Volltext Seite (XML)
Kirchliche Wlilhsin Monatliche Deigabe zum „Tageblatt". Redigirt von Pfarrer B. Albrecht in Hohenstein-Ernstthal, an den alle diesbezüglichen Sendungen zu richten sind. Februar-Ausgabe. Nr. 2. 1900. I. Am Kreuze hing der Herr in schwerem Kampfe, Belastet mit der ganzen Menschheit Sünden, von seinen Jüngern, seinem Gott verlaffen, Als Gottmensch dennoch stark zu überwinden. Ls öffnet seinen Kelch, um Balsam spendend Zu mildern noch des Heilands letzte Stunde. Und steh', es fällt ein Purpurtröpflein kräftig Hernieder in den Kelch aus heil'ger Wunde. Die Passionsblume. 2 Fühlloses Volk umschaart die heil'ge Stätte Und spottet dessen, dem die Engel dienen; Doch untcrm Kreuzesstamme wehmuth schauernd Sieht einsam man ein Haideblümlein grünen. 5. Da säuselt'» wunderbar in seinen Blättern, Durch seine Zweige rinnet neues Leben. Es kennt sich selbst nicht mehr, denn andre Formen, Lin Feierkleid hat ihm der Herr gegeben. ?. Noch blüht sie uns, beugt sich zu bunten Schwestern Nicht lächelnd nieder, nein in heil'ger Schöne Blickt sie hinauf, und in der Dornenkrone Strahlt rein und leuchtend eine Wehmuthsthräne. z. Er hebt sein Haupt und sieht die Unschuld dulden, L» sieht des Heilands Haupt im Cod sich neigen; Da streckt er sich empor, die heil'gen Füße Umschlingend mit den blüthenreichen Zweigen. b. Auf schwankem Rei» in tiefen Trauerfarben Lrstrahlt der Blumenstern in hehrem Glanze, Der Kelch birgt wunderbar Lrinn'rungrzeichen — Die Hämmer, Nägel — tief im Vornenkranze. Ein moderner Philosoph über Christus. Der bekannte Professor Eucken in Jena sagt in seinem Buche „Die LebenSanschauungen der großen Denker": „Seit Jesu Zeit hat die Culturarbeit in unserm Dasein überaus viel verschoben, sie hat den Anblick der Welt gänzlich verändert, sie stellt unserem Handeln eine Fülle neuer Aufgaben und verlangt dafür unablässige Arbeit; wie kommt eS, daß wir trotz so eingreifender Wandelungen nicht von Jesus loskommen können, daß wir, weit über das besondere Gebiet der Religion hinaus, uns immer wieder gezwungen Uhlen, zu ihm zurückzukehren, uns mit ihm zu befassen, zu ihm ein Berhältniß zu suchen und dies Verhältoiß als das Wichtigste, Heiligste, Entscheidenste in unserem ganzen Leben zu Kaiser Karl V. Am 24. Februar sind 400 Jahre verstrichen, seitdem der Kaiser, der in dem Leben Luthers und in den Tagen der Reformation eine so bedeut same Rolle spielte, Karl V., in Gent in den Niederlanden das Licht der Welt erblickte. Als Erbe der spanisch-habsburgischen Weltmonarchie konnte er sagen, daß „in seinem Reiche die Sonne nicht untergehe". Und als er 1519 auf den deutschen Kaiserthro» erhoben wurde, da schien die verblichene Macht und Herrlichkeit des Kaisertums neu erstanden zu sein. In einem fast sein ganz«S Leben währenden Kampfe mit Feinden ringsum, hat er seinen Besitz mannhaft und ruhmvoll behauptet. Aus den körperlich und geistig langsam sich entwickelnden, wenig verheißenden Knaben ist jener Herrscher erwachsen, welcher, stets schwachen und gebrechlichen Leibes, Küstern und harten GemütheS, kalt und verschlossen, mit iluger Berechnung, weitem Blick und zähem Willen die politische Lage beherrschte, unabhängig zuletzt von allen seinen Rathgebern seine Pläne faßte und reiflich und langsam erwägend, aber beharrlich und muthvoll sie durchsührte. Die kühnsten Hoff nungen eines großen TheileS der deutschen Volkes knüpften sich an die Person des jungen Königs, auch ein Luther begrüßte das „junge edle Blut". Aber Karl, von Jugend auf seiner deutschen Hcimath entfremdet, verstand nicht die Röthen seines Volkes; ihm erschien die Idee einer kaiserlichen Weltherrschaft ruhmvoller als die Befreiung der Völker aus den Banden Roms; ihm stand das Interesse seines Hauses höher als