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Toulouse-Lautrec-Kunstlithographie (Zur Ausstellung von Werken dieses Pariser Künstlers im Kunstsalon von Fritz Gurlitt, Potsdamerstr. 13) Der Ruhm, das Wesen der Lithographie wieder voll erkannt zu haben, gebührt jener Reihe moderner Franzosen von Chret bis Toulouse-Lautrec. Durch diese wurde der Steindruck wieder Kunst, sie erhoben ihn aus der Diener stellung der Reproduktion zur selbständigen Kunstübung, die eignen, innern Gesetzen folgt. Der gefettete Stein läßt nicht die zarte Strichelung der Radierung zu, er löst vielmehr den zeichnerischen Strich mehr oder weniger in kohlenstaubartiges Gegitter auf, läßt ihm nicht seine satte Tiefe und Beweglichkeit. Es bleibt mithin dem Steinkünstler, der mit seinen Kunstmitteln haushält, zuletzt nur die Fläche in ihrer granulierten, pastellartigen Tönung, welche Eigenschaft keine der andern Reproduktionskünste aufweist: weder die satte, volltönige Radierung in Aquatinta und Netzlage, noch der Holzschnitt. Den scharfen Umrissen hatten Manet, Monet, Renoir u. a. den Krieg erklärt. So konnte Lautrec die große Erbschaft dieser Franzosen antreten. Unter solchen Umständen und Bedingungen setzte die Kunst Toulouse-Lautrecs ein. Dem raschlebigen nervösen Künstler kam die Prima-Technik der Lithographie ent gegen: rasch und sicher, ohne Grübelei hieß es für ihn, direkt auf den Stein mit handschriftartiger Schnelligkeit und Präzision die im Geiste fertigen Bilder auf die Fläche werfen, auf der Verbesserungen fast unmöglich sind. Sein Temperament, der Genuß des flüchtigen Augenblicks, seine Umgebung: das wilde, bacchantische Leben von Montmartre und Moulin-rouge, dem berüchtigten Pariser Kokottentanz boden, dies alles konnte in der skizzenhaften Steintechnik der Franzosen erst zu voller Lebendigkeit gelangen. Nie würde die nordische Radiertechnik eines Dürer, Rembrandt und Klinger dieser Welt gerecht werden können. Selbst die liebte, moderne Technik der Oelmalerei, die -ein weniger nervöses, rasches Arbeiten als die Lithographie ermöglicht, scheint diesen Künstlern kaum zu entsprechen. Betrachten wir daraufhin nur einmal die Oelbilder (Nrn. 1, 11, 14). Wie unendlich schwer, gequält wirkt die Dar stellung, wenn wir zuvor einen Blick auf die flotten und sicheren Lithographien geworfen haben. Die flüssige Aquarelltechnik liegt Lautrec weit näher. Wie sicher plakat haft-dekorativ ist Nr. 4, »Das Cafe«, aufgefaßt und bewältigt. Aber zuletzt bleibt doch die Lithographie seine eigent liche Domäne. Meisterlich behandelt ist vor allem die Serpentintänzerin Loie Fuller (Nr. 15). Das Schillern des Gewandes, die ornamentale Raumbehandlung, das skizzen haft Lebendige ist zu einem künstlerischen Ganzen gefügt. Blatt Nr. 46 ist in Technik und Auffassung typisch für die suchende Entwicklung des Künstlers. Etwas an Japans Holzschnitte erinnernd, zeigt uns das bekannte Blatt der Putzmacherin (Nr. 147a) in vornehmer Einfarbigkeit mit ein paar blaßgrünlichen Strichen und Flecken eine ganze Welt. Das Mappenwerk »Elles« bringt uns wieder ganz in die Pariser Heimat von Toulouse-Lautrec — nach Moulin-rouge zum wüsten Montmartre. Nr. 174 ist dazu ein charakte ristisches Blatt. In frecher Haltung sitzt hier die Tänzerin von Moulin-rouge auf einem Sessel; sie schaut mit ihren müden Dirnenaugen aus dem schlaffen Gesicht auf den staubig-dunstigen Ballsaal. Das Mappenwerk (Künstlerporträts) zeigt uns die wohl bekannte Clo de Merode. Die kleine katzenpfötige Kreatur blickt versteckt aus ihrem dichten schwarzen Pelze. Voll kommen ornamental behandelt das Werk etwas Wuchtiges und leitet über zu dem flächigen, detaillosen Plakate, worin er neben Cbret wohl einer der größten Meister ist (siehe Blatt Nr. 234 »Divan Japonais). Ein Reformator der künstlerischen Lithographie und des Plakates, ein genußfreudiger Pariser, kein Sittenprediger, war der froh-freche Henri de Toulouse-Lautrec. Fritz Meyer Aus den Typographischen Gesellschaften Leipzig. Typographische Gesellschaft. Die Erste graphische Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes im Deutschen Buch gewerbehause gab den Stoff zu der Sitzung am 6. März. Der Direktor des Buchgewerbe-Museums, Herr Dr. Willrich, führte die Gründe an, die zu der Ausstellung Veranlassung gaben und betonte, daß der Künstlerbund ebenso wie das Museum mit dem Erfolg zufrieden seien. Der Verkauf hat die Erwartungen bei weitem übertroffen. Während die Arbeiten des Künstlers früher für die Betrachtung in der Nähe bestimmt waren, erstrebt man jetzt einen Wandschmuck, der auch in einer Entfernung von 2 bis 3 m nichts von seiner Wirkung einbüßt. Aus der so genannten Mappengraphik ist eine Wandgraphik