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Briefkasten Der Frage muß 10 Pf.-Marke beiliefen. Anonyme Anfragen bleiben unberücksichtigt Antwort erfolgt ohne Gewähr. Kostenfrei nur wenn Abdruck ohne Namen gestattet Berichtigung zu Nr. 69 S. 2887 (Zur Frage 7681 in Nr. 63.) Der Einfuhrzoll nach der Schweiz für Kartone beträgt 12 Frank die 100 kg, nicht wie in Nr. 69 irrtümlich angegeben 17 Frank. Entschädigung für’s Nichtreisen. Kaufmannsgericht 7759. Frage: 1. Ich wurde im Januar 1905 von der Firma X in F unter Beibehaltung meines Wohnsitzes L als Reisender für Oesterreich-Ungarn, später auch für Deutschland, mit festem Monatsgehalt, festem Reisespesensatz von 15 M. im Tag, einer kleinen Umsatz-Provision und gegenseitiger Kündigung nach dem Handelsgesetz angestellt. Aufenthalt in F wird genau wie Reise berechnet. Das Reisen für diese Firma war für mich besonders mühevoll, denn mir wurde beim Engagement ver schwiegen, daß die Firma bereits überall Provisions-Vertreter hatte, die meine Tätigkeit erschwerten. Ich mußte die Vertreter auf der Durchreise aufsuchen und um Erlaubnis bitten, die Kundschaft besuchen zu dürfen, und dergl. Ich habe mich trotzdem ein Jahr behauptet. Am 15. Februar 1906 erhielt ich mit dem Hinweis auf meine ungenügenden Er folge für den 1. April die Kündigung. In dem Briefe wurde angegeben, daß, falls ich bis 1. April keine Stelle gefunden habe, die Firma nichts dagegen hat, wenn ich bis 1. Mai für sie tätig bleibe. Ich habe bis 1. April keine Stelle gefunden, was ich Ende März mitteilte. Darauf wurde mir geschrieben, ich sollte nach L zurückkehren und dort weiteres abwarten. Auf wiederholte Fragen erhielt ich ausweichende Antworten, bis mir Ende April mein Gehalt für diesen Monat und meine kleine Provision zugesandt wurde, für Verdienst-Entgang auf Reise spesen aber nichts. Ich beanspruche 5 M. als Entschädigung für jeden verlorengegangenen April - Reisetag, außerdem Ent schädigung für die verlorengegangene Provision. Bin ich im Recht? 2. Die Austragung dieser Angelegenheit gehört vor das Kaufmannsgericht in F. Wie bekommt man von L aus in F einen geeigneten Ver treter? Hat man solchen nicht, wird man dort abgewiesen. Um dieserhalb von L nach F zu reisen, ist die Reise zu weit und zu teuer. Kein Rechtsanwalt darf mich vertreten, und das L.er Kaufmannsgericht kann und will sich mit kommissarischer Ver nehmung nicht befassen. Außerdem muß ich, ob ich vor dem Kaufmannsgericht recht oder unrecht bekomme, die entstehenden Unkosten für Vertretung usw. allein tragen. Auch hierüber erbitte ich Ihren Rat. Antwort eines Mitarbeiters: 1. Die Firma hat rechtzeitig für den 1. April gekündigt, aber den Fragesteller bedingungsweise für den Monat April neuerdings angestellt. Da die Firma *die gegebene Be dingung als erfüllt bezw. vorliegend anerkannte, war sic rechtlich auch verpflichtet, den Reisenden in der bisherigen Weise zu beschäftigen oder zu entlohnen. Rechtlich wären also die Ansprüche des Fragestellers wohl nicht anfechtbar, falls die gegebene Darstellung des Sachverhalts in allen Teilen zutrifft. Als Kaufmannsgerichts-Beisitzer habe ich aber die Erfahrung gemacht, daß man eine Sache erst dann richtig beurteilen kann, wenn man auch die Gegenpartei gehört hat, und es ist daher fraglich, ob sich das Kauf mannsgericht der obigen Auffassung anschlösse. Uebrigens erscheint die Klage auch sonst nicht ganz gerechtfertigt. Die Firma hat dem Fragesteller aus Entgegenkommen Be schäftigung für einen weiteren Monat in Aussicht gestellt, hat aber vorgezogen, ihn nicht auf Reise zu schicken. Fragesteller sollte sich mit dem gezahlten Gehalt begnügen und seine weiteren Ansprüche fallen lassen, da ihm das Wohlwollen seines letzten Chefs bei Erlangung einer neuen Stellung nur förderlich sein kann, und etwaige Klage dieses wesentlich vermindern wird. 2. Ueber die Zulassung von Rechtsanwälten bei den Kaufmannsgerichten ist augenblicklich für und gegen in den beteiligten Kreisen eine Bewegung im Gange. Aenderung des jetzigen Zustandes ist kaum zu erwarten, da die Kaufmannsgerichte in erster Linie geschaffen wurden, um dem wirtschaftlich schwächeren Teile die Nachsuchung seines Rechtes zu erleichtern und bei Zu lassung von Rechtsanwälten der Minderbemittelte in den meisten Fällen wieder in Nachteil käme. Die Kaufmanns gerichte sind übrigens gern bereit, auf Ansuchen einem auswärtigen Kläger einen geeigneten Vertreter aus dem Stande der Handlungsgehilfen zu stellen. Auch die ver schiedenen Berufsvereine der Handelsangestellten tun dies meist gern. Das Neueste aus aller Welt 7760. Frage: