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im Gedächtnis haften als das schönste Farbenspiel. Sollte das, was eine Saite unseres Empfindungslebens angeschlagen hat, nicht länger und reiner in uns nachtönen? Will der Plakatmaler auf den Beschauer wirken, so darf er sich nicht an die Theorie halten, er muß herabsteigen aus seiner Klause, ins Gewühl der Großstadtstraße, und draußen im Freien, im Anschauen der Natur, da wird er finden, womit er uns fesseln kann, womit er Blick und Seele von dem Gebrause fort — zu sich zieht. Gedient ist damit dem Maler, dem Ge schäftsmann und auch dem Publikum. Begnügt der Künstler sich nicht mehr damit, , den anzu bietenden Gegenstand nur künstlerisch darzustellen, sondern ver sucht er auch außerdem noch durch eine Idee zu reizen und zu fesseln, so wird ihm seine Arbeit erst die rechte Befriedigung bringen. Er wird nicht nur den Gegenstand einfach abzeichnen, sondern hineinblicken müssen in den Werdegang der Ware und besonders die Abnehmer zu studieren gezwungen sein, auf die er Einfluß gewinnen will, und die ihm glauben sollen, daß sie die angebotene Ware brauchen. Es gibt nun auch eine Art Ideen, vor denen der Vortragende besonders warnt; sie stehen abseits vom Leben und sind un fruchtbar — die Allegorien. Der Künstler muß stets bestrebt sein, einen Zusammenhang zwischen dem anzubietenden Gegenstand und der zeichnerischen Idee herbeizuführen suchen, und der Vortragende führte Bei spiele an, wo dies berücksichtigt ist oder nicht. So steht z. B. in der bekannten Anzeige »Um die Sache kurz zu machen«, wo ein Affe einer Katze den Schwanz abhackt, die zeichnerische Idee mit der empfohlenen Ware (Fahrräder) in keinerlei Zu sammenhang. Das Blatt zerfällt in zwei Teile: die Idee glänzt als Oberfläche, während das Wichtigste, das Objekt, in die Tiefe versinkt. Nun folgte die Besprechung von heiteren und ernsten Plakaten verschiedener Künstler seitens des Herrn Ascher. Er verstand es, die jedem Blatt zugrunde liegende Idee in treff licher Weise zu schildern und legte dar, wie diese Blätter durch ihren Gedankeninhalt in dem Beschauer Stimmungen aller Art auszulösen vermögen und ihn zum Lächeln und zum Ernst zwingen. Ein wirkungsvolles Blatt, in welchem ein schöner Zu sammenhang zwischen dem anzubietenden Gegenstand und der Idee erreicht ist, hat E. Weiß für Champagner »Burgeff Grün« geschaffen. Ein Herr und eine Dame sitzen in behag licher Stellung bei einem Picknick im Freien und trinken »Burgeff Grün«. Von der Dame sind nur die Schuhe und ein Stückchen Kleid sichtbar, den übrigen Körper muß sich der Beschauer hinzudenken. Es wird ihm Freude bereiten, die fehlenden Linien zu ergänzen, er wird daher länger bei einem solchen Blatt weilen. Was würde nun das reine Sachplakat da für geben? Wahrscheinlich würde es ein Sektkühler sein mit einer Champagnerflasche. Wenn es ein Künstler macht, kann das sehr wirksam und hübsch sein, aber nicht so gut wie das beschriebene Plakat. Dem künstlerischen Schriftplakat räumte der Vortragende volles Recht dort ein, wo es sich darum handelt, eine bereits bekannte Sache dem Publikum in Erinnerung zu bringen. Es genügt sicherlich, wenn der kurze Titel, gut in der Fläche stehend, mit feiner Farbenverteilung zum Ausdruck gebracht wird. Bei Besprechung der einzelnen Blätter hat sich eine Art von Psychologie des Plakats ergeben, und man konnte aus den Ausführungen des Redners wahrnehmen, welche Macht die Idee darstellt. Vielfach haben Künstler auf Farbenwirkung ver zichtet, die gute Wirkung, die trotzdem erzielt wurde, beruht einzig in der Idee. Der Vortragende behandelte nun in längeren Ausführungen die Sachplakate, die zuweilen durch ihre Farben sehr wirkungs voll sein können, denen aber doch Phantasie und Geist fehlten. Ihr Agitationswert würde dadurch herabgemindert, und phantasielose Künstler würden durch ihre Einfachheit zur Nachahmung angeregt. Da Bernhard und Lindenstedt die Hauptvertreter dieser Richtung sind, beurteilte Herr Ascher besonders die Arbeiten dieser beiden Künstler. In der Aussprache verteidigte sich Herr Lindenstedt gegen einige Angriffe des Referenten. Herr Schriftsteller Westheim schätzt die Bernhard’sche Kunst hoch und meint, im Publikum sei ein ornamentales Empfinden vorhanden, diesem komme Bernhard nach. Herr Regierungs-Bauführer Meyer hielt das Fazit des Vortrages für berechtigt und gab ihm bedingungsweise recht, -s- Stücklöhne in Buchbindereien. Die Buchbinder und Buch binderei-Arbeiterinnen Leipzigs erörterten in einer Versammlung