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Nr 71 PAPIER-ZEITUNG 2949 In einem mittleren Geschäft von 100 000 M. jährlicher Lohn zahlung würde das eine Belastung von 2 v. H. sein, und es Würden sich schwere Bedenken gegen diese Belastung ergeben. Verfasser bekämpft den Vorschlag, die Pflegedame solle als Meisterin angelernt werden. In der Papier verarbeitenden Industrie z. B. gibt es viele Betriebe, in denen weibliche Arbeiter beschäftigt werden, aber die schwereren Arbeiten von Männern verrichtet werden müssen. Abteilungen, in welchen ausschließlich weibliche Arbeiter tätig sind, werden meist ohnehin schon von Meisterinnen geleitet. Die Abteilungen, in denen männliche und weibliche Arbeiter zusammen sind, Werden fast durchweg von männlichen Meistern geleitet. Verf. hatte in einer Abteilung seiner Fabrik eine Dame als Meisterin, es ließ sich aber nicht durchführen, daß auch die Männer ihr unterstellt blieben, und Verf. mußte die Männer, da ihre Ueberlegenheit im Maschinenbetrieb bestand, aus der Macht vollkommenheit der Meisterin ausscheiden. Eine neu eingestellte Pflegedame könnte schon deshalb nicht einen Meister ersetzen, weil sie die Kenntnisse, die der Meister in einer Lehrzeit von drei bis vier Jahren und einer Tätigkeit als Gehilfe von 10 und mehr Jahren, durch Besuch von Fort- bildungs-, Zeichen- usw. Schulen erworben hat, in drei Monaten, wie man annimmt, oder auch selbst in einem Jahre nicht er werben könnte. Auch sträuben sich in Fabrikbetrieben die Arbeiter oft mit Recht dagegen, daß eine bisher von Männern oder Burschen geübte Arbeit weiblichen Kräften übertragen werden soll. Oft erweisen sich auch Damen, welche, für sich allein ar beitend, vorzüglich sind, an eine Stelle gestellt, wo sie eine größere Anzahl von Menschen leiten sollten, als unbrauchbar. Nervosität, d. h. mangelnde Geduld, macht es ihnen unmöglich, die unter ihrer Leitung Stehenden erfolgreich zu führen. Eine überaus große Schwierigkeit bietet das weibliche Arbeiterpersonal selbst. In jedem Geschäfte werden die Arbeits kräfte zu bestimmten Zeiten durch Einstellung vermehrt und zu andern Zeiten verringert. Aber das Personal wechselt auch durch Heiraten, Krankheiten usw. Dabei gelingt es z. B. in Berlin nur zum Teil, die Mädchen längere Zeit in der Arbeit zu erhalten. Es gibt darunter solche, welche nur vorübergehend Arbeit annehmen, und andere, die aus nichtssagenden Gründen die Arbeit aufgeben. ♦ Ferner suchen viele Arbeiterinnen sich interessant zu machen und vorzudrängen. Eine Pflegedame muß also, wenn sie der Fabrikleitung dienen soll, befähigt sein zu unterscheiden, ob die an sie herantretenden Klagen gerechtfertigt sind. Verf. kommt auf Grund des Gesagten zum Schlüsse, daß sich als Pflegedamen nur Meisterinnen solcher Abteilungen, wo nur Mädchen arbeiten, oder weibliches kaufmännisches Personal, welches die Bücher des Fabrikbetriebes führt, eignen. Sie müssen aber schon längere Zeit in dem Betriebe tätig sein. In Betrieben mit mehreren Abteilungen besteht die Schwierigkeit, daß sich die getrennt arbeitenden meist nicht genau kennen lernen, da die Meisterin oder die Buchhalterin außer dem Ein blick in ihre Abteilung kaum solchen in die andern