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Man kommt zuweilen mit Menschen zu sammen, die trotz einer gewissen Begabung und trotz emsigen Fleißes in ihrem Beruf von einem merkwürdigen Mißgeschick ver folgt sind. Sie schuften und rackern sich ab, können es aber nie zu einem wirklichen Er folg bringen. Es ist begreiflich, daß solche „Pechvögel" allmählich verärgert und verbittert werden. Mit Neid und Mßgunst schauen sie auf alle diejenigen, denen das Glück mehr lächelt und die scheinbar ohne große Mühe Erfolge auf Erfolge einheimsen. „Warum —" so kragen sie grollend — „warum werden gerade wir vom Schicksal so stiefmütterlich behandelt? Ist das nicht eine Ungerechtig keit? Sind wir denn nicht auch fleißig und arbeitsam?" Im ersten Augenblick sieht es fast so aus, als ob jene „ewig Erfolglosen" mit ihren Anklagen wirklich recht hätten. Und doch — würden sie sich einmal ehrlich und ernst haft Rechenschaft darüber ablegen, was denn nun eigentlich die Gründe ihrer Miß erfolge sind, so kämen sie zu einer ganz anderen Anschauung. Gewiß: Fleiß und Regsamkeit sind nötig, wenn man es im Leben weiterbringen will. Aber damit allein ist es noch nicht getan. Man muß auch Liebe zur Sache haben, man muß mit gan zem Herzen dabei sein- Jene Unglücksraben scheitern und scheitern aber immer wieder, weil sie keine innere Beziehung zu ihrer Berufstätigkeit haben. Sie begeistern sich vielleicht einmal schnell für etwas, aber ebenso schnell verfliegt ihre Begeisterung wieder. Sobald sich ihnen der geringste Widerstand, die geringste Schwierigkeit in den Weg stellt, verlieren sie die rechte Lust und arbeiten dann verdrossen, gleichgültig und oberflächlich weiter. Wie ganz anders dagegen verhält sich der wirklich Erfolgreiche. Bei allem, was er unternimmt, setzt er sich mit der ganzen Kraft seiner Persönlichkeit ein. Er arbeitet nicht so sehr um des eigenen Vorteils willen, sondern um einer Sache zu dienen. Je größer und schwieriger nun eine Auf gabe ist, die er sich gestellt hat, und je mehr er sich in sie vertieft, um so mehr gewinnt er Interesse daran und um so mehr steigern sich dann auch seine Schwungkraft, seine Be geisterung und seine innere Freudigkeit. Nur einem solchen Menschen aber, der ganz er füllt ist von seiner Arbeit, gelingen auch Höchstleistungen, die wirklichen Wert haben. Doch nicht nur im Beruf ist es erforder lich, daß man Liebe und Lust zur Sache hat. Will man fein privates Leben schön und harmonisch gestalten, so muß man eben falls die nötige Hingabefreudigkeit auf bringen. Menschen, die im Verkehr mit ihren Freunden und Bekannten immer nur an ihren eigenen Nutzen denken, die sich nie in das Seelenleben der anderen Hinein sühlen und die jedem Bekannten, der sich in Not befindet, ängstlich aus dem Wege gehen, um sich nur ja keine Unannehmlich keiten zu schaffen, werden allmählich immer einsamer und verlassener dastehen. Niemand will mit jenen kalten egoistischen Leuten etwas zu tun haben. Wer dagegen stets freundschaftlich und mit echter Herzens wärme seinen Mitmenschen entgegenkommt, wer sich bemüht, ihre Freuden und Leiden mit ihnen zu teilen, sie geistig und seelisch zu beraten und zu fördern und ihnen — falls es not tut — auch tatkräftig zu helfen, der wird bald eine große Freundesschar um sich geschart sehen. Alle haben ihn gern und schätzen ihn, da sie ihn