genarrt zu finden, denn inzwischen hatte die Abthcilung, die durch unseren Ab marsch geschwächt worden war, Hiebe gekriegt!" TAchfischeS. Hohenstein-Ernstthal, 6. April 1900. RItthtt'ungen von allgemeinem Interesse werden dar bar em- gegengenommen und eventl. honvttrt., — Wie vortheilhast es ist, sich heutzutage gegen Haftpflicht zu versichern, sei es als Hausbesitzer oder als Gemeinde, beweist die jüngst erfolgte Verurtheilung der Stadt Schleusingen, die einem ihrer Sommergäste, welcher sich auf dem Wege nach dem Kohlenberg den Fuß arg beschädigte, 7000 Mark Schadenersatz und außerdem die erheblichen Gerichtskosten zu zahlen hat. Zum Glück ist die Stadt gegen Haftpflicht versichert. — MerktS, ihr Hausbesitzer! — Oberlungwitz. (Eingesandt.) Die Nach richt, daß die Staatsregierung die ExpropriationS- befugniß für den Bau unserer elektrischen Straß enbahn erhalten und damit eine gewisse Garantie dafür über nommen hat, daß die genannte Bahn auch wirklich gebaut werde, hat sicherlich allgemeine Zustimmung und große Freude erregt. Daß die Staatsregierunc sich in diesem Falle so außerordentlich um das Zu standekommen dieser Privatstraßenbahn für Oberlung witz und Gersdorf bemüht, ist zu einem ganz be deutenden Theile unzweifelhaft dem energischen Auf treten des Oberlungwitz-Gersdorfer Comitees für die Lungwitzthaleisenbahn zu danken, denn seinen eifrigen Bemühungen und seinen dringlichen Vorstellungen an allen maßgebenden Stellen ist es gelungen, die Staats behörden zur Erkenntniß zu bringen, daß für unsere großen Dorfschaften ein modernes Verkehrsmittel un bedingtes Bedürfniß ist. Allerdings — dem erbetenen directen Eisenbahnanschluß, der für die Selbstständigkeit dieser Jndustriedörfer und zur eigenen Beschäftigung ihres Arbeiterstammes unerläßliche Vorbedingung ist, konnte die Regierung jetzt noch nicht näher treten, denn eS fehlt ihr nicht nur an Technikern, sondern es sind auch die Finanzen des sächsischen Staates durch die Anlage einer Anzahl kleiner, unrentabler Bahnen, durch deren Bau man den Wünschen einflußreicher Persönlichkeiten entgegenkam, ganz besonders aber durch sehr theure BahnhosSumbauten, ungünstig beeinflußt worden. Die Staatsregierung will daher, um die Gemüthec zu beruhigen, uns eine Straßenbahn ver schaffen, welche weder den Staatstechnikern Arbeit macht, noch der Staatskasse etwas kostet. Wenn wir auch mit Dank gegen Alle, die in der einen oder anderen Weise die Straßenbahnangelegenheit förderten, über diese Abschlagszahlung einer Straßen bahn quittiren, werden wir immer noch als Ziel unserer Bemühungen die Erbauung einer Staatsbahn erstreben, um ein großes Gut zu wahren und zu er- halten: die Selbstständigkeit unserer Gemeinden. 8. — Gersdorf. Die Aufnahme der in diesem Jahre schulpflichtigen Kinder findet nächsten Montag 2 Uhr in der obern Schule, 3 Uhr in der Centralschule und 5 Uhr in der untern Schule statt. Die Abgrenzung der Schulbezirke wird noch in diesem Blatt bekannt ge geben Es ist aller Voraussicht nach das letzte Mal, daß diese Aufnahmen getrennt abgehalten werden müssen, denn wenn in diesem Jahre der Anbau unserer Centralschule beendet wird, sind wir in der glücklichen Lage, diese und ähnliche Schulfeiern in einem geräumigen Schulsaal ge meinsam begehen zu können. Es wird dadurch einem dringenden Bedürfniß abgeholfen. Die Schulaufnahme und ganz besonders die Schulentlassung sind Wendepunkte im menschlichen Leben, die den Kindern durch eine ein fache, würdige Feier zu einer unvergeßlichen Stunde wer- den kann. Und wenn auch manch ernstes, wohlgemeintes Wort bei der Unerfahrenheit dieses Alters wie Spren im Winde verfliegen mag — eins fällt doch ins Kiuder- herz und wird zum Goldkörnlcin, oder auch die Eltern bewahren es zum Segen für ihre Kinder. — Bei der