erhält. Es müßten also bei diesen Damen, sollten sie als Pflegedamen wirken können, Eigenschaften vorhanden sein, durch welche ihre Persönlichkeit sich das Vertrauen der außer ihrem engeren Wirkungskreis Stehenden erwerben könnte. In vielen Geschäften werden die meisten Arbeiten, welche der Pflegedame zukommen, schon jetzt in befriedigender Weise von Fabrikausschüssen und dergl. geleistet. Lohnbewegung in der Berliner Konto- Buchbinderei Der Tarif in der Kontobuch-Industrie läuft am 30. September 1906 ab. Die Arbeitnehmer haben schon vor längerer Zeit ihre neuen Forderungen den Arbeitgebern unterbreitet. Nunmehr ist der Bescheid der Arbeitgeber erfolgt. Die Arbeitgeber lehnen den Akkordtarif ganz ab, da er Positionen über Arbeiten enthalten soll, die in ihren Betrieben überhaupt nicht her gestellt werden. Sie wollen die Reglung der Akkordsätze späteren Vereinbarungen überlassen. Ferner bieten die Arbeitgeber für ausgelernte Arbeiter bis zum 19. Lebensjahre den alten Stundenlohn von 41 Pf.; die Ge hilfen haben 46 Pf. gefordert. Die Arbeitgeber haben dann eine neue Lohnstufe für ausgelernte Arbeiter bis zum 21. Jahr, und zwar mit einem Stundenlohn von 43 Pf., eingefügt. Für alle ge lernten Arbeiter bieten sie schließlich 48 gegen 51 Pf., welchen Betrag die Arbeitnehmer gefordert hatten. Auch bezüglich der Löhne für die weiblichen Arbeiter solle es beim alten Tarif bleiben. Ebenso sollen die Zuschläge für Ueberstunden unver ändert bleiben. Auch in der Frage des Schiedsgerichts sind noch Abweichungen zwischen den beiden Angeboten vor handen. Die Arbeitnehmer fordern einen unparteiischen Vor sitzenden, die Unternehmer haben dies rundweg abgelehnt. Zu diesem Unternehmer-Angebot nahm am 30. August eine zahlreich besuchte Versammlung der Kontobuchbinder-Arbeiter und -Arbeiterinnen Stellung, und eine Resolution wurde an genommen, in der die Versammelten den Vorschlag der Fabri kanten ablehnen, und die Tarifkommission beauftragen, auf Grund der gegenseitigen Vorschläge zu verhandeln. Sollte kein an nehmbares Ergebnis erzielt werden, so wird eine neue Versamm lung einberufen. Hierbei kommen über 600 Arbeitnehmer in Betracht, von denen die Hälfte weibliche Arbeitskräfte sind. Anläßlich dieser Tarifbewegung der Kontobuchbinder haben auch die im Handels und Transportarbeiter-Verband organisierten Packer, Fahrer, Hausdiener usw. neue Forderungen gestellt. Diese wurden von den Unternehmern abgelehnt. (Berl. Morgenpost) Russische Regierungsdruckerei in St. Petersburg. An dem mißglückten russischen Generalstreik nach Auflösung der Duma beteiligte sich auch das Personal der Regierungsdruckerei, sodaß auch die amtlichen Blätter nicht erscheinen konnten. Durch Verfügung des Ministeriums des Innern wurde nun das gesamte Personal bis zum Lehrling und letzten Hilfsarbeiter herab ent lassen, und die Druckerei der Ober-Preßverwaltung unterstellt, welche ein vollständig neues Personal anstellen will. (Oesterr.