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SAPIER^VERARBEITUNG m Buchgewerbes! Berliner Typographische Gesellschaft Geschäftsstelle: Berliner Buchgewerbe-Saal, Friedrichstraße 231. (11—2 Uhr). Vorsitzender: G. Könitzer, W 57, Dennewitzstraße 19. Kassierer: C. Rinck, Schöneberg, Bahnstraße 43, link. Aufgang III. Schriftführer: E. Baumeister, Gneisenaustraße 16 Dienstag, 18. September 1906 abends pünktlich 81/2 Uhr, Sitzung im Berliner Buchgewerbe- Saal, Friedrichstr. 231. Tages-Ordnung: 1. Geschäftliches. — Eingänge. 2. Auslage neuer Schriftgießerei-Erzeugnisse und Druck papiere. 3. Aus dem Inhalt unserer Fachzeitschriften. 4. Technische Fragen und Verschiedenes. Es sind ferner ausgestellt die Johannisfest-Drucksachen 1906 und die Arbeiten des Malers Oskar Michaelis. Wir laden die verehrlichen Mitglieder mit dem Be merken ein, daß diese Sitzung die letzte im seitherigen Vereinslokale sein wird. Aus diesem Anlaß soll sich eine kleine Abschiedsfeier anschließen, die jedenfalls unterhaltend und humorvoll ver laufen wird. Der Vorstand Mitglieder, welche Freude am Landschaftszeichnen nach der Natur haben, treffen sich mit unserem Mitgliede Herrn Maler Georg Wagner am Sonntag, 16. September 1906, nachmittags 3 (nicht 4) Uhr, in Stralau, Restaurant »Schwanenberg«. Tarif-Erneuerung im Buchdruckgewerbe Zu Nr. 71 S. 2947 Im allgemeinen über die Vorteile oder Nachteile eines Tarifs sich zu äußern, lohnt heute nicht der Mühe, man sieht oder will doch nur Vorteile sehen, den Schattenseiten gegenüber ist man geflissentlich blind, und es wäre wie die Stimme des Predigers in der Wüste, wollte man sich über Schattenseiten eines all gemeinen deutschen Buchdruckertarifs äußern. Und doch ist überall, wo Licht ist, auch Schatten, ja sogar, je mehr Licht, desto mehr Schatten! Das ist ein allgemeines Naturgesetz, warum sollte die vorliegende Sache davon eine Ausnahme machen? Wahrscheinlich ist es ja, daß dem einen oder anderen Fachgenossen, Arbeitnehmer wie -geber, auch mal die Kehrseite der Medaille aufgegangen ist, er wird sich im Stillen getröstet haben mit dem unabwendbaren Zwang der Verhältnisse. Aber das nur nebenbei. Der Verfasser befürwortet in dem Aufsatz mit großer Wärme den Ausschluß sämtlicher nicht im Verband oder im Verein organisierten Gehilfen und Prinzipale. Lassen wir zunächst einmal die Empfehlungen des Verfassers gelten, sie sind so schön geschildert, daß man sie für wahr und stichhaltig halten kann. Kommen wir also zu den Schlußfolgerungen. Die Vereinbarungen sollen alle zur Hebung des Gewerbes dienen und zunächst Verhinderung der Preisschleudereien zur Folge haben? Wer das im Ernst behaupten kann, hat entweder keine Kenntnis von den tatsächlichen Verhältnissen, oder er spricht bewußt die Unwahrheit. Hätte der Artikelschreiber Recht, so müßten doch heute schon Preisschleudereien bei den tariftreuen Firmen, die für sich den Tarif als verbindlich ausdrücklich an erkannt haben, unmöglich sein. Ist das vielleicht der Fall? Sind all die zahlreichen Fälle »mangelhafter Kalkulation« nur bei den dem Buchdrucker-Verein fernstehenden Firmen vor gekommen? Durchaus nicht, im Gegenteil sind mir Fälle be kannt, daß sogar Firmen, die sowohl im Verein wie im Tarif ausschuß Vertrauensposten einnehmen oder genommen haben, sich der Preisschleuderei schuldig gemacht haben. Tatsächlich können weder Tarif noch Vertrauensstellungen und Führerposten in Vereinen vor geschäftlichen und kollegialen »Entgleisungen« schützen, das kann nur gute Erziehung und vornehme Lebens auffassung, die im Konkurrenten den Kollegen zu sehen sich gewöhnt hat. Nun die »Hebung des Gewerbes in