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Uever Leicheuverbreuuuug. Für die Leichenverbrennuog oder „Feuerbestattung" (!) sucht man in deutschen Landen iu ueuerer Zeit immer wieder Stimmung zu machen. In Preußen, Bayern, Württemberg, Sachsen sind wiederholt Gesuche an de StoatS- und kirchlichen Behörden gelangt um, wenn nicht obligatorische (gesetzliche), so doch fakultative (ivS Belieben des Einzeln.v gestellte) Ein- sührung dieser Art der Behandlung von Leichen. Alle möglichen Gründe werden dafür ins Feld geführt, hauptsächlich wohl der, daß die Kirchhöfe die Ursache für zahlreiche Erkrankungen abgeben. Schon in den 80er Jahren ist dieser Einwurf von ärztlichen und chemisch - gebildeten Autoritäten zu- rückgewiesen worden. Im Jahre 1885 gab ein Dresdener Arzt eine Schrift heran-: Schädigen die Kirchhöfe die Gesundheit der Lebenden? worin er die Haltlosigkeit der Behauptung von der Gefährlichkeit der Friedhöfe vach weist und zu dem Eudergebuiß kommt: Die Leicheuverbrennung ist eine unnöthige, eine widernatürliche und eine gemeingefährliche Maßregel; un- vöthig, weil der gegenwärtige BestattuitgSmoduS bei strenger Beobachtung der Vorschriften der Kirchhofs-Hygiene (GesuudheitSlehre) keine Gefahren bietet; widernatürlich, weil die Endprodukte bei der Verbrennung der Leiche der Hauptsache nach andere find, als die beim natürlichen Zerfall derselben; gemeiugesährlich 1., weil mit dem verschiedenen Verlauf des Zersetzung-' Prozesse- eine Zerstörung des PflauzeneruährungSmaterialS eivhergehr, die im Laufe der Zeit zu schwerer Beeinträchtigung der für die Existenz des Menschengeschlechts unentbehrliche Pflanzenwelt führen müßte, 2., weil die schnelle und vollkommene Zerstörung der Leichen de» Verbrechern eine er- muthigende Sicherheit gewährt; 3., weil die größte Sorgfalt bei der Er richtung und Bedienung eines LeichenverbreunungSofeuS erforderlich ist, wenn KaallgaSbildung und Explosionen vermieden werden sollen, wie thatsächlich am 22. Februar 1879 der GaSerzeugungSofeu der LeichenverbrennuugS- anstalt in Gotha mit Detonation gebrochen ist. — Wir können die Leichen- verbrevnuvg in de» „Kirchlichen Nachrichten" vur vom kirchlichen, christlichen und sittlichen Standpunkt aus betrachten und müssen sie als vorchristlich, unchristlich und autichristlich, der Sitte und dem Gefühl wiederstrebend be zeichnen. Mit Recht hat daher die Kirchbehörde unseres Landes, wie die anderer Länder die Betheiligung des geistlichen Amtes vor und bei der Verbreuuung untersagt. Das Evanqel.-luth. LandeSconfistorium zu Dresden hat bereit- am 26. März 1886 verordnet, „daß eS, wenn vor der Ab führung der Leiche eines evangelischen Gemeindegliedes zu sogenannter Feuerbestattung von den Hinterbliebenen die Vollziehung eines gottesdienst lichen, liturgisch-kirchlichen Actes, sei eS im Hause oder in der Parentatious- halle, begehrt wür»e, die Geistlichen weder für verpflichtet noch für berechtigt erachten könne, solchem Verlangen zu entsprechen, da der gedachte Be- stattuugSact nicht vur in hiesigen Landen nicht gestattet, sondern auch mit oer bestehenden Sitte und der gesetzlichen kirchlichen Ordnung, nach welcher (vergl. Geueralartilel XV) die Leichname christlicher Gemeindeglieder „ehr lich begraben" werden sollen, unvereinbar ist. Dagegen versteht es sich von selbst, daß der Geistliche den Hiuterbliebeuen seinen seelsorgerlichen Beistand in Belehrung und Tröstung auch in solchen Fällen nicht versagen darf. ES muß dem Tact und der besonnenen Ueberlegung des Geistlichen überlassen werden, wie und zu welcher Zeit er, namentlich mit Rücksicht auf die Stellung, welche die betheiligten Leidtragenden zu der ganzen An gelegenheit einnehmen und auf die Gesinnung, welche sie bei solchen Anlässen kund geben, seinen seelsorgerlichen Pflichten am besten und am erfolgreichsten Nachkomme» zu können glaubt."