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73» PAPIER-ZEITUNG Nr. 17 stadt von Ravensburg, an dem sie durchfließenden Flatt- bach, kauften im Anfang des 14. Jahrhunderts die Brüder Frick und Hans Holbein (II.) den sogenannten Hammer, eine Wassermühle. Noch heute stehen dort sehr alte Mühlen gebäude, welche dem Verf. in Ravensburg als die alten Holbeinischen Mühlen bezeichnet wurden, Ober-, Mittel- und Unterhammer. Der Kauf kann schon am Ende des 13. Jahr hunderts stattgefunden haben. Man könnte einwerfen, wie dieser Ankauf der Papier mühlen um 1300 sich damit verträgt, daß schon um 1248 Kuno Holbein von Bürglen nach Ravensburg gezogen sein soll, um seine geheime Kenntnis von der Papierfabrikation zu verwerten. Die Antwort hierauf gibt eine alte Ueber- lieferung. Nach dieser haben die Holbeiner zunächst nicht in dem von ihnen angekauften Anwesen die Papierfabrikation betrieben, sondern noch weiter draußen im Walde an einer Stelle, welche noch heute der »Wildhammer» heißt, einige Minuten nach rechts von der Fahrstraße nach Waldburg. Ueber dieser Stelle steht jetzt uralter Wald. Hier mag von 1248 bis 1300 an der Papierfabrikation so viel verdient worden sein, daß die Familie nicht mehr darauf angewiesen war, Gebäude und Ländereien des Klosters Weingarten bei Ravensburg in Lehen zu nehmen, sondern daß sie eigene Grundstücke kaufen konnte. Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt und von Generation zu Generation nahm dann ihre Wohlhabenheit zu, sodaß sie schließlich große Stiftungen machte und mehrere Bürgermeister der Stadt Ravensburg stellte. Noch eine zweite Papierfabrik batten sie: in Schornreuthe, woselbst die Herstellung von Handpapier bis 1870 getrieben wurde. Damit ging nach fast 6oojährigem Bestehen in Ravensburg die Papierfabrikation zu Ende, während sie sich in der weiteren Umgebung von Ravensburg derart entwickelte, daß sie zurzeit noch Hunderte von Familien ernährt. In das Jahr 1324 verlegt Hafner die Gründung der Papierfabrik in den drei Werken am Flattbach, der Vor stadt Oelschwang. Aber die eigentliche Gründung wird aus den oben erwähnten Gründen etwa ein Vierteljahr hundert früher stattgefunden haben. Es ist auch zu un wahrscheinlich, daß die Gründung gleich mit drei Werken angefangen hätte. Wahrscheinlich wurde 1324 nur eine Vergrößerung und ein Neubau vorgenommen. In den einst Holbeinischen Mühlen kamen später, 1544, auch »Papierer« vor, welchen ebenso wie denen zu Schornreuthe, der Rat der Stadt vorschrieb, nicht mehr so durchfließendes Papier herzustellen. Die Papierer entschuldigten sich damit, daß das alte berühmte Papier mit dem Ochsenkopfe, also das einst Holbeinische Papier, überall nachgemacht werde. Das spricht gegen die Ansicht, welche das Wasserzeichen als Holbeinisches bestreitet und es als Attribut des Lukas, des Schutzpatrons der Maler, erklärt. In ihrer Entschuldigung baten die Papierer um ein anderes Zeichen, z. B. das Stadtwappen mit den zwei Türmen, und erhielten dieses genehmigt. Von solcher späteren Zeit ab deutet ein Ochsenkopf als Wasserzeichen also nicht mehr auf Holbeinisches Papier, zumal die Holbeiner auch schon 100 Jahre vorher ihre Papierfabriken veräußert hatten, und nirgends bekannt geworden ist, daß sie anderwärts solche errichtet hätten. 1336 liegen Frick III. und Hans Holbein im Streite mit der Stadt, sie wollen die Quellen auf dem oben genannten Wildhammer für ihr Gewerk, also für die Papiermühlen be nutzen oder wiederbenutzen. 1358 wurde Frick der Aeltere (III.) seines Dienstes als Amtmann entsetzt und aus der Stadt gewiesen, weil er Ge heimnisse der Stadt verraten und sogar (feindliche) Truppen »gegen sie geworben« habe. Sein Rekurs an die in Ulm versammelten Abgeordneten der Reichsstädte fruchtete nichts. Ravensburg stand nämlich damals gleich anderen Reichsstädten mit Graf Eberhard dem Greiner von Württem berg in Fehde. Letzterer war einer der hohen Kunden der Holbeinschen Papierfabrik, deren Papier weit und breit für das beste galt. Seine Papierlieferungen an den Gegner des schwäbischen Städtebundes verübelten die Ravensburger ihrem Bürgermeister. Der Verdacht, daß gelegentlich solcher Papierlieferung auch die eine oder andere Nachricht aus der Stadt an Eberhard den Greiner gelangt sei, reicht nicht hin, den Stadtamtmann als Uebersender der Nach richt zu betrachten. Er mag aus dem Gefühle seiner Un schuld heraus jenen Rekurs an die Reichsstädte zu Ulm eingelegt haben. Seit 1417 verschwindet der Name Holbein aus Ravens burg. Zweige der Familie siedelten .nach Augsburg, Ohrdruf, Flurstedt und Obertrebra über. Einer Abzweigung der Augsburger Linie entstammten die in Basel ansässigen weltberühmten Maler und Zeichner Hans Holbein der Aeltere und der Jüngere. — Der Verf. ist ein Sproß der Flurstedter Linie. Papierfabrikation in Belgien. Ueber die belgische Papier fabrikation wurde im Auftrage der belgischen Regierung eine Monographie herausgegeben, die sich an eine im Jahre 1896 er schienene ähnliche Publikation anschließt. Sie hat den Titel: »Monographies Industrielles. Apercu conomique, technologique et commercial. Industries du papier et du carton.