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4 PAPIER-ZEITUNG Nr. i 1906 über 260000! Der Verlust an barem Gelde, den das Land durch die Auswanderung erlitt, wird für 1906 allein auf 600 Mill. Kronen berechnet. Von den Auswanderern kehren die Slawen fast vollzählig wieder, sobald sie genügend Geld erspart haben, um Landwirtschaft zu betreiben. Die Siebenbürger Deutschen bleiben fast ohne Ausnahme in Amerika, und von den Magyaren kehrt kaum der vierte Teil zurück. Die Folge ist, daß im Lande, das überhaupt arm an Fabrikarbeitern ist, ein Mangel an Ar beitern besteht, den weder Geldunterstützungen der Regierung, noch Vorteile bei staatlichen Lieferungen wettmachen werden. Deshalb besteht auch in europäischen Finanzkreisen ein ziemlicher Widerwillen gegen ungarische Geschäfte. Die Oesterreicher unterstützen nicht-ungarische Neugründ ungen, wenn nicht besondere Interessen sie zur Gründung ungarischer Zweiggeschäfte führen, weil sie nicht gewillt sind, sich selbst Konkurrenz zu machen. Deutsche Finanzkreise ver halten sich, besonders in den letzten Jahren, auch ablehnend. Daran hat die hohe Politik mit schuld, weil Deutschland von der ungarischen »Los von Oesterreich«-Politik Schwächung des Dreibundes befürchtet. Aber auch der riesige Aufschwung der deutschen Industrie in der allerletzten Zeit und manche Eigen tümlichkeit des deutschen Geldmarktes spielen dabei mit. Man muß nur berücksichtigen, daß die Grundspekulationen, trotz warnender Beispiele von Dresden, Leipzig, Stuttgart und München — z. B. in Berlin, ganz gewaltige Höhen erreicht haben, daß die Verschuldung des Berliner Grundbesitzes im Jahre 1905 51/2 Milliarden Mark betrug, daß 1900 Deutschland selbst sogar ge zwungen war, 80 Millionen Mark viereinhalbprozentiger Reichs schatzanweisungen in Amerika unterzubringen, und daß die deutsche Reichsbank im letzten Ausweise 1100 Millionen M escomptierte Wechsel auswies, die Noten nur mit 53 v. H. metallisch be deckt waren, und die Bank bis zu der ganz Ungeheuern Höhe von 7 v. II. Rate heraufgehen mußte, um ihren Barbestand zu schützen. Dann ist es wohl begreiflich, daß für das Ausland wenig Geld in Deutschland übrig ist. Aber die Neigung, Ungarn Geld zu leihen, ist in den Kreisen französischer und englischer Geldleute nicht größer. Und die Holländer, die in den 70er und 80er Jahren an ungarischen Staatswerten ungeheure Summen verdienten, sind heute, wo es sich um mehr bürgerlichen Ver dienst handelt, zurückhaltender. Trotz alledem gibt es in Ungarn eine Anzahl gut fundierter Anlagen der Papierindustrie. Die Papier-Zeitung hat jüngst über eine Neugründung mit dem Be merken berichtet, daß in einem Teile Ungarns innerhalb sechs Jahren nun die sechste Zellstoffabrik begründet wurde. Alle diese Anlagen werfen ziemlich gutes Erträgnis ab. In dem letzten Jahre ist nun allerdings eine Teuerung des Holzes ein getreten, die sämtliche von anderen Teilen Europas gemeldeten Preissteigerungen übertrifft. Waldparzellen kosten heute 50 und 60 v. H. mehr als in 1904, und die Löhne der Arbeiter steigen von Frühling zu Frühling. Die Leutenot zeitigte den Wunsch einiger Großgrundbesitzer, landwirtschaftliche Arbeiter aus China einzuführen. Freilich wird dieser Wunsch aus sozial politischen Gründen nicht in Erfüllung gehen, ebenso wie es nicht gelingen wird, der Auswanderung Einhalt zu tun, und die österreichischen Papierfabrikanten, die über gute ständige Arbeitskräfte verfügen, werden