am 12. März den Akkordtarif, der im Februar zwischen den Ver tretern der Gehilfen-Organisation und den Prinzipalen in Berlin, Leipzig und Stuttgart beschlossen wurde. Der Tarif befriedigte die Versammlung nicht. In einem Beschluß gab sie der Er wartung Ausdruck, daß Stärkung der Organisation besseren Erfolg herbeiführen wird. Durch Anstellung eines zweiten Be amten will man die organisatorische Tätigkeit beleben. Bonbonnieren-Stil Von Carol Hilarius Einen wichtigen Zweig der Kartonnagen-Industrie bildet die Herstellung von Packungen und Behältern für Bonbons, Schokolade, Pralines und Konfitüren. Im umgekehrten Verhältnis zu dem meist auserlesenen Geschmack des Inhalts steht derjenige der äußeren Hülle. Ein ästhetisch empfindender junger Mann kann heute seiner Braut keine nur halbwegs annehmbare Bonbonniere schenken, es sei denn, daß er eine feine Porzellan-Dose beim Kon- fiturenhändler füllen läßt, sehr zum Schaden einer In dustrie, deren ureigenstes Feld Packungen und dergl. sind. Mit dem Porzellan wetteifern Bronze, geflochtene Weiden körbchen, Holz usw. um die Gunst des Publikums, das da glaubt, mit diesen »netten Sächelchen« die Zahl der nichtigen Nippsachen in der guten Stube vergrößern zu müssen. Die Bestimmung einer solchen Umhüllung ist doch die, ein Genußmittel des Feinschmeckers zu beherbergen. Da man Pralinös nicht ewig aufhebt, ist mit der zeitweiligen Beherbergung der Zweck der Bonbonniere erfüllt. Haupt sache ist nun, die Hülle in einer dem delikaten Inhalt ent sprechenden, d. h. solchen Ausstattung zu bringen, daß sie dem Auge gefällt und zum Genuß des Inhaltes einladet. Die Industrie glaubt heute, diesen Zweck dadurch zu er füllen, daß sie dem Käufer viel vorspiegelt und ihm zu im ponieren sucht. So werden für Katzenzungen lange schmale Schachteln gemacht, die zwei reliefgeprägte, bronzierte Katzenköpfe in minderwertiger Graveurtechnik tragen (Stempel derart sind sehr teuer!), und der Kunde denkt oder soll denken, daß er einen mit zwei Bronzeplaketten ge schmückten Karton für 50 Pf. erhält. Wäre es nicht besser, Karton mit Papier zu überziehen, auf dem winzige Kätzchen in ihren neckischen Spielen lediglich als kleine weiße oder rote Pünktchen wirkend, dargestellt sind? Ein anderer Karton, der die Aufschrift »Bonbons fins« führt, ist mit Onyx-Papier überzogen und trägt ein bronze umrandetes Oval mit Biedermeier-Damenkopf in der Mitte. Durch die Vorspiegelung von Onyxstein wird die wahre Beschaffenheit des Materials geleugnet. Warum läßt man nicht die Pappschachtel als solche vornehm wirken? Wenn diese geschmackvoll beklebt ist und durch ein gut in der Farbe dazu passendes Seidenbändchen .zusammengehalten wird, dürfte sie einer feinfühligen Dame mehr Freude machen als diese Phantasie-Attrappen. Nun wenden mir einsichtige Fabrikanten, denen das Ueble dieser Art von Neuheiten schon zum Bewußtsein ge kommen ist, ein, daß ihre Abnehmer, Schokolade- und Konfiturenfabriken, Konditoren, Zuckerbäcker usw. diesen Geschmack hätten, und ich glaube es ihnen aufs Wort. Diese Kleinhändler bessern zu wollen, hieße gegen Wind mühlen kämpfen. Aber große Schokoladenfabriken, die Millionen umsetzen und Hunderttausende verdienen, sollten ihren Fabrikaten einen würdigeren Rahmen geben. Warum schreiben diese großen Firmen nicht auch hierfür einen Wettbewerb für Künstler aus? Warum wenden sich die Luxus-Kartonnagen-Fabrikanten nicht einmal an einige Künstler um Rat? Diese werden ihnen schon gutes liefern. Wenn sie von den Buntpapierfabriken keine guten Bezugspapiere bekommen können, mögen sie ruhig japanische verwenden, oder alte Muster vergangener Kultur epochen nachbilden lassen, sie sind besser als die süß lichen Chromos unserer sogenannten Kunstanstalten, die mit Kunst nichts zu tun haben. Mögen diese Anregungen den Herren, die es mit ihrem Geschäftszweig ernst meinen und ihn nicht noch mehr herunterwirtschaften wollen, die Augen öffnen und ihnen klar machen, daß es so nicht weiter gehen kann. Künstler herbei, hier ist ein Feld, Frucht trägt’s, wenn’s durch Euch bestellt! Bremer Brief Anjang Märe Nach dem Adreßbuch für 1907 sind am Orte vorhanden: 45 Buchdruckereien, 21 Steindruckereien, 3 galvanoplastische Anstalten, 66 Buchbindereien, 28 Verlagsbuchhandlungen und 59 Papier-, Schreib- und Zeichenwarenhandlungen. Es erscheinen 4 Tageszeitungen und außerdem 29 Zeitschriften für die ver schiedensten Zwecke. Die Beschäftigung im Buchdruck-Gewerbe erfordert in manchen Druckereien Ueberstunden, um die Arbeiten zu bewältigen. Be-