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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 27.03.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-03-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190003279
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19000327
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19000327
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-03
- Tag 1900-03-27
-
Monat
1900-03
-
Jahr
1900
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 27.03.1900
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ein Daily-NewS Telegramm aus Lorenzo Marquez, Tommandant Eloff sei im Begriff, die Engländer bei Gaberones einzuschließen. Von Süden her hat Mafeking vor der Hand eben so wenig auf Entsatz zu rechnen, wie durch Plumer. Im Gegensatz zu früher verbreiteten Meldungen, wonach die Brücke über den Vaal bei Fourteen Streams in der Gewalt der Engländer sein sollte, berichtet ein Daily News-Telegramm aus Warren ton, daß diese Brücke von den Buren beim Rückzug über den Vaal in die Luft gesprengt wurde und nicht mehr existirt. Ein über Boshof vorrückendes englisches Detache ment suchte einen anderen Flußübergang weiter östlich zu sichern, fand aber die dortige Brücke ebenfalls bereits in Trümmern. Flußaufwärts im Westen ist die Brücke bei Windsorten auch zerstört. Die Buren liegen nach An gäbe zweier ausgelieferter Gefangener in mehreren gro ßen Lagem, in allen befinden sich auch Frauen und Kinder, sie haben südlich Fourteen Streams 4 Geschütze und beschießen die Engländer auf 2000 Dards Ent fernung. Die englischen Verluste werden als nicht sehr erheblich bezeichnet. Es beginnt hier Wunder zu nehmen, daß Roberts keine Anstalten trifft, dem zweifellos in äußerster Bedrängniß befindlichen Mafeking eine genügende Streitmacht zu Hilfe zu senden. Man schließt daraus, daß auch in und um Blumfontein die Lage nicht so rosig ist, wie sie die Zeitungskorrespondenten vielfach malten. In der That telegraphirt der Morning Post- Vertreter in Blumfontein seinem Blatte, daß die Truppen sich nur sehr langsam von den überstanden Strapazen erholen und daß von einer Pazifirung des flachen Landes noch gar keine Rede sein kann. Die stets siegende und üLeroptimistische Londoner „Central News" kommt heute mit einer Aeußerung des Landdrostes von Bethulie, wonach die Buren zu erst einen hartnäckigen Widerstand im Norden des Freistaates und dann jenseits des Vaal leisten und die Engländer auf ihrem Wege nach Prätoria mindestens noch doppelt soviel Mannschaften verlieren würden, als bisher. Lord Roberts läßt seine Truppen aus ruhen, offenbar, weil sie dieser Ruhe ebenso gründlich bedürfen, wie die Truppen General Bullers in Natal, die sich ebenso wenig rühren. Die Mittheilung Dr. Ryersons aus Kimberley, daß 17000 Kranke und Verwundete in den Hospitälern liegen, illustrirt allün schon die wenig erfreuliche Lage des britischen Heeres. Heute veröffentlichte Soldatenbriefe von der Modder bestätigen ebenfalls wieder, daß die Nachlässigkeit in der Verpflegung der Truppen und die Verwirrung bei Ertheilung der Befehle unter Roberts genau die selbe geblieben ist, wie unter Methuen. So schreibt ein Artillerist: „Am Donnerstag Morgen, wir hatten um 5 Uhr gefrühstückt, erhielten wir plötzlich um 9 Uhr Befehl, eiligst einzuspannen und der Hoch länderbrigade und den Lanzenreitern zu Hilfe zu eilen, die von den Buren abgeschnitten seien. Nicht ein einziger von uns hatte auch nur Zeit, seine Wasser flasche zu füllen oder ein Stück Brod mitzunehmen. Wir hatten 15 Meilen unter einer sengenden Sonne zurückzulegen. Um 12 Uhr trafen wir ein, furchtbar unter einem