mit den ungarischen Fabrikanten noch lange mithalten können, obgleich die Ungarn vielleicht noch immer eine Kleinigkeit billigeres Holz haben. Heute bereits besteht eine starke Ausfuhr von ungarischem Zellstoff. Packpapier wird fast ebensoviel aus- wie eingeführt und — wie schon in Nr. 91 erwähnt wurde — ist die Einfuhr nur in Druckpapieren und einigen Spezialitäten be deutend. Für Schreibpapiere wird jetzt eine Vereinigung der bedeutendsten Erzeuger Ungarns begründet, und dann ist der Markt vielleicht mehr als genügend versorgt. Die Verhältnisse geben zwar durchaus keinen Anlaß zu Besorgnissen, wenn jedoch ein Rückschlag eintreten sollte, den manche für nächsten Sommer befürchten, dann . . . caveant consules. A. K. Reinigung des bei der Sulfatzellstoffabrikation erhaltenen Terpentinöls (sog. Sulfatterpentins) Die Aussprache über Preisfragen e und f auf der Haupt versammlung der Papier- und Zellstoffchemiker ergab, daß Kienöl (in Schweden Sulfatterpentin genannt) ein wertvolles Nebenprodukt von Natronzellstoffabriken ist, vergleiche den Bericht in dieser Nummer. In Svensk Pappers Tidning ist folgende Arbeit von Peter Klarson und Henry Person abgedruckt: Der eine von uns hat bei früheren Gelegenheiten gefunden, daß das Oel, welches sich bei der Sulfitstoffabrikation bei dem Abgasen der Kocher in den Säuregefäßen absetzt, nicht wie man allgemein glaubte, Terpentinöl sei, sondern Cymol ohne eine Spur von Terpentinöl. Daraus konnte man schließen, daß Fichten holz entweder Cymol enthielt oder auch, daß schwefelige Säure das Terpentinöl zu Cymol oxydiert hatte, welcher letztere Kohlen wasserstoff zwei Wasserstoff-(H-)Atome weniger enthält als Terpentinöl. Eine willkommene Gelegenheit, diese Frage zu entscheiden, bot sich durch die Untersuchungen, welche in diesem Herbste für die Sulfatstoff- und Papierfabrik in Oerebro an der Technischen Hochschule zu Stockholm vorgenommen wurden. Auf Grund dieser Arbeiten wurde die Frage über die Zu sammensetzung des Fichtenterpentins genau beantwortet. Ferner wurde ein Verfahren gefunden, das untersuchte Terpentinöl zu reinigen. Man erhält danach Terpentinöl von besonders an genehmem Geruch, wenn er auch nicht ganz demjenigen gleich ist, den z. B. französisches Terpentinöl ausströmt. Die Untersuchung der Zusammensetzung des Terpentins hat dargetan, daß der hauptsächliche und der einzige durch Destillation isolierbare Kohlenwasserstoff Pinen von etwa 155° Siedepunkt und nur in geringerer Menge Polyterpene enthält. Kohlenwasserstoff mit dem Siedepunkt 175°, also dem Siede punkt des Cymols, konnte nicht nachgewiesen werden, was die Abwesenheit von Cymol klar nachweist. Die optische Wirksam keit des Oels hat Uebereinstimmung mit dem aus Fichtenharz erhaltenen Terpentin gezeigt. Das Rohöl enthält außerdem or ganische Schwefelverbindungen, überwiegend Sulfhydrate, welche dem Oel höchst widerwärtigen Geruch geben. Von diesen gelang es uns zwei zu isolieren, nämlich Methyl- und Allylsulfhydrat. Der Geruch wird sehr schnell verändert, wenn das Rohöl während einiger Zeit unberührt stehen bleibt. Wahrscheinlich gehen dabei die Sulfhydrate in Bisulfide über, die höheren Siedepunkt als die Sulfhydrate haben und weit beständiger als diese sind. Dieser Umstand erklärt, daß die Wirkung der zum Reinigen verwandten Agenzien bei der Behandlung von altem Oel bei weitem nicht so kräftig ist wie bei Behandlung von frischem Oel. Ist das Rohöl genügend alt, dann