Sparkasse zu Gersdorf Bez. Zw. wurden im Monate März des Jahres 1900 81 Ein zahlungen im Betrage von 3202 Mark — Pfennig geleistet, dagegen erfolgten 45 Rückzahlungen (Einlagen und Zinsen) im Betrage von 5409 Mark 64 Pfennig. Der Baarbestand betrug Ende des Monats März 2381 Mark 88 Pfennig. — Hohndorf, 5. April. Der L. C. Anz. be richtet: Durch Kindergeschrei in einer Jauchegrube ver anlaßt, drangen einige Personen gegen 7 Uhr heute Morgen in den betr. Abort und fanden dortselbst die unverehelichte S. vor. Die Eindringenden bemerkten ein neugeborenes Kind, welches ertrank, ehe die Rettung ausgeführt werden konnte. Den Polizeiorganen gegen über bestreitet die S. jede verbrecherische Absicht, dem nach müßte ein eigenartiger Unglückkfall vorliegen. — Mittelbach, 5. April. Von einem Radfahrer überfahren wurde gestern gegen Abend in der Nähe seiner Wohnung der Gutsbesitzer Gottlieb Kunze von hier. Er mußte von vier Männern in bewußtlosem Zustande in seine Wohnung getragen werden. Der sofort herbeigerufene Arzt konstatirte eine Gehirn- erschütterung. Von den beiden Radfahrern, welche ihm zugleich entgegengefahren waren, gab der, der das Unglück verschuldet hatte, an, daß er Barthel heiße und aus Grüna stamme, während der andere aus Chemnitz zu stammen angab. — Chemnitz, 5. April. Wie wir schon be richteten, hat der Agent Carl Albert Hetze von hier sein einziges V,jähriges Söhnchen ermordet. Am Mittwoch Nachmittag in der 4. Stunde begab sich die Ehefrau Hetze auf eine in der Nachbarschaft be findliche Wäschemangel. Während ihrer Abwesenheit sollte der in der Wohnung zurückbleibende Ehemann sich um das am 26. September 1899 geborene Söhnchen, das beim Fortgange der Mutter rubig schlummerte, bekümmern. Als die Frau in der 6. Stunde zurückkehrte, fand sie die Wohnung ver schlossen, ihr Mann war verschwunden und das Kind lag mit eingeschlagener Hirnschale todt in seinem Bettchen. Nach Lage dec Umstände konnte nur der Vater zum Mörder seines Kindes geworden sein. Hetze ist, nachdem er die Nacht über in Niederwiesa verbracht haben will, in den Morgenstunden des heutigen Tage- in der hiesige äußere Dresdnerstraße gelegenen Schankwirthschaft „Zum Goldborn", woselbst er sich durch sein auffälliges Benehmen verdächtig gemacht, festgenommen worden. Ueber das Motiv zur That und deren Ausführung selbst läßt sich zur Zeit noch nichts Näheres berichten. Die That muß um so räthselhafter erscheinen, als der jung ver- heirathete Hetze in durchaus glücklicher Ehe gelebt und auch sein im September 1899 geborenes Kind, einen Knaben, geliebt haben soll, auch die pekuniäre Lage des Hetze keineswegs eine solche gewesen zu sein scheint, daß er durch sie zur Begehung der ver brecherischen That getrieben worden sein könnte. Von anderer Seite wird Hetze als jähzorniger Mensch ge schildert, der das Kind schlecht behandelte. — Zwickau, 5. April. Von den des Streiks wegen abgelegten Bergarbeitern im Zwickauer Revier sind noch 199 arbeitslos. Das ehemalige Streikbureau gewährte auch in dieser Woche den Hilfsbedürftigen eine kleine Unterstützung. — Aus Zwickau wurden in der letzten Woche 40237 Tonnen Kohlen versandt, 10 652 Tonnen mehr als zur gleichen Zeit des Vorjahres. — Werdau, 5. April. Vierzehn Knaben der zweiten Bürgerschule konnten heute mit vollständigen Confirmandenanzügen, gefertigt aus dem von der Firma C. G. Bäßler geschenkten 100000. Stück, be dacht werden. Die Firma hatte auch noch in hoch herziger Weise die Kosten für die Anfertigung sämnrt- licher Anzüge übernommen. — Crimmitschau. In einer hiesigen Fabrik verunglückte am Mittwoch Vormittag die dort be- chäftigte Wolferin G., indem dieselbe in das gangbare Zeug gerieth, wodurch die Bedauernswerthe derartig verletzt wurde, daß sie mittelst Krankenwagens dem