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PAPIER-ZEITUNG 743 Nr. 17 r die anderen. — oder ist er das Gegenteil von Schlauberger? Auf alle Fälle ist ein derartiges Anerbieten eine unerhörte, bei spiellose Preisschleuderei und umso schlimmer und tadelns werter, da sie freiwillig geschieht. Sind schon die Fachgenossen nicht zu entschuldigen, die sich von ihren Abnehmern unbarm herzig »abmurksen« (abschlachten) lassen und ihnen Frohn- dienste leisten, so ist die Handlungsweise dieses »Neunmark druckers« geradezu empörend. Es wird draußen in der Natur bald der Frühling kommen. Möge er auch in unser Gewerbe einkehren, sodaß wir — sei es auch nur bescheidene — Blumen auf dem Wege finden, statt □ns die Arbeitshände an Disteln und Dornen wund zu machen. Dieser Frühling wird aber nur dann zu uns kommen, wenn wir den festen Willen haben und dazu beitragen, daß die mühevolle Arbeit des Vereins Deutscher Steindruckereibesitzer gut zu Ende geführt wird. Diese Arbeit aber gilt in erster Linie der Auf besserung der Druckpreise in den einzelnen Gewerbegruppen. Die Vorarbeiten dazu sind in vollem Gange. Diese Arbeit ist mühevoll, weil noch viele Kollegen diesem Verein fernstehen, sie übersehen immer noch den Nutzen, welchen eine starke Organisation unserem Gewerbe auf die Dauer verbürgt, sie scheuen das kleine Opfer, das ihnen eine Angehörigkeit zum Verein auferlegt und beachten nicht, daß der Einzelne machtlos ist. Diese Gleichgiltigkeit kann sich rächen, und was heute unsere, dem Verein Deutscher Steindruckereibesitzer noch nicht angehörenden Kollegen freudig und freiwillig tun sollten, dazu führt sie vielleicht später der Zwang der Notlage — ich wünsche ihnen letzteres nicht! H. R. D. Kostenfreie Entwürfe für Drucksachen Aus Berlin Von der Firma R. D, Baugeschäft in Leipzig-Oetzsch, em pfingen wir das in Abschrift beigefügte Schreiben; wir senden Ihnen anliegend auch die Abschrift unserer Antwort und stellen Ihnen anheim, den Inhalt beider Schreiben in Ihrer Zeitschrift zu besprechen und Ihre Ansicht über ein derartiges, unser Ge- Gewerbe mißachtendes Verfahren anzuknüpfen. Buchdruckerei X Das Anschreiben des Baugeschäfts lautet: Leipzig-Oetzsch, den 19. Februar 1907 Beigehend gestatte mir, Sie zur kostenfreien Konkurrenz für Briefbogenköpfe mit entsprechendem Text und dementsprechen den Vorschlägen für die Druckschrift und mit entsprechenden Entwürfen und Schriftproben aufzufordern und ich bitte, mir die Preise nachstehender Quantitäten anzugeben. Diese Briefbogen köpfe sollen auf Schreibmaschinenpapier ausgeführt werden. Es handelt sich bei Ihrer Kalkulation um 5000 Stück einseitige Briefbogen und 5000 Mitteilungen. Die Mitteilungen sollen seit lich denselben Kopf haben wie die Briefbogen, jedoch in ent sprechend kleinerer Ausführung. Ihre Angebote und Vor schläge sind kostenfrei einzureichen, und es steht mir frei, ob mir Ihre Vorschläge zusagen oder nicht, und es sollen mir auch keinerlei Kosten entstehen. Hochachtungsvoll gez. R . . D . . Baumeister (Folgt der Text des Briefkopfes) Die Berliner Druckerei antwortete : Berlin, 20. Februar 1907 Für eine Beteiligung an Ihrer »kostenfreien Konkurrenz« zur Herstellung von 5000 Briefbogen und 5000 Mitteilungen danken wir. Leipzig