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Nr. 14 PAPIER-ZEITUNG 603 Da das Pariser Leben lustig im besten Sinne des Wortes ist, so strotzt jedes seiner Plakate von Lustigkeit. Er sah und faßte das Leben nur als Maler und Zeichner, d. h. nur dort, wo es reich an Formen, Farben und Bewegungen war; er schildert die feine Welt und die Niederungen des Lebens. Dieser große Plakatmaler erkannte die Straße, erkannte die Kunst der Straße. Toulouse-Lautrec hatte einen Kreis von Schülern und An hängern, darunter Steinlen, Faivre, Jossot, alle vom Geiste Lautrec’s, alle froh und lustig, hinter jedem Blatte sieht man die Freude und Laune, die Lust am Schaffen. Mit einem Mal war es mit dem Künstlerplakat in Paris vor bei. Mucha wurde Mode; seine faden, süßlichen, leeren und leblosen Blätter überklebten den sprühenden Pariser Geist und Witz. Heute haben einige Pariser Spanier Paris gepachtet, die der Kunst dadurch zu dienen trachten, daß sie 25 cm breite Pinselstriche machen. Doch Paris bleibt nicht lange bei einem Irrtum, und es wird sicherlich die erste Stadt sein, von der eine Neubelebung des künstlerischen Plakats ausgeht. Der Vortragende schilderte nunmehr die Entwicklung des künstlerischen Plakats in Deutschland. In Berlin beruht der Erfolg darauf, ob einer irgend etwas anfängt. Hat jemand den Mut, etwas anzufangen, so finden sich viele, die das Gleiche tun; dies wäre für den Fortschritt nicht schlimm, aber hört einer auf, so hören alle auf. Genau so ist es mit dem Künstlerplakat. Es fand sich ein Auftraggeber, der ein modernes Plakat herausbrachte, und sofort fand er Nach ahmer. Als einer aufhörte zu plakatieren, hörten die andern auch auf, und die Plakatbewegung und das Kunstplakat waren bei ihrem Ende angelangt. Die Praxis wurde immer kleiner, die Theorie wurde aufs hohe Pferd gesetzt. Schlagworte, für den Augenblick geprägt, wurden zu Gesetzen gemacht, Schablonen wurden aufgestellt, und um die freie, lustige Kunst zog der Reklamefachmann eine unübersteigbare chinesische Mauer. Das Künstlerplakat ver schwand fast gänzlich, der Tag für das Profanplakat war ge kommen. Bernhard erlebte seine großen Tage. Wie der Vortragende nachdrücklich betonte, muß jetzt für die Plakatkunst etwas geschehen. Eine Menge Künstler warten darauf, beschäftigt zu werden. Besteller von Plakaten gibt es genug, es gibt sogar schon eine Reihe geschmackvoller Be steller, die ihre Waren in guten Profanplakaten anbieten. Aber es gibt keine Besteller von Luxusplakaten, trotzdem in einer Weltstadt genug Betriebe sind, die nur mit solchen arbeiten dürften. Um für das individuelle Künstlerplakat größere Teil nahme zu erwecken, wurde von Herrn Julius Klinger dem Verein der Plakatfreunde folgender Vorschlag zur Erwägung unterbreitet: Bietet sich Gelegenheit, für irgend einen Betrieb ein künst lerisches Luxusplakat zu machen, so bringt dies der Vorstand des Vereins der Plakatfreunde zur Kenntnis der Mitglieder. Die dem Verein angehörenden Künstler sollen für diesen Zweck ohne Entgelt einen künstlerischen Entwurf anfertigen, es dürfte sich doch mancher finden, den die Aufgabe reizt, der aus künst lerischer Freude an der Arbeit ein Plakat für den angegebenen Zweck entwerfen würde. Dieser Entwurf wird einem Gericht, das zu