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die Verhältnisse der betreffenden Industrie, die Zustände in Arbeiterausstand und Lieferungsfrist Von Dr. jur. W. Brau dis, Berlin Nachdruck verboten Wenn in unserer Zeit der eine Streik zu Ende ist, so beginnt der andere. Während desselben, insbesondere aber nach dessen Beilegung entstehen dann Meinungsverschieden heiten zwischen den Fabriken, deren Arbeiter in den Aus stand getreten waren, oder den Großhändlern einerseits und den Käufern oder Bestellern der Waren anderseits. Durch frühere Ausstände gewitzigt, haben die größeren Firmen infolgedessen in ihre Lieferungsbedingungen meistens den Satz aufgenommen, daß für den Fall eines Arbeiter ausstandes die Lieferfristen bis zu dessen Beendigung ruhen und von dessen Ende ab weiterlaufen. Das ist eine durchaus empfehlenswerte Vorsicht angesichts unserer Rechtsprechung, welche den Streik nicht als einen den Lieferanten von seiner Lieferungspflicht befreienden »Zu fall« auffaßt. Falls diese sogenannte Streikklausel sich in einem Lieferungsvertrag nicht befindet, machen unsere Gerichte auf Grund des §279 des BGB einen Unterschied, ob es sich um die Lieferung einer nur der Gattung nach bestimmten Sache oder um eine eigenartige, speziell beschriebene Sache handelt. Es ist ohne weiteres klar, daß die im Wege der Massenfabrikation, also die große Mehrzahl der in unseren Fabriken hergestellten Waren zu den Gattungssachen ge hören. Für diese steht unser Recht auf dem Standpunkt, daß jemand, dem es persönlich unmöglich ist, die von ihm versprochene Ware zu liefern, dadurch seinem Gläubiger gegenüber nicht entschuldigt wird, weil dadurch die Lieferung ihm nicht unmöglich geworden ist, denn er ist in der Lage, sich anderweit die Ware zu beschaffen. Natürlich geht ihm damit der Verdienst verloren, vielleicht erleidet er gar Schaden bei dem Geschäft, jedenfalls ist ihm die Lieferung nicht unmöglich. Deshalb haftet er un geachtet seines persönlichen Unvermögens und seiner Un schuld an diesem für die Erfüllung. Er kommt »in Verzug« und hat dem Besteller oder Käufer den hierdurch ent stehenden Schaden zu ersetzen. Der Gläubiger behält seinen Anspruch auf nachträgliche Lieferung nach Ablauf der Frist. Er kann aber auch, wenn die verspätete Liefe rung für ihn kein Interesse mehr hat, letztere ablehnen und lediglich Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Also z. B. wenn er die bestellten Materialien oder Werk zeuge inzwischen anderweit bezogen hat, kann er auf Nach lieferung verzichten, aber Ersatz des Schadens beanspruchen, den er infolge der verspäteten Lieferung gehabt hat, eben so Ersatz der Mehrkosten, welche er etwa dem neuen Lieferanten hat zahlen müssen. Anders ist die Rechtslage, wenn es sich um die Lieferung einer Sache handelt, die einzeln, nicht nur der Gattung nach, bestimmt ist, z. B. um die Lieferung einer genau beschriebenen Zimmereinrichtung in einem bestimmten Stile, um die Lieferung einer Maschine für einen eigen artigen Gebrauch, um die Anfertigung eines Anzuges. Der Tischler, der Maschinenfabrikant, der Schneider usw., der infolge des Arbeiterausstands seine Verpflichtungen gegen über dem Besteller nicht erfüllen kann, ist nicht in der Lage, die Gegenstände ohne weiteres anderweit zu beziehen. Es ist keine Marktware. Für ihn kann also der Ausstand unter Umständen nicht nur eine subjektive (persönliche), sondern auch eine objektive Unmöglichkeit, seine Ver pflichtung zu erfüllen, zur Folge haben und, ebenso wie ein Zufall, die Befreiung von seiner Verpflichtung herbei führen. Dieser Fall tritt aber keineswegs bei jedem Streik ein, denn es gibt auch Arbeitseinstellungen, deren Ver hinderung in der Macht des Arbeitgebers liegt, ohne daß ( darum Unbilliges von ihm zu verlangen wäre. Eine ! Prüfung dieser Fragen würde das Gericht zwingen, das ganze dienstliche und wirtschaftliche Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erörtern und hierbei , die T gegenseitigen Beschwerden, die Lage des Arbeitsmarktes, der 1 Recht hat daher das Reichsgericht erklärt, daß einem Aus- rote N stand der Arbeiter die rechtliche Bedeutung eines »Zufalls«, w."der von der Erfüllung der übernommenen Verpflichtung werten Vorgehen bei den preußischen Ministern in Sachen der amtlichen Formularvergebungen erreicht? Wer es nicht weiß, dem will ich’s sagen: Die Formulare wandern in die Staats- und Gefängnis- druckereien-, bei den Amtsblättern sind »die Erwägungen noch nicht abgeschlossen« und die Regierungs-Präsidenten angewiesen worden, einstweilen keine Erneuerung der Verträge vorzu nehmen! In den Gefängnisdruckereien aber kennt man keinen Tarif, und unsere preußischen Behörden sind weit entfernt davon, sich von einer »genialen« Organisation die Preise diktieren zu lassen. Bei einer Neuausschreibung um die Regierungsarbeiten aber werden sich nach wie vor Tarifkollegen finden, die dern bisherigen Drucker Konkurrenz machen. Der Verfasser bezeichnet die Idee