unerträglichen Durste leidend. Bis 7 sUhr abends waren wir so in Action, und ein Theil der Kanoniere war so weit, daß sie vor Erschöpfung und Müdigkeit einsach umsanken. Es war reichlich 12 Uhr (also noch 5 Stunden später), ehe wir einen Trun Wasser bekamen, kurz wir waren etwa 19 Stunden ohne Trunk oder einen Bissen Nahrung, und am folgenden Tage war es fast ebenso schlimm. Ich sage offen, ich würde viel lieber im heißesten Kampfe stehen, den wir je gesehen haben, als noch einmal solche Agonie durchmachen. Nicht weniger als 7 Pferde unserer Batterie fielen vor Erschöpfung todt um, uns ich glaube, unsern Leuten würde es ebenso ergangen sein, hätten wir nicht schließlich Wasser erhalten." — So geht es an der Eisenbahn, wie wird es erst im Innern Transvaals werden! Das Kriegsamt macht bekannt, daß General Woodgate, die beim Sturm auf den Spion Kop im Februar verwundet wurde, jetzt an seinen Verletzungen gestorben ist. Zu den Unruhen in Gasaland, die zu portu giesischen Truppensendungen an die östliche Transvaal ¬ grenze geführt haben, meldet die Times aus Lorenzo Marquez: Halbamtlich wird die plötzliche Absendung portugiesischer Truppen nach der Grenze von Trans- mal damit erklärt, daß in Gasaland Unruhen aus- gebrochen sind. Es heißt, daß eine Abtheilung Ein- zeborener von Transvaal in Gasaland eingefallen und nit einem großen Stamm dort in Streit gerathen fei. Der Gouverneur war außer Stande, den Aufstand niederzuwerfen, und bat dringend um Verstärkungen. Eine Abtheilung Infanterie und Kavallerie mit zwei Kanonen wurde theils auf dem Wasferwege, theils mit der Bahn dorthin abgesandt. Präsident Steijns Antwort auf die von LordjRoberts erhobenen Beschuldigungen liegt jetzt im vollständigen Wortlaut vor. Sie lautet: Blumfontein, den 19. März. „Ew. Excellenz Telegramm vom 11. erhielt ich gestern. Ich gebe Ihnen die Versicherung, daß nichts mich mehr bekümmern würde, als daß meine Burghers sich solcher Thaten, wie die, deren Sie sie anklagen, schuldig wären. Ich bin indessen erfreut, Ihnen sagen zu können, daß Sie sicherlich im Jrrthum sind. Ich habe persönlich mit General Delarey, der die Burghers an dem von Ihnen erwähnten Platze commandirte, die Untersuchung geleitet. Delarey erklärt ganz entschieden, daß die Burghers nicht so gehandelt haben, wie Sie sagen. Dagegen constatirt er, daß am Sonntag (Datum unleserlich) die englischen Truppen ungefähr 50 Meter vor unseren Stellungen die Hände in die Höhe hielten und auch die weiße Flagge zeigten, während in derselben Zeit die Geschütze der Eng länder auf die Truppen feuerten, mit dem Erfolg, daß Commandant De Beer verwundet wurde. Gestern Vor mittag um 8 Uhr schrieb der Hauptcommandant in seinem Bericht über die Schlacht: „Die Soldaten hißten die weiße Flagge, aber die englischen Geschütze feuerten auf sie und so waren sie gezwungen, wieder zu feuern." Vielleicht ist es Ew. Excellenz unbekannt, daß dieselbe Sache bei Spionskop passirte. Dort hatte ein Theil der Truppen die weiße Flagge gezeigt und hielt die Hände hoch, aber während unsere Burghers eifrig dabei waren, sie zu entwaffnen, feuerte ein anderer Theil der britischen Truppen auf unsere Burghers und auf die Truppen, die die Waffen gestreckt hatten. Die Folge war, daß nicht nur unsere Burghers, sondern auch einige der englischen Soldaten getödtet wurden. Es ist fernerhin berichtet worden, daß in der letzten Schlacht am Tugela die eng lischen Geschütze auf die Truppen feuerten, die bereits die Waffen gestreckt hatten. Was die Explosiv-Kugeln anbetrifft, die in General Cronje's Lager und anderswo gefunden sind, so kann ich Ew. Excellenz die Versicherung geben, daß solche