gleichen Teilen aus Plakatsammlern und Kunstsachver ständigen besteht, zur Prüfung vorgelegt. Da keine Künstler im Gericht vertreten sind, soll der Verfertiger das Recht haben, seinen Entwurf vor diesem zu verteidigen. Die Sammler im Gericht haben zu prüfen, ob das Plakat Sammler reizen könnte, davon einen Druck zu erwerben, die Kunstsachverständigen haben dagegen zu beurteilen, ob das Plakat soviel künstlerischen Wert hat, daß es noch nach Jahren als gut bezeichnet werden kann. Die Jury bestimmt, ob das Plakat abgelehnt oder ausgeführt werden soll; ist letzteres der Fall, so bestimmt der Künstler, der es selbst lithographiert und alle Tonplatten anzufertigen hat, eine Kunstanstalt zur Vervielfältigung. Es werden in seiner Gegenwart 50—100 Drucke hergestellt und die gelungenen von ihm unterzeichnet. Bis zu diesem Stadium hat der eigentliche Besteller von seinem Plakat nichts gehört. Von einem Vertreter des Vereins werden ihm einige Exemplare vorgelegt, und es liegt in seiner Hand, ob er eine größere Auflage des so entstandenen Plakats bestellen will oder nicht. Verhält er sich ablehnend, so werden die Sonderdrucke, denen ein künstlerischer Wert innewohnen muß, den Sammlern zu angemessenen Preisen angeboten. Der Verein der Plakatfreunde trägt die Kosten der Herstellung der Sonderdrucke. Der Künstler erhält keinerlei Entschädigung. Wird ein Auflagenauftrag erteilt, so übernimmt diesen der Verein und trifft geschäftliche Vereinbarungen mit einer Druckerei und dem Künstler. Dieser Vorgang bietet viele Vorteile. Es ist dadurch Ge legenheit gegeben, mehr individuelle Künstlerplakate herauszu bringen, da der Künstler völlig frei schaffen kann; den Sammlern wird eine neue Quelle eröffnet, und der Verein erhält eine fruchtbare Tätigkeit. Der Vortragende verschwieg keineswegs, daß die Verwirk lichung dieses Planes mit Schwierigkeiten verbunden sei; er schloß seinen Vortrag mit dem Wunsche, das Berliner Plakat möge eine führende Stellung in Deutschland einnehmen. Der Vorschlag des Herrn Klinger löste einen lebhaften Meinungsaustausch aus; es war die Meinung vorherrschend, daß sich dieser Plan verwirklichen lasse, ohne daß der Verein dadurch seinen ideellen Standpunkt aufgebe. Wie der Vorsitzende zum Schluß mitteilte, wird diese An gelegenheit im Vorstand und Ausschuß eingehend beraten werden, -s- Grazer Brief Der Beginn des Jahres 1907 brachte den österreichischen Buchdruckern nichts Erfreuliches: in Wien einen neuen Zeitungs setzertarif, in Graz einen neuen Hilfsarbeitertarif und einen neuen Tarif für Steindrucker und für die Hilfsarbeiter auch dieses Ge werbes. Alle diese neuen Tarife bringen für die Prinzipale nur neue Lasten. Aber nicht nur die Buchdrucker wurden mit der Erhöhung ihrer Unkosten bedacht, nicht nur sie spüren die allgemeine, nachgerade unheilvoll auftretende Teuerung, auch jeder andere Industrielle und Geschäftsmann spürt sie im eigenen Betrieb. Zu allem andern traten am 16. Januar 1907 neue Posttarife in Kraft. Diese Maßregel paßt schlecht zum heutigen Zeitalter des Verkehrs, und es hätte einen bessern Blick für die Anforderungen des Verkehrs bewiesen, wenn die Einsprache der Geschäftskreise maßgebenden Ortes Berücksichtigung ge funden hätte. Am fühlbarsten ist das Aufhören des