— Nun will, wie wir hören, eine sächsische Conferenz, die nicht vur aus Geistlichen besteht, aber doch auch aus solchen, in der 1901 zusammen tretenden allgemeinen evavg.-luth. Landessynode beantragen, daß den Geistlichen der Landeskirche die amtliche Bctheiligung bei oder jedenfalls vor der „Feuerbestattung" gestattet werde. Wir zweifeln nicht, daß sich das Kirchenregiment, ebenso wie die Staatsregierung hinsicht lich der Einführung der Leichenverbrennung, gegen diesen Anttag nach wie vor ablehnend verhalten werde. Schließlich wollen wir uns von einem Augenzeugen schildern lasten, wie eS bei einer „Feuerbestattung" zugeht: Wir werden in ein prächtiges Gebäude geführt und treten in einen großen Saal ein. In de- Mitte des selben erhebt sich ein schwarz bedecktes Leichengerüst. Die Leidtragenden ammt einem Pr-diger (wenn sich nämlich einer dazu finden läßt), ver- ammcln sich; das Tuch wird von dem Gerüst abgehoben, der Sarg darauf sestellt, hernach Alles wieder zugedeckt. Der Prediger hält eine Rede, die Thränen fließen. Da mit einem Male senkt sich das Tuch auf dem Trauer gerüste, der Sarg darunter ist verschwunoen. DaS Brett, auf dem er stand war durch eine Maschinerie zurückgetreten und auf eisernen Schienen rollte er hinab in den eisernen Ofen. Sobald er sich in demselben befindet, wird eine eiserne Thür vorgelafsen. Run tritt daS Feuer in seine Rechte; Gluthströme, durch eine Unmasse Brennmaterial erzeugt, weiden in den O en hineingeleitet. An der eisernen Thür des Ofens ist eine Oeffnung angebracht, welche uns Einblick in das grauenvolle Innere gewährt. Wir sehen hinein zum Sarg. Derselbe ist rasch verbrannt; die Leiche liegt bloß vor uns da. Aber es ist, als öffmte sie die Augen und rollte sie fürchter lich umher; die Hände, die Finger fangen an zu zucken, alle Glieder kom men in eine zitternde Bewegung. Der Anblick ist kaum zu ertragen. Das ist die Macht des Feuers, die auch am todten Körper solche Wirkungen her vorbringt! Während oben die Leidtragenden ein angenehmes Zergehen im Feuer sich denken, spielt sich unten das furchtbare Schauspiel ab. Endlich nach 3 Stunden ist Alles zu Asche geworden; Sarg, Kleider und Mensch. Mit einem Besen wird die Asche zusammevgekehrt, dann in eine blecherne Büchse gethan und die Büchse hinaufgebracht zu den anderen Büchsen, die bereits dort wie in einer Apotheke aufgereiht stehen. Und das soll pietät voll, poetisch, rührend und wer weiß noch was alles sein? Gott behüte uns davor! Rein wir halten es mit unseren Gräbern und den Kreuzen darauf. Hier weht uns die Luft des Friedens und der Auferstehung an. „Dem Leib ein Räumlein gönn' bei frommer Christen Grab, auf daß er seine Ruh au ihrer Seite hab'." Der Bund des Weißen Kreuzes. Der Baud vom Weißen Kreuze wurde im Jahre 1883 zum Schutze gegen die furchtbare Macht der Uufittlichkeit und zu ihrer Bekämpfung durch den evangelischen Bischof von Durham vr. Lightfdot gegründet und gewann i» Evgland, sowie in den britischen Colonien rasch eine große Zahl von Anhängern. Zwei Jahre später schon nahmen die Amerikaner und die Schweizer die Arbeit auf, besonder- die Vereine in New-Jork und Chicago, und 1898 entstand ein Zwcigvereiv in Paris, der unter Leitung des deut schen Pastors AntheS seine Thätigkeit bereits über ganz Frankreich ausge dehnt hat Zwei Mitglieder des Christlichen Vereins junger Männer zv Berlin verschafften der Sache 1890 durch Gründung des dortigen Zweig- buvdeS auch iu Deutschland Eingang und später wurden in Oesterreich- Uvgaru und iu Rußland ebenfalls Zweigbündnisse ins Leben gerufen. In unserm sächsischen Vaterlande ging Mitte 1894 der evangelische JünglivgSverein zu Bautzen mit Aufnahme der Arbeit voran. Großen