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)APIER-VERARBEITUNG I Bü CH G E WERBE ES Kunst- und Photographieschutz-Gesetz vom 9. Januar 1907 Seine Bedeutung für die graphischen Gewerbe, insbesondere für die Postkartenindustrie Nachdruck verboten Am i. Juli 1907 tritt das Reichgesetz vom 9. Januar 1907, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, in Kraft. (Es ist in Nr. 6 dieses Blattes abgedruckt.) In diesem Gesetz sind alle Be stimmungen vereinigt worden, welche in Zukunft für den Schutz dieser Werke, einschließlich der Erzeugnisse des Kunstgewerbes und der Bauwerke, soweit sie künstlerische Zwecke verfolgen, gelten werden. Den Werken selbst gleichgestellt sind die Entwürfe und Vorarbeiten, z. B. die Negative photographischer Aufnahmen. Als Werke der Photographie gelten auch solche Werke, welche durch ein der Photographie ähnliches Verfahren hergestellt werden. Bereits die Aufführung der schutzberechtigten Gegen stände ergibt die Bedeutung dieses neuen Gesetzes für die Herstellung und den Vertrieb von Bilderdrucken, insbe sondere von Postkarten. Unter Beschränkung auf die wichtigsten, täglich vorkommenden Fragen soll im fol genden auseinandergesetzt werden, wie sich für diese Ge schäftszweige der künftig geltende Gesetzeszustand von dem heutigen unterscheiden wird. Die Hauptunterschiede rühren von der maßgebenden Rolle her, die das neue Gesetz der angewandten Kunst, dem Kunstgewerbe, eingeräumt hat, unterschieden einer seits von der hohen Kunst dadurch, daß es in Diensten des Gewerbes steht, anderseits von den Gegenständen des Ge schmacksmusterschutzes dadurch, daß die in Betracht kom menden Formschöpfungen immerhin als individuelle künst lerische Leistungen angesehen werden müssen. Es wird in Zukunft möglich sein, für Gegenstände des Kunstgewerbes sowohl den Schutz des neuen Gesetzes, als auch, durch Eintragung in das Musterregister den Schutz des Ge schmacksmustergesetzes in Anspruch zu nehmen. Zu em pfehlen wird diese Eintragung besonders dann sein, wenn hinsichtlich der Bedeutung des Werkes als Erzeugnis des Kunstgewerbes Zweifel bestehen können. Dies wird bei Postkarten z. B. besonders dann in Betracht kommen, wenn die Vorlage nicht dem Entwürfe eines Künstlers ent stammt, sondern nur unter Benutzung künstlerischer Mo tive vom Zeichner hergestellt worden ist. Lediglich für den Geschmacksmusterschutz bestimmt bezeichnen die Motive des Gesetzes solche Schöpfungen, die nur als Vorbilder für geschmackvolle Darstellungen gewerblicher Erzeugnisse dienen sollen, wie die Muster der lextilgewerbe und der Tapetenindustrie, die Vorlagen der Bekleidungs- und Zeichenindustrie, ferner einfache Kombi nationen, plastische Bildwerke in ausgeprägter individueller Formung, lose Zierstücke. Im einzelnen ist folgendes zu bemerken; I. Der Schutz des neuen Gesetzes ist nirgends an die Eintragung in ein Register oder an die Führung eines Namens oder einer Bezeichnung geknüpft. Hiermit fällt die Beschränkung des Kunstschutzes auf 30 Jahre seit der Veröffentlichung, wenn der Name des Künstlers auf dem Werke nicht angebracht ist, fällt ferner die lästige Be stimmung des jetzigen Rechts, daß die Photographie nur dann geschützt wird, wenn sie Namen oder Firma und Wohnort des Verfertigers und das Kalenderjahr des Er scheinens erkennen läßt. Hiermit verschwinden eine Menge Möglichkeiten des Nachdruckes von Photographien beispielsweise dann, wenn bei einer Auflage ein Teil ver sehentlich ohne die erwähnte Bezeichnung in die Welt ge gangen ist. hat die Bezeichnung des Werkes mit dem einer sonstigen kenntlichen Bezeichnung des Dagegen Namen oder Urhebers die