geworden. Hierbei unterscheidet man natürlich verschiedene Richtungen, die teils in der Schwarzweiß-Technik zum Ausdruck kommen, teils auf die Wirkung der Farbe angewiesen sind. Die Farbe ist das stärkste Moment und wird zur Bildung des Stils wesentlich herangezogen. Mit Hilfe der Farbe kommt eine neue Architektur zum Ausdruck, wie sie die dekorative Graphik Deutschlands zurzeit besitzt, und die hauptsächlich in München und Wien zutage tritt. Eine Ergänzung dieses Vortrages bildete die Besichtigung der Ausstellung am 10. März, bei welcher Gelegenheit der Re ferent die verschiedenen von ihm berührten Punkte zu beweisen versuchte. Eine kurze Besprechung des Probenheftes »Lithurgisch« von Gebr. Klingspor folgte. Die mustergiltige Ausstattung und der streng durchgeführte Charakter des Buches fanden allgemeine Würdigung. Bei dieser Gelegenheit wurde erörtert, ob solche kostbaren Musterhefte nötig seien. Heute verlangt jeder Buchdrucker bei seinen Einkäufen ein möglichst ausführliches Musterblatt, wenn seine Bestellung auch noch so klein ist. Früher gab man sich zufrieden, wenn ein Oktav- oder Quartblatt die ungefähre Wirkung der Erzeugnisse veranschau lichte. S. Offenbach a. M. Graphische Vereinigung. Am 17. Januar wurden die zahlreichen Neujahrskarten im Vereinslokale aus gelegt und am 21. Februar durch Herrn Hch. Neu eingehend besprochen. Er sagte u. a.: Der größte Teil der ausgelegten Arbeiten sei mit gegebenem Material hergestellt und in Satz- und Farbenwahl einwandfrei. Die Buchdrucker-Vignetten haben erfreulicherweise abgenommen, bei Johannisfesten oder ähn lichen Buchdruckerfeierlichkeiten mag man die Drucksachen mit derartigen Bildern schmücken. Am 13. März besuchte die Vereinigung die Ausstellung im Goethe-Museum zu Frankfurt a. Main. Ausgelegt war der große Handschriftensatz »Goethe und der Goethekreis«. Die etwa 300 Manuskripte, Briefe, Hand zeichnungen, Miniaturen und Silhouetten zählende Sammlung enthält Originalhandschriften Goethescher Jugendwerke, wie die »Rede zum Shakespearetag«, den Heroldsgruß der neuen Literatur epoche der Geniezeit. Neben Goetheschen Briefen sind zahl reiche Briefe der Eltern und Freunde, der Gattin und der Nach kommen zeitgenössischer Dichter, Künstler und Gelehrten und des Weimarischen Kreises vorhanden. Unter den Bildwerken sei das Originalporträt Goethes in Bleistiftzeichnung hervor gehoben. Gleichzeitig mit dieser großen Sammlung war auch eine Oelskizze, ein bisher völlig unbekanntes Porträt des Dichters, ausgestellt, der Kopf ist völlig ausgeführt, Hintergrund und Körper nur angedeutet. —Re. Breslau. Typographische Gesellschaft. Am 6. März erklärte Herr Schmidt namens der techn. Kommission die Herstellung der Neujahrskarte des Kollegen Mitersky in Budapest. Der Vor sitzende teilte hierauf einiges aus dem Jahresbericht des Buch gewerbe-Vereins mit. Die Besprechung der Weihnachtsnummer vom »Buch- und Steindrucker« hatte Herr Hendel übernommen. Als besonders hervorragend müsse er den Naturselbstdruck der Firma Brockhaus, Leipzig, bezeichnen, sowie einige sehr schöne Dreifarbendrucke. Zu einer Sammlung von Arbeiten der Buch drucker-Fachklasse an der Breslauer Handwerkerschule machte der als Lehrer dort angestellte Vorsitzende Herr Schultes einige erläuternde Bemerkungen. In der anschließenden Aussprache über diese Arbeiten wurde allseitig anerkannt, daß an der Fach klasse weniger künstlerisch als praktisch gearbeitet werde und der Wunsch ausgesprochen, daß dies auch in Zukunft so bleiben möge. Der Vorsitzende gibt hierauf bekannt, daß noch einige Bedingungen zum II. Wettbewerbe der »Monatshefte für graph. Kunstgewerbe«, zu haben sind und ersucht um rege Beteiligung. Herr Winkler rügte die mangelhafte Beteiligung der Mitglieder, die es einzelnen tätigen Leuten überlassen, Vorträge, Berichte usw. auszuarbeiten. Der Vorsitzende schloß sich diesen Aus führungen an. G—e. Deutscher Faktorenbund, Kreis VIII. Die Kreisversammlung in Berlin stellte für die Ürwahl des Kreisvorstandes folgende Kandidaten auf: Wieck, erster, Böhm, zweiter Vorsitzender, Remmler und Weber, Schriftführer, Oehlke und Hagemann, Kassierer, Selle, Siegmann und Späht, Beisitzer. Bei der Be ratung der Anträge zur Generalversammlung des Bundes wurde die vom Berliner Faktoren-Verein beantragte Statut-Aenderung, nach welcher Vorsteher von Buchbindereien nicht mehr auf nahmefähig sein sollten, abgelehnt, dem Anträge aber, daß nur solche Faktoren aufgenommen werden können, welche 1 Jahr lang in einer Stellung beschäftigt waren, zugestimmt. Die Kreis versammlung sprach sich für Erhöhung der Beiträge bis monat lich 1 M. aus, stellt deren Feststellung aber der Generalver sammlung anheim. — e—