« Danach zählt in Belgien die Papierfabrikation zu den alteingesessenen Industrien des Landes: Von den 19 Papierfabriken bestanden 14 schon vor 1860. In belgischen Fabriken stehen 67 Papier- und Pappenmaschinen in Betrieb. Bei gutem Geschäftsgänge, wie er jetzt herrscht, erzeugen die belgischen Fabriken im Jahre ungefähr 80000 Tonnen Papier und Pappe. 1882 betrug die Erzeugung nur 35000 Tonnen und 1892 nur 48000 Tonnen. Belgisches Papier wird nach allen Ländern ausgeführt, un gefähr die Hälfte der gesamten Erzeugung geht nach dem Aus lande. Zur Ausfuhr gelangen namentlich Schreib-,' Bücher- und Zeitungs- sowie Packpapier. Die Arbeiterverhältnisse sind günstig, es fehlt nicht an billigen Arbeitern, und in verschiedenen Ortschaften hat sich im Laufe der Zeit ein recht brauch barer Arbeiterstamm herausgebildet. Immerhin, so bemerkt die Schrift, ist Deutschland uns gegenüber im Vorteil hinsichtlich der technischen Vorbildung seiner Papiermacher. Die deutschen Arbeiter, die in ihrem Fache einen guten technischen Unterricht genossen haben, besitzen viel ausgedehntere Kenntnisse als ihre belgischen Kollegen. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, sollten auch in Belgien Schulen für die Papierarbeiter errichtet werden, damit die Papiermacher neben der praktischen Aus bildung, die sie in der täglichen Arbeit erfahren, auch eine diese praktische Tätigkeit ergänzende theoretische Bildung erlangen. Die Schrift gibt auch einen Abriß über die Papierfabrikation vom Rohstoff bis zur fertigen Ware und führt die einzelnen Fabriken namentlich auf, wobei sie angibt, welche Sorten In den einzelnen Betrieben hergestellt werden. K. (Publication du Ministöre de ['Industrie et du Travail.) Fachliteratur Die hier besprochenen Werke werden in die Bücherei des Papierhauses, Dessauer-Str. 2 eingereiht, welche wie der Lesesaal wochentäglich von 10 bis 1 und 3 bis 6 zur Benutzung frei steht. Istoria, Statistika, Literatura Pistschebumashnowa Prais- wadstwa (Geschichte, Statistik und Literatur der Papier fabrikation). Von N. G P. Melnikoß. Mtt 130 Abbildungen im Text. Verlag von K. Ricker in St. Petersburg, Newski, 14 Gedruckt von P. P. Soykin. Preis 7 Rubel 50 Kopeken. Ueber den Inhalt dieses etwa 200 Seiten von Lexikon- Oktav-Größe füllenden Werkes können wir nur oberflächliche Angaben machen, da es in russischer Sprache geschrieben und mit russischen Lettern gedruckt ist. Auf dem Titelblatt be finden sich Abbildungen einiger russischer Wasserzeichen, und nach dem Inhalt scheint es der Geschichte des Papiers einen großen Raum zu widmen. Dieser Teil ist auch mit zahlreichen Abbildungen alter Schreibwerkzeuge und Papierwerkstätten aus gestattet. Die Anmerkungen am Fuß der Seiten beweisen, daß der Verfasser mit großem Fleiß die Fachliteratur studiert und benutzt hat. Einen besonderen Abschnitt widmet er der Ge schichte der Papierfabrikation in Rußland, und da über dieses Gebiet im westlichen Europa fast garnichts bekannt ist, wäre es erfreulich, wenn der Verfasser die wichtigsten Angaben dieses Abschnittes in kurzem Auszug deutsch veröffentlichte. Auch eine Statistik der russischen Papiererzeugung wird gegeben. Eine Anzahl hervorragender russischer Papierfabriken werden in Wort und Bild geschildert, so die Papierfabrik von Nebe, die Zellstoffabrik in Wloclawek und der Firma Sokol, die russische Zellstoffabrik von Waldhof in Pernau. Auch die Einrichtungen der Kaiserlichen Expedition der Staatspapiere werden be schrieben. Sehr ausführlich ist die Herstellung von Wasser zeichenpapieren sowohl mittels Schöpfformen als auch mittels Siebwalzen behandelt, und eine Anzahl alter Wasserzeichen sind abgebildet. Besonderes Interesse erregen hier für jeden Freund dieses Zweiges der Geschichtsforschung die wohl zum ersten Mal veröffentlichten russischen Wasserzeichen. Eine Auf zählung von Bezugsquellen der verschiedensten Maschinen und Apparate für die Papier-Industrie sowie eine alphabetische Liste der bedeutenderen Werke über Papier, auch der Papier-Fach zeitschriften, beschließen das für die russischen Fachgenossen jedenfalls nützliche Sammelwerk, welches leider auf stark holz schliffhaltiges Papier gedruckt wurde. Wäre dünneres Papier benutzt worden, so hätte es wohl holzfrei nicht mehr gekostet als das kartonartig dicke Holzpapier. Die Verfasser scheinen nach einer dem Buch beigefügten Zusammenstellung ihrer Veröffentlichungen über Papierfabri kation ungemein fleißige Schriftsteller zu sein.