Krankenhause zugeführt werden mußte. — In Markneukirchen hat am Sonntag die feierliche Grundsteinlegung der Bismarcksäule statt gefunden, welche der dortige Königl. sächs. Militär verein I errichten läßt. — Lengenfeld. Ein schwerer Unfall ereignete sich am Montag früh in Grün. Ein dortiger Stick maschinenbesitzer wollte, um Raum für weitere Stick maschinen zu gewinnen, sein Stickhaus höher bauen lassen; zu diesem Zweck war die eine Seite des Daches höher geschraubt und Steifen untergestellt worden. Als nun am Montag Morgen die andere Seite des Daches in die Höhe gewunden werden sollte, senkte sich durch einen Schraubenbruch oder infolge sonstiger Ursachen die bereits emporgehobene Seite und das ganze Dach brach mit donnerähnlichem Krach zusam men. Zwei Zimmerleute aus Waldkirchen wurden dabei schwer verletzt. — Den städtischen Kollegien in Dresden wird demnächst eine Vorlage zugehen, nach der in Zukunft die Mitglieder des Rathes und des Stadtverordnelen- Kollegiums sich nicht mehr an den Lieferungen und Ausschreibungen für die Stadtgemeinde betheiligen sollen. Bisher war dies gestattet, doch hat dieser Zu stand mehrfach zu Konsequenzen geführt, die in Zukunft vermieden werden sollen. — Dresden, 3. April. StaatSminister Dr. Schurig, als Vorsitzender des Gesammtministeriums, empfing heute Nachmittag eine Abordnung der Künstler, Gelehrten, Schriftsteller, Journalisten und Kunstfreunde von Dresden. Der Führer der Ab ordnung, Oberst Freiherr von ManSberg überreichte dem Minister eine von dem hiesigen Kunstinstitut, Kunstschule, Kunst- und Litterarischen Verein, Künstlern, Gelehrten u. s. w. — zusammen 17 Körperschaften mit 2000 Mitgliedern — unterzeichnete Bittschrift, in der gebeten wird, die Königl. Staatsregierung I« »er Schutzhütte. Humoreske von Reinhold Ortmann. 7. (Kortsetzung und Schluß.) (Nachdruck verboten) Auf dem Tische aber standen zwei Tassen, ein mit Milch gefüllter Topf und ein Teller voll köst licher, goldgelber Butter. „Guten Morgen, Herr Doktor," rief sie ihm mit gedämpfter Stimme schelmisch lächelnd zu. „Nun, wollen Sie nicht Hinabkommen? Der Kaffee ist eben sertig." Er leistete der freundlichen Aufforderung Folge, aber es saß ihm etwas in der Kehle, sodaß er erst ein paarmal schlucken und räuspern mußte, ehe er zu er widern vermochte: „Ist es denn möglich? Meinetwegen sind Sie so früh aufgestanden, Fräulein Helene?" Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Aber ich habe mich Ihretwegen garnicht erst niedergelegt, um nicht am Ende doch die Zeit zu verschlafen. Hielten Sie es denn für möglich, daß ich Sie ohne einen ordentlichen Morgenkaffee von dannen ziehen lassen würde?" „Sie beschämen mich durch soviel Güte," sagte er gepreßt. „Wie soll ich Ihnen das vergelten?" „Damit, daß Sie tüchtig zulangen! Was das Gebäck betrifft, so müssen Sie sich allerdings mit den Brödchen begnügen, die ich in meinem Rucksack mit gebracht habe. Aber dafür habe ich uns von dem Senner der oberen Sulzthal-Alpe, dessen ich mich glücklicherweise erinnerte, weil wir gestern bei ihn, vorübergekommen waren, frische Milch und Butter ge holt. Es war ja nur ein Weg von zwanzig Minuten. Ist das nicht für eine Höhe von mehr als zweitausend Metern ein ganz köstliches Frühstück?" Und ob es für Heinz Romann ein köstliches Frühstück war! Appetit verspürte er allerdings nicht, aber es war ihm zu Muth, als befände er sich noch um ein paar Millionen Meter höher, mitten im Himmel. Er aß und trank nur, um sie nicht zu kränken, denn am liebsten hätte er still dagesessen und sie nur immer angesehen, wie ihre süßen Lippen voll innigen Behagens den brannen Trank schlürften und ihre weißen Zähnchen herzhaft in das bestrichene Brödchen bissen. „So!" erklärte sie nach einer Weile, „nun sind wir fertig, und wenn es