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PAPIER-ZEITUNG Nr. 72 2982 wieder so eine dünne Stelle! dachte er. Er beobachtet. Richtig, da bleibt der Stoff am Siebe hängen. Zur Be seitigung des Schmutzfleckes müßte abgestellt .werden. Aber das geht nicht, eine halbe Stunde Stillstand, der Werkführer würde schön schimpfen, wenn die Maschine schon wieder stände, und der Betriebsleiter fände früh im Bericht nichts als Stillstände. Es war ja schon vorher ausgerechnet, die und die Stunde muß der Auftrag fertig sein. Also arbeitet man weiter und leugnet dann kühn bei etwaiger Beschwerde. Das kostet den Angestellten nichts, aber der Prämienausfall würde gemerkt. Auch der Papiersaalmeister könnte die fehlerhaften Bogen aussortieren lassen, aber er tut es nicht, denn wenn er über einen gewissen Prozentsatz Ausschuß erhält, dann ade, liebe Prämie! Wohl liegen die Fälle nicht immer so grell, aber manche Reklamation würde vermieden, wenn der Prämienhunger nicht so scharf aufträte. Pflicht- und Verantwortungsgefühl kann allerdings auch bei dem Prämien empfangenden An gestellten vorhanden sein, aber die Versuchung zum Außerachtlassen gebotener Pflichten ist durch die Prämie größer. Wären die Prämien das, was ihr Name besagt, nämlich Belohnungen für besonders hervorragende Leistungen, dann könnte man bei sachgemäßer Verteilungsweise und bei aus geprägtem Pflicht- und Verantwortlichkeitsgefühl seitens der Angestellten gegen Prämien nichts einwenden, ja, man müßte das Bestreben, besonderen Pflichteifer besonders zu lohnen, anerkennen. Nach meinen Erfahrungen sind jedoch die Prämien oft gar keine Prämien, sondern sie bilden nur einen Bestand teil des vereinbarten Lohnes, nur mit dem Unterschiede, daß dieser Lohn-Bestandteil in anderer Form zur Aus zahlung gelangt und in anderer Weise verbucht wird. Prämien dieser Art verfehlen ihren Zweck vollständig. Man stellt zum Beispiel einen Maschinenführer an und sagt u. a. im Anstellungsbrief: »Sie bekommen einen festen Monatsgehalt von 100 M. und nach dem in meiner Fabrik eingeführten Produktions-Prämien-System eine Prämie von monatlich 30—40 M.« Der Maschinenführer rechnet jetzt, sein Einkommen stelle sich in gedachter Fabrik auf monat lich 130—140 M., und unter dieser Voraussetzung tritt er die neue Stellung an. Wird der angegebene Prämienbetrag erreicht, so ist es gut. Wie aber durch diese Zahlungs weise ein Vorteil für die Fabrik herausspringen soll, leuchtet nicht ein. Denn es ist doch selbstverständlich, daß jeder ehrliche Mann seinen Pflichten gerecht wird. In jeder Fabrik muß doch die Aufsicht derart sein, daß Faulpelze gar bald herausgefunden werden. Wenn aber, was durch verschiedene Umstände möglich sein kann, der erwähnte Mindestsatz von 30 M. Prämie nicht erreicht wird? Sagen wir einmal, einige Monate hindurch bringt es der Maschinen führer infolge ungünstiger Arbeitsbreite, wenig schaffender kleinerer Aufträge, verhältnismäßig dünner Papiere, infolge von durch Reparaturen bedingten Stillständen, ungünstiger Stoffzusammensetzung, durch längeres Mahlen verursachten Stoffmangels oder infolge anderer Gründe, deren Beseitigung nicht in seiner Macht liegt, nur auf 20 M. oder ö Prämie. Was ist die Folge? Unzufriedenheit an allen Ecken und Enden. Und was das bedeutet, darüber wird sich wohl jeder Fabrikleiter klar sein. Ja nur zu schnell ist der Maschinenführer mit der Behauptung da, er sei unter un wahren Versprechungen in die Fabrik gelockt worden. Gerade das Gegenteil von der beabsichtigten Wirkung der Prämie tritt zutage: Verdruß, und Aerger, Mißstimmung und — Personalwechsel. Ein tüchtiger und brauchbarer Maschinenführer, der für einen festen Monatsgehalt von nur 120 Mk. gern, ge wissenhaft und treu seine Pflicht erfüllt hätte, ein lang jähriger Angestellter geworden wäre, wurde also durch die Prämie aus der Fabrik vertrieben. Noch ein anderer Uebelstand schleicht sich leider auch in manche Fabriken mit dem Prämiensystem ein. Wir sind alle Menschen, und es unterläuft selbst bei der größten Gewissenhaftigkeit und Aufmerksamkeit einem jeden ab und zu ein Fehler. Einer meiner Bekannten pflegt zu sagen: „Wer noch keinen Fehler gemacht hat, hat überhaupt noch nichts gemacht.