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Nr. 77 PAPIER-ZEITUNG 3385 Gebührenordnung für das Kunstgewerbe Die deutschen Architekten und Ingenieure berechnen ihre Honorare nach einer Gebührenordnung, den deutschen Kunstgewerbetreibenden fehlte aber bisher eine solche Grundlage. Der Verband deutscher Kunstgewerbevereine, dessen Vorort zurzeit der Verein für Deutsches Kunst gewerbe in Berlin ist, hat daher auf Antrag dieses Vor ortes eine Gebührenordnung für das Kunstgewerbe vor bereitet. Ein vom Delegiertentage des Verbandes gewählter Ausschuß hat den Entwurf in Eisenach beraten und so ausgestaltet, daß er jetzt allen 17600 Mitgliedern des Ver bandes zur Prüfung zugehen kann. Der nächste Delegierten tag des Verbandes deutscher Kunstgewerbevereine, der im Frühjahr 1908 in Hannover zusammentritt, soll dann über die Einführung dieser »Eisenacher Ordnung« beschließen. Das für das Buchgewerbe Wichtigste dieser Gebührenord nung ist in folgendem enthalten: § 1. Als Entwurj eines kunstgewerblichen Erzeugnisses gilt jede Zeichnung und jedes Modell, sofern danach ein Sach kundiger das zur Ausführung des Werkes Erforderliche vor nehmen kann. Jede schriftliche Aufstellung, in der die Gesamtkosten einer kunstgewerblichen Arbeit in Einzelposten angegeben werden, wird als Anschlag betrachtet. § 2. Unverlangt eingereichte oder freiwillig angebotene Entwürfe und Anschläge sind nicht gebührenpflichtig. Sie werden es aber, sobald sie vom Empfänger genehmigt oder auch nur auf seinen Wunsch abgeändert werden. § 3. Die Unterlage aller Entschädigungen iür Entwürfe und Anschläge bildet die Grundgebühr nach Maßgabe der für die einzelnen Gruppen kunstgewerblicher Erzeugnisse im Anhang dieser Gebührenordnung aufgestellten Regeln und Sätze. Die Grundgebühr kommt entweder als Vor-, Werk- und Wieder gebühr, oder als Pauschgebühr in Berechnung. Nur wenn keine dieser Berechnungen möglich ist, tritt die Entschädigung nach Zeitgebühr ein. § 4. Für Entwürfe, die von Anschlägen begleitet sind, ist stets die volle Höhe der Gebühren zuständig. Ebenso können für Entwürfe ohne Anschläge die vollen Gebühren berechnet werden. Dagegen darf die Entschädigung für Anschläge allein nur bis zu einem Fünftel der Gebühren gehen. § 5. Die Grundgebühr bemißt sich stets nach Hundertteilen (Prozenten) des Verkaufspreises an Hand des Tarifs. § 6. Die Vorgebühr beträgt mindestens das Einfache der Grundgebühr; sie findet Anwendung auf Vorentwürfe und Vor anschläge, die bestimmt sind, Art, Umfang und Preis eines Auf trages festzulegen. § 7. Die IVerkgebühr beträgt mindestens das Einfache der Grundgebühr; sie findet Anwendung auf Werkzeichnungen und Arbeitsmodelle, die bestimmt sind, der Ausführung der Arbeit unmittelbar zu dienen. § 8. Die IViedergebühr beträgt mindestens das Einfache der Grundgebühr; sie findet Anwendung auf die erste bis ein schließlich zehnte Wiederholung des Werkes, nicht aber auf weitere Wiederholungen. § 9. Anstelle der Vor-, Werk- und Wiedergebühr kann die Pauschgebühr treten. Sie unterliegt der freien Vereinbarung und kann in Form einer einmaligen Entschädigung oder in Form eines Anteils am Verkaufspreis gewährt werden. § 10. Die Zeitgebühr wird nach der Zahl der aufgewendeten Arbeitsstunden berechnet. Für die erste Arbeitsstunde kann ein Betrag bis zu zwanzig Mark, für jede weitere ein Betrag bis zu fünf Mark in Ansatz gebracht werden. Für Hilfskräfte können die Arbeitsstunden, aber ohne Erhöhung der ersten, mit Beträgen bis zu drei Mark für die Stunde angesetzt werden. — Angefangene Stunden gelten als voll. § n. Streitigkeiten aus dieser Gebührenordnung unterliegen zunächst einem Schiedsgericht, zu dem jede Partei einen Bei sitzer ernennt. Diese wählen einen Dritten als Obmann. Die Schiedsrichter haben Anspruch auf Entschädigung nach Zeit gebühr. § 12. Die Gebühren sind mit mindestens zwei Dritteilen bei Ablieferung der Entwürfe und Anschläge tällig, der Rest spätestens nach Ablauf von drei Monaten. § 13. Für Reisen, Beaufsichtigung