Ihnen recht ist, wollen wir aufbrechen, ehe die da drinnen erwachen." Er fiel aufs neue in grenzenloses Erstaunen. Was sie da andeutete, war ja viel zu schön, als daß er es hätte für möglich halten können. „Wie, verstehe ich Sie recht, Fräulein Helene? Sie wollten " „Ich will mich Ihnen anschließen," versetzte sie unbefangen, „vorausgesetzt natürlich, daß ich Ihnen nicht zur Last falle. Sie dürfen mir's ganz ruhig sagen, wenn Sie lieber allein zu Thal steigen." „O, was das betrifft —! Aber Ihre Eltern !" „Meine Eltern" — und sie war mit einemmal sehr ernst geworden, — „würden daran keinen An stoß nehmen, wenn sie eS noch sehen könnten. Lassen Sie mich Ihnen eine Beichte ablegen, Herr Doktor! Ich habe Sie getäuscht, als ich mich für die Tochter deS würdigen Ehepaares da drinnen ausgab. Die Herrschaften waren mir noch vor einer Woche ganz fremd, und ich habe sie erst unten im Gasthause kennen gelernt, wo sie zufällig meine Tischnachbarn waren. Lediglich, weil ich Ihren etwas zudringlichen Freund abschrecken wollte, dessen unzarte Aeußerungen mein Ohr erreicht hatten, erfand ich daS verwandtschaftliche Verhältniß. Und als ich Ihnen so unerwartet in Längenfeld wieder begegnete, mußte ich die Lüge wohl aufrecht erhalten. Es Hai mir schwer auf dem Herzen gelegen, aber nun ist es, Gott sei Dank, herunter, und Sie sind mir nicht böse, nicht wahr?" Sie streckte ihm über den Tisch hinweg ihre ge sunde linke Hand entgegen, nnd er küßte sie, wie er bis zu diesem Tage nur die Lippen seiner Mutter ge küßt hatte. „Wo ist der Mensch, der Ihnen böse sein könnte? Aber darf ich nun auch Ihren wirklichen Namen er fahren?" „Ich bin Deutsch-Amerikanerin und eine Waffe. Mein Vater war der Professor Clemens Friccius, der im Jahre 1849 als ein politisch Verfolgter nach den Vereinigten Staaten auswanderte und sich mit einer Deutschen verheirathete." „Wie? — Professer Friccius, der verdienstvolle Gelehrte und edle Philanthrop! Ich bin glücklich, daß ich einer Tochter dieses herrlichen Mannes aussprechen darf, wie sehr ich ihn aus seinen Schriften lieben und bewundern gelernt." Ihr holdes Antlitz leuchtete vor Stolz und Freude. Mit dem Aufbruch aber hatten sie es nun beide gleichermaßen eilig, und noch schliefen die übrigen Gäste wie Murmelthiere, als sie mit glückerfüllten Herzen und schönheitsdurstigen Augen hinaustraten in den kühlen, wundervollen Hochgebirgs-Morgen. Tin paar in den Stein gehauene Stufen führten von dem Plateau herab, auf dem das Häuschen stand, und ein seltsamer Zufall fügte eS abermals, daß HelenenS Füßchen ausglitt, während sie hinter dem Doktor niederstieg. Wieder fing er die Strauchelnde in fernen Armen auf; diesmal aber widerstand er der Versuchung nicht, und ihre Lippen fanden sich in langem, innigen Kusse. „Helene! — Mein süßes, holdes Mädchen! — Mein theures Lieb!" Sie erwiderte nichts, aber ihr zärtliches An schmiegen sagte ihm, daß sie ihm wegen seines kühnen Beginnens so wenig zürnte, als wegen seiner leiden schaftlichen Worte. Da fiel ihm mitten in seiner jungen Glückseligkeit der arme Assessor von Stechow ein, und die grausame Enttäuschung, die seiner wartete, wenn er erkannte, daß all' sein heißes, fast selbstmörderisches Bemühen um Semiramis' Gunst vergeblich gewesen war. Und zum ersten Mal in seinem Leben war er schadenfroh genug, über das Mißgeschick eines Neben menschen hell aufzulachen. „Da drinnen bereitet sich eine furchtbare Tragö die vor," rief er nach der Hütte zurückdeutcnd. „Komm, herziger Schatz und laß uns fliehen, ehe eS den ahnungslosen Schläfern schrecklich tagt!" Sie setzten ihre wonnige Morgenwanderung fort, nnd wie auS weiter Ferne schon klang nach einer Weile ihr letzter, helljauchzendcr Jodler zu der einsamen Schutzhütte am Sulzthaler Ferner hinauf. — Ende. —