die WohlUhrt und das Hell seiner Unterthanen. Auch war er zu streng in den Grundsätzen der katholischen Kirche erzogen, als daß eine freiere Regung Gewalt über ,hn hätte gewinnen können. Er sah die Reformation an al« eine „ver dammte Ketzerei" und fühlte sich, als Schirmherr seiner Kirche, berufen, jene auszurotten. Als er zum ersten Male in Deutschland weilte, hatte er seine erste Begegnung mit Luther auf dem Reichstag zu Worms 1521. Zwar hat er ihm freies Geleit gehalten trotz der Einflüsterungen, daß man einen im päpstlichen Bann befindlichen Ketzer gar nicht anhören dürfe, aber für Luthers glaubenSmuthigeS Auftreten hatte der Kaiser nur verständniß- lose Verachtung („der wird mich nicht bekehren") und die ReichSacht. Aber es ist nun das Verhäugniß des Kaisers geworden, daß er trotz aller Macht behandeln? Warum veraltet sein Bild nicht, warum können wir immer wieder Neues in ihm finden? Sicherlich deshalb, weil jenes ganze Cultur- leben mit all seinen glänzenden und geräuschvollen Erfolgen den tiefsten Grund des Menschen nicht erschöpft, weil eine innerste Rothwendigkeit ihn dazu treibt, in einem unendlichen Sein und einer unendlichen Liede einen inneren Frieden, ein echtes und reines Wesen, die Rettung seiner Seele zu suchen. Wo aber ein solches Verlangen durchbricht, da wird es sich auch das Bekenntniß des Petrus aneiguen: „Herr, wohin sollen wir gehen? Da hast Worte des ewigen Lebens." und die Kirche. nicht im Stande war, das „Wormser Edict" zu vollziehen. Die fortwäh renden kriegerischen Verwickelungen, in die er verflochten war, haben ihn ge- hindert, nachdrücklich in die deutschen Verhältnisse emzugreifen, oft zum Rachtheil Deutschlands, aber zum Segen für die Reformation, welche so, anstatt schon in ihren Anfängen unterdrückt zu werden, sich entfalten konnte, bis sie eine Großmacht geworden war, mit der man rechnen mußte. So konnte der günstige ReichStagSabschied von Speyer gefaßt werden, der that- sächlich den evangelischen Ständen freie Bahn machte (1526). Freilich hat der Kaiser auf dem zweiten Reichstage zu Speyer 1529 den drei Jahre zuvor gefaßten Beschluß für ungültig erklärt und damit den Protest de. Evangelischen hervorgerufen (daher seitdem der Rame „Protestanten") Trotz dem hat eine eigenthiimliche Verkettung verschiedener Umstände bewirkt, daß auch diesem Protest gegenüber nicht Gewalt angewandt, sondern zu Augs burg 1530 aufs Reue mit den Evangelischen verhandelt wurde. Ihr Glaubensbekenntuiß am 25. Juni zwar hat auf Kaiser Karl keinen Eindruck gemacht, dazu fehlte ihm Sinn und Verständniß, ja er schlief während der Vorlesung; er hielt es für widerlegt durch seine katholischen Theologen und forderte einfach Unterwerfung. Aber Gewalt zu brauchen wagte er auch jetzt nicht, durch die politische Bedrängniß ward er wieder zum Nachgeben gezwungen. Wieder war es die Türkengefahr, die dem ProtestantlSmuS zu Hilfe kam. Im Nürnberger Religionsfrieden 1532 wurde der Augsburger Reichstagsabschied zurückgevommen und den Protestanten bis zu einem binnen Jahresfrist abzuhaltenden Conzil freie ReligionSübung gestattet. Im Fluge verbreitete sich die Reformation über das nördliche Europa, ohne daß Karl, der im Süden seines Reiches in Anspruch genommen war und durch die Niederwerfung des Seeräubers Chaireddin Barbarossa in Tunis sich ein wirkliches Verdienst um die Christenheit erwarb, eL hindern konnte. Als er wieder etwas freie Hand bekommen hatte, betrieb er eifrig das Zu standekommen einer Kirchenversammluog. Und da Papst Paul III., seinem Drängen uachgebeud, ein solch's 1557 nach Mantua bestellte, aber zugleich seine Beschickung durch die Protestanten unmöglich gemacht hatte durch den offen angegebenen Zweck der Vernichtung der Ketzerei, trat der Kaiser selbst