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Nr.. 69 PAPIER-ZEITUNG 3027 Bilder aus deutschen Papierfabriken Fortsetzung zu Nr. 48 S. 2107 Papierfabrik Treuenbrietzen Das Hauptwerk dieser seit 1806 bestehenden Papierfabrik liegt wenige Minuten nördlich vom reizenden Landstädtchen Treuenbrietzen in der Mark. Brandenburg am Nieplitz- Flüßchen. Sie gehört zu jenen Fabriken, welche schon in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Donkinsche Langsiebmaschinen aufstellten und Maschinenpapier herzu stellen begannen. Gründer der Fabrik und Besitzer bis zum Jahre 1900 waren die Seebald, welche durch diese in der Mitte des vorigen Jahrhunderts zu großer Wohlhabenheit gelangten. Unter dem letzten Besitzer dieses Namens ver fiel die Fabrik allmählich. Sie wurde dann von seinen Erben Leitern anvertraut, welche wohl zu sehr Theoretiker waren und den Niedergang übernahm einer der Schwiegersöhne des letzten Seebald, ein wohlhabender o. süd- deutscher Bankherr, die Fabrik, diese ver schlang jedoch infolge unzweckmäßiger Lei tung sein ganzes Ver mögen. Er geriet in Konkurs, und die Fabrik war im Jahre 1899 nähe daran den Betrieb einstellen zu müssen. Da die Fabrik den bedeutendsten Ak tivposten der Konkurs masse bildete, hätten die Gläubiger sozu sagen alles verloren. Sie beschlossen die Fabrik unter neuer Leitung weiter zu be treiben. Der Wechsel in der Leitung führte zu erfreulichem Um schwung. Heute, nach 7jährigerTätigkeit des jetzigen Leiters Herrn G. Lest, hat die Fabrik ihre Lebensfähigkeit bewiesen. Vielezweck- mäßige Verbesserun gen wurden im Lauf dieserjahre eingefübrt und veraltete Einrich tungen beseitigt. Alle Aufwendungen wur den lediglich aus dem Ertrag der Fabrik be stritten. Dieser Erfolg und das Vertrauen in die Leitung ermutig ten die Inhaber, welche sich inzwischen zu einer G. m. b. Fl. zusammenschlossen, die Mittel zu einem völligen Umbau der Fabrik zu bewilligen. Die alte Papiermaschine wurde durch eine neue, vollkommene ersetzt, eine neue, leistungsfähige und sparsame Kraftanlage sowie viele andere neue Einrichtungen wurden geschaffen. Nach Fertigstellung dieser Neuerungen hatte Schreiber ds. Gelegenheit, die Fabrik in Betrieb zu besichtigen. Bild 1 zeigt die Fabrik von der Straße aus gesehen. Das Fabrikationswasser wird dem Nieplitzbach ent nommen, welcher eine Stunde vor Treuenbrietzen einem romantisch gelegenen Waldsee entspringt und den Ort in mehreren Armen durchfließt. Das klare und chemisch sehr reine Wasser wird in einem großen Klärteich mit vielen Win dungen von Schwebestoffen befreit und dann noch durch Reisertsche Feinfilter gedrückt. Die große Reinheit und Eisen freiheit des Wassers ermöglicht der Fabrik die Erzeugung von Papier sehr hoher Weiße, was die vor uns liegende Sammlung von Papiermustern der Fabrik beweist. Auch der Bogen, auf welchem vorliegende Beschreibung gedruckt wurde, ist Erzeugnis der Fabrik. Beim Umbau wurde insbesondere auf sparsame Kraft erzeugung und Kraftverteilung sowie auf Vermeidung jedes überflüssigen Handgriffs im Betrieb gesehen. Alle Gebäude usw. sind so angelegt, daß eine zweite Papiermaschine auf gestellt werden kann, auch die Kraft-, Mahl-, Bearbeitungs- sowie Hilfsmaschinen sind bereits dazu .vorhanden. — Rohstofflager, Bleicherei, Holländersaal, Papiermaschine, Rollenlager, Kalanderraum, Papiersäle, Verladeraum liegen in einer Linie und sehließen unmittelbar an einander an. Alle Räume sind durch Schienenbahn und elektrische Auf züge mit einander verbunden, weit, hell, luftig und sauber, Geheizt und entnebelt werden die Arbeitssäle sowie der Papiermaschinenraum durch Luft, welche durch einen sinn? reich in den Rauchkanal eingebauten Apparat getrocknet, erwärmt, in Röhren mittels eines elektrischen Ventilators der Fabrik zugeführt und verteilt wird. Auch bei de^ strengen Kälte des letzten Winters (— 24°) waren weder Nebel gnoeh Tropfen im Papiermaschinen- raum bemerkbar.,. Der Dampf wird in Corn» wallkesseln erzeugt. Sämtliches Kondens- wasser wird gesammelt und zum esselspeis sen verwendet. Vors wärmer, Economiser, Ueberhitzer, Wasser stands- und Zugregler selbsttätige Beschick»} ung des Rostes wirken mit, um beste Aus nützung des Heiz- stoffes zu erreichen. Eine vomDampfkessel- Revisionsverein Berlin vorgenommene gründ liche Prüfung hat» er geben, daß das an gestrebte Ziel in selten, günstiger Weise er reicht wird. Das Krafthaus, zuy gleich Elektrizitäts-j werk, ist so groß, daß es reichlich Platz für Verdopplung der Kraft bietet. Bild 2 gewährt einen Blick in diesen Raum. Eine 600 pferdige Aschers lebener Heißdampf- Verbundmaschine mit Kondensation gibt ihre Kraft zur Hälfte mittels Reibungskupplung auf der verlängerten Welle an die Haupttransmis sion zum Betriebe der Holländer und Koller gänge ab, die andere Hälfte der Kraft wird in zwei Dynamos von je etwa 100 KW Leistung in Gleichstrom von 440 Volt umgewandelt. Zwei weitere Dynamos von zusammen 50 KW dienen zur Er zeugung vonGleichstrom von noVolt. Fernersind 50 Wasser- Pferdestärken vorhanden. Sämtliche Maschinen, mit Aus nahme der Holländer, Kollergänge und Papiermaschine, werden elektrisch angetrieben. Die Bleicherei hat Abtropfkästen und genügt wie auch die Mahlanlage für das Doppelte der jetzigen Leistung; sie ist für Normal- und sehr feste Bücherpapiere zugeschnitten, Reißlängen von 6000 m und Doppelfalzungen von 600 bis 1000 werden bequem erreicht. Die Stoffbereitung ist durch Einschaltung einer Jordanmühle eigener Bauart so einge richtet, daß der Maschinenführer unabhängig vom Holländer personal ist und die Eigenschaften des über das Sieb laufenden Stoffes innerhalb 5 Minuten vollständig verändern, also sich kurzen, langen, schmierigen oder röschen Stoff selbst sofort herstellen kann. Jede Stoffpumpe ist vermieden. Zum Antrieb der Papiermaschine dient eine 100 pferdige Raupach’sche Ventilmaschine. Die von Banning & Setz nicht aufhalten konnten. Zuletzt Papierfabrik Treuenbrietzen. Bild 1: Ansicht der Bild 2: Krafthaus.