Geschosse von der Regierung nicht ge kauft und auch nicht erlaubt wurden sind. Ich habe in dessen keinen Grund, anzunehmen, daß Ihre Feststellung irrig ist, da ich weiß, daß eine große Anzahl der Bur ghers dieses Staates und der südafrikanischen Republik eine große Anzahl Lee Metford-Gewehre, sowie Dum- Dums und andere Geschosse von den englischen Truppen erbeutet haben. Ich bitte Ew. Excellenz, da das Kabel für mich verschloßen ist, meine Antwort Ihrer Regierung und den neutralen Mächten bekannt zu geben." Steijn, Staatspräsident. Also nicht allein eine glänzende Rechtfertigung der Buren, sondern auch schwere Anklagen gegen die Eng länder! Ob wohl General Roberts dem Wunsche Steijns entsprochen hat, diese Erklärung auch den neutralen Mächten zu übermitteln? MWsches Hohenstein-Ernstthal, 26. März 1900 ,'^nhet'ungen von allgemeinem Interesse werden dar bar en! gegengenommen und eventl. honvr-rt — Hohenstein-Ernstthal, 26. März. Aus Anlaß des heute hier abgehaltenen Viehmarktes war mehr Leben als an gewöhnlichen Markttagen in den Straßen unserer Stadt zu bemerken. Der Viehauf trieb auf den Marktständen und in den Gasthausställeu v?z:ffkste sich auf 30 Rinder, 48 Pferde und ca. 250 Schweine. — Mit dem 26. d. M., als am Montag nach dem Sonntag Lätare, beginnt, wie nochmals hervor ¬ gehoben sei, die geschlossene Zeit, und es ist von diesem Tage ab bis zu und mit dem ersten Osterfeiertag so wohl die Abhaltung von öffentlichen Tanzmusiken, als auch die Veranstaltung von Privatbällen und Bällen geschlossener Gesellschaften, auch wenn dieselben in Privathäusern oder in Localen geschlossener Gesell schaften abgehalten werden, verboten. Die Abhaltung von Concertmusiken und anderen mit Musikbegleitung verbundenen Vergnügungen, insbesondere auch von Theatervorstellungen ist dagegen auch weiterhin, jedoch mit Ausnahme der Zeit vom Gründonnerstag, ein schließlich desselben, bis mit Sonnabend vor Ostern gestattet. ES dürfen jedoch zu den theatralischen Vor stellungen, welche in der Zeit vom Palmsonntage bis zum Mittwoch in der Osterwoche aufgeführt werden, nur angemessene ernste Stücke gewählt werden. — Vom 1. April an werden in gleicher Weise, wie bei den preußischen Bahnen schon seither, auch bei den Sächsischen Staatseisenbahnen besondere Zugs controlleure in Thätigeit > treten, die hauptsächlich be rufen sind, durch unvermuthete Revisionen festzustellen, ob die Züge nur von Reisenden mit giltigen Fahr karten und in den durch die Fahrkarten bescheinigten Wagenklassen benutzt werden. Daneben liegt ihnen auch die Ueberwachung der Zugschaffner und der Ordnungsmäßigkeit des PersonenzugSdienstes über haupt ob. — Der Staatssekretär des Reichspostamts hat am 20. d. M. eine neue Postordnung erlassen, die am 1. April d. I. in Kraft tritt und die bisherige Postordnung vom 11. Juni 1892 außer Kraft setzt. Von den zahl, reichen wichtigen Aenderungen heben wir nur folgende hervor: Bei Postkarten sind Bilderschmuck und Auf klebungen auf oer Rückseite insoweit zugelaffen, als da« durch die Eigenschaft des Versendungsgegenstandes als offene Postkarte nicht beeinträchtigt wird und die auf geklebten Zettel der ganzen Fläche nach befestigt sind. In der Aufschrift von Sendungen mit dem Vermerk „postlagernd", für welche die Post nicht Gewähr zu leisten hat, dürfen statt des Namens des Empfängers außer Buchstaben und Ziffern auch einzelne Wörter oder kurze Sätze angegeben sein. Wesentlich erweitert sind die Bestimmungen über Drucksachen. Die offenen Karten dürfen die ungefähre Größe der Formulare zu Post- packetadrefsen haben: bei Preislisten, Börsenzetteln, Han delszirkularen und Prospekten können außer