Im März bestellte ich bei der Firma X auf Angebot des Reisenden je 6 Serien der wöchentlich erscheinenden 10 Karten »Das Neueste aus aller Welt« auf die Dauer von 2 Jahren, also wöchentlich 60 Karten zu . . Pf. Schon nach den ersten 2 Sen dungen sah ich, daß ich böse hereingefallen war, denn die Karten enthielten meist wenig interessante Aufnahmen, die vom Publikum höchstens angesehen aber nicht gekauft werden. Ich beschwerte mich sofort, bat, mir in Zukunft verkäufliche Karten zu liefern und machte den Vorschlag, daß ich nicht gefallende Karten sofort nach Empfang umtauschen könne, da ich voraus setzte, daß manche Karten vielleicht in andern Gegenden Anklang finden könnten, sodaß die Firma für die Karten bei Nachbestel lungen Verwendung habe. Da der Verlag hierauf nicht einging, bat ich weiter, mir statt der unverkäuflichen »Neuheiten« Damen köpfe zu senden, die man eher absetzen kann. Mit der dritten Sendung, die wieder zu 2/3 unverkäuflich war, sandte die Firma Rechnung und kündigte Postauftrag an. Ich schrieb darauf, daß sich die Firma den Postauftrag ersparen könne, ich werde von selbst bezahlen, wenn man meinem Wunsche nachkommt und mir verkäufliche Karten sendet. Hierauf erhielt ich keine Karten mehr und glaubte daher, daß der Verlag vom Vertrag zurücktreten wollte. Da ich kein Interesse an diesen Karten hatte, reklamierte ich auch nicht. Drei Wochen später erhielt ich ein Schreiben eines Rechtsanwalts, worin mir unter Klage androhung aufgegeben wurde, die »von mir nicht abgenommenen Serien« abzunehmen. Da ich mir nicht bewußt bin, eine Sendung verweigert zu haben, so schrieb ich dem Rechtsanwalt, daß sein Schreiben die wahre Sachlage nicht berühre. 6 Wochen hierauf erhielt ich Klagezustellung, und die Sache soll nach den Gerichts ferien zum Austrag kommen. Es frägt sich : 1. Ob der Verlag nicht durch Unterbrechung der Sendungen, zu denen er wöchentlich verpflichtet war, selbst den Vertrag gebrochen hat, und ob ich daraus eine Auflösung des Vertrages herleiten kann. 2. Kann mich der Verlag zwingen, die seit Anfang Mai jede Woche neu erschienenen Serien, die schnell veralten, weil sie Tagesereignisse (Festessen, Begräbnisse, Trümmerhaufen usw.) vorstellen, noch nach 1/2 Jahr oder später abzunehmen und zu bezahlen? 3, Kann ich zur Abnahme nachweislich unverkäuflicher Karten gezwungen werden? Einem hiesigen Kollegen ist die Firma soweit entgegen gekommen, daß sie ihm wöchentlich nur je 1 Exemplar »Neu heiten«, und im übrigen Damenköpfe schickt. Antwort: Wie schon der Titel besagt, besteht die Lieferung des Verlegers darin, daß die neuesten Tagesereignisse in Form von Postkarten zur Ausstellung in Schaufenstern an Abonnenten versandt werden. Außerdem sind diese Ansichts postkarten verkäuflich. Es liegt in der Natur der Sache, daß nicht alle dar gestellten Ereignisse bei den Käufern eines Ortes Interesse erwecken, daß also viele unverkauft liegen bleiben. Die Abonnenten müssen in der Schaufenster-Reklame eine Ent schädigung für die unverkäuflichen Karten finden. Wer nur wenig unverkäufliche Karten in Aussicht genommen hat, während sich jetzt sehr viele unverkäuflich zeigen, wird allerdings unzufrieden sein, doch begründet dies allein keine Aufhebung des Vertrags. Solche wäre vielleicht be rechtigt, wenn der Bezieher der Karten nachweist, daß ihm vor Abschluß unrichtige Mitteilungen über die Art und Ausführung der Karten gemacht wurden. Da die uns vor liegenden Karten gut hergestellt sind, so scheint dieser Fall nicht vorzuliegen, und wir glauben auch, daß der Ver leger im eigenen Interesse und ohne Zwang seine Ab nehmer irgendwie befriedigen wird, soweit dies möglich ist. Solche Karten, welche der Verleger entweder garnicht oder später als zugesagt gesandt hat, die also zu lange nach Eintreten der Tagesereignisse eintrafen, kann der Be steller ablehnen. Wie wir hören, ist der Verleger den Abnehmern schon dadurch entgegen gekommen, daß er auf Wunsch für einen Teil der Neuigkeitskarten neue Genre-Karten liefert, und nun will er auch noch seinen Kunden dadurch entgegen kommen, daß er ihnen statt der abgeschlossenen je 3 oder 5 Karten nur je eine, aber zu etwas erhöhtem Preis liefert. Die Preiserhöhung erscheint berechtigt, da der Verleger bei kleinerer Auflage höhere Kosten auf je eine Karte hat. Der Verleger hat uns nachgewiesen, daß ausdrücklich vereinbart war, der Betrag solle durch Postauftrag erhoben werden, falls der Besteller innerhalb einer bestimmten Frist nicht bezahlt. Der Verleger war also berechtigt, Postauftrag zu senden und den nicht einlösenden Besteller zu verklagen.