Volltext Seite (XML)
Einst und jetzt Ich habe oft zur Kennzeichnung eines Kaufmanns die Worte gehört: »Der ist noch von der alten Schule«. Ich verstehe darunter einen kernigklugen Mann, der nach an ständigen, ehrlichen Grundsätzen sein Geschäft führt und es mit diesen Grundsätzen ernst meint. Der Kaufmann alten Stils wußte genau, daß Anhäufung kleiner Vorteile, sozusagen Teilchen von Vorteilen, den Erfolg verbürgt. Er sparte, wo er konnte. So warf ich einmal als Lehrling ein Stückchen Bindfaden achtlos fort. Mein Chef hob es auf und sagte: »Dieser Bindfaden ist iooo Taler wert, nicht der Bindfaden, aber der Grundsatz, ihn zu sparen«. Ein ander Mal war von einem bereits schadhaften Leimtopf der Henkel abgebrochen. Ein neuer sollte gekauft werden. Mein Lehrchef aber schaffte mit Bindfaden einen neuen Griff und freute sich kindlich, als er sagen konnte: »Gekostet hat der Topf nichts und ersetzt einen neuen«. Der alte Herr hatte Recht. Ich will damit nicht sagen, daß derartige Lehren noch heute Berechtigung haben, wo die Zeit kostbarer geworden ist und das Material billiger. Aber wenn man sieht, wie heute die Lehrlinge, die es ja teilweise von den Gehilfen auch nicht besser sehen, mit dem Material umgehen, so muß man sich über unsere heutige Erziehung zum Kaufmann wundern. Und dann die Portokasse — o, welches Unglück hat diese Einrichtung nicht über manchen hereingebracht — wie lernten wir daran, die Zahlen fein säuberlich untereinander, die letzte Markziffer ja immer an den roten Strich, zu setzen. Es war für uns die erste Weihe für die Buchhaltung! Aber nicht dieser kleinliche Geist kennzeichnete allein den »alten Kaufmann«. Auch die Behandlung der Kund schaft war von der heutigen abweichend. Das, was man für Geld gab, war gut, richtig in Maß und Gewicht. Darauf baute sich das Gefühl jenes Kaufmanns auf, von dem Goethe sagt: »Er war zu stolz, die Perle unter ihrem Werte loszu schlagen«. Aber nicht nur dieser Stolz war maßgebend für die Behandlung des Käufers, sondern auch die damalige Auffassung, wonach dieser dem Verkäufer höchstens gleich berechtigt sei. Mein Lehrmeister tat sogar den Ausspruch: »Das Publikum ist ein Ochse«. Von derartigen Gesichts punkten aus konnte die Behandlung der Kundschaft nicht immer zart sein. Beschwerden behandelte man von vorn herein ablehnend, Abzüge, waren sie noch so gering, ließ man sich nicht gefallen. Wieviel mag wohl heute in einem großen Geschäft des lieben Friedens wegen »abgebucht« werden? Und nun der moderne Kaufmann. Mir schwebt nicht das Bild eines jener Schwindelleute vor, denen jedes Mittel erlaubt und jeder Weg willkommen ist, um sich zu be reichern, selbst wenn er dicht das Strafgesetz streift. Nicht der Kaufmann, dem das Sprichwort gilt: »täglich wird ein Dummer geboren«. Nein, ich meine den Kaufmann, bei dem die Grundsätze die alten geblieben sind, nur die Wege zum Erfolg sich änderten. Zwar gilt auch ihm die ererbte fugend der Sparsamkeit, aber oberster Grundsatz ist ge worden: »Der Käufer ist König«. So wie dieser einem Teil seiner Untertanen besonders zugeneigt sein, ihn mit besonderen Vorteilen auszeichnen kann, so auch der Käufer den Geschäften, von denen er bezieht. Daher das Be- streben, den Käufer an sich zu locken und sich zu erhalten. Kein Wunder, wenn heute die Behandlung des Käufers wesentlich zuvorkommender geworden ist, wenn der heutige Verkäufer manche Kritik still zu ertragen sucht. Im Grunde weiß er: »ich bin doch der Gewinner«. Darum heute nicht nur die jedem Käufer angepaßte und planmäßige Behänd- jung der Kunden; die Vormerkung seiner Bezüge und der ihm gemachten Angebote mittels der Kartothek, die Nach forschungen über das Ausbleiben von Aufträgen. Ferner das immer Wiederherstellen des Zusammenhangs zwischen Verkäufer und Käufer durch reges Reisenlassen von gut geschulten Kräften, durch Zusendung neuer Muster in ge- schickter, ansprechender Form. Manches alte Geschäft glaubt diese Mode nicht mit machen zu müssen, weil es einen großen Stamm alter Kunden besitzt. Aber was von diesem nicht durch den Zahn der Zeit aufgenagt wird, kann