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D)APIER-VERARBEITUNG B BÜCHGEWERBE^ä Berliner Typographische Gesellschaft Am Dienstag, io. September, abends 1/8 Uhr, waren mehr als 100 Mitglieder einer Einladung zur Besichtigung des Schriftmuseums der Firma • Heintze & Blanckertz, Georgenkirchstr. 44, gefolgt. Der Prokurist der Firma, Herr P.H.Richter, hielt zunächst einen durch zahlreiche Lichtbilder erläuterten Vortrag über Entstehung und Inhalt dieses Museums, das von dem Geh. Kommerzienrat Blanckertz an gelegt wurde, um sich über die Schreibverhältnisse, die Werkzeuge und Schreibmittel aller Völker und aller Zeiten möglichst eingehend zu unterrichten und durch das Studium dieser Schreibmittel die Bedürfnisse kennen zu lernen, denen die Stahlfederfabrikation dienstbar gemacht wer den soll. Das älteste bekannte Schreibwerkzeug war der vor mehr als 2000 Jahren von den Indern benutzte Stift mit abgerundeter, ungespaltener Spitze aus Palmenholz, mit welchem die Schriftzüge in Tonplatten geritzt wurden. Diese Tontafeln wurden dann mit einer Schutzdecke aus Ton versehen und gebrannt. Im Innern Indiens bedient man sich solcher Palmholzstifte noch heute. Andere indische Völkerstämme benutzen einen scharf zugespitzten Metallstift, mit welchem sie die Schriftzeichen in sauber beschnittene, zuweilen mit Goldschnitt versehene Palm blätter von gleichmäßigem Format einritzen. Will man die Schrift lesen, dann wird das Blatt angefeuchtet und Staub in die Schriftzüge eingerieben, wodurch sie gut lesbar werden. Eine größere Zahl solcher beschriebener Palm blätter zeigt das Museum in Büchern vereinigt. In Aegypten verwendete man 2000—1000 vor Christo Papyrus- stengelchen, die am Ende pinselartig ausgefranst waren, und schrieb mit schwarzer, roter oder gelber Farbe auf Papyrus. Der siamesische Schreibstift der Vorzeit bestand aus Bambus mit löffelartiger Spitze, die mit flüssiger Farbe gefüllt wurde, auch benutzte man einen eigenartigen Kreide stift, den man aus Speckstein zurechtschnitt; heute schreibt man dort mit Kreide auf Schieferblätter oder mit Bleistift auf Papier, dem man Schieferstaub beigemengt hat, sodaß eine dunkle Fläche entsteht. Eine hohe Stufe technischer Vollkommenheit kenn zeichnet die Rohrfeder aus Bambusrohr mit gespaltener, verschiedenartig abgestutzter Spitze; sie war besonders bei den islamitischen Völkern im Gebrauch, indessen wurde sie vor der Einführung der Gänsefeder auch in Europa ver wendet. Dem Charakter der Schrift entsprechend wurde die Spitze zurechtgeschnitten; die vorhandenen Schrift proben zeigen bemerkenswerte Vielgestaltigkeit des Aus drucks. Alle die vorstehend genannten Schreibwerkzeuge waren nicht elastisch, denn auch der Spalt der Rohrfeder diente nur zur Zuführung der Farbe. Das älteste elastische Schreibwerkzeug ist der Pinsel; er ist in China, Japan und Korea etwa seit Christi Geburt in Gebrauch; die Spitze wird aus Kaninchen- oder Menschen haaren kunstvoll hergestellt. Als Schreibflüssigkeit wird chinesische Tusche benutzt, und die gesamten Schreib geräte werden in originell und kunstvoll ausgestatteten Kästchen verwahrt, welche ebenso wie die aus einer An zahl kleiner hölzerner Kugeln bestehende Rechenmaschine in der Tasche mit herumgetragen werden. Die von den Japanern in den Schulen benutzten Schreibhefte zeigen die Schriftzeichen in vergrößerter Form in Konturen an gedeutet, die Schüler müssen diese mit dem Pinsel aus füllen und eignen sich auf diese Weise die Form der oft nur wenig voneinander abweichenden Schriftzeichen an. Jahrhunderte hindurch bildete in Europa die Gänse feder das ausschließliche Schreibgerät; durch die ver schiedenartige Winkelstellung der zugeschnittenen Spitze war die Möglichkeit