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DAPIER-VERARBEITUNG In BU CH GEWERBE El! Berliner Typographische Gesellschaft Die gut besuchte erste Sitzung nach den Sommerferien am 3. September wurde um 91/, Uhr von dem Vorsitzen den Herrn Könitzer mit einer Begrüßung der Mitglieder eröffnet. Er teilte mit, daß inzwischen die Ausstellung farbig illustrierter Schul- und Lehrbücher soweit vor bereitet sei, daß sie voraussichtlich gegen Ende September werde eröffnet werden können; er ersuchte die Mitglieder, etwa in ihrem Besitz befindliche, zur Ausstellung geeignete Bücher und Drucke zur Verfügung stellen zu wollen. Die Versammlung erklärte sich damit einverstanden, daß in gleicher Weise wie bei der Postkarten-Ausstellung den Mitgliedern Eintrittskarten zu Vorzugspreisen zur Be nutzung bezw. zur Weitergabe an andere Interessenten übermittelt werde. Sodann berichtete er, daß das Sommer fest am 3. August unter zahlreicher Beteiligung und zur allseitigen Befriedigung der Teilnehmer gefeiert worden sei; dem Festausschuß, im besonderen Herrn Boldt, welcher die Festlieder stiftete, sprach er den Dank der Gesellschaft aus. An Eingängen waren zu verzeichnen: durch Vermittlung des Herrn Oberfaktors A. Korn eine wertvolle Sammlung von Akzidenzarbeiten aus der Buchdruckerei J. P. Bachem in Köln, von der Schriftgießerei Ferd. Theinhardt in Schöne berg ein Musterheft der Dürer-Fraktur, von der Firma Scheiter & Giesecke in Leipzig Musterhefte der Akropolis- Ornamente, der Edelgotisch, der Schreibschriften Fee und Fata morgana und neue Kalender-Vignetten, ferner eine größere Zahl von Herrn Buchdruckereibesitzer Hermann Brücker in Friedenau gesammelter Anzeigenreklamen der deutschen Sekt- und Kognakfabriken. Der Vorsitzende dankte den freundlichen Spendern für diese Einsendungen. Weiter sind die Ergebnisse des Diplom-Wettbewerbs der Typographischen Gesellschaft in München eingegangen; diese Arbeiten sollen von der Berliner Gesellschaft in gleicher Weise bewertet werden, wie dies mit unserem Wettbewerb in München geschehen sei. Für diesen Zweck und zur Ab fassung eines ausführlichen Referats wurde eine aus den Herren Georg Erler, Gustav Jahn, Max Ludszuweit, Emil Neumann, Carl Schmiedchen, Georg Wagner und Richard Werra bestehende Kommision gewählt. Vor Eintritt in die Tagesordnung gibt der Vorsitzende noch bekannt, daß während der Ferien das langjährige Mitglied Herr Faktor Jacobshagen das Jubiläum 4ojähriger ununterbrochener Tätigkeit in der Buchdruckerei Denter & Nicolas begangen habe und wiederholt die demselben von seifen des Vorstandes bereits ausgesprochenen Glück wünsche. Den beiden während der Ferien verstorbenen Mitgliedern, den Herren Schriftgießereibesitzer Robert Mosig und Otto Wedemeyer, Vertreter der Firma H. Bert- hold, widmet der Vorsitzende warme Worte ehrenden Gedenkens, und die Mitglieder erheben sich zum Zeichen der Teilnahme von ihren Plätzen. Zur Mitgliedschaft angemeldet werden die Herren Kor- rektor Franz Ille, SW, Hornstr. 9 (Buchdr. A. Seydel & Go), und Faktor Alfons Vögele, SO, Elisabethufer 12. Hierauf hielt Herr Obermaschinenmeister Richard IVerra, finer Aufforderung der technischen Kommission ent sprechend, den angekündigten Vortrag über den Druck von Komplementärfarben Er nahm Bezug auf einen Artikel der Typographischen Jahrbücher und wies darauf hin, daß man in England unter Komplementärfarbendruck ein eigenes Verfahren verstehe, ei welchem in dem Kampfe zwischen Drei- und Vierfarben- ,lr uck an Stelle der schwarzen Platte eine grüne verwendet werde. Das sei etwas anderes als der in den Jahrbüchern erwähnte zweifarbige Druck von Duplexautotypien. Ein neutrales Grau sei mit Komplementärfarben