hinsiechen, vielleicht, weil die alten Kunden auch gar zu unmodern werden und dadurch nicht mehr kaufkräftig bleiben. Der heutige Kaufmann muß erkannt haben, daß in seinem Kundenbestand ein Kapital steckt, das, ebenso wie das Geld, gut verwaltet werden muß, um reiche Zinsen zu tragen. R. J. Fortführung einer erworbenen Firma Reichsgerichts-Entscheidung. Nachdruck verboten Der Inhaber eines kaufmännischen Geschäfts verkaufte dieses, indem er zugleich in die Fortführung der in das Handelsregister eingetragenen Firma durch den neuen Inhaber willigte. Dieser betrieb das Geschäft unter der bisherigen Firma weiter, ohne den Uebergang im Handelsregister eintragen zu lassen. Der frühere Inhaber veranlaßte infolgedessen nach einiger Zeit die Löschung der Firma, ohne Zuziehung des neuen Inhabers. Dieser forderte nunmehr Schadenersatz dafür, daß ihm durch die widerrechtliche Löschung der Gebrauch der ihm über lassenen Firma entzogen worden sei, wurde aber seitens des Reichsgerichts mit seiner Klage abgewiesen. Nach § 22 HGB hatte der Kläger dadurch, daß Beklagter ausdrücklich in die Fortführung der Firma gewilligt, das Recht erworben, für das ihm übertragene Geschäft die Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgerverhältnis andeutenden Zusatzes fortzu führen. Dieses Recht ist aber von der Eintragung der Firma unabhängig. Der Erwerber des Geschäfts kann von dem Ver äußerer gezwungen werden, daß er dazu mitwirkt, daß er sein Recht verwirklicht, daß er also, sofern die Firma noch nicht eingetragen war, die Eintragung veranlaßt, oder aber, daß er für die Umschreibung der bereits eingetragenen Firma sorgt. Der Erwerber behält aber sein Recht auf die Fortführung der Firma, auch wenn der Veräußerer diese Mitwirkung nicht gewährt, und auch der Umstand, daß die Firma nachträglich auf Veranlassung des Veräußerers gelöscht wird, ist gleichgiltig. Der Erwerber kann trotz dieser Löschung die ihm übertragene Firma weiter führen, und er kann auch die Wiedereintragung der Firma in das Handelsregister verlangen und die hierzu erforderliche Mit wirkung des Veräußerers in Anspruch nehmen; letzterer war nicht mehr befugt, über die Firma zu verfügen, da sie ihm nicht mehr gehörte. Ein Schadenersatzanspruch, wie er vor liegend mit der Klage geltend gemacht wurde, besteht daher in einem derartigen Falle nicht. Geschäftsausstattung und Reklame. Der Verband Berliner Spezialgeschäfte veranstaltet vom 12. bis 24. Februar 1908 in den Ausstellungshallen am Zoologischen Garten zu Berlin eine ^Ausstellung umfassend Geschäjtsausstattung und Reklamen. Durch diese Ausstellung soll ein möglichst umfassendes Bild aller Hilfsmittel geboten werden, die dem Geschäftsmann zur Förderung seines Unternehmens zur Verfügung stehen. Außer den direkten Reklamemitteln — Zeitungen und Zeitschriften, Plakate, Kataloge, Zugabeartikel usw., Ladenausbauten, Innen architektur, Schaufenster- und Dekorationsmittel usw. — soll besonders auch der Einfluß der Kunst auf diesem Gebiete zur Geltung kommen. Jederlei Auskünfte erteilt die Ausstellungs leitung (Kurzadresse: »Augur«), Berlin W 8, Leipzigerstr. m. Wie wir von zuverlässiger Seite erfahren, verspricht die Ausstellung auf ihrem Spezial-Gebiet einen anregenden und für die Geschäftswelt lehrreichen Ueberblick zu bringen. Der veranstaltende Verband, in dessen Vorstand erste Berliner Firmen vertreten sind, genießt das beste Ansehen, und man darf seiner rührigen Leitung sach gemäße Durchführung der Veranstaltung zutrauen. Achtuhr-Ladenschluß. In der Württembergischen Oberamts stadt Tuttlingen ist mit 1. September nach von der Kreis regierung getroffenen Anordnungen der Achtuhr-Ladenschluß in Kraft getreten. Der Antrag hierzu war von 142 Geschäfts inhabern gestellt worden. —s— Neue brasilianische Briefmarken. Nächstes Jahr findet die Hundertjahrfeier der Eröffnung der brasilianischen Häfen für den Weltverkehr statt. Aus diesem Anlaß (oder weil der Staat Geld braucht, welches die Briefmarkensammler hergeben sollen) hat die Regierung angeordnet, daß 5 Millionen Stück 100 Reis- Marken gedruckt und ausgegeben werden. K.