gegeben, jene charaktervollen und künstlerischen Schriftwerke herzustellen, welche noch heute unsere Bewunderung erregen. Die Schreibvorlagen alter Schreibmeister wie Torio, Rossberg und Valliciergo sind noch heute unübertroffene Erzeugnisse der Schreibkunst. Die älteste Metallfeder ist die von den Römern be nutzte, deren Spitze einen gespaltenen Schnabel zeigte, die sich aber nicht auseinanderspreizte. Im Mittelalter fertigte man vereinzelt Luxusfedern aus Messing, Silber oder Eisen an. Die erste elastische Metallfeder fertigte sich Alois Senefelder, der Erfinder des Steindrucks, aus einem Stück einer Uhrfeder und brachte sie durch Drücken mit der ab gerundeten Spitze eines Nagels in die Form einer geteilten Röhre, deren Ende er zuspitzte und mit einem kurzen Ein schnitt versah. Diese Feder benutzte er zum Schreiben und Zeichnen auf dem Lithographiestein. Gegen Anfang des 19. Jahrhunderts siedelte Senefelder mit seiner Er findung nach England über, und um das Jahr 1820 wurden in Birmingham die ersten Schreibfedern aus Stahl her gestellt und zwar in ähnlicher Weise wie dies Senefelder vordem bereits getan; Maschinen benutzte man erst ums Jahr 1830. In Deutschland beschäftigte sich S. Blanckertz in Berlin zuerst mit der Herstellung von Stahlfedern und begründete 1856 die erste deutsche Stahlfedernfabrik unter der Firma Heintze & Blanckertz, die jahrzehntelang die einzige in Deutschland blieb und im Laufe der Jahre solche Ausdehnung gewann, daß sie heute etwa 500 Arbeiter be schäftigt. An den mit lebhaftem Beifall entgegengenommenen Vortrag schloß sich eine Besichtigung des Schriftmuseums, das einerseits die wertvollen Originale der bildlich vor geführten Schreibgeräte und Schriftwerke enthält, ander seits aber auch einen Einblick in die unter Zuhilfenahme feinster Präzisionsmaschinen sich vollziehende Fabrikation und die Mannigfaltigkeit der Erzeugnisse der Firma ge stattet. Zwölf getrennte Arbeitsgänge gehören zur Her stellung einer Feder, und in drei verschiedenen Formen der Spitze werden neuerdings auf Grund der gesammelten Erfahrungen, entsprechend der abweichenden Schreib gewohnheit, die mannigfachsten Sorten hergestellt als Winkel-, Kugel- oder Rundspitzfedern. Das Schriftmuseum, das in gedrängtem Raume eine reiche Fülle lehrreichen Materials enthält, ist nicht nur von großem fachwissenschaftlichem, sondern in seiner Voll ständigkeit auch von kulturellem und historischem Wert. Der Vortragende, Herr Richter, gab zu den einzelnen Aus stellungsgegenständen, die an sich schon übersichtlich ge ordnet und mit Angaben über ihre Herkunft und ihren Zweck versehen sind, mancherlei interessante Erläuterungen. Eine Anzahl von Besuchern fand auch noch Gelegenheit zur Durchsicht einer Sammlung von Schreibvorlagen, wie sie in verschiedenen Kulturstaaten beim Schulunterricht Verwendung finden; diese Hefte bieten mancherlei An regung, die zum Teil auch beim Schreibunterricht in unsern deutschen Schulen nutzbringende Anwendung finden könnten. Am Schluß der Besichtigung sprach der Vorsitzende, Herr Könitzer, Herrn Richter sowie der Firma Heintze & Blanckertz für die interessante und lehrreiche Ver anstaltung den Dank der Gesellschaft aus; allen Teil nehmern aber hat der Besuch nicht nur einen genußreichen Abend, sondern auch eine Bereicherung des Wissens ge boten. Druckpreise in Nordböhmen. Die vor einigen Tagen in Tetschen (Böhmen) abgehaltene Hauptversammlung des Gremiums der Buchdrucker für das nördliche Böhmen« beschloß, seinen Mitgliedern zu empfehlen, daß sie in Zukunft Preisanfragen nur nach dem Mindest-Druckpreise-Tarif beantworten. Dadurch soll der Preis einheitlicher geregelt und verhütet werden, daß das Buchdruckgewerbe in seinem Ertrag weiter zurückgehe. M.