seiner Gesamtheit«! Sehr schön gesagt, aber ist diese Hebung des Gewerbes der leitende Gedanke bei Abschluß des Tarifes? Keinesweg, bei dem Arbeit nehmer ist es lediglich das Streben nach besserer Entlohnung, bei dem Arbeitgeber die Aussicht auf einigermaßen friedliche Verhältnisse. Wo darin die Hebung des Gewerbes in seiner Gesamtheit liegt, ist mir vorläufig noch unklar. Die Erhöhung der Verkaufspreise durch höhere Löhne ist an sich durchaus nicht geeignet, den Unternehmergewinn zu erhöhen und die Er höhung der Betriebsunkosten hat auch meist alles andere eher im Gefolge als den Fortschritt auf gewerblichem Gebiete. Dieser ist an Tatkraft, Fleiß, Geschäftsfreudigkeit (wo ist diese noch zu finden?) gebunden. Fortschritt knüpft sich nicht an Namen, die Maximalarbeitstag und Mindestlohn als erste Lebens bedingung ansehen, denen vom Lehrling an die Rechte im Vordergründe standen, sondern an solche, denen die Pflicht obenan stand, denen die Arbeit in ihrem und für ihren Beruf Lebensaufgabe war. Es wird auch niemals anders sein. Wer den Fortschritt will, für den gilt es heute noch gerade so gut wie für die alten Römer: navigare necesse est, vivere non est necesse. Das Leben ist nicht lebenswert, wenns die Arbeit nicht versüßt. Und nun will man die Hebung des Gewerbes dadurch er reichen, daß man große Gruppen desselben von freien Verein barungen ausschließt? Einigkeit macht stark, wenn sie freiwillig ist, aber sonst trägt sie den Keim der Zersetzung in sich. Ich könnte mir auch politisch nichts Unklügeres denken, als diesen Zwang zur einseitigen Organisation, gegen den übrigens der Staat im Interesse des Schutzes der Arbeit sich ganz entschieden erklären müßte. Im übrigen mag mans nur so tun, der Erfolg wird ganz sicher weit anders sein, als die Väter des Gedankens ihn gedacht. W. Flothmann * * * Das Tarifamt der Deutschen Buchdrucker in Berlin SW 48, Friedrichstraße 239, legt dem Tarifausschuß der Deutschen Buchdrucker als Beratungsmaterial für die Tarif- Erneuerung 1906 vor: einen Bericht über die Veränderungen in den Steuern, Wohnungs-, Holz-, Kohlen-, Pensions- und Lebensmittel-Preisen in einer Gegenüberstellung der für die Jahre 1901 und 1905 (dem Zeiträume der verflossenen Tarifperiode) ermittelten Ziffern. Der Bericht ist als Manuskript gedruckt. Preis 50 Pf. mit Porto. (Versand er folgt gegen Nachnahme oder gegen vorherige Einsendung des Betrages.) Der Bericht füllt 40 Seiten von 23X30 cm Fläche. Dem Vorwort entnehmen wir folgendes: Gemäß § 48, Ziffer 4 des Deutschen Buchdruckertarifs ist das Tarifamt verpflichtet, Erhebungen über die Lebensverhält nisse an den einzelnen Druckorten anzustellen und dem Tarif ausschuß hierüber Bericht zu erstatten. Beim Auferlegen dieser Pflicht war dem Tarifausschuß gewiß nicht gegenwärtig, vor welche Aufgabe er damit das Tarifamt stellte, da deren Er füllung in erster Linie vom Entgegenkommen der befragten Be hörden abhängig ist. Der erste Bericht, der 1901 erstattet wurde, erbrachte eine Gegenüberstellung der Lebensmittelpreise aus den Jahren 1896 und 1900. Dieser fünfjährigen Tarifperiode ent sprechend wurde auch diesmal die Spanne von fünf Jahren bei behalten. Dagegen wurde die Statistik erweitert durch Fest stellung der Steuern und der Holz- und Kohlenpreise; auch wurde die Frage nach den Wohnungspreisen schärfer gefaßt. Obwohl mehr Behörden als früher befragt wurden, und der Fragebogen wesentlich erweitert war, fand das Tarifamt bei den befragten Behörden weites Entgegenkommen. 650 Behörden haben die erbetene Auskunft erteilt, das sind 262 Orte mehr als in 1901. Von weiteren etwa 100 befragten Behörden war kein