hat doch wirklich genügend Druckereien, die Ihnen Ihren kleinen Druckauftrag sicherlich zur Zufriedenheit aus führen. Daß Sie wegen einer solchen Bagatelle auch noch Druckerei-Firmen in andern Städten inkommodieren, ist geradezu unglaublich und verdient energische Zurückweisung. Die Antwort der Berliner Buchdruckerei ist berechtigt. Bei Besprechung eines ähnlichen Ansinnens wurde in unserm Blatt vor einiger Zeit berechnet, daß durch solche privaten Verdingungen dem Druckgewerbe meist mehr ver geblich gemachte Unkosten verursacht werden, als der Preis der ganzen Druckarbeit beträgt. Arbeiterverhältnisse in den Druckereien Kairos Rechtfertigung eines Druckereibesitzers in Kairo Herr F. M. Max Boehme, Inhaber der Firma Boehme & Anderer, Papierhandlung, Buchbinderei und Druckerei in Kairo, schreibt uns, die Fachblätter »Helvetia Typographica« und »Korrespondent f. Deutschl. Buchdr.« hätten Streik- Nachrichten aus Kairo gebracht, worin seine Firma in nicht besonders liebenswürdiger Weise erwähnt wurde. Sein Sohn, der in Leipzig in Stellung ist, klagte darüber, daß sein Vater als Arbeiter-Schinder verrufen werde, und er darunter zu leiden habe. Herr B. bittet uns deshalb, die Abschrift eines Briefes an seinen Sohn abzudrucken. Wir entnehmen der Abschrift folgendes: Die Arbeitszeit war hier bis Ende März 1906 im allgemeinen rostündig. Ich setzte sie aus eigenem Antrieb, nachdem ich das Geschäft im März auf eigene Rechnung übernommen hatte, am 1. April auf 9 Stunden herab. Als im Juni die Zeitungssetzer den 8stündigen Arbeitstag verlangten, und ich Leute für den Winter suchte, u. a. auch in der »Helvet. Typographica«, nahm diese meine Anzeige nicht auf, in Anbetracht des Zeitungssetzer- Ausstandes, mit dem ich nichts zu tun hatte. Nachdem die Zeitungssetzer mit dem 8 Stundentag durchgedrungen waren, er suchte die »Lega Typografica« die größeren Druckereien, gleich falls den 8 Stundentag einzuführen. Bader & Gross (vormals Hohl, Papeterie Suisse) und ich teilten der »Lega« mit, daß wir gerne damit einverstanden wären, falls im Winter der 9 Stunden tag beibehalten und nur im Sommer der 8 Stundentag ein geführt würde, da wir darauf bedacht sein müßten, unser Personal im Sommer, wo keine Arbeit sei, zu behalten. Einige Monate vergingen ohne Antwort, bis gegen Ende November die »Lega« uns beiden mitteilte, daß sie zwar eine gewisse Berechtigung unserem Ansuchen nicht absprechen könne, aber uns doch ersuchen müsse, wie die Druckerei des französischen archäologischen Institutes den 8 Stundentag einzu führen. Ich teilte der »Lega« hierauf mit, daß ich gerne und sofort den 8 Stundentag einführen würde, wenn sie mir die Ver sicherung geben könne, daß er in allen Druckereien, besonders auch in den mittleren und kleineren, eingehalten werde. Darauf wurde mir keine schriftliche Antwort erteilt, sondern der Schriftführer der »Lega« teilte mir persönlich mit, daß sie auf diese Druckereien keinen Druck ausüben könne. Gerade diese Quetschen arbeiten schlecht und zu Schundpreisen und machen durch die Schleuderpreise unmöglich, daß die Gehilfen besser bezahlt werden. Die Mitteilung in der Beilage der Nr. 143 des »Korresp.