Vermutung zur Folge, daß dieser der Ur heber des Werkes sei. Danach ist die Anbringung des Namens für die Praxis zu empfehlen. II. In vier wichtigen Fällen ist die Nachbildung fortan untersagt, während sie im geltenden Gesetze erlaubt war. 1. Die Nachbildung eines Werkes der zeichnenden oder malenden Kunst durch die plastische Kunst ist in Zukunft verboten. In diesem Punkte ist einem Wunsche der Post kartenindustrie, der auch in einer Petition des Schutzver bandes für diese Industrie beim Reichstage niedergelegt worden ist, nicht entsprochen worden. Es wird in Zukunft nicht mehr möglich sein, plastische Bildwerke, geschützte Muster der keramischen Industrie oder dergleichen für die Papierindustrie umbildend zu verwerten. Namentlich auf dem Gebiete der Lithographie und Photoskulptur wird sich hieraus ein Mangel an geeigneten Mustern ergeben. Das Gleiche gilt für Abbildungen: Denkmäler und plastische Bildwerke, die sich nicht an öffentlichen Straßen und Plätzen befinden, ferner das Innere von Bauwerken, Treppenfluren, Innenarchitektur sind für die Verwendung auf Ansichtspostkarten nicht mehr frei. 2. Nach bisherigem Rechte ist ein Kunstwerk schutzlos gegen Nachbildung, wenn der Urheber gestattet, daß es an einem Werke der Industrie usw. nachgebildet wird. Hat zum Beispiel ein Maler die Anbringung seines Bildes auf Ansichtspostkarten mit genügendem Schreibraum gestattet, so ist das Original für jede Nachbildung frei. Hiergegen gibt es nur das eine, nicht immer gangbare Mittel des Ge schmacksmusterschutzes. Gegen solche Nachbildungen wird der Künstler in Zu kunft geschützt sein. 3. Nach bisherigem Rechte war ferner die Nachbildung eines photographischen Werkes frei, wenn sie an einem Werke der Industrie und dergleichen angebracht wurde. Wie allgemein bekannt, war dies durch die Rechtsprechung so weit ausgedehnt worden, daß Photographien auf An sichtskarten nachgebildet werden durften, sobald nur ge nügender Raum zum Beschreiben vorhanden war. Dann galt die Postkarte eben als Werk der Industrie. Nach Freigabe der Vorderseite für schriftliche Mitteilungen konnte die Photographie sogar die ganze Rückseite der Karte bedecken. Dieses Nachbildungsrecht fällt in Zukunft fort. 4. Verboten war bisher die Nachbildung der Photo graphie nur, wenn sie auf mechanischem Wege erfolgte. Die Anfertigung eines Gemäldes, Holzschnittes, Kupfer stiches nach einer Photographie und die Verbreitung der Nachbildung ist heute erlaubt. Nach dem neuem Rechte ist die Photographie gegen jede Art der Nachbildung geschützt. Nach dem Gesagten wird die Postkartenindustrie in Zukunft im wesentlichen nur mit eigenen Aufnahmen oder käuflich erworbenen Originalen rechnen müssen. Freie photographische Vorbilder werden nur selten vorkommen, weil eine photographische Aufnahme ihre Aktualität ziem lich bald verliert, die Dauer des Schutzes aber erheblich verlängert worden ist. III. Die Dauer des Schutzes beträgt nämlich fortan bei Photographien statt der bisherigen fünf Jahre zehn Jahr, vom Ende des Jahres des Erscheinens an gerechnet, während Kunstwerke bis zum Ablauf des dreißigsten Jahres nach dem Tode des Urhebers geschützt sind. IV. Erlaubt ist die Nachbildung und Vervielfältigung von Werken, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden. Sie darf indessen nur durch malende oder zeichnende Kunst oder durch Photo graphien erfolgen; die Nachbildung durch Bildhauerei ist ausgeschlossen. Die Vervielfältigung darf nicht an einem Bauwerke erfolgen. Nicht statthaft ist daher die Wieder gabe der inneren Teile, also des Treppenhauses, der Innen dekorationen, der Höfe. Dies ist für Darstellung auf An-