Auf schwung nahm sie, als Ende desselben Jahres Pastor sw. vr. Ernst Siedel die Sache in Dresden eiusührte. Durch seine Arbeit im Christlichen Verein junger Männer zu Dresden wieder jung geworden, wagte er eS, im Ver trauen auf Gottes gnädigen Beistand, einen Zweigbuvd des Weißen Kreuzes im engen Anschluß an jenen Verein zu gründen, aber er ahnte nicht, was für ein großes Arbeitsfeld sein Herr ihm damit übergeben hatte. Bis zum 1. November 1899 hat Pastor vr. Siedel theils mündlich, theils schriftlich 1455 Männer und Jünglinge iu den Bund aufgenommev, die sich über alle Erdtheile vertheilen und die Gründung einer ganzen Reihe von neuen Zweig- büudviffen veranlaßt haben. Welche Summe von seelsorgerischer Arbeit dies bedeutet, daS kann nur der ermessen, der die Sache wirklich kennt. Siu solcher aber wird eS verstehen, daß vr. Siedel sagt, es sei ihm selbst wie ein Wunder vor seinen Augen, daß er diese Arbeit habe leisten können. Die Zweigbünduisse in Sachsen und Thüringen haben sich zu einer besonderen Gruppe mit dem Vororte Dresden zasammenaeschloffen, und in Dresden hat sich kürz! ch ein die Mitglieder der dortigen JüngliugSvereine umfassender Zweigbund unter Leitung des mit Pastor Siedel Hand in Hand gehenden DiakonaS Zeißig gebildet. Aber auch die anderen Zweigbündnisse haben mit sichtbarem Segen gearbeitet. Der in Berlin seinen Sitz habende Central vorstand des Bundes hat bis Ende Mai dieses Jahres 15874 Karten ausgegeben, und es bestehen bereits über sechzig deutsche Zweigvereiue. „Das weiße Kreuz hat zunächst den ganz bestimmten Zweck, der Män nerwelt einen festen Halt zu geben im Kampfe gegen die von außen und innen her drohenden Versuchungen „ur Fleischessüude der Uukeuschheit. — Da dieser feste Halt aber vur vorhanden sein wird, wenn eine persönliche Lebensgemeinschaft mit dem Herrn Jesus Christus erreicht ist, so sie daS Weiße Kreuz alleu Leitern der Zweigbündnisss als Hauptaufgabe, die ihnen zugeführten Menschenseelen einzig und allein auf Ihn — Ihren Erretter — hinzuweisen und zu zeigen, daß in Seinem heiligen Blut Sündenvergeb ung und in der lebendigen Gemeinschaft mit ihm Bewahrung vor Sünden gegeben wird. — Alle Mitarbeiter werden also hierdurch brüderlich und eindringlich gebeten, daß Weiße Kreuz nie etwa als Selbstzweck ansehen zu wollen, sondern als ein Mittel, die Seelen zum Herrn zu führen. — Um diesen Hauptzweck nach Möglichkeit zu erreichen, muß in jedem Falle eine persönliche Seelsorge der Aufnahme in den Bund vorhergehen. Dieselbe hat in der Regel mündlich zu erfolgen und hat die Hauptaufgabe, zunächst den vorhandenen oder nicht vorhandenen Gnadenstand der betreffenden Seele zu ergründen. Ist bei dem Pflegling irgendwie das Bedürsniß vorhanden, seine Sünden zu bekennen, so sollte man diese Stunde hierzu benutzen, jedoch wird dringend davor gewarnt, irgendwie nach dieser Seite hin gewaltsam zu drängen. — Jeder Leiter und Seelsorger des „Weißen Kreuzes" soll sich der großen Gefahren und der hohen Verantwortlichkeit dieser heiligen und schweren Arbeit bewußt sein und bleiben. — Die eigene Heiligung und Sammlung vor jedem seelsorgerische» Gespräch ist dringend erforderlich, „machet keusch eure Seelen"; ferner muß die uöthige Ruhe und Zeit vor handen sei», sowohl für die erste, eingehende Aussprache, wie auch für die weitere so hoch nothwendige Pflege des Betreffenden. Die Arbeiter des Weißen Kreuzes haben nur seelsorgerlich zu dienen, indem sie die Pfleg linge in erster Linie auf den Heiland Hinweisen und ferner — wenn nöthig — Rathschläge geben, die dazu dienen können, den Körper zu bezähmen, niemals jedoch dürfe» irgend w siche Untersuchungen stattfindeo, die vur dem Arzte zukommen." . . . Druck und Lerlag von I. Ruhr Rachsolger Max Förster, Hohenstem-Erustthal.