-ungar. Buchdrucker-Ztg.) Stuttgarter Brief Ende August Der Friede im Steindruck- und Buchbindergewerbe in Stuttgart wie in den andern Druckstädten hat einen Kampf im Buch gewerbe beendet, der an Größe nur von dem Kampf der Buch drucker 1891/92 übertroffen wurde. Für Arbeitgeber und -nehmer wird es vorteilhaft sein, künftig diese wirtschaftlichen Kämpfe zu vermeiden und Streitigkeiten auf gütlichem Wege zu regeln. Gehen auf der einen Seite Arbeiten verloren, so verliert auf der anderen Seite mancher Arbeiter seinen früheren Arbeitsplatz. Die Rembrandt-Ausstellung im Museum der bildenden Künste erfreut sich noch immer lebhaften Besuchs; sie wird bis 1. Oktober geöffnet bleiben. Eine kürzlich im Landesgewerbe museum abgehaltene Ausstellung von Zeichnungen, Studien und Entwürfen dreier Stuttgarter Lehrer enthielt viele Arbeiten für das Buchdruckgewerbe. In Rothenburg a. N. findet zur Zeit eine Jubiläums-Gewerbe- und Industrie-Ausstellung statt. Der dieselbe besichtigende Präsident der K. Zentralstelle für Handel und Gewerbe, Herr v. Mosthaf, sprach sich befriedigt darüber aus, daß bei dieser Ausstellung aller unnötige Prunk vermieden sei. Ein erwähnenswertes Preisausschreiben erläßt die Stadt Ludwigsburg und der dortige Verein für Fremdenverkehr durch den Württembergischen Kunstgewerbeverein. Es betrifft die Erlangung eines Plakatentwurfs für die Stadt Ludwigsburg. Zur Teilnahme ist jeder Künstler eingeladen. Der Entwurf soll auf die Glanzzeit Ludwigsburgs im 18. Jahrhundert hinweisen, doch ist die übliche Anhäufung von Ansichten nicht erwünscht. Das Preisgericht bilden die Herren Oberbürgermeister Dr. Harten stein und Fabrikant Richard Frank in Ludwigsburg, Professor R. v. Haug, Prof. Carlos Grethe, Prof. Bernhard Pankok, Prof. P. Schmohl und Dr. R. Frank-Oberaspach in Stuttgart. Die Preise betragen 1000, 700 und 300 M. sowie weitere 1000 M. zum Ankauf weiterer hierzu empfohlener Entwürfe. Der Schriftsetzer Albrecht Eichleiter, welcher mit 74 Jahren noch am Kasten steht, konnte sein 6ojähriges Berufsjubelfest feiern. Dem Veteran, welcher der Senior der Stuttgarter noch tätigen Gehilfen ist, wurden viele Aufmerksamkeiten zuteil, und mit den Geldgeschenken der Firma Paul Singer, seines früheren Prinzipals Dietz und seiner Kollegen konnte er sich auf kurze Zeit in den Schwarzwald zur Erholung zurückziehen. S. Aus den Typographischen Gesellschaften Leipzig. Typographische Gesellschajt. In der Sitzung vom 22. August erwähnte der Vorsitzende den demnächst in Leipzig, Buchgewerbehaus, stattfindenden Vertretertag des V. D. T. G. und gab gleichzeitig die Anträge bekannt, welche die Leipziger Gesellschaft dem Verbandstage vorlegen, beziehungsweise dem Hauptvorstande rechtzeitig zugehen lassen wird. Sie bezwecken: 1. Personen, die bereits einer Typographischen Gesellschaft an gehörten, beim Wechsel des Ortes in den neueinzutretenden Verein vom Eintrittsgelde zu befreien. 2. In Zukunft die ge zahlten Beiträge im Jahresbericht gesondert aufzuführen, sodaß zu ersehen ist, wieviel jeder Verein an Beiträgen gezahlt hat. Ferner soll festgestellt werden, inwieweit die größeren Vereine Referenten entsenden können. Desgleichen soll in Erwägung gezogen werden, ob der Beitrag in Zukunft so bleiben soll, oder ob es etwa angängig sei, daß kleinere Vereine mehr, größere Vereine weniger zahlen. Sodann sprach der Gründer des Johannisfestdrucksachen- Austausches, Herr A. Küttner, über die diesjährigen Arbeiten,