nicht zu erreichen; sie ergäben stets einen bräunlichen Ton. Auch der Behauptung, daß beim Farbenmischen in den Druckereien große Mengen von Farben verloren gingen und das Ab wiegen der Quantitäten seitens des Druckers ein lächer licher Versuch sei, widersprach Redner, ebenso der Behauptung, daß die deutschen Buchdrucker sich an ver alteten Anschauungen festhielten und für Neuerungen kein Interesse hätten. Es werde dies durch die Fortschritte auf dem Gebiete des Farbendrucks während der letzten Jahrzehnte widerlegt. Im übrigen gebühre das Verdienst, zuerst eine Farbenskala für den Buch druck geschaffen zu haben, Herrn Hermann Hoff mann, dessen Farbenlehre für Andere die Grundlage gebildet habe. Es sei sehr fraglich, ob ein nach dem Re zept des Herrn Mäser gebildeter Farbendrucker, der ledig lich mit der Farbenskala gearbeitet habe, ohne die Grund farben zu kennen, imstande sei, in der Praxis des Berufs fertig zu werden und auch Nüancen zu finden, die in der Skala nicht vorhanden sind; die Zahl der mit Komplementär farben möglichen Nüancen sei ziemlich beschränkt. In den Jahrbüchern werde die Intensität der Farben häufig durch Quantität ersetzt. Der Vortragende erläuterte seine weiteren Ausführungen durch Demonstrationen und eine Skalentafe), welche nach der Hoffmann’schen Farbenskala auf der einen Seite die absoluten und daneben die verwandten Kontrast farben veranschaulichte. Er schloß seinen Vortrag mit Mit teilungen über die Entwicklung des menschlichen Auges für den Farbensinn, der sich erst nach und nach aus gebildet habe und wohl noch weiterer Vervollkommnung fähig sei. Die Anwesenden zollten dem Redner lebhaften Beifall, und der Vorsitzende sprach ihm den Dank der Ver sammlung aus. An dem anschließenden Meinungsaustausch beteiligten sich außer dem Vorsitzenden die Herren Gustav Jahn, Wagner und Erler. Sodann berichtete Herr Faktor August Köhler noch einmal über das HJG-Gußverfahren. Er wies nach, daß es sich dabei um die allerprimitivsten Hilfsmittel handelt, die jeder ältere Buchdrucker zu jener Zeit, wo noch nicht jede Druckerei eine eigene Stereotypie besaß oder eine Stereo typieanstalt in der Nähe hatte, mit mehr oder weniger Ge schick ohne besondere Anleitung selbst ausübte. Wenn jetzt für eine solche Anleitung, unter der Hand mit dem Preise aufschlagend, 3, 5 oder gar 20 M. gefordert würden, so sei es Pflicht der Typographischen Gesellschaften, die An gelegenheit im Interesse der Allgemeinheit aufzuklären. Es wurde deshalb beschlossen, diesen Standpunkt in dem Pro tokoll festzulegen und für weiteste Verbreitung der Aufklärung über das Wesen des H J G-Gußverfahrens zu sorgen. Es wurde noch darauf aufmerksam gemacht, daß man beim Lesen des Prospekts leicht in den Glauben versetzt werde, daß namhafte Buchdruckfirmen, welche vielleicht einen dort ebenfalls erwähnten Gasschnellheizer angeschafft haben, auch das H J G-Gußverfahren empfohlen hätten, und weiter an geführt, daß an dem ganzen Verfahren nur das Wort »H J G-Guß« vielleicht einen gesetzlichen Schutz genießen könne, daß hier also von einem Patent oder Gebrauchs muster keine Rede sei. Hierauf gab Herr H. Görnitz ein ausführliches Referat über die diesjährigen Johannisfest-Drucksachen, die er im ein zelnen einer Betrachtung unterzog. Aus seinen Ausführungen ging hervor, daß nur ein bescheidener Teil der Arbeiten den Anforderungen entspricht, die man an Festdrucksachen zu stellen berechtigt sei, welche Buchdrucker für sich selbst anfertigen; bei der Mehrzahl handle es sich um Durch schnittsarbeiten. Es komme auch hier wieder die bekannte Regel zur Geltung, daß die mit den einfachsten Mitteln hergestellten Arbeiten als die besten zu bezeichnen seien.