“ Jeden ordentlichen An gestellten kränkt jeder Fehler. Die Fabrikleitung hat natürlich darüber zu wachen, daß leichtsinnige Fehler möglichst vermieden werden. Wohl verdienen alle Fehler, besonders solche aus Leichtsinn oder Gewohnheit, ernste Rügen, und rechtfertigen im Wiederholungsfälle auch ge wisse Lohnabzüge, Anders wird jedoch die Sache, wenn die Fabrikleitung auf den anscheinend sehr klugen Gedanken kommt, jeden vorkommenden Fehler, er sei entstanden wie er wolle, möge Folgen haben oder nicht, durch Prämien-Abzug zu bestrafen. Den ganzen Monat hindurch wird jede Kleinigkeit gewissenhaft aufgemerkt. Am Schlüsse des Monats ergibt das schließlich ein langes Schuldverzeichnis. Eine ebenso lange Strafliste wird aufgestellt und der End betrag von der Prämie abgezogen. Das bedeutet keinen Verstoß gegen die Gewerbeordnung, denn die Prämie ist angeblich kein Lohn. Bei Abzügen vom Lohn sind mancher lei Vorschriften zu beobachten, auch müssen Lohnabzüge in das gesetzlich vorgeschriebene Strafregister eingetragen werden. Dürfen auch nicht in die Geschäftskasse, außer Schadenersatz, zurückfließen, sondern verfallen gewöhnlich der Betriebskrankenkasse. Alles dies kann man durch das Prämiensystem umgehen, und man glaubt, durch vieles Be strafen erzieht man sich gewissenhafte Leute. Wollten sich die Herren aber nur ein wenig mehr mit dem Charakter ihrer Leute beschäftigen, sie würden ihre Erziehungsweise gewiß sehr bald aufgeben. Ein gewissenhafter, pflichttreuer Beamter hat an einer so gekürzten Prämie, ich kann mich auf Fälle besinnen, wo die Abrechnung Null ergab, keine Freude. Der Zweck der Prämie soll aber doch sein, Freude zu stiften und dadurch doppelten Pflichteifer hervorzurufen. Wir sehen also, auf diese Weise ist der eigentliche Zweck des Prämiensystems wieder verfehlt. Wer den Zweck der Prämie erreichen will, der be trachte sie nur als freiwillig gezahlte, nicht durch Vertrag bedingte — Vergütung für das Ueberschreiten eines ge wissen Arbeitszieles. Er schmälere aber die Freude an dieser Vergütung nicht durch kleinliche Abzüge. Dann erst dürfte es ihm gelingen, ein wirklich arbeitsfreudiges, treues Personal an die Fabrik zu fesseln. Freilich, leicht ist es nicht, hierbei die richtige Grenze zu finden. Deshalb erachte ich es für richtiger, jede umständliche Prämien berechnung beiseite zu lassen, vielmehr dem Arbeiter den verdienten Lohn ungeschmälert auszuzahlen und ihn im übrigen so zu erziehen, daß er jederzeit ernstes Pflicht bewußtsein als vornehmste Lebensaufgabe betrachtet. Dazu ist in erster Linie gegenseitiges Vertrauen nötig. Das er reicht man aber nicht durch Prämien, sondern durch gegen seitiges Sichverstehen, durch Mitfühlen der Freuden und Leiden der Angestellten. Durch Besorgtsein um alltägliche Leiden des Untergebenen, durch tatkräftige, nicht durch Vertrag zugesicherte Hilfe in Stunden der Not kann sich die Fabrikleitung für gute, treue Dienste erkenntlich zeigen und wird dadurch mehr erzielen als durch die vorstehend geschilderten Prämien. H. Wasserzeichen Seit einiger Zeit machen durch die Tagesblätter Aufsätze die Runde, in welchen von Wasserzeichen in den Papieren, die seit kurzem für die Freimarken und sonstigen Wertzeichen Ver wendung finden — um solche vor Nachahmungen zu schützen — die Rede ist. In diesen Artikeln ist u. a. die Mitteilung ent halten, daß die Wasserzeichenwalzen, mit welchen die vorer wähnten Papiere gearbeitet sind, aus den Werkstätten der Reichs druckerei hervorgegangen seien. Demgegenüber sehe ich mich zu der Feststellung veranlaßt, daß diese Walzen für die Wasser zeichen mit den bekannten Mustern: Rauten, Kreis, Kreis und Kreuz, Vierpaß usw. von mir hergestellt wurden. Ferner findet sich in den fragl. Aufsätzen die für Fachleute überraschende Nachricht, daß brauchbare Egoutteure nur im Auslande erhältlich gewesen seien, und daß es erst den Werkstätten der Reichsdruckerei ge lungen wäre, ein Erzeugnis herzustellen, welches dem aus ländischen ebenbürtig sei. Solche Auslassungen in der Tages presse, die dem Eingeweihten hinlänglich die vollkommene Un kenntnis des Artikelschreibers bezüglich der einschlägigen Ver hältnisse verraten, sind immerhin zur Irreführung weiterer Kreise und somit zur Schädigung der einheimischen, leistungs fähigen Industrie geeignet, was mich zu einer Richtigstellung veranlaßt. Ich konnte bereits vor einem Jahrzehnt in der Fach presse öffentlich den Beweis führen, daß man zum Bezüge von brauchbaren Egoutteuren nicht auf das Ausland angewiesen sei, und daß die einheimische Industrie schon seit langer Zeit in der Lage wäre, auch den höchsten Anforderungen zu genügen; heute darf ich auf Grund zuverlässiger Erfahrungen wohl be-