den Zahlen jetzt auch Zusätze, die a.s Bestandtheile der Preisbestim mungen zu betrachten sind, handschriftlich oder auf mecha nischem Wege eingetragen oder berichtigt werden: in Einladungs- und Einberufungskarten dürfen der Name des Eingeladenen oder Einberufenen, sowie Zeit, Zweck und Ort der Zusammenkunft vermerkt werden Zusätze durch Druck oder Stempel sind bei Drucksachen unbeschränkt zuzulassen: die bei Drucksachen erlaubten Durchstreichungen, Anstriche und Unterstreichungen dürfen indessen nicht briefliche Mittheilungen in offener oder verabredeter Sprache Herstellen. Als neue Versendungsgattung werden Ge schäftspapiere unter den schon bekannt gegebenen Bedin gungen in den inneren deutschen Verkehr eingeführt. Das Gewicht, bis zu dem die Vereinigung von Drucksachen und Waarenproben gestattet ist, wird unter Zulassung der gleichen Vergünstigung für Gejchäftspapiere von 350 Z auf 1 KZ erhöht. Eine Streitfrage, die die Gerichte öfter beschäftigt hat, ist dahin entschieden, daß die Packet- adressen und Postanweisungen, sowie die zu deren Fran kierungen verwendeten Postwerthzeichen mit der Einliefe rung in das Eigenthum der Postverwaltung übergehen. Bei Briefen mit Werthangabe müssen die Umschläge aus einem Stück hergestellt sein und dürfen nicht farbige Ränder haben: sämmtliche Klappen des Umschlages müssen durch Siegelabdrücke gefaßt werden. Bei gewöhnlichen und einzuschreibenden Packeten kann der Verschluß ledig lich durch eine gut verknotete Verschnürung hergestellt werden. Zur Eilbestellung sind, was erst jüngst an geregt wurde, jetzt auch gewöhnliche Briefsendungen nach dem Orts- oder Landb stcllbezirke des Aufgabeortes zu gelassen. Bei Briefen mit Zustellungsurkunde kann der Absender sich künftig auch in privaten Angelegenheiten der vereinfachten Zustellung bedienen. Ueber die Zeit der Einlieferung ist bestimmt, daß als Schlußzeit jür gewöhn liche Drucksachen, Geschäftspapiere und Waarenproben eine halbe bis eine Stunde vor dem planmäßigen Abgang der Post gilt, daß die Einlegung gewöhnlicher Brief- sendungen in die Bahnposten bis zum Abgänge des Zuges zulässig ist und daß die Postanstalten auch befugt sind, außerhalb der Schalterdienststunden Einschreibepackete an- zunchmen. Die Kosten für postamtliche Verpackung mangel haft verschloßener Sendungen werden vom Absender ein gezogen, wenn vom Empfänger keine Zahlung zu er langen ist. Unterläßt es ein Abholer, die eingegangenen Sendungen rechtzeitig abzufordern, so werden gewöhnliche Packele, soweit sie sich zur Bestellung eignen, am zweiten Tage nach dem Eingänge in die Wohnung besteht, wenn sie sich aber nicht zur Bestellung eignen, ebenso wie Ein schreibesendungen, Sendungen mit Werthangaben und Postanweisungsaufträge am achten Tage als nnbestellbar behandelt. Bei der Rückgabe unbestellbarer Sendungen, über die ein Einlieferungsschein ertheilt ist, braucht dieser nicht mehr zurückgegeben zu werden. Nachforderungen an Porto für Sendungen, die nach ihrer Aushändigung an den Empfänger als unzureichend frankirt erkannt werden, hat der Absender zu berichtigen, wenn der Empfänger die Zahlung ablehnt. Das Reichspostamt veröffentlicht ferner folgende Bekanntmachung: Vom 1. April werden die Gebühren für Ortssendungen (Postsendungen an Empfänger im Orts- oder Landbestellbezirke des Aufgabe-Postorts) allgemein folgendermaßen festgesetzt: a) für Briefe im Frankirunzsfalle 5 Pfg., im Nichtfraukirungsfalle 10 Pfennige; b) für Postkarten im Frankirungsfalle 2 Pfg., im Nichtfrankirungsfalle 4 Pfg; c) für Druck sachen bis 50 § einschließlich 2 Pfg., über 50 bis 100 § einschließlich 3 Pfg., über 100 bis 250 ein schließlich 5 