von Arbeiten und sonstige in dieser Gebührenordnung nicht besonders erwähnte Arbeiten kommt die Zeitgebühr (§ 10) in Anrechnung. Die erste Stunde wird nicht erhöht, der Tag mit nicht mehr als dreißig Mark berechnet. Diese Gebühren sind einschließlich der Auslagen lür Fahrten, Gepäckbeförderung und Hilfskräfte sofort fällig. § 14. Entwürfe und Anschläge, welche nach dieser Ge bührenordnung gehen sollen, müssen den Vermerk tragen »Nach der Gebührenordnung des Verbandes Deutscher Kunstgewerbe- Vereine« oder, was gleichbedeutend ist, den Vermerk ^Nach der t-'tsenacher Ordnung^. § 15. Diese Gebührenordnung gilt laut Beschluß des Ver bandes Deutscher Kunstgewerbe-Vereine zunächst bis sum 1. April 191p. Anhang Die Grundgebühr berechnet sich nach dem Verkaufspreise und nach dem Verhältnis zwischen Materialkosten und Arbeits kosten. Dieses Verhältnis stellt sich in Klasse I — das Material ist wertvoller als die Arbeit — wie 9 (Materialkosten) zu r (Arbeitskosten), oder 8 zu 2, oder 7 zu 3 (also wie 9 bis 7 zu 1 bis 3) in Klasse II — Material und Arbeit sind annähernd gleich wertig — wie 6 (Materialkosten) zu 4 (Arbeitskosten), oder 5 zu 5, oder 4 zu 6 (also wie 6 bis 4 zu 4 bis 6) in Klasse III — das Material ist weniger wertvoll als die Arbeit — wie 3 (Materialkosten) zu 7 (Arbeitskosten), oder 2 zu 8, oder 1 zu 9 (also wie 3 bis 1 zu 7 bis 9) Verkaufspreis M. Klasse I v. H. Klasse II v. H. Klasse III v. H. 1— 50 II »3 15 51— 100 10 12 14 101— 250 9 I I 13 251— 500 8 10 12 501— I coo 7 9 II I OOI— 2 500 6 8 IO 2 501— 5 000 5 7 9 5 03 [ —10 000 4 6 8 10 001—15 000 3 5 7 15 031 — 20 OOO 2 4 6 über 20001 I 3 5 Bei einem Verkaufspreise von 1—50 M. ist die Summe von Vor- und Werkgebühr, auch wenn sie nach der Gebühren ordnung unter 10 M. bleibt, auf mindestens 10 M. festzusetzen, ebenso bei einem höheren Verkaufspreise auf mindestens 20 M. auch dann, wenn nach der Gebührenordnung dieser Betrag nicht erreicht wird. Endsummen dürfen zur vollen Mark aufgerundet werden. Beispiele Ein Bucheinband zu 150 M. Klasse III, Grundgebühr 13 v. H. Vorentwurf 1950 M. Werkzeichnung 1950 „ insgesamt 39.— M. Eine Adreßdecke im Werte von 550 M. Klasse III, Grund gebühr 11 v. H. Vorgebühr 60.50 M. Werkgebühr 60.50 „ Gesamtgebühr — M. Adresse, Preis 900 M., Klasse III, Grundgebühr 11 v. H. Nur Vorentwurf nötig .... 99.— M. Verlegereinband, Preis 65 Pf. Ergibt nach Grundgebühr einen Mindestsatz von 10 M., ist daher besser nur nach Pausch- oder Zeitgebühr zu berechnen. Schneiltrockenfarbe J • Die manchmal sehr kurzen Lieferfristen von Druck sachen aller Art haben die Farbenfabriken in den letzten Jahren dazu gedrängt, sogenannte Schnelltrockenfarben auf den Markt zu bringen. Aber nur einigen ist dies in einer für den Drucker angenehmen Weise gelungen. $ Bisher war der Drucker gezwungen, seinen Farben, vornehmlich den schwarzen, Sikkativ zuzusetzen. Die Uebelstände dieses Trockenmittels zeigten sich aber schon nach ganz kurzem Aufenthalt der Maschine, indem diese durch die starke Klebekraft des Sikkativs zuerst lang samer zu laufen begann und bald ganz stehen blieb. Ferner wurden aus den Farbewalzen kleine Masseteilchen gerissen und die Form verunreinigt. Jetzt wird Sikkativ weniger verwendet, weil der Druck, wenn an warmen Orten auf bewahrt, zum Abplatzen neigt, d. h. die durch Sikkativ erhärtete Farbe springt von dem Druckpapier ab. Zwar sind die Trockenmittel in den letzten Jahren sehr ver bessert, aber wenn sie wirken sollen, so muß der Farbe eine bestimmte Menge beigemischt werden; hierbei muß man aber berücksichtigen, daß viele schwer trocknende Farben, wie Terra di Siena, Ocker, Umbra, Kasselerbraun und andere mit diesen reinen Erdfarben vermischte Farben überhaupt keinen Trockenstoff, besonders kein Sikkativ, als Zusatz erhalten dürfen, da die Formen infolge des erdigen Zustandes der Farbe bald voll von ganz feinem Farbgries sein würden. Wird schwarzer Farbe zuviel Trockenstoff zugemischt, so trocknet sie bald mit speck-