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Natur bietet und zeigt, wiederzugeben, ist kein Maler im stande, darum zeigt jedes nach der Natur aufgenommene Bild eine subjektive Auffassung. Das Wichtigste bei dem Landschaftsbilde ist zunächst die Silhouette; einige wenige Linien können schon einen Höhenzug, ein Gewässer markieren. Es ist ein Irrtum, wenn man glaubt, die Landschaft habe keine Bewegung, sie zeigt schon in der Ruhe Bewegung, ist aber auch lebendig bewegt. Der Vor tragende geht dann auf einzelne seiner Arbeiten näher ein und schildert ihre Entstehung und Eigenart; er weist darauf hin, daß gerade die dunstige Berliner Luft zum Zeichnen nach der Natur geeigneter sei, als die Gebirgs luft, weil in der reinen staubfreien Atmospäre die perspek tivischen Verhältnisse sich sehr verändern. Auch die Wiedergabe von Wolkengebilden sei, so einfach sie er scheine, besonders schwierig. Die Silhouetten von Städte bildern seien öfter falsch, auch eine solche Silhouette müsse Perspektive erkennen lassen. Schließlich empfiehlt der Redner den Mitgliedern, sich im Zeichnen nach der Natur zu üben; es werde dies jedem bald einen Genuß bereiten. Lebhafter Beifall lohnte den Redner für seine ebenso interessanten wie lehrreichen Ausführungen, und der Vorsitzende dankte Herrn Wagner namens der Ge sellschaft Bei dem anschließenden Meinungsaustausch, an dem sich die Herren Erler, Filzhuth, Könitzer, Paul Müller und Amsel beteiligten, wurde auf die Verschiebung der perspek tivischen Wirkung hingewiesen, die eintritt, wenn man eine Landschaft mit seitswärts gedrehtem Kopfe oder dann ent steht, wenn man mit dem Kopf durch die eigenen Beine sieht. In Beantwortung einiger Anfragen bemerkte Herr Wagner, daß die Ausübung jeder Kunst immer gewisse handwerksmäßige Fertigkeiten erfordere, die man sich nur durch die Praxis aneignen könne. Herr Erler teilte unter Bezugnahme auf die in voriger Sitzung erwähnte amerikanische Adressiermaschine mit, daß auch die Firma Gutenberghaus Franz Franke in Schöneberg solche Maschinen fabriziert, bei welcher die einzelnen Adressen mittels der Setzmaschine in Schrift zeug hergestellt und auf einer endlosen Kette, die aus Metallblättern besteht, befestigt werden. Diese Adressen werden auf Bestellung von der Firma geliefert, sie sind sehr dauerhaft und kosten pro Stück zweizeilig 15 Pf., drei zeilig 20 Pf. Die ganze Maschine, die für Fußtrittbewegung eingerichtet ist, kostet 200 M., sie liefert in der Stunde 1500 Adressen und ersetzt mit dieser einstündigen Leistung das Zweitagewerk eines geübten Schreibers. Die Platten werden gleich in Kettenform geliefert. Schließlich teilte Herr Erler noch mit, daß Herr Ernst Morgenstern dem Verbände der Deutschen Typographischen Gesellschaften eine größere Anzahl Drucksachen zur Ver fügung gestellt habe und dankte für diese freundliche Zu wendung. Mit dem Wunsche, daß auch die Lesestunden während der nunmehr beginnenden Ferien fleißig besucht werden möchten, schloß der Vorsitzende um 111/2 Uhr die Sitzung. Der Verein Berliner Buchdruckerei-Besitzer (Bezirk Berlin des Deutschen Buchdrucker-Vereins, Kreis Vlll, e. V.) hielt am 29. Juni abends 8 Uhr im Berliner Buchgewerbesaal seine Vierteljahrsversammlung ab. Als erster Punkt der Tagesordnung fand die Verteilung der Lehrbriefe an die Neuausgelernten statt. Der zweite Vorsitzende, Herr Martin Franz, begrüßte die an wesenden Mitglieder sowie die jungen Gehilfen aufs herzlichste und ermahnte die letzteren, nicht nachzulassen in dem Bestreben nach Weiterbildung. Im ganzen waren es 118 Neuausgelernte, denen Lehrbriefe überreicht wurden. Von diesen sind 96 vom Prüfungsausschuß des Vereins und 22 von demjenigen der Hand werkskammer (übrigens ein und derselbe mit Ausnahme der dem letzteren angehörenden Gehilfenmitglieder) geprüft worden, davon waren 76 Setzer und 42 Drucker. Das Prüfungsergebnis ist als leidlich gut zu bezeichnen: 4 erhielten das Prädikat recht gut, 24 gut, 44 ziemlich gut und 46 genügend. Die mit »recht gut« und »gut« ausgezeichneten erhielten je eine Prämie und zwar das Buch von Otto Krüger, »die Technik der bunten Akzidenz«, sowie »die Farben und ihre Töne« von W. Ehlert. Mit den besten Wünschen für ihr Fortkommen wurden die Neuaus gelernten entlassen. — Dann wurden die Satzungen der Unter stützungskasse des Vereins Berliner Buchdruckereibesitzer beraten. Diese Kasse, welche s. Zt. vom früheren Bunde ge gründet