« vom 11. Dezember 1906 ist unrichtig. Außer einigen Tagen im Monat Juni gab es seitens der Zeitungssetzer hier keinen Ausstand, weder bei mir noch sonst wo. Daß das archäologische Institut, ich und andere Druckereien Personal von Europa kommen ließen, lag an den größeren Anforderungen, die durch den industriellen Aufschwung Aegyptens an die Druckereien gestellt werden, und die wir voraussahen. Wie gerechtfertigt diese Vorsicht war, beweist der jetzt noch anhaltende Arbeiter mangel. Selbst die faulsten und schlechtesten Setzer sind in Stellung. Die Hetzerei gegen mich geht von einem hiesigen Setzer aus, der sich bei mir als Faktor meldete, den ich aber zurück wies. »Das schöne Beispiel einiger Kollegen, die, nachdem sie den Stand der Dinge (Ausstand) bei mir erfuhren, sofort die Arbeit wieder einstellten«, verhält sich anders, als der Korrespondent glauben machen will. Nr. 1 meldete sich als Faktor. Da ich aber einen Faktor bereits bestimmt hatte, schrieb ich ihm ab. In zwei weiteren Briefen erbot er sich, als Setzer einzutreten, da er gern nach Aegypten wolle, zumal er ledig bezw. Witwer sei. Ich sandte ihm das Reisegeld. Bei seiner Ankunft hörte ich, daß er nicht allein war, sondern sich eine Geliebte mit gebracht hatte. Das Gehalt eines Setzers reicht aber nicht aus, daß davon zwei Personen in einer Pension leben können. Mein Anerbieten, seiner Geliebten Beschäftigung zu verschaffen, scheiterte daran, daß sie nichts arbeiten wollte. Um seine Lage zu erleichtern, gab ich ihm 20 M. Zulage mit dem Ersuchen, den Faktor im Lesen der Korrekturen zu unterstützen. Bald wurde er aber von einer Konkurrenzfirma angestellt, blieb ohne Kündigung weg und ließ mir durch die neue Firma das Reise geld zurücksenden. Schwieriger stellte sich die Sache bei Nr. 2, einem Stein drucker. Da er »gerade außer Stellung war und event. sofort eintreten konnte«, zog ich ihn vor, wurde mit ihm einig und sandte ihm 160 M. Reisegeld, in der Erwartung, daß er unver weilt . käme, da mein bisheriger Steindrucker nur stunden weise nachmittags arbeitete und sonst in der Staatsdruckerei tätig war. Aber anstatt des Mannes kam ein Brief mit der Mitteilung, daß er, da er stellenlos gewesen war, Schulden habe, und mich bitte, ihm weitere 80 M. zu schicken, dann würde die Abreise sofort erfolgen. Dies geschah auch. Bei seiner Ankunft mußte er wieder 60 M. Vorschuß haben, um Wohnung und Pension bezahlen zu können. Nach dreimaligem "mdruck von 12 verschiedenen Visitenkarten brachte er die ersten guten Drucke fertig. Samstag ersuchte er mich wieder um 60 M., da er noch 50 M. bestimmt hinaus zuschicken versprochen habe. Auch dies wurde ihm zu teil, da ich ihn brauchte und in seinen Händen war. Montag kam er nicht, Dienstag und Mittwoch auch nicht, sodaß ich annahm, er sei nach Alexandrien zurück und befinde sich auf dem Mittwoch Nachmittag nach Neapel zurückgehenden Schiffe. Durch Zuhilfe nahme des deutschen Konsulates wurde er auch vor Abgang des Schiffes heruntergeholt und nach Kairo zurückbefördert. Obgleich er das Schiffsbillett schon wieder bezahlt hatte, fanden sich doch noch 100 Frank bei ihm vor, die er in den Stiefeln versteckt hatte, woraus zu sehen ist, daß er die Reise nach Aegypten nur zu seinem Vergnügen und in betrügerischer Weise machte und nicht die Absicht hatte zu arbeiten.