als treu und zuver lässig erkannt haben. Ein solcher Mensch fühlt sich wunderbar reich und glücklich, denn die freundschaftlichen Gefühle, die er an andere ausströmt, fließen ihm von allen Seiten in doppeltem Maße wieder zu. Was hier vom Umgang mit Freunden und Bekannten gesagt wurde, das gilt natürlich noch viel mehr für das Familien leben. Auch eine eheliche Gemeinschaft kann nur dann schön und glücklich sein, wenn beide Ehepartner mit ganzem Herzen ein ander zugetan sind. Woran kranken denn heute so viele Ehen? In den allermeisten Fällen doch daran, daß zwei Menschen sich nur deswegen zusammengetan haben, um ein gemütliches, behagliches Dasein mitein ander zu führen. Sie geben sich aber nicht die geringste Mühe, auch auf das Innen leben des anderen Rücksicht zu nehmen. So gehen in einer solchen Ehe die Menschen immer gleichgültiger und gedankenloser nebeneinander her, und keiner weiß über das Seelenleben des anderen Bescheid. Wo aber echte Liebe und wahres Interesse für den Ehepartner vorhanden sind, da kommt es wohl auch hin und wieder zu Zwistigkeiten und Mißverständnissen, aber man spricht sich dabei ehrlich aus, und jeder lernt auf diese Weise den andern besser kennen. Gemeinsam teilt man Leid und Freud, Sorgen und Mühen und wächst dadurch innerlich immer mehr zusammen. Nur solche Ehen, in denen Mann und Frau sich seelisch aufs tiefste ver bunden fühlen, verbürgen wahres Glück... Sich für eine große Ausgabe — sei es nun im Beruf, im privaten Leben oder im Familienkreis — mit ganzem Herzen hin zugeben, ist sicherlich nicht immer leicht. Auch seelisch starke und gefestigte Menschen er leben oft Stunden, in denen sie den rechten Mut verlieren. Wenn unüberwindliche Hin dernisse sich ihnen in den Weg stellen, wenn schwere Schicksalsschläge oder Enttäuschun gen sie treffen, dann packt wohl auch sie manchmal die Verzweiflung, und sie wissen nicht aus noch ein. In solchen Augenblicken ist es natürlich unmöglich, daß man sich seine Schwungkraft, seine Begeisterungsfreudig keit bewahrt. Aber während der Klein mütige dann gewöhnlich feige den Rückzug antritt und die Aufgabe, die er sich gestellt hat, im Stiche läßt, ist es das Kennzeichen des wahrhaft starken Menschen, daß er sich nun erst recht aufrafft und die Schwierig keiten, die vor ihm liegen, auf jeden Fall zu überwinden trachtet. Der schönste Lohn eines solchen Lebens kämpfers ist aber nicht nur der äußere Er folg, sonder« vor allem das Gefühl der inneren Wertsteigerung. Jene Lebens kämpfer, die unermüdlich an sich arbeiten und die sich stets mit ganzem Herzen ihren großen Aufgaben hingeben, wachsen im Laufe der Jahre zu immer freieren und größeren Persönlichkeiten heran. Der Ge danke, daß sie etwas Nützliches und Wert volles leisten und daß sie ihre Fähigkeiten voll zur Entfaltung haben bringen können, erfüllt sie mit Glück und mit einer stolzen, lebensbejahenden Freude. Dies Glücks gefühl aber ist vielleicht das Höchste, was uns im irdischen Dasein zuteil werden kann. Dr. Robert Roseeu. Der Umgairg mit Büchern An der Haltung seiner Bücher erkennt man den Menschen. Es gibt peinlich saubere Menschen, die an ihrer Kleidung und in ihrer Wohnung kein Stäubchen dulden, und es kommt ihnen doch nicht daraus an, ein spannendes Buch als Zugabe zum Butter brot zu genießen oder Tinte darüberzu gießen. Sie legen es in die