ermäßigten Ortsportos. (Damit sind auch wir in Deutschland beglückt worden. Schriftleitung.) Jeder Ortsbrief kostet statt der bis herigen sechs in Zukunft zehn Heller. Die Gebühren für Zu stellung der Wertbriefe, Pakete und Postanweisungen wurden erhöht und sind jetzt in der Stadt und auf dem Lande gleich hoch. Postanweisungs-Vordrucke, Kartenbriefe und Streifbänder werden um je einen Heller teurer verkauft, Telegramm-Vor drucke kosten 2 Heller. Die ausländischen Zeitungen kamen bisher im Bezug bei der Post billiger als beim Bezüge vom Verleger; nunmehr sind die Tarife für beiderlei Bezugsarten gleich, d. h. der Abonnementspreis der Post wurde jenem beim Verlage gleichgestellt. Gegen diese Maßregel ließe sich noch am wenigsten ein wenden. Am meisten wurden die Fernsprechgebühren erhöht, und wer über die in den Blättern besprochenen angeblichen »Gründe« der Regierung für diese Erhöhung las, mußte sich fragen, ob die Mitteilungen der Zeitungen nicht unzeitgemäßer Fascbingsscherz wären. Der Tarif fordert für Geschäfts-Fern sprecher je nach dessen Benutzung 300, 400 oder 500 Kronen, für Fernsprecher in Wohnungen 240 K., für halbe Anschlüsse 180 K., für Viertelanschlüsse 100 K. Die einzige angenehme Neuerung ist, daß die Gebühr für Ferngespräche der Zeitungen von Stadt zu Stadt in der Zeit von 9 Uhr abends bis 6 Uhr früh auf die Hälfte ermäßigt wurde. Die Gehilfen der bisherigen »Genossenschaftsbuchdruckerei« in Graz, welche nun »Buchdruckerei Vorwärts« heißt, waren mit einigen beabsichtigten Neueinführungen der Geschäftsleitung nicht einverstanden und übten »passive Resistenz«, deren Folgen im Aeußern des Parteiorgans auch dem weiteren Publikum erkennbar waren. Um dem Streik im eignen Lager entgegen zutreten, sollte eine allgemeine Volksversammlung abgehalten werden, die aber nicht stattfand, da die Gehilfen der Druckerei nach Eingreifen von maßgebender Seite die Arbeit in vollem Umfange aufnahmen. Ende 1906 wurde auch in Graz eine neue Sektion »Steiermark« des österreichischen Faktorenverbandes, der nur Bildungs- und Wohltätigkeitszwecke für seine Mitglieder verfolgt, gegründet, sie erhielt seitens des steiermärkischen Buchdruckergremiums einen Beitrag zu den Gründungsspesen. Das Pensionsgesetz der Privatbeamten, dessen Auszug wir in Nr. 97 von 1906 brachten, erhielt Ende 1906 die kaiserliche Sanktion. Die Buchdrucker Wiens veröffentlichten in den Zeitungen, daß sie infolge allgemeiner Preissteigerungen gezwungen seien, auch ihrerseits die Preise um 10 v. H. zu erhöhen. In Graz wird vom 6. bis 23. Mai eine Papier- und Bureau artikel-Ausstellung stattfinden, und der vorbereitende Ausschuß betraute den Schreibwarenhändler Guido Kloß in Graz, Herren gasse 3, mit dem Vorsitz, r. Aussperrung der Lithographen und Steindrucker 1906 Der Vorstand des Deutschen - Senefelder-Bundes berichtet, daß an der vom Mai bis August 1906 stattgefundenen Aus sperrung sowie den voraufgegangenen Ausständen 1424 Litho graphen und 2624 Steindrucker beteiligt waren. Die Bewegung erstreckte sich über 38 Orte und 271 Firmen. Nach den mit dem Schutzverband DeutscherSteindruckereibesitzer getroffenen Bedingungen zur Wiederaufnahme der Arbeit fand bei 353 Litho graphen und 362 Steindruckern eine Arbeitszeit-Verkürzung von