wurde, um in Not geratene Mitglieder oder deren An gehörige zu unterstützen, ist bei der Auflösung des Bundes mit einem Kapitalbestand von 11263 M. 48 Pf- vom Verein übernommen worden. Der Vorstand hat vom Syndikus des Vereins neue Satzungen ausarbeiten lassen, deren Wortlaut en bloc genehmigt wurde. Nächstdem teilte der Vorsitzende mit, daß die Eintragung des Vereins in das Vereins-Register erfolgt sei. Ferner wies er darauf hin, daß in der letzten Kreisversammlung beschlossen wurde, eine neue Agitation zur weiteren Gewinnung von Mit gliedern zu veranstalten, und zwar wurde als der geeignetste Weg die persönliche Propaganda empfohlen. Zu dem Zwecke sollen die Vereinsmitglieder Verzeichnisse derjenigen tariftreuen Firmen erhalten, welche noch nicht Mitglieder sind und dies dann besuchen. Außerdem soll ein Werbebrief abgefaßt werden, der zum Beitritt auffordert. Die Gewerbedeputation des Magistrats hat dem Verein das Restvermögen des aufgelösten Bundes überwiesen unter der Voraussetzung, daß es für die Beschaffung von Prämien für würdige Schüler der Buchdruckerfachschule Verwendung findet. Schluß der Sitzung 1/210 Uhr. -tz- Einrichtung einer Sortiments-Buchbinderei Fortsetzung zu Nr. 52 Material. Wenn man in einer Gesellen- oder Meister prüfungs-Kommission die Antworten der jungen Leute auf Fragen über Material hört, staunt man, wie schlecht sie darüber unterrichtet sind. Und wie oft könnte das Miß lingen von Arbeiten vermieden werden, wäre den Arbeitern Ursprung, Zusammensetzung und Eigenschaften der von ihnen zu verarbeitenden Stoffe besser bekannt. Darum halte ich diesen Abschnitt für einen der nützlichsten. Am Bucheinbände werden sich die meisten der von uns ver arbeiteten Rohstoffe, Halb- und Ganz-Fabrikate am besten in geordneter Folge besprechen lassen. Ich nehme an, es liegen mir noch Bücher aus un geleimtem Papier vor, und der Kunde verlangt, daß das Papier geleimt werde. Dazu brauche ich Planierwasser. Dieses machte uns Alten keine Kopfschmerzen, und ich habe während meiner Lehrjahre und selbst noch ein Jahr zehnt als Meister manches Buch planiert. Von unsern jüngeren Buchbindern dürften aber nur sehr wenige das Rezept zum Planierwasser kennen. Hier ist es: 12 Pfund guten Lederleims wird zerklopft, in 10 Pfd. weichen Wassers eine Nacht eingeweicht und darin aufgekocht. Unterdes löst man auch 1/4 Pfd. Alaun in 4 Pfd. heißem, weichem Wasser auf und schüttet dann die Alaun-, darauf die Leim lösung durch einen engmaschigen Sack in eine genügend große Wanne, rührt die Mischung gut untereinander und kann dann planieren. Das Wasser bleibt längere Zeit brauchbar, darf aber stets nur heiß bis warm, niemals lau oder gar kalt verwendet werden. Die Bücher sind zum Heften vorbereitet, d. h. es fehlen noch die Bundeinschnitte und die Vorsetze. Beim Einsägen sorgt man für die Bund schnüre und wählt zu diesen möglichst gleichmäßig dicken und festen Bindfaden, welcher sich leicht aufdrehen, daher gut aufschaben läßt. Der Bindfaden muß aus Hanffaser hergestellt sein, Wergbindfaden besteht aus allerlei billigen spinnbaren Pflanzenfasern, alten Fasern und Abfällen und ist wohl als Packstrick, nicht aber als Bund in Büchern zu brauchen. Den Faden wähle man so dünn wie möglich, damit man nicht zu tief einsägen muß, und keine Bundbuckel am Rücken und an den Fälzen entstehen. Hanfgarn eignet sich gut für Bundschnüre. Man hat jetzt aber auch zu sammengedrehtes Flanfgarn, welches bei gleicher Weiche und Festigkeit und gleich leichtem Aufschaben bequemer wie ein einzelner Hanfgarnfaden zu verarbeiten ist. Die Vorsetze können aus Pack-, Schreib-, Naturleinen-, Bütten-, Satin-, Glace-, Moire-, Marmor- oder Dessin-Papieren be stehen, und diese Papiere können mit oder ohne Stoffälze verwendet werden. Hanf-, Tauen- und Zellstoff - Pack papiere sind dort zu Vorsetzen zu verwenden, wo es nicht auf Farbe und Glätte, destomehr aber auf Festigkeit der Vorsetze ankommt. Zellstoffpack ist von genannten drei Arten das billigste und reicht bei gewisser Stärke für die Bücher in Volksbibliotheken aus. Schreib- und leichte Naturpapiere verwendet man zu Schul- und andern einfach zu bindenden Büchern. Die Papiere sollen aber holzfrei sein, da sie sonst in den Fälzen brechen und später auch vergilben. Hanf- und Tauenpapiere werden, wie der Name sagt, aus Hanffaser und alten Tauen, Stricken und Bind fäden, welche also auch aus Hanffaser bestehen, mit mehr