Pfg., über 250 bis 500 10 Pfg., über 500 § bis 1 einschließlich 15 Pfg; ä) für Ge schäftspapiere bis 250 § einschließlich 5 Pfg., über 250 bis 500 § einschließlich 10 Pfg., über 500 § bis 1 Kx einschließlich 15 Pfg.; e) für Waaren proben bis 250 § einschließlich 5 Pfg., über 250 bis 300 § einschließlich 10 Pfg.; f) für zusammengepackte Drucksachen, Geschäftspapiere und Waarenproben bis 250 A einschließlich 5 Pfg., über 250 bis 500 § einschließlich 10 Pfg., über 500 § bis 1 lc§ ein schließlich 15 Pfg. Drucksachen, Geschäftspapiere und Waarenproben, sowie die daraus zusammengepackten Sendungen müssen frankirt sein. Werden die Post sendungen unter Einschreibung oder unter Nachnahme eingeliefert, so treten den obigen Gebühren die Ein schreib- und die Vorzeigegebühr hinzu. Bei Briefen mit Zustellungsurkunde tritt die Zustellungsgebühr hinzu; für die Rücksendung der Zustellungsurkunde wird im Ortsverkehrc keine Gebühr erhoben. Bei unzureichend frankirten Briefen wird die Gebühr kür unfrankirte Briefe abzüglich des Betrages der ver wendeten Postwerthzeichen berechnet, für unzureichend frankirte sonstige Sendungen das Doppelte des Fehl betrages, nöthigenfalls unter Abrundung auf eine durch 5 theilbare Pfennigsumme aufwärts. — Der April-Ziehungstermin fällt in diesem Jahre bekanntlich auf einen Sonntag Gesetzlicher Bestimmung gemäß ist das Räumen der Wohnung am Sonntag nicht gestattet. In den früheren Jahren sind verschiedentlich jedoch Ausnahmen in dieser Regel insofern gemacht worden, als es auf besonderes Ansuchen gestattet wurde, zu be stimmten Stunden — abgesehen von der Zeit, in welcher Gottesdienst abgehalten wird — zu ziehen. Nach den Bestimmungen des neuen Bürgerlichen Gesetzbuches braucht übrigens die Wohnung, da der 1. April diesmal auf einen Sonntag fällt, erst am 2. April geräumt zu werden. — Durch die Wachsamkeit derOelsnitzer Po lizei ist eine große, von einem gewissenlosen Fleischer kurz vor dem Jahrmarkt daselbst heraufbeschworene Gefahr für Leben und Gesundheit der Bürgerschaft abgewendet worden. Der Fleischer Bruno Schmidt in Oelsnitz hat vor einigen Tagen eine todtkranke, hochgradig an Tuberculoze leidende Kuh für 50 Mark gekauft und zu nächtlicher Stunde (nachdem das ent kräftete Thier nicht weiter zu laufen vermochte) in seine Behausung gefahren. Als die Behörde einschritt und das kranke Fleisch mit Beschlag belegte, lag es bereits zum Wurstmachen fertig oa. — Chemnitz, 25. März. Im Feldschlößchen- Etablissement in Kappel fand heute unter Theilnahme Am Abgrund. Von Bertha König. (Zortseyung und Schluß.» (Nachdruck verboten.) Die beiden Landwirthe nickten beifällig mit ver legenen Gesichtern, der Müller kante an seiner ausge gangenen Cigarre herum, während der Bäcker mit bleichem Gesicht vor sich hinstarrte. Dies Lebensbild, welches der Fremde hier entworfen, war es nicht bei nahe dasselbe, welches ihm seine Frau schon so oft vor Augen geführt, wenn sie versucht hatte, ihn vom Gange zu seinen Spielgenossen zurückzuhalten. War er nicht auch früher heiter und glücklich gewesen? ach, so glücklich, daß ec mit keinem getauscht hätte, in den ersten Jahren seiner Ehe und jetzt, wohin war seine heitere Zufriedenheit, sein Glück, und sein Weib, wurde es nicht auch, wie jene andere, immer blasser, immer stiller und trauriger? Ging es mit ihm nicht auch seit langem bergab; wie, wenn es ihm auch so ergehen sollte, wie dem Vater des Fremden, und sein Weib, seine drei Kinder — er seufzte tief auf und blickte nach der Thür, welche soeben geöffnet wurde und in der nun ein draller, kleiner Blondkopf erschien, der mit ängstlich, schüchternen Blicken im Zimer Um schau hielt. Jetzt