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3032 PAPIER-ZEITUNG Nr. 73 Tarifwünsche In Nr. 68 der Papier-Zeitung befaßt sich ein mittlerer Buch druckereibesitzer mit den Hauptforderungen der Gehilfen für die bevorstehende Tarif-Erneuerung. Waren dort in großen Zügen diese Forderungen und ihre Folgen skizziert, so erscheint es gewiß nicht unangebracht, die Wünsche sowohl der Prinzipale wie der Gehilfen näher zu betrachten und Erwägungen daran zu knüpfen, welche dieser gegenseitigen Erwartungen wohl in Er füllung gehen werden. Da die Organe der beiden in Betracht kommenden Verbände die gestellten Anträge im Gesichtswinkel der Partei behandeln müssen, ist es zweckmäßig, sie auch einmal von der Warte des Neutralen aus zu beurteilen. Ueber die sogen, materiellen Anträge ist im allgemeinen nicht viel zu sagen, denn deren Beratung wird zu ernsten Gegensätzen kaum Anlaß geben. Anders aber ist dies bei den allgemeinen Bestimmungen, wo sich Streitpunkt auf Streitpunkt häufen wird. Da ist zuerst die Verkürzung der Arbeitszeit, auf der die Gehilfen bestehen, und von der die Prinzipale nichts wissen wollen. Wenn mit dieser Forderung nicht gleichzeitig eine Erhöhung der Arbeitslöhne verlangt würde, ließe sich eher darüber reden, aber beides zu gleicher Zeit ist zu viel, und deshalb glaube ich auch nicht, daß sich eine Mehrheit für diesen Antrag finden wird. Die Forderung einiger Prinzipalskreise, daß es nicht nur dem Lehrprinzipal gestattet sein soll, dem Neuausgelernten im ersten Gehilfenjahre einen niedrigeren Lohn zu zahlen als den übrigen Gehilfen, erscheint völlig gerechtfertigt, denn es findet sich kein stichhaltiger Grund dafür, warum die Leistung des jungen Ge hilfen dem einen Prinzipal wertvoller sein soll als dem andern. Ebenso angebracht erscheint der Antrag, daß der Prinzipal jederzeit berechtigt sein soll, von dem im Wochenlohn stehenden Setzer Rechenschaft über die geleistete Arbeit zu fordern. Wohl wird damit ein gewisses Mißtrauen gegen den Arbeiter ausge sprochen, aber dieses ist leider in vielen Fällen berechtigt. Der Prinzipal kann verlangen, daß der Setzer, tariflich ausge rechnet, so viel leistet, wie sein Wochenlohn beträgt, und daß er etwaige Bummelei nicht mit’ Ablegen, Heraussuchen und sonstigen Ausreden begründet. Der Gehilfenantrag, daß das Minimum des gewissen Geldes sich auch auf die Korrektoren beziehen soll, zeugt von einer Sucht nach Gleichmacherei, die stark nach Zukunftsstaat riecht. Wenn man berücksichtigt, welche hohen Anforderungen an die technische und allgemein wissenschaftliche Bildung des Korrektors gestellt werden, so ist es unverständlich, daß man dieser Gruppe des Gewerbes keinen Vorrang lassen oder sie nicht wenigstens unter die Spezialarbeiter rechnen will. Der Antrag seitens der Gehilfen zu § 33, Abs. 2, der über Tätigkeit und Befugnisse der Maschinenmeister spricht, erscheint in gewissen Punkten gerechtfertigt. Punkt 1 fordert, daß an allen Maschinen, auf welchen Buchdruckarbeiten hergestellt werden, bei Neuanstellungen nur gelernte Buchdrucker zu be schäftigen sind; Punkt 2, daß sämtliche Arbeiten an den Druck maschinen dem Maschinenmeister unterstehen, Punkt 3 aber will diesen nur für diejenigen Arbeiten haftbar machen, welche unter seiner ausschließlichen Aufsicht hergestellt werden. Wenn man berücksichtigt, wie die Hilfsarbeiterschaft seit langem bestrebt ist, im Druckersaale die Macht zu erlangen, so kann es nur be grüßt werden, daß endlich die Befugnisse des gelernten Arbeiters gegenüber dem ungelernten klar ausgesprochen werden. Erhöht man das Ansehen des Maschinenmeisters, so wird auch sein Verantwortlichkeitsgefühl gesteigert. Mit den Leistungen der Maschinensetzer scheint die Mehrheit der Prinzipale nicht zufrieden zu sein. Man wird sich erinnern, wie schwer sich diese s. Zt. dazu verstehen konnten, das Be rechnen an der Setzmaschine aufzugeben, denn bis dahin hatten sie einen Maßstab für die Leistungs- und Ausnutzungsfähigkeit der Maschine. Mit Einführung des gewissen Geldes aber hörte diese Ueberwachung auf. Die Setzer anderseits werden, da die Allgemeinheit die Aufhebung der Akkordarbeit anstrebt, sich sträuben, den Wünschen der Prinzipale entgegenzukommen. Und doch ist deren Verlangen gerechtfertigt, denn so gut in jeder richtig rechnenden Druckerei die tägliche und wöchentliche Leistung der Druckmaschinen überwacht wird, ebenso muß dies auch bei der Setzmaschine möglich sein, wenn man ein klares Bild über Anlage und Abschreibung des Kapitals erhalten will. Die Frage der Lokalzuschläge wird ebenfalls nicht leicht zu lösen sein, obgleich hier die Forderung der Gehilfenschaft am ehesten anzuerkennen ist. Die Zahl der Orte, die gegenwärtig im Tarife mit Lokalzuschlägen belegt sind, ist in Anbetracht