des Abschlusses eines Tarifvertrages mit der Verbandsgehilfenschaft als so genial, daß dem Urheber derselben ungeteilter Beifall gezollt werden müsse. Nun, wer ist denn dieser Urheber? Weiter niemand als der »Verband«, der seit Jahren nach diesem »genialen Ideal« geangelt hat. Ihre Verfechter sind die »friedliebenden« Verbandsführer, Döblin, Schliebs, Rexhäuser e tutti quanti, wozu sich einige ganz besonders sozial angehauchte Prinzipale in ihrer überaus großen Reformliebe gefunden haben, und diese ungleiche Gesellschaft soll nun mit einem Schlage die Buchdruckerwelt verbessern wollen! Wahrhaftig, die Idee ist genial! Die ganze Vergangen heit des Verbandes und die fast ausschließlich sozialdemokratisch gesinnten Führer des Verbandes verbürgen kein einträgliches Zusammenarbeiten, und wenn auch der Verband anscheinend in den letzten Jahren etwas »vernünftiger« geworden ist, so dürfte die Vertrauensseligkeit der Prinzipalsführer doch wohl zu weit gehen, wenn sie glauben, es würde nun ein idealer Zustand ein treten. Diese Weltverbesserer werden erst zur Vernunft kommen, wenn die gesamte Gehilfenschaft im goldenen Verbandstopfe schwimmt, und sich dessen Millionen mehr als verdoppelt haben werden. Dann erst wird der Verband diejenige Gesinnung energischer bezeigen, die ihm von Jugend auf eingeimpft ist: den Kampf des Arbeiters gegen das Kapital, der nicht eher aufhört, als bis alles verungeniert ist. Ich bin kein Pessimist, sondern stehe seit fast 40 Jahren mitten im Buchdruckerleben, war in meinen jungen Gehilfenjahren selbst lange eifriger Verbändler, habe viele Bewegungen an mir vorübergehen lassen und glaube somit ein Urteil fällen zu können, soweit bin ich trotz alledem aber nicht gekommen, daß ich in dieser beabsichtigten Verbrüderung einen »genialen Einfall« erblicken könnte. Es ist mir auch rätselhaft, wie man auf den »genialen« Ge danken kam, die nicht auf den Verband schwörenden Kollegen und außerhalb desselben stehenden Gehilfen einfach rechtlos zü machen, wie sich der Verfasser ausdrückt. Ich kann das nur bedauern und noch nicht glauben, daß dies wirklich der Fall sein soll. Das wäre meiner Meinung nach eine himmelschreiende Ungerechtigkeit gegenüber denjenigen Arbeitern, die mit dem Verbände die traurigsten Erfahrungen gemacht haben und von der Parteien Haß ungestört sein wollen. Was den Gutenberg bund und die sogenannte Prinzipalskasse betrifft, so wird man darunter wohl kaum ein Mitglied finden, das gegen eine Tarif vereinbarung ist, denn deren Kassen treten doch — soviel ich weiß — in Tarifverletzungen für ihre Mitglieder ein. Von Uebel könnten doch nur diejenigen »Wilden« sein, die ohne solche Kassenhilfe die Arbeitsbedingungen ihrer Kollegen da durch schädigen, daß sie zu jeden Bedingungen arbeiten. Die vorgekommenen Mißhelligkeiten sind doch nur darauf zurück zuführen, daß der »Verband« keine Mitarbeiter neben sich dulden wollte, die nicht mit ihm ein Herz und eine Seele sind. Da wäre es doch das Richtigste gewesen, wenn der Deutsche Buchdrucker-Verein sowohl die Gutenbergbündler wie die Mit- glieder seiner Unterstützungs-Kassen zur Mitwirkung an den Tarifeinrichtungen zugelassen, anstatt sie davon ausgeschlossen hätte. Damit wäre die Tariftreue derselben ein für alle mal festgelegt worden. Und das sollte man auch jetzt tun trotz der schönen, unschuldigen Augen, die der Verband gegenwärtig macht. Damit könnte doch gerade sogut eine ebenso mächtige Tarifgemeinschaft geschaffen werden, wie diejenige, welche jetzt dem Verfasser genial erscheint. Es liegen gar keine Be weise dafür vor, daß der Verband seinem Stärkeverhältnisse nach tariftreuer ist als die andern genannten Vereinigungen, das ist nur leeres Gerede, und es ist schon häufig, sogar im Korrespondent, zugegeben worden, daß ein erheblicher Teil der Verbändler zu tarifwidrigen Bedingungen arbeitet. Es ist mir unglaublich, daß es Kollegen geben könnte, die in Zukunft nur solche Gehilfen beschäftigen werden, welche dem Verbände angehören, ohne auf deren Tüchtigkeit zu sehen, und die anderen Organisationen Angehörenden einfach ihrer Rechte in denselben berauben würden, die sie sich kümmerlich mit der Hände Arbeit verdient haben, derselben Arbeit, von der die Kollegen ihr Bestehen und ihren Verdienst fanden. Das. die Verhältnisse der betreffenden Industrie, die Zustände in hieße allen sozialen Gesetzen ins Gesicht schlagen, und ich 1 ähnlichen Gewerben usw. zu untersuchen. Das wäre eine möchte allen meinen Kollegen, die bei den demnächstigen Be- "volkswirtschaftliche Aufgabe, zu deren Lösung unsere Ge ratungenein Wort mitzusprechen haben nur dringend ans Herz richte nach ihrer Zusammensetzung nicht berufen sind. Mit legen, sich ihre Entschließungen wohl zu überlegen und die ( < ha daher dac ReiChererih.rllärt daR cinem A„«. Gesinnungen eines gewiß nicht unerheblichen I eiles deutschen Buchdruckerei-Besitzer, die den Tanz um die Internationale nicht mitzumachen willens sind, zu würdigen.