hellte sich sein Gesichtchen auf und mit dem Rufe: „Vater, da hab ich Dich!" eilte er auf den Bücker zu, dessen Augen Plötzlich einen feuchten Glanz erhielten beim Anblick seines unschuldigen Kindes. „Weißt Du nicht, wie die Tropfen heißen, die die Mutter immer für ihr Magenweh nimmt?" srug der Kleine, „ich Habs vergessen und woll nicht gern um kehren, weil sie die Mutter braucht, sie hat so arge Schmerzen und ich soll flink sein." „Wart, ich gehe selbst mit in die Apotheke," sprach der Bäcker, indem er sich erhob. Ein gleiches that der Fremde. „Wie die Zeit vergangen ist," meinte er, nachdem er einen Blick auf die Uhr ge worfen, „es fehlt nicht viel, so hätte ich den Zug ver- Paßt. Nichts für ungut meine Herren," damit lüftete er seinen Hut und verließ das Zimmer. Draußen war inzwischen der Abend herein gebrochen und der Mond und zahllose Sterne grüßten den Heraustreten den vom .Himmel kerab. Er wandte sicki vom Galt- Hof weg, dem Weg nach dem Bahnhofe zu. Nach wenigen Schritten ging plötzlich der Bäcker neben ihm her, sein Kind an der Hand. „Bis zur Apotheke haben wir ja gemeinsamen Weg" meinte er und dann plauderten sie von dem und jenem. „Furchtest Du Dich denn nicht, am Abend so draußen herumzu laufen?" frag Walther dm Keinen. Dieser schüttelte lächelnd den Kopf: „Ich bin ja beim Vater!" meinte er vertrauensvoll. Der Bäcker aber drückte den Kleinen tiefbewegt an sich, so daß der kleine Schelm gar nicht wußte, wie ihm geschah. Sie waren jetzt an dec Apocheke angekommen, als dec Bäcker dem Fremden die Hand bot. „Sie hoben durch ihre Er zählung und ihre offenherzigen Worte hcme eine Binde von meinen Augen genommen und mich in einen tiefen Abgrund blicken lassen; wenn ich vor dem Sturz in denselben bewahrt bleibe, so ist das Ihr Verdienst. Haben Sie Dank, ich werde cs Ihnen nie vergessen," sprach er bewegt, dann hob er plötzlich sein Kind in die Höhe: „Willy, hab einmal den Onkel da recht lieb; drück ihn so sehr Du kannst und gieb ihm einen Kuß und sag zu ihm: „Ich danke Dir, Onkel", er hats verdient." Und der Kleine, obgleich er nicht wußte, wofür, that wie ihm geheißen; er legte seine Aerm- chcn um den Hals des Fremden und preßte ihn nach Kinderart ganz fest an sich, dann bot er ihm das Mündchen, indem er gehorsam sprach: „Ich danke, Onkel." Walther küßte den kleinen, herzigen Buben und streichelte ihn, dann griff er in seine Ledertasche, in der er eine Düte Kirschen wußte, welche er nun dem Kleinen in die Hände gab. „So, Du kleiner Schelm, damit Du doch auch weißt, wofür Du den Onkel so schön geliebkost hast," sprach er gerührt, dann trennte er sich von den Beiden. „Gott gieb, daß er irmkehrt," flüsterte er, „ich denke, er ist noch zu retten" und seine Augen sahen bittend zum sternbesäeten Nachthimmel empor. * * * Mehrere Jahre sind seit jenem Tage vergangen. Einen vierzehntägigen Urlaub benützend, hatte Walther eine Vergnügungsreise nach verschiedenen böhmischen Badeorten mit seiner Familie unternommen. Seit drei Taaen weilten die Reisenden in Karlsbad, in dessen herrlicher Umgebung sie schon verschiedene schöne Par- thien unternommen hatten. Heute waren sie herauf- gestiegen nach dem „Hirschensprung" und standen, an das Geländer gelehnt hier, um trunkenen Blickes das herrliche Panorama zu betrachten, welches sich ihnen von diesem interessanten Aussichtspunkte aus darbot. „Ach Gott, wie ist doch deine Well so schön; ich danke Dir, daß Du uns dieses herrliche Stück Erde sehen läßt!" rief Walch >r in überquellender Dankbar keit laut aus. „Nicht wahr? Das habe ich auch schon gedacht!" erwiderte da eine männliche Stimme und sich verwundert umdrehend, say sich Walther