der wirtschaftlichen Verhältnisse zu gering; auch haben verschiedene Orte den Verhältnissen entsprechend viel zu niedrige Lokal zuschläge. So ist z. B. der Lokalzuschlag von 121/2 v. H. für Köln mit seinen teuren Miets- und Lebensverhältnissen viel zu niedrig und die Forderung der Erhöhung um 5 v. H. durchaus gerechtfertigt. Ueberhaupt müßten die Lokalzuschläge im Westen Deutschlands durchschnittlich um wenigstens 5 v. H. erhöht werden. Es wäre zu wünschen, wenn diesen Anträgen der Gehilfen nach Möglichkeit Rechnung getragen würde. Eine sehr einschneidende Forderung der Gehilfen ist die Beschränkung der Lehrlingszahl. Die Antragsteller wollen damit der Uebervölkerung des Berufs wirksam entgegentreten. In gewisser Beziehung haben sie Recht, aber für die großen Städte erscheint die Herabsetzung der Lehrlingszahl überflüssig. Wenn man schon seit Jahren fortgesetzt von Lehrlingsmangel reden hört, z. B. daß die Druckereien die ihnen zustehenden Lehrlinge nicht bekommen, so kann von einem Ueberschuß garnicht die Rede sein. Die Gehilfenschaft hat ohnedies schon dafür ge sorgt, daß der Lehrlingszufluß nicht so reichlich ist. Da kann man eher ihren Wünschen nach Erhöhung der Ueberstunden- löhne zustimmen. Ueberarbeit läßt sich zu gewissen Zeiten geschäftlichen Hochdrucks nicht vermeiden, wenn sie sich aber zur ständigen Einrichtung entwickelt, so können sehr wohl Maßnahmen getroffen werden, sie durch Einstellung weiterer Arbeitskräfte zu beseitigen. Wohl erhöht der einzelne Arbeiter seine Einkünfte durch Ueberarbeit, seine Leistungsfähigkeit wird aber dadurch allmählich herabgedrückt. Auch wird durch die höheren Löhne für Ueberstunden die Erzeugung verteuert, und der Geschäftsherr kann diese Verteurung infolge der scharfen Konkurrenz oft vom Auftraggeber nicht voll hereinholen. Wichtig sind auch die Anträge, welche die Arbeitsnachweise betreffen. So verlangen die Prinzipale, daß der Gehilfe, wel chem vom Arbeitsnachweis eine Stelle zugewiesen wird, diese auch anzutreten hat. Bisher lehnte mancher Gehilfe aus irgend einem nichtigen Grunde die angebotene Stelle ab. Darunter haben besonders die Provinzdrucker schwer zu leiden, denen es oft schwer fällt, von den Arbeitsnachweisen Gehilfen zu be kommen, weil diese den Ort nicht wechseln wollen. Sie bleiben lieber in der Großstadt unter unsicheren Verhältnissen, als daß sie in die Kleinstadt mit billigeren Lebensbedingungen und meistens sicherer Stellung gehen. Die Flucht vom Lande ist eben bei unseren Industriearbeitern ebenso groß wie bei den Landarbeitern. Jedenfalls hat der Tarifausschuß ein tüchtiges Stück Arbeit zu bewältigen, und es bleibt nur zu wünschen, daß das End ergebnis zur allseitigen Zufriedenheit ohne ernstere Gegensätze ausfällt. X. Zur Tarif-Erneuerung im Buchdruckgewerbe Wenn man den Artikel unter der gleichnamigen Ueberschrift in Nr. 71 der Papier-Zeitung liest, so meint man, in einen Hexen spiegel zu schauen. Der Verfasser, welcher wohl schwerlich unter den Prinzipalen zu suchen ist, scheint sich ja eine wahre Zauberei von dem Abschluß der Tarifgemeinschaft von Organi sation zu Organisation zu versprechen, wenn er schließlich — nachdem er leichten Herzens über die den beiden Vertrag schließenden Fernstehenden mit der Bemerkung, daß sie mit einem Schlage rechtlos gemacht werden, hinweggeht — sagt: »Der Prinzipal, der bis jetzt noch nicht rechnen konnte, wird gezwungen werden, dies zu tun; er muß in erster Linie die höheren Löhne, die er zu zahlen hat, in Betracht ziehen, und auf diesen seine Rechnung aufbauen .... Es müssen dann solidere Grundsätze im Geschäftsleben wieder Geltung ge winnen, denn der Auftraggeber, der weiß, daß die Preise überall die gleichen oder doch fast die gleichen sind, läuft nicht erst bei einem Dutzend Firmen herum, er geht einfach wieder zu seinem Drucker. Preisunterbietungen, wie sie heute gang und gäbe sind, werden dann nicht mehr möglich sein.« Da leuchtet uns die Zukunft in rosigstem Schimmer; alles Leid hat dann ein Ende — ha, welche Lust, in diesem voll kommenen Zukunftsstaate Buchdrucker zu sein! Welcher alte Kollege lächelt nicht mit mir über solche Phantastereien? Wer glaubt wohl, daß mit der beabsichtigten Verbrüderung mit der Verbandsgehilfenschaft alle die ungesunden Konkurrenzverhält nisse in unserem Gewerbe verschwinden werden? Sind es denn allein die Kollegen, welche der Tarifgemeinschaft nicht an gehören, die diese Verhältnisse zeitigen, oder kann man nicht sehr häufig in den Fachblättern lesen, daß auch die Tarif- Druckereien sich gegenseitig unterbieten? Und namentlich was der Verfasser über das Ungesunde der Submissionen sagt, wird doch gar nicht aus der Welt zu schaffen sein. Was hat der deutsche Büchdrucker-Verein z. B. mit seinem sonst dankens-