Sonne, in die Nässe, es ist ja nur ein Buch, das man nicht achten braucht, ein wertloser Gegenstand! Sie machen Eselsohren hinein als Merk zeichen; um es bequemer lesen zu können, fassen sie mit beiden Händen zu und biegen den Einband .zurück, daß die Heftfäden krachen und häßliche Spalten zwischen den Seiten entstehen. Gar ein geliehenes Buch ist für sie eine völlig belanglose Sache. Man Wird sich nie täuschen, wenn man diese Men schen nach der Haltung der Bücher einschätzt. Sie sind egoistisch und oberflächlich. Zuerst soll es das Bestreben jedes wahr haft gebildeten Menschen sein, ein Buch zu er werben, wenn es ihm gefällt. Ein einmal gelesenes Buch ist kein wahrer Freund, man muß es zur Hand haben, hineinsehen, wenn man Lust dazu hat, und es immer und immer wieder lesen. Erst bei mehrmaligem Lesen offenbaren sich nämlich die ganzen Reize. Bücher, die man immer wieder lesen kann, sind gut, solche, die den Menschen nur eine flüchtige Stunde zu fesseln vermögen, haben ihren Zweck verfehlt. Menschen, die ihre Bücher sehr lieben, werden nur die kostbarsten und teuersten Werke hinter Glasscheiben aufbewahren. Der ideale Platz sind Regale mit Vor hängen, an die man ohne weitere Umstände herantreten und nach Belieben den einen oder anderen Band herausziehen und be trachten 'ann. Nur so vermag man wahre Freundschaft mit Büchern zu halten, indem man ihnen immer nahe ist. Bücher, die man immer zur Hand haben will, stellt man dort hin, wo man seinen ständigen Sitzplatz hat. Bücher schonen, heißt keineswegs sie nicht lesen. Sie sollen um keinen Preis nach Art der „guten Stube" des vorigen Jahrhun derts behandelt werden, die darum nur ihr sauberes Aussehen behielt, weil sie nie be nutzt wurde und unter Ueberzügen und hinter Vorhängen ein geschontes und un würdiges Dasein verträumte. Sie stets zur Hand haben und sie doch gut behandeln — darin zeigt sich die rechte Art des Bücher freundes, des aufgeschloffenen und darrk- baren Menschen. Man ist schon lange davon abgekommen, den Büchern ein uniformes Aussehen zu geben. Gerade die moderne Buchindustrie bemüht sich, das Buch so individuell wie möglich zu gestalten. Der Einband ist dem Inhalt angepaßt', hell und freudig bei einem heiteren Buch, schlicht bei einer wissenschaft lichen Sammlung, gediegen ausgestattet bei einem inhaltsreichen epischen Werk. Der Buchkunst stehen heute alle Möglichkeiten offen, alle Einfälle der Zeichner haben Platz zwischen den Seiten, und cs ist erfreulich, daß man heute wieder Wert auf gute Illu strationen im Text legt. Der Bücherfreund wird sich hüten, diese Vielfalt durch ein Schema zu ersetzen, etwa dadurch, daß er sich seine Bibliothek einheitlich binden läßt. Das wirkt geschmacklos und erinnert zu sehr an Leihbibliotheken. Jedes Buch soll wie sein Inhalt sein: durchaus vom anderen verschieden durch Größe, Farbe und Ein band, wie es sich ja immer vom anderen durch den Inhalt unterscheidet. Der beste Freund ist ein gutes Buch. In jeder frohen, in jeder trüben Stimmung ist es ein Begleiter, der den Frohen froher macht und dem Traurigen Fassung und Haft schenkt. Darum soll mim die Bücher halten wie gute Freunde. Stets in erreichbarer Nähe sollen sie sein, und man soll sie stets anfassen wie eine Kostbarkeit. Wer seine Wertschätzung so zum Ausdruck bringt, dem danken sie hundertfältig. , Eva Schwandt.