einem Herrn gegenüber, den er sich erinnerte, schon irgend wo im Leben gesehen zu haben, wann und wo, das wußte er freilich im Augenblick nicht. Der andere kam ihm entgegen. „Sie kennen mich nicht mehr, wie es scheint," sprach ec lächelnd, „ich aber habe Sie sosort, nochjehe ich Ihr Gesicht sav, an Ihrer Stimme erkannt" und nun stellte er sich schmunzelnd vor. „Bäckermeister Förster aus V. nebst Familie," dabei deutete er auf eine etwas entfernt stehende Frau nebst drei Kindern. Walther bot ihm freudig überrascht die Hand. „Ist es möglich? Wie mich das freut!" ries er und stellte ihm seine Familie vor. „Marie, sieh doch!" rief Förster seiner Frau entgegen, „das ist der Herr, dem ich es verdanke, daß ich damals — Du weißt ja!" und ihr einige Worte zuflüsternd, zog er sie mit sich zu seinem „Retter," wie er Walther freudig nannte. Frau Marie drückte Walthers Hand wie die eines alten, lieben Freundes. „Wenn Sie wüßten, wie ost ich für Sie gebetet habe," sprach sie mit feuchtschimmernden Augen dankbar zu ihm auf blickend. „Mein Mann Hal mir an jenem Abend alles erzählt und ich freue mich, Ihnen selbst noch danken zu können." „Sv hat Jar Gatte damals Wort gehalten?" frug Walther erfreut. „Na und ob!" ent gegnete Förster, welcher hinzugetreten war. „Aus war es wie abgeschnitten; und nie wieder habe ich mich überreden lassen. Glauben Sie, ich wäre sonst in die Lage gekommen mit der ga'zen Gesellschaft, dabei deutere er mit fröhlichem Lächeln aus die Seinen — eine Bergnügung-reise hierh r zU machen? Es war damals ein hartes Wort, das Sie in der „Goldnen Gans" sprachen. aber ein wahres, ein echtes Manneswort; eine bittere Pille, aber sie hat geholfen, daß aus dem Spieler wieder ein arbeitsamer Mann geworden ist." „Aber Fritz — die Kinder!" mahnte seine Frau leise. „Ach was, die Kinder sind groß und verständig genug um es auch zu wissen. Kommt her Kinder" und er wandte sich an diese „und seht Euch den Herrn an und bedankt Euch bei ihm, denn daß wir diese herrliche Reise mit Euch machen konnten; ist sein Ver dienst" — „Aber nicht doch" wandte Walther ab wehrend ein. „Sein Verdienst!" Wiederholte aber Förster nachdrücklich. „Euer Vater hatte sich nämlich vecsühcen lassen und war ein Spieler geworden, der all sein Geld dem Kartenteufel opferte; da hat dieser Herr mich noch zur rechten Zeit durch ein offenes, ehrlich gemeintes Wort zur Vernunft gebracht und das sag ich Euch: Wenn eins von Euch einmal einen dummen Streich machen sollte und es will Euch einer zur Vernunft bringen und Ihr hört nicht auf seinen guten Rath, dann soll Euch der Geier holen!" Er hatte ansangs bewegt, gegen den Schluß seiner Rede hin aber in einem Tone ge sprochen, der einem Unteroffizier alle Ehre gemacht hätte und hatte dabei ganz martialisch auSgesehen; nun er geendet, strahlten ihm Glück und Zufriedenheit wieder aus den Augen. Er trat an das Geländer Huan, um sich mit den Seinen an dem herrlichen Ausblick zu erfreuen. Seine Frau und Kinder hatten sich längst schon neben Walthers zum Ausruhen nieder gelassen, er lehnte noch immer dort und schaute wie träumend hinunter auf die Stadt. We'ch ein Abgrund; wer da hinunter stürzte! Schon einmal hatte er an einem Abgrund gestanden und der Blick hinunter war ein so grausiger gewesen, daß er schaudernd zurück geschreckt war; hier jedoch konnte er sich nicht sott »ehen; dieser Abgrund barg in seiner Tiefe ein Bild so schön und freundlich, so hell und heiter, wie die Zukunft vor ihm lag und sein Leben ihm im Kreise der Säuen dayingeflossen war, seit dem Tage, da er zurückgeschaudert vor jenem anderen Abgründe.
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