ist vollständige Reinigung beinahe unmöglich, somit ist es eine Hauptsache, daß die Reinigung gleich nach dem Erhalten des Rohöls vorgenommen wird. Die Verwendung von Alkalien zur Reinigung war beinahe im voraus ausgeschlossen, weil das Oel bereits im Kocher starker Einwirkung von kaustischer Soda und Schwefelnatrium ausgesetzt war. Bei Versuchen hat es sich auch gezeigt, daß Alkalien auf das Rohöl keine merkbare Wirkung haben. Bei der Annahme, daß das Vorkommen von Sulfhydrat die Ursache des schlechten Geruches sei, wurde ferner versucht, das Rohöl mit Salzen von Schwermetallen zu behandeln, welche mit Sulf hydraten unlösliche Metallmerkaptide bilden; es zeigte sich auch, daß dabei ein großer Teil des Geruches verschwindet, aber, wie zu erwarten war, können die Metallsalze dem Oel den Geruch nicht vollständig entziehen, weil die technisch möglichen Metall merkaptide selbst nicht vollkommen geruchlos sind. Es blieb also nur übrig, das Rohöl mit der Säure zu be handeln, die im voraus als die einzig verwendbare angesehen wurde, nämlich die Schwefelsäure. Jedoch war zu beachten, daß Terpentin bei Behandlung mit starker Schwefelsäure unter Wärmeentwicklung verharzt, wobei allerdings alle übelriechen den Verunreinigungen zerstört werden. Glücklicherweise wer den diese schon von einer schwächeren Säure angegriffen, die noch keine Verharzung des Terpentinöls veranlaßt. Es ergab sich, daß 5oprozentige Schwefelsäure die Verunreinigungen an greift, ohne daß sie auf das reine Oel nennenswert einwirkt. Man verfährt also bei der Reinigung des Terpentinöls wie folgt: Zuerst wird das Rohöl mit Wasserdampf bis zu 80 v. H. überdestilliert, was die Befreiung des Oeles von Polyterpenen bezweckt. Je nach der Menge der Verunreinigungen wird nun das Destillat mit 5—iov. H. vom Gewicht des Oeles ansoprozen- tiger Schwefelsäure behandelt. Die Säure wird in feinem Strahl zugeführt und das Oel geschüttelt oder tüchtig umgerührt. An scheinend wird das Oel, wenn es sich durch die Einwirkung der Säure erwärmt, zum Teil derart gespalten, daß in geringer Menge ein Stoff entsteht, der dem gereinigten Oel einen nicht unangenehmen, aber scharfen Geruch erteilt. Um dies zu verhindern, muß das Oel während der Säure behandlung gekühlt werden, was freilich die Zeit der Ein wirkung etwas verlängert. Man erkennt die Zeit, in der die Be handlung beendigt ist, am Geruch des Oele. Ist dieser an genehm, so wird die Behandlung abgebrochen. Die Säure muß sich nun setzen und wird dann von dem übrigen Oel abgezapft. Nun muß noch das Oel von der roten Farbe befreit werden, die es bei der Säuerung erhalten hat. Dies geschieht am besten durch Destillation unter Zuführung von Wasserdampf in ge wöhnlicher Weise. Das Destillat ist vollkommen wasserklar, stark lichtbrechend und von angenehmem Geruch. Es ist anfänglich getrübt vom Wasser, aber dieses setzt sich nach und nach ab, wenn das Oel stehen bleiben kann, wonach es vollkommen wasserklar ist. Oft wurde schon versucht, Sulfatterpentin zu reinigen, aber noch nie mit solchem Erfolg, daß vollkommen farblose, von schlech tem Geruch freie und auch sonst untadelhafte Ware erzielt worden wäre. Die geringste Spur von Geruch macht das Ter pentin beinahe wertlos. Das Angeführte dürfte dargetan haben, daß unter Beachtung der dargelegten Gesichtspunkte die Reinigung des Sulfatterpentins als technisch gelöst angesehen werden kann. Stockholm, Technische Hochschule, Dezember 1906